SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Michael Spreng, Politikberater, gab heute, 02.01.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Ausblick auf das Wahljahr 2017.“ . Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler. Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 02.01.2017 Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Politikberater Spreng warnt vor Alleingängen der CSU Baden-Baden: Der Politikberater Michael Spreng bewertet den neu aufgeflammten Streit zwischen CSU und CDU als "schwere Belastung" für die Erfolgsaussichten der Union bei der Bundestagswahl. Im SWR-Tagesgespräch sagte Spreng, alle Erfahrung zeige, dass der "Rechtskurs einer konservativ-demokratischen Partei" letztlich den Radikalen nütze und aktuell der AfD zugutekommen werde. Die CSU sei in ihrem Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin auch gar nicht hinreichend konsequent. Wenn sie Angela Merkel nicht die gemeinsame Kanzlerkandidatur verweigere, wisse jeder CSU-Wähler, dass er mit den Christsozialen auch Merkel seine Stimme gebe. Damit würden die kritischen Signale, die die CSU aussende, im Wahlkampf "verpuffen". Zur Debatte um die Kanzlerkandidatur der SPD sagte Spreng, die Union würde es im Wahlkampf schwerer haben, wenn Martin Schulz der sozialdemokratische Herausforderer werde. Anders als Sigmar Gabriel, der in Deutschland "ein großes Glaubwürdigkeitsproblem habe", sei Schulz in dieser Hinsicht "nicht beschädigt". Es zeichne sich aber ab, dass sich die SPD "für eine Partei-Lösung, also Gabriel, und nicht für eine Wähler-Lösung, also Schulz", entscheiden werde. Wortlaut des Live-Gesprächs: Geissler: Einige Kommentatoren sprechen vom Schicksalsjahr für Bundeskanzlerin Merkel. Sehen Sie das auch so? Spreng: Ja, ich würde von ihrem schwersten Jahr sprechen. Schicksalsjahr weiß ich noch nicht, denn sie hat nach wie vor sehr gute Chancen die Bundestagswahl zu gewinnen, aber es hängt alles davon ab, wie die weitere Entwicklung der inneren Sicherheit ist. Käme es zu neuen und weiteren Anschlägen, dann wird natürlich die Lage immer dramatischer. Geissler: Schicksalsjahr meint natürlich vor allem, dass sie die Kanzlerschaft verlieren könnte. Die könnte sie nach Lage der Dinge dann, wenn es im Bund für ein rot-rot-grünes Bündnis reichen würde. Im Moment aber geht das nach den Umfragen arithmetisch nicht. Halten Sie es für erreichbar trotzdem? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Spreng: Frau Merkels Ziel ist ja, die strategische Mehrheit zu erreichen. Das heißt, dass ihre Partei so viele Stimmen bekommt, dass gegen sie keine Regierung gebildet werden kann. Dieses Wahlziel, dass kann sie auch notfalls mit nur 30 Prozent erreichen. Dieses Wahlziel halte ich nach wie vor für erreichbar. Geissler: Noch offen ist allerdings oder zumindest noch nicht verkündet, wen die SPD nun endgültig zu ihrem Kanzlerkandidaten macht. Spielt die Person in diesem Fall praktisch keine Rolle in ihren Augen, oder hätte die Union es mit Schulz vielleicht schwerer als mit Gabriel? Spreng: Ja, ich glaube, sie hätte es mit Schulz schwerer. Gabriel hat das Pech oder die Entwicklung ist so, dass Herr Gabriel eine der unpopulärsten Politiker in Deutschland ist. Er hat ein großes Glaubwürdigkeitsproblem, und das ist die zentrale Frage. Die Glaubwürdigkeit von Martin Schulz ist nicht beschädigt, und das ist ja das höchste Gut, dass ein Politiker haben kann. Ich glaube, die SPD hätte mit Martin Schulz mehr Chancen, aber ich gehe dennoch davon aus, dass sich die SPD gewissermaßen für eine Partei-Lösung, also Gabriel, und nicht für eine Wähler-Lösung, also Schulz, entscheiden wird. Geissler: Im Moment spricht in der Tat relativ viel dafür, dass der Union als Ganzer die so genannte strategische Mehrheit, von der Sie sprechen, sicher ist, also keine Regierung gegen die Union gebildet werden kann. Aber der Konflikt zwischen den Schwesterparteien ist ja inzwischen wieder so in Fahrt gekommen, dass auch wieder der gemeinsame Wahlkampf in Frage zu stehen scheint. Wie riskant ist denn das für die Erfolgsaussichten der Union im Herbst? Spreng: Ja, es ist natürlich eine schwere Belastung, denn die CSU demontiert ja seit anderthalb Jahren die Kanzlerin und stellt ihre Autorität in Frage. Aber Frau Merkel hat hier bisher mit erstaunlicher Gelassenheit und Beständigkeit reagiert. Wenn sie diese Linie durchhält, dann wird sich die CSU und wird sich Seehofer an ihr abarbeiten, ohne dass vor der Bundestagswahl politisch dramatisches passiert. Die Frage ist natürlich ob die CSU dann wirklich in Opposition geht, wie zugesagt, falls es diese Obergrenze für Flüchtlinge nicht gibt. Das würde natürlich die politischen Verhältnisse in Deutschland völlig auf den Kopf stellen. Geissler: Es gibt in diesem Punkt allerdings auch Anhänger der Devise - getrennt marschieren, vereint schlagen - das heißt, dass die CSU eine eigene schärfere Linie fährt und beibehält bis zur Wahl, um insgesamt dann als Union mehr Stimmen einzufahren. Wie schlüssig ist das für Sie? Spreng: Nein, ich glaube, dass diese Kalkulation nicht aufgeht. Alle Erfahrungen von früheren Wahlen zeigen, dass ein Rechtskurs einer konservativ demokratischen Partei eher den Radikalen nützt und die Leute das Original wählen. Geissler: Das heißt die AfD in dem Fall. Spreng: Ja, die AfD. Ich glaube, der Kurs der CSU wird sich am Ende nicht auszahlen. Hängt ja auch damit zusammen: So lange Frau Merkel Kanzlerkandidatin ist, weiß jeder, der CSU wählt, dass er damit immer noch auch Frau Merkel wählt, und damit verpuffen die Signale, die die CSU aussendet. Also wenn, müsste sie konsequent sein und eben auch Frau Merkel die Kanzlerkandidatur verweigern. Geissler: Im Moment sind ja die beiden wahrscheinlichen, weil rechnerisch möglichen Varianten für nach der Bundestagswahl, entweder Fortsetzung der Großen Koalition oder aber ein so genanntes Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP, sofern die Liberalen wieder einziehen sollten. Wird denn die CSU im Zweifel da mitspielen, mit den Grünen. Was meinen Sie? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Spreng: Die CSU hat ja große Vorbehalte gegen die Grünen. Sie glaubt, dass dadurch ihr Landtagswahlkampf 2018 belastet würde. Selbst wenn Frau Merkel diese strategische Mehrheit erreicht, wird es eine der schwierigsten Regierungsbildungen der letzten Jahrzehnte. Das ist genau das zentrale Problem. Es kann zu ganz überraschenden Entwicklungen kommen, bis zur Trennung der Fraktionsgemeinschaft von CDU/CSU mit allen weiteren Folgen. Aber das liegt in der Hand der CSU, wie weit will es Horst Seehofer treiben. Geissler: Falls die CSU nicht mitmachen sollte und nur die CDU in diesem JamaikaModell, von dem ich gesprochen habe, dann wird es ja auch für eine Mehrheit etwas schwierig. Deshalb wenn Sie all das zusammen nehmen, auch das wir eben gesagt haben, ist die Große Koalition notgedrungen auch die wahrscheinliche nächste in Berlin? Spreng: Ja, wenn die CSU ihren Kurs so weiterführt, dann wäre es so. Die einzige Alternative, die auch die CSU akzeptieren würde, wäre eine Koalition aus CDU/CSU, Grün und FDP, weil dann, wie soll man sagen, die Grünen eingehegt würden. Aber eine Koalition in anderen Konstellationen würde sie nicht mitmachen. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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