Fragen-Antworten-Katalog zum Konzernatlas 2017

Deutscher Bauernverband
Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
Fragen und Antworten
rund um den „Konzernatlas“ 2017
aus landwirtschaftlicher Sicht
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Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
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Wie können die Vermarktungsstrukturen für die Landwirte verbessert werden?
Der Zugang zu den Absatzmärkten und die
Sicherung einer angemessenen Wertschöpfung ist für die landwirtschaftlichen Erzeuger von zentraler Bedeutung. Zusammenschlüsse in Erzeugergemeinschaften bzw.
Vermarktungs- und Verarbeitungsgenossenschaften sind dazu ausgesprochen wichtige
Instrumente. Beispielsweise werden rund
zwei Drittel der Milch in Genossenschafts-
molkereien verarbeitet. Durch eine kartellrechtliche Privilegierung und Unterstützung
von Erzeugerzusammenschlüssen sowie
durch die Ermöglichung von Branchenorganisationen kann die Wirtschafts- und Agrarpolitik dazu beitragen, dass sich Landwirte
in konzentrierten Märkten besser organisieren und behaupten können.
Wo muss das Kartellrecht ergänzt werden?
Die Nachfragemacht des hochkonzentrierten Lebensmitteleinzelhandels (LEH)
sorgt für erheblichen Marktdruck auf die
Land- und Ernährungswirtschaft. Durch
die fortgesetzte Konzentration sind die vier
größten Unternehmen des LEH in der Lage,
ihre Nachfragemacht einseitig zu Lasten
der Landwirte auszunutzen. Der Deutsche
Bauernverband fordert eine Schärfung des
europäischen und nationalen Kartell- und
Wettbewerbsrechtes, u.a. durch:
• Untersagung weiterer Fusionen im Bereich der vier größten deutschen LEH-Ketten
• Bessere Begrenzung und Kontrolle von
unfairen Handelspraktiken, z.B. „Anzapfverbot“, definierte Zahlungsfristen an
Landwirte und Lieferanten etc.
• Dauerhaftes Verbot des Verkaufs unter
Einstandspreis
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Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
Dazu liegen Vorschläge des DBV für die
aktuelle Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor. Auf europäischer Ebene macht der “Veerman-Bericht“
(erstellt im Auftrag der EU-Kommission)
konkrete Vorschläge.
Die aktuellen Fusionspläne internationaler Konzerne im Bereich Saatgut, Pflanzen-
schutz, Düngemittel usw. müssen seitens der
EU-Kommission genau geprüft werden, ob
hiermit Einschränkungen des Wettbewerbs
an den Märkten für Betriebsmittel verbunden sind (z.B. Koppelung von Saatgut mit
Pflanzenschutzmitteln usw.)
Sind Terminmärkte als Preisabsicherung für Landwirte
geeignet?
Richtig angewendet können Warentermingeschäfte Landwirte darin unterstützen,
Preisrisiken an volatilen Märkten für Agrarprodukte besser zu bewältigen. Dies darf
nicht mit „Spekulationsgeschäften“ verwechselt werden. Seit 2009 hat die EU die Finanzmarktregulierung massiv mit dem Ziel
ausgebaut, Transparenz und Überwachung
zu verbessern und systemische Risiken zu
vermeiden.
Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
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Wo liegen die Chancen der Digitalisierung?
Die Digitalisierung landwirtschaftlicher Produktionsprozesse bietet großes Potenzial
für eine ressourcen- und klimaschonende
Landbewirtschaftung und Tierwohl fördernde Haltungsverfahren. Melkroboter in den
Milchviehställen und Präzisionslandwirtschaft auf dem Acker sind schon heute Realität, gerade auch bei kleineren und mittleren
Betrieben. Der Trend geht zur intelligenten
Roboter-, Sensor- und Satellitentechnik in
Kombination mit moderner Anwendungssoftware in Smartphones, Tablets und Apps.
In der Digitalisierung liegen auch große
Chancen, die kritische öffentliche Diskussion über moderne und nachhaltige Landwirtschaft versachlichen zu helfen.
Aus Sicht des DBV müssen vor allem zwei
Rahmenbedingungen gewährleistet sein:
Flächendeckend schnelles Internet im ländlichen Raum sowie Datensicherheit und Da-
tenhoheit, d.h. die Verfügungsrechte über
landwirtschaftliche Produktionsdaten müssen beim Landwirt liegen.
Heute nutzen 55 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe mit Getreideanbau Vorverträge zur Preisabsicherung; bei Raps sind es
sogar 73 Prozent. Der DBV wirbt daher dafür,
die Anwendung von Warentermingeschäften
und Vorverträgen auch in der Milchwirtschaft zum Zwecke der eigenen Preisabsicherung stärker zu verbreiten.
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Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
Bedroht der Strukturwandel die Familienbetriebe?
Im Vergleich zu anderen Industrie- und
Schwellenländern ist die deutsche Landwirtschaft ausgesprochen familienbetrieblich
strukturiert. Betriebe in der Hand von Konzernen sind in Deutschland die große Ausnahme. Der Strukturwandel wird vor allem
vom Generationswechsel der bäuerlichen
Inhaberfamilien geprägt. Die Betriebsübernahme durch Junglandwirte ist aus Sicht des
DBV besonders zu flankieren (Hofabgabe
in der Alterssicherung, angemessene erbschaftsteuerliche Bewertung der Betriebe
etc.). Am Bodenmarkt soll es einen Vorrang
für die aktiven Landwirte geben.
Vor allem in der Tierhaltung wird der Strukturwandel von beschleunigten Auflagen im
Umwelt- und Tierschutz getrieben. Gerade
kleinere Betriebe werden durch neue Auflagen verdrängt. Daher ist aus Sicht des DBV
ein Bestandsschutz für Altställe und eine
Entwicklungsmöglichkeit für neue tiergerechtere Ställe (Baurecht) erforderlich.
Konzentration in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
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Verbraucherdialog in offenen Märkten oder Kapitalismuskritik?
Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden, was sie essen. Dabei ist Vielfalt
der angebotenen Lebensmittel größer als je
zuvor. Die Mehrheit der deutschen Verbraucher kauft nach wie vor stark preisorientiert
ein und gibt damit ihre Einkaufsmacht in die
Hände der Discounter. Der Deutsche Bauernverband fordert, das Wettbewerbs- und
Kartellrecht im Agrar- und Lebensmittelsektor zu schärfen, gerade auch bei der Eingrenzung der Marktmacht der Handelsketten.
Auf dieser Basis können und werden die
deutschen Landwirte vielfältige Lebensmittel für spezielle Verbrauchersegmente anbieten, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen.
In der Handelspolitik erwarten die Landwirte, dass Agrarimporte die Standards in
Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und
Arbeitsschutz erfüllen. Umgekehrt bieten
Exportmärkte auch eine Chance für hiesige
Landwirte, zusätzliche Wertschöpfung zu
erzielen, ohne dass dies zu Lasten der Berufskollegen in Entwicklungsländern geht.
Eine allgemeine Globalisierungs- oder Kapitalismuskritik steht neuen Lösungen für
Verbraucher und Landwirte dabei eher im
Wege.
Deutscher Bauernverband
Herausgeber:
Deutscher Bauernverband e. V.
Claire-Waldoff-Straße 7, 10117 Berlin
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2017