Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Vertreter

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Vertreter von Bürgerstiftung, Stadtsparkasse und SGV,
liebe Versmolder!
Lars, einer der beiden Jungs von Hartmut Fromme, kam abends ins Wohnzimmer.
Verdutzt sah er seinen Vater an. Und fragte: „Papa, warum bist Du eigentlich hier?
Hast Du gar keine Veranstaltung?“
Das muss ungefähr 1986 gewesen sein. Hartmut Fromme war damals
Finanzkirchmeister und Baukirchmeister. Die beiden verantwortungsvollsten Ämter,
die eine evangelische Kirchengemeinde in Westfalen ehrenamtlich zu vergeben
hat. Außerdem arbeitete er im Versmolder Presbyterium und in zahlreichen
Ausschüssen der Kirchengemeinde und des Kirchenkreises mit.
Eigentlich war das gerade eine Zeit zum Luftholen zwischen zwei Großprojekten,
die Hartmut Fromme federführend begleitet hat. Zuvor war 1983 das damals neue
Gemeindezentrum an der Rothenfelder Straße fertiggestellt worden. Und 1987
beschloss die Kirchengemeinde, die Trägerschaft des ersten Versmolder
Altenzentrums zu übernehmen.
Besonders das Katharina-von-Bora-Haus zeigt, wie sehr die Arbeit der
Kirchengemeinde mit dem öffentlichen Leben in Versmold verknüpft ist. Ich könnte
auch das Jugendzentrum Westside nennen, das Hartmut Fromme als
Jugendpresbyter begleitet hat. Oder die Renovierung der Petri-Kirche, die er als
„Finanzminister“ der Gemeinde und als Fundraiser mit ermöglicht hat.
Alles im Ehrenamt. Hartmut Fromme hat bald 50 Jahre lang die EvangelischLutherische Kirchengemeinde und dadurch auch die Kommune Versmold
mitgeprägt. Es macht mich glücklich, lieber Hartmut, dass Du für dieses nachhaltige
und leidenschaftliche Engagement mit dem Versmolder Bürgerpreis geehrt wirst!
Ich möchte an dieser Stelle auf zwei Fragen etwas genauer schauen: Was ist das
eigentlich für ein Mensch, der sich mit soviel Tatkraft für sein Ehrenamt einsetzt?
Und was ist sein unverwechselbarer Beitrag?
Hatte Hartmut Fromme mit diesem Nachnamen eigentlich eine andere Wahl, als
sich in der Kirche zu engagieren? Obwohl: Frömmlerisch ging es jedenfalls in
seiner Familie und bei der Jungschar nicht zu, als der kleine Hartmut in den 50er
Jahren Kontakt mit der Gemeinde aufnahm. Er betont immer wieder, dass
Pietismus und Erweckung nie bis Versmold gekommen sind. Diese frommen
evangelischen Erneuerungsbewegungen gelangten von Osten her allenfalls bis
Halle und sind dort irgendwie an den Bergen hängengeblieben.
Die Jungschar war für ihn ein Ort, um mit Gleichaltrigen zu spielen. Seine
Schwester war 7, sein Bruder sogar 17 Jahre älter. Da war die Peergroup beim
CVJM spannender. Auch wenn das damals natürlich noch nicht so hieß. Nach der
Konfirmation 1959 fragte Pastor Rietbrock: „Willst Du nicht im Kindergottesdienst
mitmachen?“
So haben viele Kirchenkarrieren begonnen. Ich spreche da aus Erfahrung. Der 14jährige Hartmut sagte zu. Und mit der Zeit hatte er einen sehr bemerkenswerten
Gedanken. Am Ende des Markusevangeliums ist der Auftrag von Jesus überliefert:
„Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium.“ Unser Preisträger dachte sich:
„Ich bin ein Versmolder und fühle mich hier zuhause. Ich möchte nicht in alle Welt
gehen.“ Und deshalb fragte er sich: „Was kann ich hier tun, um in meiner Stadt
Versmold etwas Gutes zu bewirken und dem Auftrag von Jesus gerecht zu
werden?“
Das ist glaube ich ganz wichtig. Natürlich ist Hartmut Fromme auch von seinem
Naturell her ein engagierter Mensch. Gewissenhaft, verlässlich, gründlich und
schlau. Voller Tatkraft. Aber es brauchte eben auch einen Funken, um dieses
große Potential zu entzünden. Eine Orientierung, um dem Engagement eine
Richtung zu geben. Dafür sorgte bei ihm der Glaube. Der Auftrag von Jesus, sich in
der Welt zu engagieren.
Die Welt kann dabei durchaus in der Heimat liegen. Und deshalb ist es der
Versmolder Bürgerpreis, der Hartmut Fromme heute verliehen wird – und nicht
einer vom Rio de la Plata oder Irente in Tansania. Das ökumenische Interesse hat
ihn trotzdem von Anfang an begleitet. Der Blick in die Welt. Und die
Zusammenarbeit mit den Katholiken vor Ort. Seit 26 Jahren lebt er ja auch ganz
privat in guter Nachbarschaft mit der St.-Michael-Kirche.
„Nebenbei“ besuchte er die Handelsschule und machte eine Lehre bei der
Sparkasse. Und er ging zur Bundeswehr. Das Hauptfeld seines Engagements war
zunächst die Jugendarbeit des CVJM.
Ein Beispiel, wie vorausschauend und gewitzt er dabei vorging? In den 60ern
leitete er eine Freizeit für junge Männer in den Alpen. Oberhalb der eigenen
Herberge war eine Gruppe mit jungen Frauen untergekommen. Irgendwann
brachen die Jugendlichen natürlich auf und hofften, heimlich losgekommen zu sein.
Hartmut Fromme jedoch hatte es gerochen. Und während die jungen Männer über
die Serpentinenstraße nach oben stiegen, nahm er die gerade, steile Abkürzung.
Unbemerkt sah er, dass die Jungs von den Mädels abgewiesen wurden: Die hatten
nämlich gerade eine Versammlung. Unser Freizeitleiter kletterte schnell auf dem
steilen Weg zurück und konnte die Jungs mit der Auskunft empfangen: „Ihr hättet
gar nicht zu gehen brauchen. Die Mädels hatten schließlich ihre Versammlung!“
Es gab noch einen zweiten neutestamentlichen Gedanken, der unseren
Kirchmeister geprägt hat. Paulus legte großen Wert darauf, dass die Begabungen
in einer Gemeinde unterschiedlich verteilt sind. Und dass das auch gut so ist. Wenn
alle ihre eigenen Talente einbringen, ergibt sich ein großes Ganzes. Wie ein Leib,
dessen Körperteile sinnvoll und harmonisch zusammenwirken. Der Leib ist dann
die Kirche. Oder mystisch gesprochen: Das Zusammenspiel aller ist dann die Art,
wie Jesus Christus heute in der Welt anwesend ist.
Hartmut Fromme hat bei sich früh ein doppeltes Talent entdeckt: genau sein und
mit Zahlen umgehen. Ursprünglich wollte er Uhrmacher werden. Bis heute liebt er
die Stunden in seinem Handwerkskeller. Aber dann ging es doch zur Bank. Und
genau diese Gabe, den genauen Umgang mit Zahlen und den besonnenen
Weitblick, hat er in die Gemeindearbeit eingebracht:
Beim CVJM als Kassenwart. Seit 1970 als Presbyter. Seit 1976 dann 40 Jahre lang
als Finanzkirchmeister und auch im kreiskirchlichen Finanzausschuss. 1 1/2 Jahre
später wurde er auch Baukirchmeister und blieb das bis 2006. Die größten
Projekte, die er in dieser Funktion begleitet hat, habe ich bereits erwähnt. Dazu
kamen unzählige kleinere Aufgaben sowie der zeitaufwänge Alltag des
Finanzministers, der den gemeindlichen Haushalt plant und prüft und der jede
Anweisung gegenzeichnen muss.
Wie kann man soetwas überhaupt leisten als Ehrenamtlicher? Das ist eine Frage,
die das Ehrenamt grundsätzlich betrifft. Und die in einer immer verdichteteren Zeit
immer mehr auf den Nägeln brennt. Vier Gedanken möchte ich abschließend dazu
sagen:
• Zum einen braucht es eine persönliche Haltung. Hartmut, Du bist ganz
idealistisch davon überzeugt, wie sinnvoll und notwendig Deine Aufgabe ist. Dich
trägt Dein Glaube. Und außerdem bringst Du die Disziplin des Frühaufstehers
mit, der schon um 6 Uhr im Versmolder Parkbad seine Runden dreht.
• Zum anderen braucht es die familiäre Unterstützung. Ohne die Rückendeckung
Deiner Astrid hättest Du all das nicht leisten können. Sie hat Dich gerne begleitet,
zum Beispiel in die Petri-Kirche. Aber sie hat auch oft auf Dich verzichten
müssen. Der Trost ist vielleicht: Ohne die Gemeinde hättet Ihr Euch wohl gar
nicht kennen gelernt.
Liebe Astrid, als Presbyter hat Dich Hartmut für den Peckeloher Kindergarten
angestellt. Bei einem Gemeindeausflug seid Ihr Euch näher gekommen. Und
wider Erwarten ist es Euch vor bald 44 Jahren gelungen, ein freies Wochenende
für Eure Hochzeit zu finden. Auch Thorben und Lars mussten immer wieder auf
ihren Vater verzichten. Aber trotz allem hat Hartmut es auch geschafft, liebevoller
Papa und Opa nicht nur in der eigenen Familie, sondern auch für Deine 16
Tageskinder zu sein. Herzlichen Dank für Deine Unterstützung!
• Drittens braucht es auch einen verständnisvollen Arbeitgeber. Hartmut Fromme
hat so manche Stunde abends in der Sparkasse nachgearbeitet, was er tagsüber
abwesend sein musste. Er war darauf angewiesen, dass er flexibel arbeiten
konnte und mit Überstunden jonglieren durfte. Vielleicht war es ja auch hilfreich,
dass auch Christian Böker und Gerold Mohmann selbst Presbyter waren. Auch
an die Stadtsparkasse Versmold einen herzlichen Dank!
• Und schließlich braucht es gute Vorausschau. Auch die zeichnet Dich aus, lieber
Hartmut. Deine beiden Großprojekte hast Du so rechtzeitig gesichert: Das
Katharina-von-Bora-Haus unter das Dach eines starken evangelischen Trägers
überführt. Und auch an den Zukunftsplänen für das Gemeindezentrum
mitgearbeitet. Mit Frank Nölke hast Du einen starken Nachfolger als Kirchmeister
aufgebaut, der Deine Arbeit seit einem Jahr überzeugend fortsetzt.
Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. 2020 wird Hartmut Fromme nach dem
Kirchenrecht sein Presbyteramt abgeben müssen. Kaum vorstellbar! Schon 2018
wird es jedoch einen weiteren Bürgerpreisträger geben. Letztes Jahr saß Herr
Fromme neben dem letzten Preisträger, Karl-Heinz Niebrügge. Da schaun wir doch
mal ganz gründlich hin, wer gerade neben dem heutigen Preisträger sitzt…
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Sven Keppler, Pfarrer