Beginn des Strukturwandels – Kosten und Effizienz im Fokus

Medienmitteilung
Karin Kirchner
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«EY Bankenbarometer 2017»
Beginn des Strukturwandels – Kosten und Effizienz im Fokus
► 87 Prozent der Schweizer Banken erkennen einen beginnenden Strukturwandel
► Institute reagieren mit Kostensenkungen und Effizienzsteigerung
► 95 Prozent der Banken sehen gravierende Konsequenzen durch Negativzinsen
► Branchenfremde Konkurrenz bedroht Marktstellung vieler Banken
► Zwei Drittel der Institute schöpfen das volle Potenzial der Digitalisierung nicht aus
ZÜRICH, 5. JANUAR 2017 ‒ Die Schweizer Finanzbranche wird von einem fundamentalen
Strukturwandel erfasst: 87 Prozent der in einer Studie von EY befragten Banken in der
Schweiz erwarten umwälzende Veränderungen in der Wertschöpfungskette. Gleichzeitig sind
die Margen im traditionellen Bankgeschäft unter Druck, die sinkende Profitabilität wird zu
einem grundlegenden Problem. 92 Prozent der 120 Institute, die für das EY Bankenbarometer
2017 befragt worden sind, rechnen mit weiter sinkenden Renditen. Auf diese
Herausforderungen reagieren die Banken bislang mit herkömmlichen Massnahmen zur
Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Eine Priorisierung der Neuausrichtung ihrer Strategie,
Geschäftsmodelle und Prozesse auf Basis der sich verändernden Kundenbedürfnisse ist noch
nicht gegeben.
Trotz Strukturwandel und Profitabilitätsproblemen beurteilt der Grossteil der Schweizer Banken
die Geschäftsentwicklung weiterhin positiv. 80 Prozent (im Vorjahr 81 Prozent) haben in den
letzten zwölf Monaten gemäss eigenen Angaben gute operative Ergebnisse erzielt, 68 Prozent
(im Vorjahr 75 Prozent) rechnen im laufenden Jahr weiterhin mit guten Resultaten. «Das
überwiegend positive Urteil der Schweizer Banken überrascht, ist die Branche doch mit
vielfältigen, teilweise fundamentalen Herausforderungen konfrontiert», sagt Patrick Schwaller,
Managing Partner Assurance, Financial Services, bei EY Schweiz. «Bis jetzt zeigen die
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Banken eine relativ hohe Widerstandsfähigkeit. Dennoch ist ein beunruhigender Gegentrend
zu erkennen: Ein Drittel der befragten Banken schätzt den künftigen Geschäftsverlauf
zunehmend negativ ein, einige rechnen mit markanten Einbussen.»
Weitreichende Konsequenzen der Negativzinsen
Die Negativzinsen setzen den Banken zu: 95 Prozent beobachten im anhaltenden
Tiefzinsumfeld gravierende Konsequenzen. Die Profitabilität wird geschmälert, es kommt zu
langfristigen Problemen bei den Vorsorgesystemen und zu einem steigenden Risiko der
Blasenbildung bei mehreren Anlageklassen. «Zu beachten ist, dass Negativzinsen nicht nur
die Ertragschancen schmälern, sondern auch den Steuerungsimpuls für den Produktionsfaktor
Kapital verzerren. Dies kann zu Fehlallokationen von Kapital und Liquidität führen – mit heute
noch nicht absehbaren langfristigen Folgen», warnt Olaf Toepfer, Leiter Banking bei EY
Schweiz.
35 Prozent (im Vorjahr 30 Prozent) der Schweizer Banken planen die Einführung von
Negativzinsen im Privatkundengeschäft, dies aber nur ab einem bestimmten Guthaben, oder
falls die Nationalbank die Zinsen weiter senken sollte. Bei den Kantonalbanken erwägen
bereits 60 Prozent (im Vorjahr 20 Prozent) einen solchen Schritt. «Bis heute haben erst wenige
Banken in der Schweiz Negativzinsen im Privatkundengeschäft eingeführt. Ein Grund für die
Zurückhaltung ist die Befürchtung, die Kunden mit Negativzinsen zum Abzug ihrer Gelder zu
bewegen. Der Gesinnungswandel der Kantonalbanken zeigt jedoch, dass die Bereitschaft
vieler Institute schwindet, die durch die Negativzinsen verursachten Mehrkosten alleine zu
tragen», sagt Schwaller.
Gesamtes Potenzial der Digitalisierung noch nicht erkannt
Die Digitalisierung treibt den Strukturwandel voran. Bis heute erkennt jedoch nur eine
Minderheit der Schweizer Banken das gesamte Potenzial der Digitalisierung. 64 Prozent (im
Vorjahr 67 Prozent) sind der Meinung, dass ihr Geschäft im Kern bestehen bleibt und die
Digitalisierung in erster Linie einen zusätzlichen Vertriebskanal darstellt. «Wir sehen heute nur
die Spitze des Eisbergs: Die Digitalisierung wird fundamentale Auswirkungen auf Strategien,
Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse haben. Dabei geht es nicht nur um die Ergänzung
der Distributionskanäle, sondern um grundlegende Herausforderungen im Zusammenhang mit
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der Kundenschnittstelle und der Kooperation in Wertschöpfungsnetzwerken. Die Digitalisierung
erleichtert branchenfremden Konkurrenten den Markteintritt und kann die bereits seit Jahren
sinkende Loyalität der Kunden weiter schwächen», sagt Toepfer.
Branchenfremde Konkurrenz ist eine Realität
Branchenfremde Konkurrenten beginnen, die Schweizer Banken unter Druck zu setzen. Über
zwei Drittel der Institute rechnen damit, dass ihre Marktstellung durch neue Technologien, ITUnternehmen und branchenfremde Anbieter bedroht wird. «Lange Zeit haben die Banken die
Gefahr durch branchenfremde Konkurrenten nicht ernst genommen. Die Realität ist eine
andere: Erste branchenfremde Anbieter erscheinen auf dem Markt und treten für ausgewählte
Komponenten der Wertschöpfungskette der Banken in den Wettbewerb. Die technologische
Entwicklung und zu erwartende regulatorische Anforderungen beim Open Banking erleichtern
den Markteintritt. Dadurch steigt der Wettbewerbsdruck und die Margen sinken weiter», sagt
Schwaller.
Personalabbau und Filialschliessungen werden im Strukturwandel nicht genügen
Das verschärfte strukturelle Profitabilitätsproblem sowie der beginnende Strukturwandel
zwingen die Banken dazu, den Fokus noch stärker auf Kosten und Effizienz zu legen. Diese
Themen haben für die befragten Institute im laufenden Jahr die grösste Bedeutung, nachdem
über viele Jahre Risiko und Regulierung im Vordergrund standen. Verbesserungen versuchen
die Banken unter anderem durch herkömmliche Massnahmen, über den Abbau von Personal
und durch die Straffung des Filialnetzes zu erreichen: 15 Prozent (im Vorjahr 11 Prozent) der
Banken planen, die Zahl der Beschäftigten um 5 Prozent oder mehr zu reduzieren; bei den
Privatbanken, die vom Strukturwandel besonders stark erfasst werden, sind es sogar 26
Prozent (im Vorjahr 10 Prozent). Gleichzeitig rechnen 95 Prozent (im Vorjahr 85 Prozent) der
befragten Institute damit, dass es bis zum Jahr 2020 deutlich weniger Bankfilialen geben wird;
zwischen 2000 und 2015 sind bereits rund 640 Niederlassungen geschlossen worden.
«Strategische und operative Effizienzverbesserungen sind nötig, wenn die Banken ihre
Handlungsoptionen aufrechterhalten wollen. Taktische Massnahmen zur Kostensenkung
hingegen werden keine nachhaltige Effizienzsteigerung ermöglichen. Um die Effizienz
nachhaltig zu verbessern, sind strukturelle Anpassungen am Geschäftsmodell der Schlüssel.
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Dabei gilt es, die Konzepte der Industrialisierung auf die eigene Wertschöpfungskette
anzuwenden und Chancen des Wandels zu nutzen: Die Banken werden mit der
Effizienzsteigerung die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle finanzieren müssen», sagt
Toepfer.
Vermögensabflüsse mit Neugeldern kompensiert
Trotz der bevorstehenden Umsetzung des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) haben
71 Prozent (im Vorjahr 66 Prozent) der befragten Institute in den letzten zwölf Monaten keine
bedeutenden Abflüsse ausländischer Kundengelder verzeichnet. Eine deutliche Entspannung
ist bei den Privatbanken zu beobachten: 74 Prozent (im Vorjahr 53 Prozent) melden keine
nennenswerten Abflüsse ausländischer Vermögen. «Den Banken gelingt es weiterhin, neue
Vermögenswerte anzuziehen. Dabei profitieren sie davon, dass die Vermögen weltweit
wachsen und sich die Standortvorteile der Schweiz – Stabilität und Sicherheit – vermarkten
lassen. Allerdings werfen die neu verwalteten Vermögen oft geringere Erträge ab als in der
Vergangenheit», so Schwaller.
Expansivere Kreditvergabepolitik
Die Banken wollen das Kreditgeschäft weiterentwickeln: 66 Prozent (im Vorjahr 55 Prozent
erwarten für die nächsten zwölf Monate eine gleich bleibende oder expansivere Kreditvergabe.
Dies ist der höchste Wert seit fünf Jahren und betrifft sowohl die KMU- als auch die
Wohnbaufinanzierung. Im aktuellen Umfeld hat das Kreditgeschäft gegenüber dem unter
geringem Transaktionsvolumen leidenden Handels- und Anlagegeschäft an Attraktivität
gewonnen.
Ungeachtet der tiefen Zinsen halten die Banken an den aktuellen Regeln zur Vergabe von
Hypothekarkrediten fest. 85 Prozent der Institute lehnen es ab, den kalkulatorischen
Hypothekarzinssatz, auf dessen Grundlage die Tragbarkeit des Erwerbs von Wohneigentum
berechnet wird, anzupassen. «Eine Senkung des kalkulatorischen Hypothekarzinssatzes ist
derzeit nicht mehrheitsfähig und wird von verschiedenen Instituten wie auch vom Regulator
abgelehnt. Die Banken tragen damit dazu bei, einer Blase im Immobiliensektor vorzubeugen,
und sichern sich gleichzeitig gegen Ausfälle bei langfristig steigenden Zinsen ab», sagt
Toepfer.
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Informationen zur Studie
Das EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 120 Führungskräften (Mitglieder der
Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz. Auch die Schweizer Einheiten der
zwei Grossbanken wurden befragt; ihre Einschätzungen sind in die generellen Auswertungen
eingeflossen, wurden aber in den Auswertungen nach Bankentyp nicht berücksichtigt. Bei 34 Prozent
der befragten Institute handelt es sich um Regionalbanken, bei 27 Prozent um Privatbanken, bei 23
Prozent um Auslandsbanken und bei 16 Prozent um Kantonalbanken. 74 Prozent der Institute stammen
aus der Deutschschweiz, 19 Prozent aus der Westschweiz und 7 Prozent aus dem Tessin. Die
telefonische Befragung wurde im November 2016 im Auftrag von EY durch das unabhängige
Marktforschungsinstitut Valid Research in Bielefeld durchgeführt.
EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory
Über die globale EY-Organisation
Die globale EY-Organisation ist eine Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung,
Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Wir fördern mit unserer
Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die
Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir
dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Dienstleistungen und
Kundenbeziehungen bestens gerüstet. Building a better working world: Unser globales Versprechen ist
es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die
Gesellschaft.
Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited
(EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für
das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited
ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für
Kunden. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website: www.ey.com.
Die EY-Organisation ist in der Schweiz durch die Ernst & Young AG, Basel, an zehn Standorten sowie in
Liechtenstein durch die Ernst & Young AG, Vaduz, vertreten. «EY» und «wir» beziehen sich in dieser
Publikation auf die Ernst & Young AG, Basel, ein Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global
Limited.