Zusammenstellung 15.1.2017 - bei der AbL Niedersachsen/Bremen

In dieser Ausgabe der AGRAR-Hinweise
werden vor allem Texte zu Entwicklungen in der Bio-Branche dokumentiert.
Wir hoffen, dass sich die Bioverbände mit ihrer PR nicht vorrangig und pauschal von
der „konventionellen Landwirtschaft“ abgrenzen, sondern die gemeinsamen
Interessen von konventionellen und Bio-Bauern bei der Sicherung von Bauernhöfen
gegenüber Agrarindustrie und „Bio“-Agrarindustrie erkennen.
Die Umstellung auf einen bäuerlichen Öko-Landbau ist und bleibt natürlich eine gute
Sache – aber noch wichtiger als vordergründige höhere Marktanteile, Umsätze oder
Bioflächen-Prozente sind (zumindest für die Erzeugerstufe in den Bioverbanden)
faire Bio-Erzeugerpreise, die mit einer vernünftigen und verkraftbaren
Mengenentwicklung verbunden sind.
Eine Strategie für mehr Umwelt- und Tierschutz (zu fairen und höheren
Erzeugerpreisen für „Klasse statt Masse“) auch im konventionellen Bereich ist keine
Konkurrenz-Bedrohung für Biobetriebe, sondern verringert die käuferabschreckende
Preisdifferenz zwischen konventionellen und Bioprodukten und gibt dem Biosektor
ausreichend Spielraum, die notwendige Verbesserung der Bio-Standards vor allem in
der Tierhaltung anzugehen.
Ganz abgesehen davon, dass der Hauptweg oder gar alleinige Weg zur Erreichung
der gesellschaftlichen Tierschutz-, Umweltschutz- und Klima-Ziele nicht die
Umstellung auf „Bio“ sein wird…
Insofern ist eine verstärkte Solidarität zwischen Bio- und konventionellen Bauern
nicht nur zur gemeinsamen Abwehr der Agrarindustrialisierungs-Verdrängung
angesagt – diese Solidarität bei der Sicherung fairer Erzeugerpreise sollte auch die
Hauptstrategie der Bioverbände werden. Konventionelle und Bio-Erzeugerpreise
hängen – von kurzfristigen Abweichungen abgesehen – eng miteinander zusammen.
Allein schon wegen der umstellungsbedingten Bio-Mengen- und Preisentwicklung,
wenn die Erzeugerpreise im konventionellen Bereich ruinös sind.
Und schließlich und endlich: Wenn die Bioverbände strategisch wirklich weiter auf
„Bauernhof-Bio“ statt auf Agrarindustrie-„Bio“ setzen, dann müssten sie den Kampf
um den Erhalt auch von konventionellen Bauernhöfen in mittelständisch-bäuerlichen
Größenordnungen unbedingt unterstützen: Wer soll denn sonst auf Bio umstellen?
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
Landesverband Niedersachsen/Bremen e.V. – Pressesprecher:
Eckehard Niemann, Varendorfer Str. 24, 29553 Bienenbüttel
0151-11201634 – [email protected]
Newsletter „Agrar-Hinweise“ – 15.01.2017
vorherige Ausgaben auf der Internetseite http://www.abl-niedersachsen.de/
Dokumentation | planet e.:
Bis zur letzten Kuh - warum viele Bauern aufgeben müssen
In ganz Europa müssen immer mehr Bauern ihre Höfe schließen. Viele Dörfer sind
bereits ausgestorben. Kritiker meinen: Viele Landwirte sind selbst daran schuld, dass
es ihnen schlecht geht.
Sendungsinformationen:
ZDF, 15.01.2017, 16:30 - 17:00 Uhr
Denn die Krise ist auch hausgemacht. Viele Bauernfunktionäre haben den
Landwirten jahrelang empfohlen, ausschließlich auf Wachstum zu setzen:
Zukunftsfähigkeit durch Turbo-Kühe und Massenställe, Produkte auch für den Export.
BIO-BRANCHE
BAUERNHOF-BIO oder AGRARINDUSTRIE-„BIO“?
Wirtschaftswoche 3/2017 zur Entwicklung im Handel mit
Bioprodukten:
„Bio gegen Bio“
Das Geschäft mit Biolebensmitteln ist die große Wachstumshoffnung der Branche.
Die Folge: Preiskämpfe, Massenproduktion und ungebremste Expansion,
ausgerechnet die Pioniere bleiben auf der Strecke. …
… Dabei wird die Kulisse gewaltig sein, wenn sich die Ökoszene des
Lebensmittelhandels Mitte Februar in Nürnberg zu ihrer Weltleitmesse Biofach trifft:
„Building an Organic Future“ lautet das pompöse Motto. … Wie im Rausch eröffnen
Bioketten wie Alnatura und Dennree derzeit neue Läden. Gleichzeitig wildern
konventionelle Supermärkte und Discounter im Naturkostrevier. … Nun bereiten sie
die neue grüne Welle vor. … Massenproduktion, Preiskämpfe und Filialisierung
pflügen das deutsche Ökogeschäft um. In der Branche gilt: Bio gegen Bio. … Im
Biorevier sind die beiden Unternehmen (Dennree und Alnatura) Jäger und Gejagte
zugleich. …
BioMarkt.info – 13.1.2017:
BÖLW nimmt konventionelle Handelsunternehmen als
Mitglieder auf
Die Arbeitsgemeinschaft Ökologisch engagierter Lebensmittelhändler und Drogisten
(ÖLD) ist ab sofort Mitglied im Spitzenverband der deutschen Bio-Branche. Das teilte
der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gestern mit. In der Ende 2016
gegründeten ÖLD haben sich die konventionellen Handelsunternehmen Budni, dm,
Globus, REWE Group und tegut zusammengeschlossen.
Die Händler würden dazu beitragen, dass Bio in vielen Super- und Drogeriemärkten
boomt, heißt es in einer Verbandsmitteilung. Mit der Mitgliedschaft
im BÖLW unterstrichen die Unternehmen ihr nachhaltiges Interesse an Bio und würden
den Verband als politische Vertretung der Branche stärken. „Schon immer vereinen wir
neben Bio-Bauern und -Herstellern auch den Handel unter unserem Dach. Neben dem
Naturkostfachhandel und den Reformhäusern ist mit der ÖLD und ihren Mitgliedern nun
ein weiterer wichtiger Vermarktungskanal für Bio-Produkte an Bord“, so BÖLWGeschäftsführer Peter Röhrig.
tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet erklärte als Vertreter der ÖLD: „Als
Lebensmitteleinzelhändler wollen wir zusammen mit Erzeugern und Verarbeitern über
die einzelnen Prozessabschnitte hinweg nachhaltig handeln. Wir freuen uns, dass wir im
Bio-Spitzenverband BÖLW die positive Entwicklung von Bio unterstützen können". Das
Fuldaer Handelsunternehmen tegut bietet seit den 80er Jahren Bio-Produkte an.
Eigenen Angaben zufolge erwirtschaftet es damit heute rund 25 Prozent des Umsatzes.
Zum Ziel habe die ÖLD, „die ganzheitlich ökologische Wirtschaftsweise, den Anbau, die
Herstellung und Verbreitung von Bio-Lebensmitteln zu fördern“, heißt es in einer
Mitteilung von dm. Die Drogeriekette hat seit rund einem Jahr Naturland zertifizierte
Lebensmittel im Sortiment, über 350 Produkte der Eigenmarke dm Bio tragen das
Verbandslabel. Das gesamte Bio-Lebensmittelsortiment umfasst laut dm mittlerweile
rund 1.000 Artikel. Auch die Nutzung des Demeter-Siegels streben die Karlsruher an.
Unter der Eigenmarke haben sie bereits heute Lebensmittel aus biologisch-dynamischen
Anbau in den Regalen.
Weil sich das Bio-Geschäft sehr dynamisch entwickle, werde man damit in absehbarer
Zeit einen Umsatzanteil von 10 Prozent erreichen, sagte Geschäftsführer Erich
Harsch auf der dm-Bilanzpressekonferenz im Oktober.
Kommentar von Georg Rieck | 13.01.2017
Ja prima, neue Mitglieder sind immer gut und neue Vermarktungskanäle für BIO
auch - !
Wenn der Marke BIO damit aber kein Bärendienst geleistet werden soll, halte ich
eine "Erziehungsmaßnahme" für unerlässlich:
Preismarketing muss für BIO - Produkte tabu sein!
Wenn die Herren auf dem Rücken der BIO - Produkte ihre elenden Machtkämpfe
austragen, schadet das "BIO" mehr, als der neue Kanal nützen könnte! Fair und
nachhaltig (ökologisch) zu Boden, Pflanze , Tier und Mensch geht nur, wenn die
dazu notwendige Wertschöpfung errreicht wird! Weil diese Akteure im blinden,
egoistischen Kampf um Marktanteile mit Preismunition um sich ballern, entsteht
diese fatale Kausalkette, Rossmann, DM, denns, Alnatura. Sie zerstören den
Markenkern von "BIO", weil sie genau die Mechanismen einführen, die das ganze
Desaster unserer LBM - Wirtschaft angerichtet hat.
Wenn BIO 3.0 darin besteht, dass dieser Markt bis auf die Grundsubstanz
konventionalisiert werden soll, wird BIO nicht überleben! Eine Marke, die ihren Kern
verliert und ihr Profil verwässert ist schneller tot, als der € rollt!
Links zu Struktur und Akteuren der Bio-Handelsszene:
http://www.biohandel-online.de/HTML/hintergrund/hg20120304_top25.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Biosupermarkt
https://www.handelsdaten.de/lebensmittelhandel/zahl-der-filialen-der-groessten-biosupermaerkte-deutschland-jahresvergleich
https://www.welt.de/wirtschaft/article137574570/Der-fast-aussichtslose-Kampfgegen-die-Bioketten.html
https://www.torial.com/leo.fruehschuetz/portfolio/25739
http://biohandel-online.de/bio-hersteller.html
https://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/201211b06.html
http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/denns-alnatura-bio-company-die-fuenfkaempfe-um-die-zukunft-des-biohandels/11353566.html
http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/dm-versusalnatura-104.html
Bio-Landbau – viel mehr als „nur“ Produktionstechnik:
Bio-Landbau sollte/soll agrarpolitisch der Unabhängigkeit
und der Sicherung von Bauernhöfen dienen…
Internetseite Bioland: Bioland-Geschichte
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gründete der Agrarpolitiker Dr. Hans Müller die
Bauernheimatbewegung in der Schweiz. Die heimische Landwirtschaft befand sich
zu jenem Zeitpunkt im Umbruch: Weg von der traditionellen hin zu einer intensiven
chemisch-technischen, von der Industrie abhängigen Wirtschaftsweise, lautete
die Devise. Mit möglichst geschlossenen Betriebskreisläufen wollte Dr. Müller die
Existenz der Bauern sichern: Unabhängigkeit vom Zukauf von Betriebsmitteln und
eine unabhängige Vermarktung hatten höchste Priorität. Aus dieser Idee heraus
entwickelte er zusammen mit seiner Frau Maria und dem deutschen Arzt Hans Peter
Rusch in den folgenden Jahren die Grundlagen des organisch-biologischen
Landbaus.
Unabhängige Bauernstimme Oktober 2012:
Der Ökolandbau als Zielscheibe heftiger Medien-Kritik
AbL fordert Verbände zu Abgrenzung „Bauernhof-Bio“
gegen „Agrarindustrie-Bio“ auf
Derzeit schwappt eine massive Welle der Kritik am Biolandbau durch die Medien.
Dabei geht es einerseits um die Gesundheitseffekte von Bio-Lebensmitteln, um
Betrug bei Soja-Futtermittel-Importen und vor allem um Misstände in der ÖkoTierhaltung: Gezeigt wurden Bilder von vernachlässigten Schweinebeständen mit
hohen Gülleschichten und ohne Einstreu oder von „Freilandhühner-Ausläufen“, die
angesichts zu großer Bestände und fehlender Strukturen lediglich auf dem Papier
stehen.
Stanford-Studie und FAKT-Reportage
Die aktuelle „Stanford-Studie“ kommt nach Auswertung vieler Untersuchungen zu
dem Ergebnis, Bio sei nicht viel gesünder sei als konventionell erzeugte
Lebensmittel. Die Bio-Verbände haben daraufhin zu Recht nicht nur auf
Unterschiede bei den Pestizid-Rückständen und die Gentechnikfreiheit hingewiesen,
sondern vor allem auch auf die Vorzüge des Ökologischen Landbaus hinsichtlich
Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft, Klimaschutz, Fruchtfolgen und Vielfalt.
Man hätte sich vielleicht noch deutlichere Hinweise gewünscht, dass dies eine
besonders bäuerliche Produktionsweise ist, die auf den Betriebsorganismus und die
Unabhängigkeit von Chemiekonzernen zielt. Aber trotz unübersehbarer Tendenzen
einer „Konventionalisierung“ in bestimmten Bereichen des Ökolandbaus und des
noch notwendigen (restriktiven) Einsatzes von Kupfer-Spritzmitteln im Obst-, Weinund Kartoffelanbau hat die Branche hier eigentlich ein gutes argumentatives
Fundament.
Das gilt eigentlich auch für den Bereich der Tierhaltung, wie es ja Tausende von
Ökobetrieben mit ihren artgerechten und vorzeigbaren Ställen und Auslaufflächen
Tag für Tag beweisen. Trotz notwendiger Weiterentwicklungen im professionelleren
Management oder der Zucht geeigneter Zweinutzungsrassen trauen die Verbraucher
gerade dem Ökolandbau eine artgerechte Tierhaltung zu und erwarten gerade diese
von ihm. Umso verheereder die aktuellen Berichte der ARD-Sendung FAKT über
schlechte und schlimme Zustände in Hühner- und Schweineställen. Den meisten
Verbrauchern könnte man vermutlich noch erklären, dass auch Biobetriebe keine
Bullerbü-Idylle sein können und dass es dort eben auch (noch) Probleme mit dem
art-typischen Federverlust der Hühner in der Mauser oder der Fütterung mit
bestimmten essentiellen Aminosäuren geben kann. Und dass man bemüht ist, die
Fälle von Vernachlässigung auch in der Öko-Tierhaltung (infolge Überarbeitung oder
fehlendem Know-How) aktiv durch Beratung und Kontrolle anzugehen.
All dies ist lösbar und erklärbar, weil es sich nicht um systembedingte oder
strukturelle Probleme handelt. Was wirklich zu großer Besorgnis und offensiver Kritik
Anlass gibt, das ist die zunehmende Übernahme und Agrarindustrialisierung immer
größerer Bereiche der Bio-Tierhaltung durch große Player und Konzerne der
klassischen Agrarindustrie:
Bio-Geflügelbarone
Allen voran das Firmengeflecht um Heinrich Tiemann (siehe September-Ausgabe
der Bauernstimme). Sein Unternehmen „Wiesengold“ ist längst vom Konzern
„Deutsche Frühstücksei GmbH“ übernommen worden. Enge Verbindungen bestehen
zum „GS agri“-Futtermittelkonzern („Grüne Wiesen Biohöfe GmbH“, „Biofono“, „Bio
Eichenmühle GmbH & Co.KG“, „Bio-Geflügelhof Müritz GmbH“), der auch bei der
agrarindustriellen Haltung Tausender konventioneller Sauen aktiv ist. Aus
agrarindustriellem Umfeld stammt auch Friedrich Behrens, der unter dem Namen
„Fürstenhof“ ein Netz von biozertifizierten Legehennen-Firmen in Ostdeutschland
aufbaut. Ein Teil der Bilder von Hühnern ohne Federkleid stammt laut FAKT aus
seinen Stallanlagen. Tiemann gehört dem „Naturland“-Verband an, Behrens dem
„Biopark“-Verband. Beide Konzerne zusammen dürften nach Schätzung von
Branchenexperten mittlerweile etwa die Hälfte aller „Bio-Eier“ im klassischen
Lebensmittelhandel liefern. Weitere Akteure in diesem Öko-Bereich: Eskildsen
(konventionell: „Landkost-Ei“), Hennenberg oder Werner Hofreiter – allesamt mit
Wurzeln, Aktivitäten oder Verbindungen zur klassischen Agrarindustrie.
Nicht zu vergessen die Gruppe um Martin Bohm als Gründer der „Freiland Puten
Fahrenzhausen GmbH“, an der laut Firmenregister auch der Brite Paul Kelly und die
niederländische Coolen International B.V. maßgeblich beteiligt sind. Mit der „Haltung
von Bio-Hähnchen auf bäuerlichem Boden“ sind offenbar 6 Aufzucht- und 39
Mastbetriebe für Puten und Hähnchen gemeint. Kooperiert wird mit der
„Mecklenburger Landpute GmbH“, die auch konventionelle Puten schlachtet. Die
große Fahrenzhausen-Gruppe ist wichtiges Mitglied des eher kleineren Bioverbands
„Biokreis“.
Rodo Schneider und Sohn
Bisher wenig im Blickpunkt der Öffentlichkeit sind die Aktivitäten von Rodo
Schneider und Sohn Ralf. Schneider war schon früher als Top-Manager des
süddeutschen Schlachtkonzerns Moksel (heute Teil des VION-Schlachtkonzerns)
höchst umstritten, was sein Geschäftsgebahren und die engen Kontakte und
Geschäfte mit DDR-Vertretern betraf. Nach der Wende kaufte Sohn Ralf die
zweitgrößte DDR-Bullenmast-Anlage im mecklenburgischen Hohen Wangelin, wo
dann Firmen wie „Agrargesellschaft Tempke und Partner GmbH & Co.KG“,
„Agrargesellschaft Hohen Wangelin mbH & Co.KG“, “Gut Schweinezucht Alt-Gaarz /
Blücherhof GmbH“ oder „Müritz Fleischproduktions- und Verwaltungsgesellschaft
mbH“ entstanden. Rodo Schneider erwarb auch das ehemalige VEG Borken, auf
dem heute auf 5.000 Hektar 6.000 Rinder gehalten werden, im 300 ha großen
konventionellen Betriebsteil zudem 2.000 Mastschweine (Fleischrinder Journal
1/2011). Im Internet findet man Hinweise, dass das Gut Darß mit seinen 4.700
Rindern auf 4.700 Hektar mittlerweile der Speditionsfamilie Fiege gehört, dass aber
die Familie Schneider auch daran beteiligt sein könnte.
Brancheninsidern zufolge sollen die Schneiders u.a. über die
Vermarktungsorganisation „Weidehof“ maßgebliche Verbindungen innerhalb von
„Biopark“, zum Bauernverband und zum Tönnies-Schlachtkonzern unterhalten. Im
Internet finde man Register-Auszüge über gemeinsame Firmen von Tönnies und
Moksel in Rumänien. Es gebe sogar Hinweise, dass Rodo Schneider beteiligt sei am
Aufbau von konventionellen Tönnies-Schweinefabriken in Russland mit
Hunderttausenden von Stallplätzen In Verbindung damit steht offenbar der Aufbau
riesiger Biogas-Anlagen in Russland durch Siegfried Hofreiters „KTG Agrar AG“,
die wiederum die Hälfte ihres 30.000-Hektar-Agrarkonzerns ökologisch unter der
Bezeichnung „Biofarmers“ bewirtschaftet.
Agrarindustrie-Bio-Lobby?
Mit deutlichem Hinweis auf die Großstrukuren im Biobereich haben kürzlich die BioVerbände Biokreis, Biopark und Verbund Ökohöfe die „Bundesvereinigung
Ökologischer Landbau“ (BVÖL) gegründet. Die Teilnahme von Ariane Müller von den
Hofreiterschen „Biofarmers“ deutet an, dass „Agrarindustrie-Bio“ hier eine
Interessenvertretung finden könnte. Mit dabei war auch Heinrich Graf von Bassewitz
(Gut Dalwitz), Ökolandbau-Beauftragter des Deutschen Bauernverbands und
Teilnehmer an Behrens´ „Fürstenhof“-Verbund. Die Sorge, dass eine agrarindustrielle
Bio-Lobby mit ihrer Anpassung an ein „Billig-Bio“ der Handelskonzerne zunehmend
die Öko-Richtlinien bestimmen und in Richtung der laschen EU-Bio-Verordnung mit
ihren Möglichkeiten einer Öko-Konventionell-Betriebsteilung lenken könnte, scheint
mehr als begründet. Die AbL hat die Bioverbände aufgefordert, sich nicht
wegzuducken und kritischen Medienberichten künftig keine Anhaltspunkte mehr zu
liefern - indem man sich rasch und klar von „Agrarindustrie-Bio-Konzernen“ trennt:
„Bauernhof-Bio“ anstelle von „Agrarfabriken-Bio“ sei angesagt. –en
Jauchs „Großer Bioschwindel“
Eine Flut von empörten Leserbriefen gab es wegen der ARD-Sendung „Günter
Jauch“ mit dem Titel „Der Große Bioschwindel“. Einen ehrlichen und sachkundigen
Bio-Bauern hatte Jauch offenbar ganz bewusst nicht dabei haben wollen: Der AbL
lagen Informationen vor, wonach das Jauch-Team zunächst einen Demeter-Bauern
eingeladen habe, der dann aber kurzfristig als nicht genügend „skandalträchtig“
wieder ausgeladen worden sei. Stattdessen war nun als Vertreter der
agrarindustriellen Bio-Schiene Graf von Bassewitz dabei, der demgemäss viele
Grundsätze des Biolandbaus nicht überzeugend vertreten konnte.
Auch die Bio-Köchin Sarah Wiener sagte zwar viel Richtiges über Esskultur und die
Rettung unseres Planeten, kannte sich aber in der landwirtschaftlichen Praxis
offensichtlich wenig aus: Bei ihren berechtigten Vorwürfen gegen AgrarindustrieKonzerne und Massentierhaltung warf sie fälschlicherweise konventionell arbeitende
Bauernhöfe pauschal in einen Topf mit Agrarfabriken.
Abstrus auch die Auswahl weiterer Talkshow-Gäste: Dass Heiner Kamps als
ehemaliger Brot-Industrieller und heutiger Vertreter des umstrittenen MüllerMilchkonzerns von einer angeblich engen Zusammarbeit mit den Milchbauern redete,
empfanden viele Bauern als Hohn. Erinnerten sie sich doch nur zu gut an Müllers
juristische Verfolgung protestierender Bauern, die vor der Molkerei für faire
Milchpreise demonstriert hatten. Auch Kamps Behauptung, der Biolandbau könne
zum Verhungern der halben Menschheit führen, entbehrte jeglicher Sachkunde oder
Ernsthaftigkeit.
Der Chemiker Udo Pollmer konnte bei Jauch ähnliche Absurditäten wie bei seinen
Auftritten bei Agrarindustrie-Kongressen zum Besten geben: dass von 3000
Biohühnern etwa 1000 „krepieren“ würden, dass Bio-Tiere im Durchschnitt alle „ein
wenig kranker als konventionelle“ seien und dass Bio-Bauern die Tiere trotzdem nicht
mit Medikamenten behandeln würden, um ihren Bio-Status zu behalten. Die gleiche
Qualität hatten auch Pollmers schlimme Verharmlosungen des Antibiotika-Einsatzes
in der Massentierhaltung oder seine falsche Behauptung, im Ökolandbau würden
Pestizide wie im konventionellen Landbau eingesetzt, die „nur anders heißen“
würden.
Jauchs Sendung, so die AbL in einer Presseerklärung, habe die Tatsache
unterschlagen, dass der Biolandbau immer noch von vielen Tausenden bäuerlicher
Betriebe geprägt sei - mit Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und artgerechter
Tierhaltung. Deren klare Abgrenzung von den schlimmen Bildern aus einem
wachsenden „Agrarindustrie-Biobereich“ sei aber nicht gewollt gewesen. Der
Vertreter des Lebensmittelhandels habe sogar noch die Ferntransporte bei BioImporten schön reden können. –en
AbL: Bei US-Freihandelsabkommen droht Import von
Agrarfabrik-„Bio“
Das geplante US-Freihandelsabkommen der EU würde auch hiesige Biobetriebe
massiv gefährden, weil in den USA mittlerweile Milch, Fleisch und Eier mit „Biosiegel“
in riesigen Tierfabriken erzeugt werden. Diese deutliche Warnung veröffentlicht der
Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL) mit Hinweis auf aktuelle Informationen des amerikanischen
Cornucopia-Forschungsinstituts über „Bio“-Agrarfabriken in den USA, die riesige
Anlagen mit bis zu 20.000 Rindern und Milchkühen oder einer Million Masthühnern
bzw. Legehennen betreiben und dies ohne den vorgeschriebenen Weidegang oder
Auslauf der Tiere (http://www.cornucopia.org/newsletter/investigation-factory-farmsproducing-massive-quantities-organic-milk-eggs/).
Im Dezember veröffentlichte das Cornucopia-Institut jetzt zum Beweis Luftbilder von
14 Agrarfabriken - darunter die Milchvieh- und Rinder-Großbetriebe Aurora
Coldwater, Aurora Dublin, Hilltop LLC und Natural Prairie oder RiesenGeflügelanlagen von Herbruck´s , Delta Egg Farms, Idalou Egg Farms, Kreher´s oder
Smart Chicken. Das Institut forderte das US-Agrarministerium auf, diese Zustände
endlich abzustellen, nachdem unter den Präsidenten Bush und Obama derartige
Missstände seit langem geduldet würden. Dies führe zur Verdrängung bäuerlicher
Biostrukturen, zur Täuschung von Verbrauchern und gefährde die Glaubwürdigkeit
der Biosiegel.
Der AbL-Vertreter im bundesweiten Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“,
Eckehard Niemann, verwies darauf, dass auch in Deutschland der Bio-Geflügelmarkt
bereits weitgehend von „Agrarindustrie-Bio“-Strukturen dominiert werde. Bäuerliche
Bioverbände wie Demeter oder Bioland seien gefordert, sich im Interesse von
echtem „Bauernhof-Bio“ von solchen „Bio“-Konzernstrukturen abzugrenzen und sich
in der laufenden Debatte um eine Reform der EU-Öko-Verordnung für betriebliche
Tierbestands-Obergrenzen einzusetzen. Das Engagement gegen das drohende USFreihandelsabkommen werde dadurch umso zielführender und glaubwürdiger.
2.107 Zeichen – 28.12.2014
Aus: Kritischer Agrarbericht 2015:
Tierfabriken-Stopp - vor Ort und per Gesetz.
Das Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken" weiter auf
Erfolgskurs | Eckehard Niemann
… bäuerlich geprägte Bioverbände wie Demeter oder
Bioland sind gefordert …
… Im Biobereich haben große Konzerne bereits die Dominanz ihres „Agrarindustrie-Bio“ bei
Eiern und Geflügel durchgesetzt - auf Kosten des von den Verbrauchern eigentlich
erwarteten „Bauernhof-Bio“. Wenn nun eine beantragte Groß-Biobrüterei (in der die
Legehennen-Bruderküken genauso wie in anderen Brütereien vernichtet werden) nicht
verhindert wird, entsteht hier eine weitere agrarindustrielle Schaltstelle in Konzernhand, von
der die Bio-Legehennenbetriebe dann ihre Küken kaufen müssten. Auch im
Schweinebereich beginnt bei einigen Handelsketten der Bezug von Fleisch aus „Bio“Agrarkonzernen. Bürgerinitiativen des Netzwerks wehren sich mittlerweile auch gegen
„Bio“- Agrarfabriken. Gerade bäuerlich geprägte Bioverbände wie Demeter oder
Bioland sind gefordert, sich noch stärker am anti-agrarindustriellen Widerstand zu
beteiligen und die Debatte um die Novellierung der EU-Ökoverordnung für die
Installierung auch von Bestandsobergrenzen zu nutzen. …
Frankenpost - Manfred Nürnberger - zuletzt bearbeitet: 27.08.2016
Dennree geht neue Wege
Töpen - Die Dennree-Gruppe mit Sitz in Töpen im Landkreis Hof ist gut für
die Zukunft aufgestellt. Mit rund 4600 Mitarbeitern in der gesamten Gruppe und
einem Umsatz von 820 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2015 zählt die Firma laut
eigenen Angaben zu den Marktführern in Deutschland und dem angrenzenden
Ausland.
Doch Dennree vertreibt die Lebensmittel mittlerweile nicht nur, sondern will sich mit
der Produktion ökologischer Produkte einen neuen Markt erschließen. In Sachsen in
der Ortschaft Süßebach nahe Oelsnitz hat das Unternehmen die Agrofarm
Eichigt mit 4000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, 100 Mitarbeitern, 1400
Milchkühen, 1100 Jungrindern und Färsen sowie 350 Kälbern und 90
reinrassigen Charolais-Mutterkühen mit Nachzucht übernommen. "Die Agrofarm
Eichigt befindet sich seit dem 1. April 2016 im Prozess der Umstellung auf
ökologische Landwirtschaft", heißt es dazu von Dennree.
BioHandel-online - 06.01.2017
EU-Studie: Bio-Produkte gesundheitlich vorteilhafter
Bio-Erzeugnisse sind teils gesünder als konventionelle. Das legt zumindest eine im
Dezember veröffentlichte EU-Studie nahe, die weltagrarbericht.de zusammenfasst.
Der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments hatte dafür eine Reihe
anderer Studien ausgewertet, die sich mit den Auswirkungen von Bioprodukten auf
die menschliche Gesundheit befassen. Die Vorteile von Bio reichen demnach von
einem gesenkten Allergierisiko bis zur verringerten Aussetzung gegenüber
Pestiziden, schreibt das Online-Portal, hinter dem die Zukunftsstiftung
Landwirtschaft steht.
Den Wissenschaftlern zufolge legten einige der untersuchten Studien zudem nahe,
dass Bioprodukte das Risiko für Allergien bei Kindern, für Übergewicht und
Fettleibigkeit sowie für einige Erkrankungen des Lymphsystems verringerten. Es sei
jedoch noch nicht klar, ob dies eindeutig auf den Verzehr von Bioprodukten
zurückzuführen sei, da sich die meisten Biokunden zugleich gesünder ernährten,
zitiert weltagrarbericht.de die Forscher.
Weiter heißt es, dass sich Werte für Vitamine und Mineralien in konventionell und
ökologisch erzeugten Lebensmitteln zwar ähnelten. Doch aufgrund anderer
Düngemethoden im Ökolandbau verbuchten Bioprodukte einen geringeren
Cadmiumgehalt. Zudem wiesen Biofleisch und -milch mehr gesundheitsfördernde
Omega-3-Fettsäuren auf. Daneben zitiere der EU-Bericht zahlreiche Studien, die
einen höheren Gehalt sekundärer Pflanzenstoffe wie Phenole in Bioprodukten
belegten, so weltagrarbericht.de. Auch auf ein geringeres Risiko von
Antibiotikaresistenzen bei Tieren in Biobetrieben gingen die Forscher ein.
Während sich viele Studien mit Erträgen im Ökolandbau oder Umweltfragen
befassten, gebe es bislang leider nur wenige Langezeit-Untersuchungen zu den
direkten Gesundheitseffekten von Bioprodukten, bemängelten die EUWissenschaftler.
Die komplette Studie (englisch) finden Sie hier.
25. November 2015 - Stiftung Warentest:
Sind Bio-Lebensmittel wirklich besser?
In 50 Tests hat Stiftung Warentest Bio-Lebensmittel konventionellen gegenüber
gestellt. Aber sind Biolebensmittel wirklich besser, schmackhafter und gesünder?
Eine Bilanz.
Bio-Lebensmittel haben einen deutlich besseren Ruf als herkömmliche - das ist Fakt.
Denn ökologische Landwirtschaft steht für einen respektvollen Umgang mit Natur und
Lebewesen. Aber was steckt eigentlich dahinter? Wie schneiden die biologisch
angebauten Lebensmittel gegenüber konventionellen im Aussehen, Geruch und
Geschmack ab? Welche sind stärker mit Schadstoffen belastet?
Die Qualität von Bio- sowie von konventionellen Lebensmitteln hat sich nach
Angaben der Stiftung Warentest insgesamt verbessert. Bio sei aber nicht
automatisch besser, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Vorabbericht aus
der Dezember-Ausgabe des neuen "Test"-Magazins. Bei der Qualität sowie bei
Aussehen, Geruch und Geschmack steht es demnach zwischen Bio- und
herkömmlicher Kost unentschieden. Bei blinden Verkostungen hätten Biowaren nicht
besser abgeschnitten als andere. Die Stiftung Warentest verglich 1020 herkömmliche
Lebensmittel mit 217 Bioprodukten. In beiden Gruppen bekamen die getesteten
Produkte laut "Test" häufiger "gute" und "befriedigende" Gesamturteile und weniger
"ausreichende" oder "mangelhafte".
Was die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln angehe, sei Bioobst und -gemüse
allerdings "mit Abstand am saubersten", erklären die Tester. Vor Schadstoffen gefeit
seien sie jedoch nicht. In schwarzem und grünem Tee und in Leinöl aus dem
Bioladen seien sogar potenziell krebserregende Substanzen gefunden worden. Bei
getesteten Bio-Nudeln sei der Höchstgehalt für ein Schimmelpilzgift überschritten
worden und in Bio-Sonnenblumenöl seien kritische Mineralöle nachgewiesen
worden.
Die Stärke von Bioprodukten liegt den Testern zufolge bei der Transparenz. So
würden Bioanbieter ihre Lieferanten gut kennen und sich mehr für das Tierwohl
einsetzen, auch wenn im Biosektor industrielle Großbetriebe entstanden seien, wie
zum Beispiel für Legehennen. Insgesamt sei Biofleisch für Tierfreunde die bessere
Wahl. Dafür müssten sie aber auch mehr bezahlen.
Den ganzen Test finden Sie auf www.test.de!
dsw/AFP
http://www.stern.de/genuss/essen/biolebensmittel--sind-sie-wirklich-besser-6573980.html
STERN - 26. November 2016 - Kristina Läsker:
Das Märchen vom guten Bio-Essen
Über Biolebensmittel gibt es viele Illusionen: Gesünder, besser für die Umwelt,
von Höfen aus der Heimat, mit glücklichen Tieren. Die Wahrheit sieht anders
aus.
Almería, Spanien. … gleitet der Blick über die Ebene: Gewächshäuser, fast überall,
mehr als 40.000 sollen es sein. Die Spanier nennen diesen Landschaftshorror Mar
de plástico – Plastikmeer.
Die Gewächshäuser in Andalusien sind Europas ganzjähriger Gemüsegarten – und
der stillt inzwischen auch einen besonderen Hunger. Den Hunger nach bio. … Doch
was dem klammen Süden fette Profite bringt, sei ökologischer Wahnsinn, sagt
Diéguez. … Plastik erstickt den Naturpark, Wasser wird verschwendet und die
Versalzung des Grundwassers geduldet.
… Solche Wahrheiten gibt es viele. Sie widersprechen den Idealen, die den Konsum
von Ökonahrung oft begleiten. Den Bildern von blühenden Landschaften im
Gleichgewicht, von glücklichen Tieren und gesunden Pflanzen. Sie enttarnen
Etiketten mit urwüchsigen Höfen als Folklore. Sie widerlegen die Annahme, dass
Bionahrung durch faire Arbeit entsteht und das Klima schont. Sie zerstören sogar das
Heilsversprechen, dass bio besser sei für den Körper. Denn Ökonahrung ist vieles –
aber per se gesünder ist sie nicht.
Bio, das war einst der Gegenentwurf zur industriellen Landwirtschaft. Gute Nahrung
aus ökologisch kontrolliertem Anbau, ohne chemischen Pflanzenschutz, ohne
Kunstdünger, aus artgerechter Tierhaltung. Klasse statt Masse. Jetzt verschwimmen
die Grenzen.
Im vergangenen Jahr haben die Deutschen 8,62 Milliarden Euro
für Biolebensmittel ausgegeben. Binnen eines Jahrzehnts hat sich der Umsatz mehr
als verdoppelt. Und die Verbraucher akzeptieren satte Aufschläge für die 75 347
zertifizierten Ökoprodukte in deutschen Läden. Als wäre es ein Ablasshandel:
Aufpreis gegen gutes Gefühl.
… Die Suche nach Antworten führt zu den Profiteuren des Booms.
Níjar, Spanien. In der Ebene von Níjar thront ein Klotz mit verspiegelter Fassade. Er
gehört Europas größtem Anbauer von Biotomaten, der Firma Biosabor. Sie karrt 40
Prozent ihrer Ernte per Lkw ins gut 2000 Kilometer entfernte Alemania, nach
Deutschland. …
Die Arbeit in Europas Gemüsegarten ist hart, und sie ist unsicher. Unter den Folien
verdingen sich Zehntausende Migranten aus Marokko, Schwarzafrika und Osteuropa
bei fast unerträglicher Hitze. Kaum einer hat einen festen Vertrag. Biosabor
beschäftigt Tagelöhner und Saisonarbeiter für 6,50 Euro pro Stunde. …
Der Profit der Tomatenfabrik ist auch so riesig, weil Biosabor billiges Grundwasser
für die Pflanzen nutzt, die sommers wie winters unter der Folie gedeihen. …
Deutsche Ökos, so könnte man es ausdrücken, essen den Spaniern das Wasser
weg.
… Jede zweite Möhre werde importiert, jeder dritte Apfel, jeder dritte Liter Milch und
jedes vierte Schweinesteak, schätzt die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft.
Biotomaten stammen sogar zu knapp 90 Prozent aus dem Ausland. Eine Flotte aus
Fliegern, Lastwagen und Containerschiffen schafft die Ware herbei. … Biosabor
liefert ohne Zwischenhändler. In der Halle in Níjar türmen sich Rollen mit Aufklebern:
Edeka Bio von Edeka. Biotrend von Lidl. Rewe Bio von Rewe. Bio-Smiley von Aldi
Süd. Auf der gleichen Ernte kleben verschiedene Sticker. Auf der gleichen Ernte
kleben später auch ziemlich verschiedene Preise. Freimütig behauptet Fabrikant
Belmonte, seine Tomaten seien in Alemania unterschiedlich teuer. Lidl verlange das
Zweifache vom Einkaufspreis, Rewe und Edeka gar das Dreifache. Teurer muss
nicht besser sein. Das Limit ist die Schmerzgrenze der Käufer.
Mülheim an der Ruhr, Nordrhein-Westfalen. Philipp Skorning … Der 38-jährige
Diplom-Kaufmann ist stellvertretender Geschäftsführer des Zentraleinkaufs von Aldi
Süd in Deutschland. Er bezieht Bioware von einigen Hundert Lieferanten weltweit. …
Etwa 150 der 1200 Aldi-Süd-Produkte tragen den Bio-Smiley. Keine andere Kette
habe einen größeren Anteil an Biolebensmitteln, sagt Skorning. Aldi Süd ist der
heimliche Biokönig der Republik.
Bio ist nicht gleich bio, das wird beim Zuhören schnell klar. Skorning klappt einen
Leitz-Ordner auf und zeigt eine mehrseitige Tabelle mit kleiner Schrift. Links die
Bioprodukte, oben die Anbauländer. Alles ist mit Ampelfarben markiert: Biokartoffeln
aus Ägypten sind mit Rot bewertet, wegen der möglichen Belastung mit Pestiziden.
Italienische Biokarotten mit Gelb, wegen der Korruptionsgefahr im öffentlichen
Sektor. Biotomaten aus Spanien sind grün, alles okay.
… Bio heißt bei Aldi Süd ansonsten, dass die Waren den Standards der
Europäischen Union entsprechen, der Öko-Verordnung 834/2007. …
Für Käufer ist es ohnehin kaum zu überblicken. Neun Anbauverbände werben mit
eigenen Biosiegeln. Label wie die von Demeter, Bioland oder Naturland gelten als
premiumbio. Sie verlangen größere Ställe, mehr Auslauf für Tiere, weniger
Zusatzstoffe, Kreislaufwirtschaft. Also mehr Schutz für Böden und Tiere. Das ist gut
gemeint, doch es verwirrt extrem. …
Zur Strategie von Aldi Süd passt das günstige EU-Bio. Der Discounter will immer
billiger anbieten als die Konkurrenz, die Kunden sollen sich öko leisten können. "Wir
haben den Biosektor demokratisiert" , sagt Manager Skorning stolz. Aus Sicht der
Verbraucher klingt das gut. Ökopioniere halten genau das jedoch für Horror. Weil bio
bloß nicht zu billig sein sollte. Das ließe die Leute glauben, dass bio problemlos
günstig zu erzeugen sei. Und das sei eben falsch. Irgendeine Pflanze oder irgendein
Vieh bezahle immer den Preis.
… Einige Käufer sind irritiert, viele greifen trotzdem zu. "Der Vorschuss an Vertrauen
ist nirgendwo so hoch wie bei Biolebensmitteln", sagt Matthias Wolfschmidt von der
Verbraucherorganisation Foodwatch. Die Leute akzeptierten zwischen 30 und 40
Prozent höhere Preise.
Das wird verstärkt durch die Mythen, die sich um bio ranken. Wie der Glaube, dass
biogesünder sei. Hochwertiger. Natürlicher. Aromatischer. Reiner. Bio, das
Allheilmittel. Im Internet wirbt Aldi Süd mit dem "unverfälscht guten Geschmack".
Aber was den Verkauf ankurbeln und höhere Preise rechtfertigen soll, ist
wissenschaftlich kaum haltbar.
Biologisch hergestellte Lebensmittel seien für die Gesundheit nicht besser als
konventionelle, urteilten die Tester von Stiftung Warentest jüngst. "Ihre Qualität liegt
mit der herkömmlichen Ware etwa gleichauf." Ähnlich schätzen das Wissenschaftler
der amerikanischen Elite-Universität Stanford ein. Sie haben mehr als 220
Lebensmittelstudien zur Qualität ausgewertet, ihr Fazit ist ernüchternd: Es fehle "der
überzeugende Beweis", dass Ökoprodukte nahrhafter seien. Auch Foodwatch hält
das für einen Irrglauben. "Unseres Wissens gibt es keine belastbaren Beweise, dass
Bionahrung per se vorteilhafter für die Gesundheit ist", sagt Wolfschmidt. Tatsächlich
soll bio vorrangig Böden und Gewässer – etwa vor Nitrat – schützen und Tiere
schonen. Prozesse stehen im Fokus, nicht Produkte.
… Wuyuan, China. In der Inneren Mongolei in China beschert der Bioboom auch
den Menschen Gutes. Qi Xuan ist ein Mann mit militärischem Kurzhaarschnitt und
Louis-Vuitton-Gürtel. In seinem Büro hängt ein Mao-Porträt über dem Schreibtisch,
gern verteilt er goldene Visitenkarten. Qi ist Gründer der Xuanda Food Company.
Seine Fabrik könnte auch Klopapier oder Kugelschreiber herstellen, nichts erinnert
an glückliche Kühe oder knorrige Apfelbäume.
Früher handelte er mit normalen Sonnenblumenkernen, 300.000 Tonnen davon
wachsen pro Jahr rund um Wuyuan, im Marschland nahe der Wüste Gobi. … Qis
Kerne haben sensationell gute Preise. Weil seine Personalkosten sensationell
niedrig sind. Ein Arbeiter verdient 1,40 Euro pro Stunde, gut elf Euro am Tag. Davon
könnte man beim Biosupermarkt Alnatura keinen Einkaufskorb füllen. Produzenten in
Europa kommen bei diesen Lohnkosten nicht mit. Die Folge: Wer Brötchen mit ÖkoSonnenblumenkernen isst, kriegt fast nur Ware aus China.
Längst gibt es dort Tausende Biofarmen. Auch Knoblauch, Spinat, Nüsse, Sesam,
Tee, Ingwer und Sojabohnen in Ökoqualität sind meist made in China. Händler
verschweigen das gern. Denn in kaum einem anderen Land ist die
Umweltverschmutzung so dramatisch, kein anderes Land hatte so eklige
Lebensmittelskandale. Mindestens 60 Prozent des Grundwassers gelten als
hochgradig verschmutzt. Fast 20 Prozent der Nutzfläche sollen nach einer Studie des
chinesischen Umweltministeriums vergiftet sein mit Nickel, Kadmium und Arsen –
eine Folge des zügellosen Wirtschaftswachstums.
In China tuscheln die Kaufleute, dass nur ein kleiner Teil der Ware tatsächlich den
EU-Öko-Standards entspreche. Die Produkte von Herrn Qi betrifft das nicht: Der
stern hat Sonnenblumenkerne von dessen Feldern im Labor auf mehr als 600
chemische Wirkstoffe testen lassen, das Ergebnis war tadellos.
… Generell bleibt die Qualität der Importe jedoch eine Schwäche der Biowelt. Das
belegen die vielen Skandale: vermeintliche Öko-Sonnenblumenkuchen aus
Rumänien, künstliches Antipilzmittel in Kartoffeln aus Ägypten, falsch deklariertes
Getreide aus Italien. Bei frischem Obst, Gemüse oder Fleisch fallen solche Mängel
leichter auf. Schwierig wird es bei verarbeiteter Ware wie Tomatenmark oder
Erdbeerpüree. Mit jeder Zutat sinkt die Transparenz.
Innerhalb der EU vertrauen sich die Staaten untereinander – zumindest offiziell. Die
Ökokontrollen in Spanien und in Deutschland gelten als gleich. Für Drittstaaten hält
die EU-Kommission dagegen eine Liste mit anerkannten Kontrollstellen vor.
Deutsche Händler müssen ihre Importe, also etwa Sonnenblumenkerne aus China,
von so einer Stelle einmal im Jahr prüfen lassen. Außerdem gibt es eine Extra-Liste
mit zwölf anerkannten Staaten wie Indien oder Argentinien, aus denen Importe
leichter möglich sind.
Doch was gut klingt, hat Schwächen. So sei die Kontrolle in den Drittstaaten häufig
weniger intensiv und werde seltener von Behörden begleitet, bemängelt Jochen
Neuendorff, Gründer der Gesellschaft für Ressourcenschutz (GfRS), die in
Deutschland Biobetriebe kontrolliert. Er sagt: "Die Wahrscheinlichkeit, schlechte
Bioprodukte zu bekommen, ist bei einem Erzeuger aus China höher als bei einem
Erzeuger aus Deutschland."
Großenrode, Niedersachsen. … Volker Elsenhans, er ist einer von 550
Ökokontrolleuren in Deutschland. An diesem Tag prüft er den Betrieb von Jörge
Penk. Der Biolandwirt baut rund um das Dorf Großenrode Getreide und Gemüse an,
er hält Schweine und Legehennen, zertifiziert nach Bioland.
… Elsenhans prüft jedes Jahr etwa 180 Biobetriebe für die GfRS aus Göttingen. Der
deutsche Staat hat die Hauptkontrollen an private Firmen übertragen, die Behörden
selbst testen nur stichprobenartig. In der Praxis bedeutet das: Die Biobauern suchen
sich die private Kontrollstelle aus und zahlen Gebühren. Bauer Penk muss etwa 600
Euro pro Jahr überweisen. Einmal im Jahr kommt ein Kontrolleur zur Inspektion,
manchmal taucht er unangekündigt wieder auf. Wenn dem Bauern die GfRS nicht
passt, kann er andere Prüfer engagieren.
Kritiker halten dieses System der privaten Kontrolle für grundlegend falsch. Es führe
zu einer "fatalen Abhängigkeit" der Inspekteure von den Höfen, sagt Veterinär
Wolfschmidt von Foodwatch. Weil Unternehmen auf Folgeaufträge angewiesen sind,
seien sie weniger kritisch. "Die Kontrolleure haben ein wirtschaftliches Interesse
daran, sich mit den Betrieben gut zu stellen, um Aufträge zu generieren."
Übersehen die privaten Prüfer also Missstände? Sind sie zu harmlos oder gar blind?
Ketten wie Aldi Süd jedenfalls führen zusätzliche Biokontrollen durch – deutlicher
kann man Misstrauen nicht zeigen, auch wenn das niemand laut sagen will.
Prüfer Elsenhans hält die Kritik für falsch. Gerade weil private Firmen viele
Spezialisten wie Agrarwirte oder Metzger beschäftigten, seien ihre Kontrollen besser
als staatliche, sagt er. Zudem fehle dem Staat das Personal. "Behörden wären nicht
in der Lage, die Betriebe mit der gleichen Intensität zu überprüfen. Und sie wären
teurer."
Verden, Niedersachsen. Wie Kontrolle großflächig versagt, erfährt man am
Landgericht Verden. In einem Raum lagern gut 60 Umzugskartons. Darin befindet
sich das Beweismaterial zu einem der größten Skandalfälle der Szene. Nicht nur bio
boomt, der Betrug boomt mit.
In dem Verfahren, über dessen Eröffnung das Gericht bald entscheiden will, wird
einer der einst größten Produzenten von Bioeiern beschuldigt: Heinrich Tiemann aus
Twistringen in Niedersachsen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gewerbsmäßigen
Betrug in 2542 Fällen vor. Knapp 500-mal soll der Ex-Chef des Vermarkters
Wiesengold auch gegen die EU-Öko-Verordnungen und gegen das Lebensmittelund Futtergesetzbuch verstoßen haben.
Es geht um angebliche Bioeier. Zwischen 2007 und 2011 soll der 58-Jährige falsch
deklarierte Eier für 21,2 Millionen Euro verkauft haben – die nur 7,7 Millionen Euro
wert gewesen seien, glauben die Fahnder. Grund: Die Ware sei gar nicht bio
gewesen, Tiemann soll seine Ställe systematisch überbelegt haben. Im Schnitt
umfasst ein deutscher Ökoeierbetrieb etwa 13 500 Hennen – was viele Kunden für
tierfreundliches Bio halten, ist ohnehin Massentierhaltung. Tiemann aber soll es noch
weiter getrieben haben.
Den Kontrolleuren scheint das entgangen zu sein. Dabei waren die meisten Eier
nach Naturland zertifiziert, premium-bio also. Tiemann selbst weist alle Vorwürfe
über seinen Anwalt zurück, er will sich nicht zu Details äußern.
… Der Unternehmer ist nicht der einzige Beschuldigte: Staatsanwälte hatten mehr
als 300 Erzeuger von Bioeiern aus Niedersachsen im Visier. Sie alle sollen ihre Ställe
hemmungslos vollgestopft haben mit Hennen. Und das ist lange niemandem
aufgefallen. Die Menge der Tiere sei schwer zu überprüfen, sagt die Sprecherin der
Staatsanwaltschaft Oldenburg, wo die Biofälle gebündelt sind. "In den großen
Hühnerställen können Sie die Hühner nicht genau zählen." Ein Insider berichtete
nach der Begehung eines betroffenen Biostalls von "gruseligen Zuständen". Von
dunklen Hallen. Von panischen, kahlen Hühnern. Von Haufen mit Kadavern. Von
entsetzlichem Gestank.
Wie konnte es so weit kommen? Warum ist das ideologische Projekt Bio so
anfällig für Abzockerei?
Eine Antwort kommt aus der spanischen Provinz Almería. Dort, wo Umweltschützer
Marcos Diéguez fassungslos zuschaut, wie ein einzigartiger Naturpark nach und
nach unter Plastik verschwindet. Letztlich, sagt er, liege vieles an der Gesinnung der
neuen Bioland wirte. Diese Patrones seien nun mal keine Idealisten, für sie sei
Biogemüse vor allem eines: eine profitable Nische. "Die Bauern glauben nicht an
Ökolandbau, sie wollen damit bloß Geld verdienen."
http://www.stern.de/wirtschaft/news/bio-essen-wahrheit-lebensmittel-7209494.html
Leo Frühschütz - Fachjournalist, Seehausen
Bio-Eier ohne Baugenehmigung?
Bürgerinitiativen in Mecklenburg-Vorpommern kritisieren
die Erzeugergemeinschaft Fürstenhof. Der zweitgrößte Bio-Eiervermarkter
Deutschlands soll sich neue Ställe jeweils für 15.000 Legehennen genehmigen
lassen, dann aber Ställe für 24.000 Tiere bauen. Zumindest ein Fall ist
aktenkundig – die verhängte Strafe fünfstellig.
Volkenshagen ist ein Ortsteil der Gemeinde Klein Kussewitz im Landkreis Rostock.
700 Einwohner, eine bekannte Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert und die BioHeidehof GmbH – jüngstes Mitglied des Erzeugerzusammenschlusses
(EZG) Fürstenhof, deren Geschäftsführer Friedrich Behrens ist. Die im Juni 2011
gegründete GmbH wollte im Ortsteil Volkenshagen Bio-Eier produzieren und stieß
damit bei den Anliegern auf wenig Gegenliebe. „Wir hatten schon zur Planung
Unterschriften gesammelt, fast das ganze Dorf hatte unterschrieben. Doch dann hat
sich die Gemeinde mit der Bio-Heidehof GmbH und Herrn Behrens auf den Standort
und eine Größe von 14.800 Tieren geeinigt.“ Das berichtet Peter Jeworutzki, einer
der Nachbarn, die sich gegen die Anlage wehren. Sie warnten schon während des
Baus im Jahr 2012, dass das Vorhaben überdimensioniert sei. Tatsächlich
entstanden dort vier Gebäude mit je zwei 3.000er-Ställen für insgesamt 24.000
Hennen. So viele wurden Ende 2012 auch eingestallt. Das ergab eine Nachkontrolle
des Veterinäramtes, nachdem die Anwohner im April 2013 wegen der Überbelegung
Alarm geschlagen hatten.
Anwohner sprechen von „Betrug“
Der rechtliche Hintergrund: Ein Betrieb mit mehr als 15.000 Legehennenplätzen ist
nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig. Die Behörde kann
zudem nach Lage des Einzelfalls entscheiden, dass eine
Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Unter 15.000 Hennen
genügt eine einfache Baugenehmigung. Wer mehr Tiere hält, verstößt dagegen.
Der für die Baugenehmigung zuständige Landkreis Rostock sah deshalb in dem
Vorgehen der Bio-Heidehof GmbH eine Ordnungswidrigkeit und verhängte ein
Bußgeld. Gegenüber der Ostseezeitungbestätigte EZG-Geschäftsführer Friedrich
Behrens ein Bußgeld in fünfstelliger Höhe und rechtfertigte die Überbelegung mit
einer Notlage. In einem anderen EZG-Betrieb habe sich die Erweiterung verzögert,
die Junghennen seien aber schon bestellt gewesen und hätten irgendwo
untergebracht werden müssen.
Gleichzeitig zitiert jedoch die Schweriner SVZ Behrens mit dem Satz: „Es ist so
gewesen, dass in der Endstufe hier 24.000 Tiere eingestallt werden sollten.“ Man sei
in zwei Schritten vorgegangen, weil das Genehmigungsverfahren kleinerer Anlagen
durch den Kreis ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und damit schneller erfolgt als das
Verfahren für größere Anlagen bei der Immissionsschutzbehörde.
„Vorsätzlich getäuscht“ fühlte sich der Bürgermeister von Volkenshagen laut OZ, die
Anwohner nannten es „eindeutig Betrug.“
Die Bio-Heidehof GmbH beantragte im Mai bei der zuständigen
Immissionsschutzbehörde, die bestehende Legehennenanlage auf 24.000 Tierplätze
„ohne bauliche Veränderungen“ erweitern zu dürfen. Die Genehmigung dafür erteilte
diese Behörde im Dezember 2013. Die Anwohner haben dagegen Widerspruch
eingelegt. Nach ihren Angaben werden derzeit in Volkenshagen weiterhin 24.000
Tiere gehalten.
Taktik mit System?
Diese Taktik habe System, sagen die Volkenshagener und nennen Initiativen, die
mit EZG-Betrieben die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Etwa in Groß Markow
in der Gemeinde Lelkendorf, ganz im Osten des Landkreises Rostock. Dort will
Friedrich Behrens mit der Ökofarm Groß Markow GmbHebenfalls einen Betrieb für
15.000 Legehennen errichten. Auch dort sollen vier Gebäude mit je zwei Ställen
entstehen. Diese sollen laut Bauantrag teilweise nur mit 1.480 oder 2.500
Legehennen belegt werden, so dass unter dem Strich 14.960 Tierplätze „vorgesehen
sind“. Drei Seiten weiter heißt es jedoch, es würden „acht Einzelställe geschaffen, so
dass immer 3.000 Tiere zusammen gehalten werden.“
Die Gemeinde habe zweimal ihr Einvernehmen für den Bauantrag verweigert,
berichtet der Anwohner Bert Burchett. Das Landratsamt habe im Juni 2012 dennoch
die Baugenehmigung erteilt. Jetzt klagt er gegen die Genehmigung. Er hat, wie viele
in der Region, auf den Öko-Tourismus gesetzt und viel Geld in eine Ferienwohnung
investiert. Direkt daneben soll jetzt die Stallanlage entstehen.
Behrens sieht kein Problem
Friedrich Behrens erklärte gegenüber BioHandel, dass es gut sei, wenn er in einem
großen Stall weniger Hennen als möglich einstalle und die Tiere dadurch mehr Platz
hätten als die EU-Öko-Verordnung vorschreibe.
Bereits funktioniert hat die Umwidmung im Falle des EZG-Betriebs Farm Walkendorf,
ebenfalls im Landkreis Rostock. Für die dortige Legehennenanlage beantragte der
Betreiber schon 2011 die Aufstockung von 14.960 auf 24.000 Tiere, ebenfalls „ohne
bauliche Veränderung“. Das heißt, dass der bestehende Stall von vorneherein für so
viele Tiere gebaut worden war.
Vorläufig gescheitert ist die EZG mit ihren Plänen im brandenburgischen Löpten,
Gemeinde Groß-Köris, südlich von Berlin. Dort wollte das Unternehmen in zwei alten
Ställen einer ehemaligen LPG von Anfang an 36.400 Legehennen halten. Nach drei
Jahren Diskussion lehnte die zuständige brandenburgische Immissionsschutzbehörde Anfang Februar 2014 den Antrag ab, nicht aus inhaltlichen, sondern aus
formalen Gründen. In Löpten setzte sich allerdings auch die Gemeinde mit
planungsrechtlichen Mitteln gegen die neuen Ställe zur Wehr.
Bio und Baugenehmigung
Bio-Kontrolleure sind keine Bau-Inspektoren. Allerdings verlangt die EU-ÖkoVerordnung in Artikel 74 bei der Aufnahme eines Tierhalters in das Öko-
Kontrollverfahren „eine vollständige Beschreibung der Haltungsgebäude“. Darunter
könnte auch die Baugenehmigung fallen. Auf Nachfrage bestätigte eine andere
große Kontrollstelle BioHandel, dass das Vorhandensein baurechtlicher oder
immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen von Bio-Kontrolleuren nicht
nachgeprüft wird. Da gehe man davon aus, dass sich darum die dafür zuständigen
Behörden kümmern.
Eng verflochten – die EZG Fürstenhof
Der Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof (EZG) „besteht aus zwölf biologisch
produzierenden Ökobetrieben in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg“ heißt
es auf der Webseite der EZG. Die Betriebe sind zumeist als GmbHs strukturiert, an
denen Friedrich Behrens und Elke Lembcke sowie deren Familienmitglieder
zusammen meist 50 Prozent oder mehr der Anteile halten und die Geschäfte mit
führen. Friedrich Behrens war früher Gesellschafter des konventionellen
Eierkonzerns Heidegold. Er verkaufte seine Anteile 2002 und begann, in
Mecklenburg-Vorpommern in den Ökolandbau zu investieren, insbesondere in die
Erzeugung von Bio-Eiern. Als Geschäftspartnerin begleitete ihn von Anfang an die
Agraringenieurin Elke Lembcke, die zuvor für Heidegold gearbeitet hatte.
Erschienen auf www. biohandel-online am 24. 03. 2014
https://www.taz.de/Vorschriften-zur-oekologischen-Tierhaltung/!5369353/
http://www.bioland.de/fileadmin/dateien/HP_Dokumente/Allgemeine_Informationen/B
riefing_Haeusling_OekoVo_nach_Abstimmung.pdf
herd-und-hof.de zur Revision der EU-Öko-Verordnung:
… Wann ist Bio Bio?
Zumindest in Deutschland ist die Biobranche alles andere als einheitlich. Die
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisiert die großen Ökobetriebe in
Ostdeutschland als „Agro-Bio-Industrie“; der filialisierte Handel macht den
ursprünglichen Bio-Ladnern schwer zu schaffen [4]. Martin Häusling möchte daher
die „Konventionalisierung“ der Biobranche korrigieren. Für den Bereich der
Tierhaltung schlägt er Bestandsobergrenzen von 200 Sauen, 1.500 Mastschweinen
und 12.000 Legehennen vor. Bei den Legehennen zeigt sich ein Problem: So soll ein
Stall mit nicht mehr als 3.000 Hennen belegt werden. …
https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wie-weiter-mit-der-eu-oeko-verordnung.html
TAZ - Jost Maurin - 10.10.2016:
Gesundheit von Kühen - Bio ist kein Allheilmittel
Entzündete Euter, kaputte Beine – eine Studie zeigt, wie schlecht es auch ÖkoTieren geht. Forscher fordern konkrete Vorgaben für Krankheitsfälle.
BERLIN taz | Die durchschnittliche Biokuh ist nicht gesünder als ihre Artgenossen auf
herkömmlichen Höfen. „Trotz der deutlich besseren Haltungsstandards
unterscheiden sich die Erkrankungsraten auf ökologischen Milchviehbetrieben nicht
von den hohen Erkrankungsraten in der konventionellen Milchviehhaltung“, teilte
Professor Albert Sundrum von der Universität Kassel zum Abschluss
eines internationalen Forschungsprojekts unter seiner Führung mit. So hätten in den
untersuchten deutschen Betrieben 23 bis 74 Prozent der Kühe kranke Euter gehabt.
Die Wissenschaftler prüften, wie häufig die Kühe auf mehr als 200 Ökobetrieben in
Deutschland, Frankreich, Schweden und Spanien in einem Jahr zum Beispiel an
Euterproblemen oder Lahmheiten litten. „Die Ergebnisse der Studie sind
ernüchternd“, so die Forscher. Zu ähnlichen Schlüssen waren zuvor auch
Untersuchungen zu anderen Tierarten gekommen.
Wer Bio kauft, will damit aber meist eine „artgerechte Tierhaltung“ unterstützen, die
er bei der konventionellen Landwirtschaft nicht vermutet. Das belegt etwa die
Umfrage Ökobarometer 2016. Dazu passen keine entzündeten Euter und Kühe, die
humpeln, weil sich ihre Klauen schmerzhaft verändert haben.
In der Studie variierten die Erkrankungsraten zwischen den Betrieben enorm. Die
Bandbreite „lasse sich weder durch regionale Gegebenheiten noch durch die
Betriebsgröße erklären“, so die Wissenschaftler.
Kein Anreiz zur Pflege
Wenn das Futter nicht die nötigen Nährstoffdosen enthält, könne das das
Immunsystem belasten und Euterentzündungen begünstigen, sagt Forscherin
Susanne Hoischen-Taubner, die an der Studie beteiligt war. Schlechte Stallhygiene
könne Lahmheiten verursachen.
Vielen Milchviehhaltern fehlt laut den Forschern aber der Anreiz, in die Gesundheit
ihrer Tiere zu investieren. Denn die Molkereien zahlen den höheren Biopreis
weitgehend unabhängig davon, wie es den Tieren geht. Zwar geben kranke Kühe oft
auch weniger Milch und müssen früher geschlachtet werden. Doch ist es oft immer
noch teurer, in die Gesundheit der Tiere zu investieren. Also sind Bauern im Vorteil,
die billiger produzieren, indem sie ihre Kühe schlechter behandeln. Die Forscher
kritisieren das als „eine unfaire Wettbewerbssituation“.
Um Landwirte zu motivieren, Krankheiten vorzubeugen, haben die Wissenschaftler
ein Computerprogramm entwickelt. Damit können die Bauern ausrechnen, welche
Maßnahmen sich in ihrem Betrieb am ehesten rentieren. Dabei geht es um häufigere
Klauenpflege, trockeneres Stroh für die Liegeboxen oder mehr Gruppen, in denen
die Kühe individueller gefüttert werden können.
Nicht ohne Antibiotika
Nicht viel halten die Wissenschaftler von homöopathischen und pflanzlichen
Medikamenten. „In wissenschaftlichen Studien mangelt es weiterhin an belastbaren
Nachweisen der Wirksamkeit“. Zudem fehle vielen Landwirten die Kompetenz, um
solche Mittel effizient einzusetzen. „Ganz ohne Antibiotika wird auch die ökologische
Landwirtschaft künftig nicht auskommen“, so Forschungsleiter Sundrum.
Die Wissenschaftler verlangen deshalb konkrete Vorgaben für die Landwirte, wie
häufig die wichtigsten Krankheiten vorkommen dürfen. „Die Bioverbände könnten das
in ihre Richtlinien aufnehmen oder die EU in die Ökoverordnung“, sagte HoischenTaubner der taz.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist bereit, darüber zu diskutieren. Es
sei aber schwierig, „eine genaue und nachvollziehbare Grenze“ zu ziehen, ab der
Bauern sanktioniert werden sollen. Die EU-Kommission ließ eine Bitte der taz um
Stellungnahme zunächst unbeantwortet.
Trotz der Mängel hält Forscherin Hoischen-Taubner Bio-Viehhaltung für
sinnvoll: „Die Lebensbedingungen der Tiere sind von den Voraussetzungen
her erheblich besser.“ Ein Ökoschwein habe mehr Möglichkeiten, sein
normales Verhalten auszuleben.
http://www.taz.de/!5343397/
Unabhängige Bauernstimme - 29.08.2016 - cs
Nicht in Biomilch ertrinken
Zukünftig wird mehr Biomilch gemolken – und wie
vermarktet?
Wie eine Insel der Glückseligen erschien bislang der Biomilchmarkt im tosenden
Strudel des nachquotigen konventionellen Milchmeeres. Nun gibt es die ersten
Stimmen, die zwar nicht vor dem Untergang, aber zumindest vor hochschlagenden
Wellen auf dem Eiland warnen. In einem Bericht zweier Berater im NaturlandMagazin beschreiben diese ein Szenario, das bestenfalls bei fast einer Verdoppelung
des Absatzes von Biomilch in Deutschland in zwei Jahren zu einer ausgeglichenen
Versorgungslage führen könnte. Allerdings könnten bis dahin aber auch die bislang
150 Mio. Liter im Jahr nach Deutschland exportierenden Nachbarn Österreich und
Dänemark ihre potentiellen Exportmengen verdoppeln. Viele konventionelle Bauern
und Bäuerinnen hier wie da haben ihren individuellen Ausweg aus der
existenzbedrohenden Milchpreiskrise in der Umstellung auf ökologischen Landbau
gesucht. Und das, obwohl fast alle Biomolkereien schon seit Monaten keine Betriebe
mehr aufnehmen. Sie stellten einfach trotzdem um und hofften in zwei Jahren auf
einen Händler, den Spotmarkt, irgendwen, der ihre Milch schon kaufe, so Frank
Wetternich von der Gläsernen Molkerei, einer reinen Biomolkerei in MecklenburgVorpommern. Auch Matthias Stührwoldt, Biomilchbauer in Schleswig-Holstein und
Lieferant der relativ jungen Hamfelder Hofmolkerei, sieht die Anspannung unter den
Kollegen. Häufig seien es die größeren Betriebe, die keinem Bioverband beiträten,
den konventionellen Ackerbau und die Biogasanlagen von der Milchviehhaltung
abspalteten, diese dann umstellten und auf den besseren Preis spekulierten. Ihm sei
jetzt schon geraten worden, Verträge für Ökokraftfutter zu machen, weil das
entsprechend knapp und teuer würde.
Auch Molkereimann Wetternich fürchtet die Welle, die 2017, wenn die jetzigen
Umsteller biozertifiziert liefern können, auf den Markt schwappt. Dabei gab es jetzt
schon eine Delle. „Wir mussten im Frühjahr schon mit dem Auszahlungspreis
runter gehen, sind aber optimistisch für den Herbst.“ Der Abstand zwischen
konventionellen und Biopreisen sei einfach zu groß gewesen, doppelt so hoch,
das funktioniere nicht, so Wetternich. Auf der Milchgeldabrechnung standen
dann im Juni 41 Cent für den Liter statt 43 Cent wie im Mai. Aldi senkte schon
im März den Ladenpreis um 8 Cent. Zwar steigt der Absatz von Biomilch in
Deutschland nach wie vor, aber es sei schließlich auch nach wie vor ein kleiner
Markt, der nun komplexer und unübersichtlicher werde, so Wetternich. Was,
wenn die konventionelle Molkerei Ammerland tatsächlich wie angekündigt mit
30 Mio. Liter auf den Markt komme? Und was machen Dänemark und
Österreich, in denen durchaus mit Blick auf den Exportmarkt nicht zu knapp
umgestellt wird? Arla hat schon angekündigt, seinen Bioabsatz verdoppeln zu
vollen. Perspektive wird auch der anonyme Teil des deutschen Marktes sein.
Profilierung könnte Halt im Meer bieten: „Wir haben das Ziel, unsere Kunden zu
binden, Kühe zu zeigen, die draußen sind“, sagt Matthias Stührwoldt, „für eine
Wertschätzung der Bäuerinnen und Bauern vor Ort.“
In Verbindung stehende News:
Nicht gerade gläsern - 29-09-16 10:28
Bauern verklagen Molkereien - 29-09-16 10:16
Französische Milchbauern erreichen höheren Milchpreis - 02-09-16 08:45
Größte Molkerei DMK zahlt am schlechtesten - 11-08-16 11:21
BDM-Bauern stellen Bleser zur Rede - 11-08-16 11:18
Gedanken zur Milchkrise - 28-06-16 09:01
SPIEGEL Online – 14.1.2017 - Benjamin Schulz, Kiel;
Sicherungsverfahren gegen Landwirt
Nichts zu verlieren
Peter F. steht vor dem Landgericht Kiel, weil er mit seinem Trecker
Polizeifahrzeuge demolierte. Im Sicherungsverfahren gegen den renitenten
Bauern haben alle Beteiligten Mühe, die Fassung zu wahren.
… Das war am 4. Mai 2016. F. war an dem Tag an seinem Hof bei Ascheberg in
Schleswig-Holstein mit dem Traktor umhergefahren und hatte mehrere Polizeiwagen
und andere Autos demoliert.
Es war seine Reaktion auf eine Maßnahme des Kreisveterinäramts. F. hatte sich
geweigert, seinen Kühen Blut abzunehmen und Ohrmarken setzen zu lassen; der
Landwirt hält das für Tierquälerei. Seit mehr als zehn Jahren lag er deswegen mit
den Behörden im Clinch, Festnahmen, Strafzahlungen und Papierkrieg inklusive.
Angesichts dieser Vorgeschichte waren die Tierärzte mit Verstärkung angerückt,
insgesamt neun Beamte der örtlichen Polizei und zwei Bundespolizisten. Die
Beamten setzten F.s Fahrt ein Ende, indem sie den Traktor durch Schüsse auf die
Reifen stoppten.
Im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Kiel kämpft F. nun um seine Freiheit. Die
Staatsanwaltschaft will ihn in der geschlossenen Psychiatrie sehen - F. habe damals
im Mai im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Aber für gefährlich hält ihn die
Staatsanwaltschaft noch immer. Die Auseinandersetzung vor Gericht bestimmt F.s
Leben. Er wehrt sich mit der verzweifelten Entschlossenheit eines Menschen, der
nichts mehr zu verlieren hat, sich nicht kampflos ergeben will. Seine Rinder sind
verkauft; er muss befürchten, dass die vorläufige Unterbringung in der
geschlossenen Psychiatrie dauerhaft wird.
Das macht begreiflich, warum er immer wieder die Grenzen dessen übertritt, was vor
Gericht üblich und vielleicht auch angemessen ist. Gegen eine ihm feindselig
gesinnte Justiz und Behördenwillkür darf man nicht leise und zurückhaltend bleiben so sieht er es. …
Mehr dazu:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-gegen-peter-f-in-kiel-nichts-zuverlieren-a-1129912.html
______________________________________________________________
Die AbL Niedersachsen/Bremen e.V. übernimmt weder eine Freistellung von
Rechten Dritter noch eine Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder
Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen die AbL
Niedersachsen/Bremen e.V.., die sich auf Schäden materieller Art beziehen, sind
grundsätzlich ausgeschlossen.
Abbestellungen des Newsletter über: [email protected]