SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem We could be heroes David Bowie wäre in diesem Januar 70 geworden Von Christiane Rebmann Sendung: 06.01.2017 um 19.20 Uhr Redaktion: Bettina Stender Sprecher: Peter Binder Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Tandem sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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Und er arbeitete nicht nur als Musiker, sondern auch als Schauspieler und Maler und war dazu ein versierter Kunstsammler. 2013 machte eine vielbeachtete Bowie-Ausstellung in London klar, wie groß sein Einfluss auf Mode, Musik und Kunst gewesen war. We could be heroes – David Bowie wäre diesen Januar 70 geworden. Eine Sendung von und mit Christiane Rebmann. O-Ton Die Egoprobleme haben sich im Laufe der Jahre abgenutzt. Wenn du ganz jung bist, dann brauchst du diese Reaktion des Publikums. Dann ist es toll, wenn all diese Menschen vor dir schreien und tanzen, dann ist es dir fast auch egal, was du spielst. Inzwischen brauche ich diesen Kitzel nicht mehr so. Mir geht es jetzt vor allem darum, dass ich es genießen kann, Musik zu machen. Wenn man die Musik, die man spielt, nicht mag, kann es ziemlich langweilig und ermüdend sein, auf der Bühne zu stehen. Dann fragst du dich, warum du das machst. Durch diese Phase bin ich in den 80er Jahren gegangen. Und dann hab ich mich entschlossen, nur noch das zu spielen, was ich mag. Und das Publikum muss da eben mitgehen. Heroes / Heroes Zwar war David Bowie nicht mehr 30, sondern schon knapp 50, als ich ihn zum ersten Mal traf. Aber der Künstler, der sich sehr entspannt zu seiner Eitelkeit bekannte, hätte auch als zehn Jahre jünger durchgehen können, wie er mir da so in seiner Interviewsuite gegenüber saß und sich die Cremereste aus dem Gesicht strich. O-Ton Oh, ich habe noch Feuchtigkeitscreme im Gesicht, aus der Kosmetikserie meiner Frau Iman. Die Creme ist wirklich exzellent. Seh ich nicht wunderbar aus? Das Zeug ist richtig gut. Ich bin nicht nur ihr Ehemann, ich bin auch ihr Kunde. Ich bin schrecklich teuer, deshalb mache ich diese Werbung für ihre Produkte lieber gleich umsonst, mein Enthusiasmus für Iman Products kennt keine Grenzen. Ich benutze auch ihren Augen Make-up Entferner und ihre Reinigungsmilch. Aber nur wenn ich arbeite, auf Tournee, nach den Konzerten. Sonst nicht. 2 3 Ein Interview mit David Bowie zu bekommen, brauchte immer lange Vorbereitung, und das Ganze glich dem Antrag auf eine Papstaudienz. Aber wenn man ihn dann mal zu fassen hatte, war er charmant, geistreich und dankbar, wenn im Gespräch eine eher unterhaltsame Atmosphäre entstand. Er mochte es, wenn ihm sein Gegenüber nicht bewundernd, sondern auf Augenhöhe begegnete und er sich selbst nicht allzu ernst nehmen musste. Selbst im Telefoninterview antwortete er entspannt. Nur einmal habe ich ihn als arrogant erlebt. Das war während einer Roundtable genannten Mini-Pressekonferenz mit mehreren Journalisten. Vielleicht brauchte er die leichte Überheblichkeit als Schutzwall, um seine Unsicherheit zu verstecken. Love you till Tuesday / The World of David Bowie David Robert Jones kam am 8. Januar 1947 im Londoner Stadtteil Brixton zur Welt. Nachdem sein Halbbruder ihn in die Musik von John Coltrane und Charlie Mingus eingeführt hatte, begann er, Saxophonunterricht zu nehmen. Als Teenager spielte er in diversen Bands. Seine erste Single „Liza Jones“ brachte er unter dem Namen Davey Jones and the King Bees heraus. Weil er immer wieder mit Davey Jones von den Monkees verwechselt wurde, benannte er sich in David Bowie um – nach dem US Pionier Jim Bowie, der 1836 in der Schlacht um Alamo gefallen war. Mit 20 veröffentlichte der charismatische Musiker sein erstes Album "David Bowie“, ein folkiges Werk, das nicht sehr erfolgreich war. Das sollte sich mit dem zweiten Album ändern. „Space Oddity“ mit der gleichnamigen Hitsingle traf den Zeitgeist. Kurz nach Erscheinen fand die Apollo 11 Mission statt. Und die Hauptfigur des Titelsongs, der Astronaut Major Tom, hätte gut in Stanley Kubricks Film „2001 Odyssee im Weltraum“ gepasst. Space Oddity / Space Oddity Bowie nahm mit „Space Oddity“ auch Bezug auf seine ersten Erfahrungen mit Heroin. Und er nutzte nicht nur die Aufbruchstimmung, die durch die Erforschungsmöglichkeiten des Alls entstanden, sondern auch die zunehmende Befreiung der Geschlechterrollen. Er baute sein androgynes Image weiter aus, spielte mit Gender-Klischees, trat in Frauenkleidern auf und entwickelte die in schrillen Farben geschminkte und gekleidete rothaarige Kunstfigur Ziggy Stardust. Mit der Single „Starman“ aus dem Album „The Rise And Fall Of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars” empfahl er sich den Fans des Glamrock. Starman / Ziggy Stardust Später erzählte mir der Musiker, dass ihm die Verkleidungen aus dieser Zeit den Spott seines Sohnes Duncan eingebracht hatten, der 1971 aus der Ehe mit Angela Barnett hervorgegangen war. O-Ton Mein Sohn findet das sehr komisch. Er kann gar nicht glauben, was ich alles getan habe. Er findet das zum Totlachen. Aber er ist ja auch sehr klug. Und im Gegensatz zu mir studiert er zu Ende. Philosphie. Er macht gerade seinen Doktor. 3 4 Wahrscheinlich wird er beim Fernsehen enden. Als Drehbuchautor oder sowas. Wie alle anderen Philosophiedoktoren auch. Die die ich kenne, leiten alle eine Fernsehoder Radiostation. Bowie sollte fast recht behalten. Duncan, der den bemerkenswerten Zusatznamen Zowie Haywood Jones trägt, ist mittlerweile ein erfolgreicher Science-FictionRegisseur. Nicht nur auf den Sohn übten Bowies All-Fantasien einen nachhaltigen Einfluss aus. Wie sehr seine Ideen vor allem aus den 70er und 80er Jahren Bereiche wie Kunst, Design und Mode beeinflusst haben, wurde mir Anfang 2013 noch einmal so richtig klar, als ich im Londoner Victoria and Albert Museum die hoch gelobte und sehr gut besuchte Ausstellung „David Bowie Is“ ansah, die ganz offensichtlich nicht nur seine Anhänger aus jener Zeit faszinierte. Die Kunst des vielseitigen Talentes zog auch viele junge Besucher an. Rebel Rebel / Diamond Dogs Mitte der 70er Jahre zog Bowie in die USA, nahm das Album „Diamond Dogs“ mit Hits wie „Rebel Rebel“ auf und schwenkte zu einem Stil über, den er Plastic Soul nannte. Der Song „Fame“ aus dem Album „Young Americans“ brachte ihm seinen ersten Nummer Eins Hit in den Vereinigten Staaten ein. Fame / Young Americans Als Bowie Ende der 70er Jahre von den USA nach Berlin umzog, war er hochgradig heroinabhängig und abgemagert. Damals entstanden die drei Alben „Low“, „Heroes“ und „Logder“, die als „Berlin Trilogy“ bekannt wurden, obwohl sie, wie Bowies Produzent und Freund Tony Visconti mir vor einigen Jahren erzählte, zum Teil an anderen Orten geschrieben beziehungsweise aufgenommen worden waren. Visconti O-Ton Die sogenannte „Berlin Trilogy“ hieß so, obwohl wir nur ein Album in Berlin aufgenommen haben. „Heroes” spielten wir komplett in Berlin ein. “Low“ entstand teilweise in Frankreich, und dann stellten wir das Album in Berlin fertig. Als wir „Lodger“ aufnahmen, arbeiteten wir überhaupt nicht in Berlin. Es kann höchstens sein, dass David einen Teil der Songs in Berlin geschrieben hat. Bowie lebte damals in einer WG mit dem US Kollegen Iggy Pop, für den er diverse Alben produzierte. Er sog die gespannte, aber auch kreativitätsfördernde Stimmung in der geteilten Stadt auf und beschäftigte sich mit der Kultur der Weimarer Republik. In jener Zeit nahm er im Hansa Tonstudio 2 mit Blick auf den Wachtturm der DDR Grenztruppen den Song „Heroes“ auf, der bis heute immer wieder von anderen Musikern gecovert wird. Zuletzt spielte auch die deutsche Acapella Formation Slixs eine eigene Version ein. Bandgründer Michael Eimann ist auch heute noch fasziniert von dem Lied. 4 5 O-Ton Für mich hatte der Text immer etwas sehr Zerbrechliches, sehr Fragiles. Und das fand ich eben interessant, weil die Musik sehr kraftvoll ist. Es ist tatsächlich so ein trauriges Bild, so ein Blick auf die Mauer. Die Geschichte des Liebespaares, das sich unter Bowies Augen regelmäßig direkt an der Mauer traf, berührte auch Eimann. O-Ton Es ist halt nur so ein kleiner Ausschnitt aus diesem Riesenkomplex Mauer, was da noch dranhängt - einfach nur diese Geschichte, die schon beeindruckend ist, weil sie so klein ist. Slixs Heroes 1992 heiratete David Bowie in zweiter Ehe in einer Kirche in Florenz das Fotomodell Iman Abdulmajid, das zuvor in Michael Jacksons Video "Remember The Time" aufgetreten war. Iman stammt aus Somalia. Und das fand David besonders reizvoll. O-Ton Der Teil von Somalia, in dem sie zur Welt kam, wurde von den Italienern kolonialisiert. Es gibt dort also viele Einflüsse, die eindeutig italienischen Ursprungs sind. Und die haben sich dort immer weitervererbt. Eine merkwürdige italienisch arabische Mischung, die ich einfach faszinierend finde. Sehr anregend, sehr sexy. Sie macht tolle Sachen mit ihren Händen. Gesten, meine ich. Sie spricht sehr viel mit den Händen, wie das Italiener eben so tun. Ich liebe das. Die Gegensätze zwischen Schwarz und Weiß faszinierten Bowie. Und noch einige andere Elemente hielt er für unerlässlich für eine gute Beziehung. O-Ton Ich weiß, es ist ein Klischee. Aber Intelligenz und Humor sind wichtig für eine richtig sexy Beziehung. Sie sind der Schlüssel. Und man muss bereit sein, die Unterschiede zwischen beiden Partnern zu akzeptieren und sie zu schätzen. Man sollte nicht nur die Ähnlichkeiten suchen, sondern sich bewusst machen, wie interessant und wunderbar die Unterschiede sind. Das macht das Ganze spannend. Das hält uns glücklich. China Girl “China Girl” aus Bowies Album “Let’s Dance”. Ursprünglich hatte er das Stück gemeinsam mit Iggy Pop für dessen Album „The Idiot“ geschrieben. Doch erst in Bowies Fassung wurde er bekannt. Der britische Musiker war auch ein begnadeter Live Entertainer. Das Leben auf Tournee gestaltete er sich so angenehm wie möglich. 5 6 O-Ton Ich bin zum Glück ein Frühaufsteher. Deshalb lasse ich nie die Gelegenheit aus, mir tagsüber die Orte anzusehen, die ich noch nicht kenne. In den Städten, in denen ich schon häufig war, habe ich meistens Freunde. Ich ziehe oft mit meinem Gitarristen durch die Museen und Kunstgalerien und guck, was sich tut. Und er verhielt so umsichtig, dass er nicht von aufdringlichen Fans belagert wurde. O-Ton Damit hab ich nie Probleme. Ich reise ja nicht mit einer kompletten Entourage. Damit zieht man Aufmerksamkeit auf sich. Es ist viel einfacher, in einer kleinen mobilen Einheit zu reisen. Zur Not hätte vielleicht eine Andy Warhol Perücke geholfen. O-Ton ((lacht)) Das wäre das Letzte, eine Warhol Perücke, Tolle Idee! Ich setz eine Ziggy Stardust Perücke auf. Knallrot. Damit kann man mich nicht verfehlen. Allerdings ging Bowie lange Zeit nicht besonders sorgsam mit seinem Körper um. Auf die Frage, ob er sich auf Tournee wie Mick Jagger mit Joggen fithalte, antwortete er belustigt. O-Ton Joggen? Ich? Ich hasse diesen Kram. Den soll meine Frau Iman machen. Die ist in dieser Hinsicht bewundernswert diszipliniert. Ich telefoniere viel und lese Zeitung. Das hält meine Muskeln fit. Er hielt sich auch ungern an Regeln. So interessierte es ihn nicht, dass in der Hotelsuite, in der wir uns zum Interview trafen, nicht geraucht werden durfte. O-Ton ohne Synch Well if you don’t mind , I smoke. It helps my voice. It gives my voice that Janis Joplin sound. I can't do the whiskey, this is all I got left. It's so sad. Oh it's such a pathetic existence. Rauchen meiner Stimme den Janis Joplin Sound. Außerdem gönne ich mir ansonsten ja nicht mal mehr Whiskey. Ein erbärmliches Leben, sagte er und strahlte. Station to Station / Station to Station David Bowie war nicht nur als Musiker erfolgreich. Er war auch als Schauspieler gefragt. So traute er sich mit "The Elephant Man" an den Broadway und spielte in 27 Filmen mit, etwa 1977 neben Marlene Dietrich und Kim Novak in „Schöner Gigolo, Armer Gigolo“. Er trat in „Der Mann, der vom Himmel fiel“ auf sowie im Anti-KriegsFilm „Merry Christmas, Mr. Lawrence” und in „Begierde”. Er machte 1982 beim Film „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ mit und half beim Soundtrack. Eine seiner wichtigsten Rollen war die der New Yorker Legende Andy 6 7 Warhol in Julian Schnabels Portrait des Malers Jean Michel Basquiat. Dabei hatte Warhol gar nicht zu Bowies Vorbildern gehört, als er mit den Dreharbeiten anfing. O-Ton Ich habe ihn schätzen gelernt, weil mich der Maler Julian Schnabel, der bei diesem Film auch Regie geführt hat, mit seiner Begeisterung angesteckt hat. Ich hatte Warhol nie in einem besonders menschlichen Licht gesehen. Für mich war er immer ein kalter Fisch gewesen. Aber Julian hat mir klargemacht, dass die Menschen Warhol wirklich etwas bedeutet haben. Und ich habe versucht, das in meiner Rolle herauszustellen. Warhol hatte einfach als Künstler sehr viel Macht. Ich bin kein besonders großer Warhol Fan. Aber ich finde es gut, was er für die Wiederentdeckung der Idee getan hat, dass man intellektuelle Neugier mit ästhetischem Empfinden verbinden kann. Allerdings glaube ich, dass ihm selbst gar nicht klar war, was er damit in der Kunstwelt ausgelöst hat. Ihn hat eigentlich nur sein sozialer Status interessiert. Und den hat er ja erreicht. Weltberühmt, gesellschaftlich anerkannt. Er hat alles erreicht, was er wollte. A small plot of land / Outside „A small plot of land“ aus dem Soundtrack zum Film „Basquiat“. Der Song war zuvor auf dem Album „Outside“ erschienen. Bowie hatte ihn gemeinsam mit seinem langjährigen musikalischen Weggefährten Brian Eno aufgenommen. Dieser gehörte neben Marc Bolan, Iggy Pop, Peter Frampton, Mick Jagger und John Lennon zu den Musikern, die Bowies Karriere am nachhaltigsten beeinflusst hatten. Nach einer Interimsphase mit der wenig erfolgreichen Punk Revival Band Tin Machine Anfang der 90er Jahre war Bowie froh, wieder mit Eno arbeiten zu können. Das Album trug den Untertitel „The Nathan Adler Diaries“, auch in Anlehnung an das Tagebuch, das Eno kurz zuvor veröffentlicht und mit einem exzentrischen Titel versehen hatte. O-Ton Schon der Titel "My Year With Swollen Appendices" klingt doch vielversprechend. Das ist das Jahr 1995 in Tagebuchform. Und am Ende hat er auf rosa Seiten all seine Gedanken und Theorien des Jahres gesammelt. In der ersten Hälfte erzählt er von seinen Kindern und von der Arbeit mit mir und Bono. Ein sehr kluges Buch. Vielleicht lese ich das mal laut und lege einen Backbeat drunter. Die Songs auf „Outside“ beschäftigten sich allerdings nicht mit Brian Enos Alltag. Vor den Aufnahmen hatten Bowie und Eno in einer österreichischen Psychiatrie die Patienten interviewt und sich mit ihren in der Therapie entstandenen Bildern auseinandergesetzt. O-Ton Es geht um den Kampf zwischen Gut und Böse. Und dass die Kirche von den Künsten und vom Fußball verdrängt wird. Dass die Kunst zur Religion wird. Ich hab mich ja eingehend mit moderner Architektur beschäftigt. Ist Ihnen aufgefallen, dass die Leute inzwischen sonntags ins Museum gehen, nur um im Museum zu sein? Hauptsache, man ist dabei. Das hat mit dem Guggenheim Museum angefangen. Das Museum an sich steht für etwas Gutes. Die Leute hoffen, dass die Reinheit, Ästhetik 7 8 und intellektuelle Schwere auf sie abfärbt und dass sie nach dem Besuch bessere Menschen sind. Das ist schon bald so wie bei der Kirche. Hallo Spaceboy / Outside David Bowie hatte sich schon früh mit den Weltreligionen auseinandergesetzt. Am ehesten sagte ihm der Buddhismus zu. O-Ton Ich habe die Nase voll von organisierten Religionen. Mir geht es bei diesen Dingen gar nicht so sehr um die Rituale an sich, sondern darum, dass man etwas lernt. Im Christentum finde ich die Gnostiker interessanter als die reformierte Kirche. Bei den Gnostikern ist der Gedanke ähnlich wie bei den Buddhisten. Sie meinen, dass der Mensch selbst seinen Standort finden sollte. Dass er keine Hierarchie braucht und auch keinen Priester, um in das spirituelle Leben eingeführt zu werden. Deshalb tauchen die Gnostiker wohl auch nicht in der Bibel auf. Sie haben die Kirche und ihre Machtstruktur ja nicht gerade unterstützt. Sie haben eher subversiv gewirkt. Die Ideen der Gnostiker und der Buddhismus, das wäre doch eine interessante Mischung. Ich mag allerdings nur einzelne Teile von beiden. Ich baue mir in dieser Hinsicht wie immer gern etwas aus dem zusammen, was so auf dem Teppich rumliegt. Let’s Dance / Let’s Dance Ende der 70er Jahre war David Bowie aus Steuergründen in die Schweiz gezogen, zuerst nach Bloney oberhalb vom Genfer See. Später siedelte er in das größere Anwesen Chateau du Signal in der Nähe von Lausanne um. 1995 verkaufte er es, obwohl ihm der Blick auf den Genfer See gefallen hatte. Er habe sich dort ein wenig wie vor der Kulisse eines Kunstkalenders gefühlt, sagte er. O-Ton Wunderschön. Nur leider ist es jeden Monat dasselbe Kalenderblatt. Bowie war nicht die einzige Eminenz aus der Popszene, die es in die Schweiz gezogen hatte. Allerdings, sagte er, sei er seinen prominenten Kollegen Tina Turner oder Phil Collins dort nie begegnet. O-Ton Nein. Aber ich habe gehört, dass dort viele Künstler wohnen. Ich habe allerdings nie jemanden getroffen. Erst als der österreichische Expressionist Oskar Kokoschka gestorben war und sein Beerdigungszug an meinem Haus vorbeizog, habe ich erfahren, dass er im selben Dorf gelebt hatte wie ich. Ich war ziemlich fertig. Der Mann ist einer meiner Lieblingsmaler. Haben Sie gewusst, dass er sein ganzes Werk der Stadt Montreux vermacht hat? Und die Stadt hat das Erbe abgelehnt, weil sie keinen Platz für die Bilder hatte. Das ist doch purer Wahnsinn! Was für ein verrücktes Land! Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich angeboten. Ich hätte Räume gekauft. 8 9 I Have Not Been To Oxford Town / Outside Vor allem Bowies Frau Iman war es zu ruhig und langweilig bei den Eidgenossen. Deshalb zog die Familie nach London und New York um. Das Leben in der US Metropole bot unter anderem den Vorteil, dass sich Bowie dort regelmäßig mit Freunden wie dem Ex Talking Heads Musiker David Byrne austauschen konnte. Die zwei Künstler lagen auf einer Wellenlänge, schon weil sie beide auch im visuellen Bereich arbeiteten. Bowie malte und bewunderte Byrne wegen seines Talents als Fotograf. Einerseits. Andererseits war er oft auch genervt von seinem Kollegen. O-Ton David Byrne ist eher jemand, der sich dauernd auf der Straße rumtreibt. Bei ihm muss man immer aufpassen, dass er einen nicht mit seiner Kamera überrascht. Er hat mich mal besucht, und da hat er mir davon vorgeschwärmt, wie sehr er New York liebt. Ich habe ihn gefragt: „Was magst du so an New York“? Und er hat geantwortet: „Immer wenn du dort aus dem Fenster guckst, siehst du, wie gerade jemand auf der Straße umkippt“. Das ist wahrscheinlich eine ziemlich akkurate Beschreibung von New York. Dass David Bowie auch ein versierter Kunstsammler war, wurde der Öffentlichkeit erst nach seinem Tod klar, als seine Sammlung mit rund 300 Werken von Künstlern wie Damien Hirst oder Marcel Duchamp vor ihrer Versteigerung bei Sothebys ausgestellt wurde. David Bowies guter Freund, der Produzent Tony Visconti, erzählte mir 2013 von einem kulturellen Austausch der besonderen Art. Visconti O-Ton Wir wohnen nicht weit von einander in New York. Ich wohne im West Village und er in Soho. Wir treffen uns einmal im Monat zum Lunch. Dann reden wir über britische Comedyserien. Das ist unser großes Thema. Das hat schon früh angefangen, mit Peter Cooke und Dudley Moore, und dann kam „Little Britain“, und so gings weiter. Wir versuchen, uns an jede einzelne Zeile zu erinnern und sprechen sie nach. Es gab da mal diese Show namens „The Fast Show“. Als wir das Album „Heathen“ aufnahmen, ließen wir uns immer Videocassetten mit den neuesten Folgen aus London schicken. Diese Sendung lief ja erst viel später in den USA. Wir machten dann jeden Tag gemeinsam Mittagspause und sahen uns eine halbe Stunde lang so eine Folge an. Wir haben beide immer die britischen Comedy Serien geliebt. Wir haben es auch wirklich geschafft, alles, was Cooke und Moore gemacht haben, aufzutreiben. Die beiden sind ja so witzig. Ansonsten lieben wir beide Sushi. Damals behauptete Visconti noch, Bowie ginge es blendend, obwohl es da schon Gerüchte über seinen miserablen Gesundheitszustand gab. Visconti berichtete auch, dass Bowie sehr engagiert das künstlerische Schaffen der jüngeren Generation verfolgte. Visconti O-Ton Er hat einen Song für Scarlet Johanssen geschrieben. Und er liebt Arcade Fire. Er ist mit ihnen auch live aufgetreten. David Bowie ist auch meine Hauptquelle, was neue 9 10 Musik betrifft. Er ist dauernd im Internet und sucht nach neuen Bands. Und er spielt mir immer wieder welche vor. Wir haben also viel gemeinsam. Wir kennen uns ja seit über 40 Jahren. Er ist einer meiner ältesten Freunde. Slow Burn / Heathen Visconti O-Ton Wir sind ja für „Heathen“ wieder zusammen gekommen. Und dann haben wir „Reality“ aufgenommen. Und wie man von den „Berlin“ Alben weiß, machen wir immer alles im Dreierpack.“ 2013 nahm Visconti deshalb an, dass er noch ein weiteres Album mit David Bowie aufnehmen würde. Und tatsächlich bat Bowie Visconti einige Zeit später ins Studio, um die Platte „Blackstar“ aufzunehmen. Sie erschien nur wenige Tage vor Bowies Tod, an seinem 69. Geburtstag. Nicht nur die Songs, auch die dazugehörigen Videos mit dem schon sehr krank wirkenden Protagonisten stecken so voller Hinweise auf seinen bevorstehenden Tod und seine Angst davor, dass ich es kaum ertragen konnte, sie anzusehen. Lazarus / Blackstar Am 8. Januar 2017 wäre David Bowie 70 geworden. O-Ton Ich halte mich an die chinesische Auffassung, dass das Alter nicht vor 80 anfängt. Und dass die mittleren Jahre mit 60 losgehen. Am 10. Januar 2016 starb David Bowie. Die mittleren Jahre hat er also nur in verkürzter Form erlebt. Das war SWR2 Tandem - We could be heroes – Ein Portrait des britischen Künstlers David Bowie. Eine Sendung von und mit Christiane Rebmann. Unser Podcast-und Newsletter-Angebot und die Liste der gespielten Musiktitel finden sie im Internet unter SWR2.de/ Tandem. Lazarus / Blackstar 10
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