Der König der Sterne Vor langer Zeit lebte einmal ein junges Mädchen, das liebten seine Eltern über alle Maßen. Trotz Armut war es stets fröhlich und zufrieden, es liebte die Natur und die Tiere des Waldes, ganz besonders jedoch liebte es die funkelnden Sterne droben am Himmelszelt. Kam die kalte Jahreszeit mit ihren klaren Vollmondnächten, so zog es sie in den Wald zu einer Lichtung. Dort setzte sie sich ins weiche Moos und blickte zum Sternenhimmel empor. Die hellen Sterne erwärmten ihr Herz, so dass ihr die Kälte der Nacht nichts anhaben konnte. Bald schon kannte sie all ihre Namen und von jedem seinen Platz am Himmelszelt. So kam es, dass jedes Jahr in einer kalten Vollmondnacht ein Stern vom Himmel herabschwebte und in ihre Schürze fiel. Das Mädchen liebte die Sterne und die Sterne liebten das Mädchen. Zu jener Zeit herrschte ein ungnädiger König über das Land, der mächtiger und reicher sein wollte als alle Könige auf der Welt. Seine Untertanen mussten ihm alles übergeben, was wertvoll war. Jeden Tag sandte er sein Heer zu den Menschen, ob jemand einen Ring oder vielleicht ein paar Goldstücke vor ihm verbarg. So wurde das Volk immer ärmer und ärmer, der König jedoch war immer noch nicht zufrieden, er wollte immer noch mehr und mehr. Als aber seine Mannen immer häufiger mit leeren Händen zum Schloss zurückkehrten, wurde er sehr wütend und wollte ihnen nicht glauben, dass die Menschen nichts mehr hatten, dass sie ihm geben konnten. Der 1. Diener sprach darauf zum König: „Gnädigster König, das einzig Funkelnde und Leuchtende in diesem Land, das noch nicht in Eurem Besitz ist, sind die Sterne hoch am Himmel und die kann niemand für Euch ergreifen.“ Der König wurde ganz still, dann rief er plötzlich: „Dann werden wir eben die Ersten sein, die die Sterne vom Himmel holen. Sammelt alle Leitern des Landes und bringt sie auf den Schlossberg.“ Der König saß auf seinem Thron und überwachte das Tun seiner Untertanen, wie sie eine Leiter auf die andere stellten und zusammensetzten. Mit der Zeit entstand so eine Himmelsleiter, die bis zu den Wolken reichte. Als auch die letzte Leiter verbunden war, befahl er einem jungen Stallburschen, er solle die Leiter hinaufsteigen und nachsehen, ob sie bis zu den Sternen reiche. Es dauerte wohl eine Stunde bis der Junge völlig erschöpft zurückkehrte : „Der Himmel ist so hoch, dass selbst alle Leitern der Welt nicht ausreichen werden, auch nur einen Stern zu ergreifen.“ Der König wurde sehr böse und wollte die Diener bestrafen lassen. „Ihr alle seid Dummköpfe, wenn ihr es nicht schafft, sollt ihr bei Wasser und Brot im Kerker sitzen. Da wird euch schon etwas einfallen.“ Da trat ein Knabe vor den König und sprach mit leiser Stimme:“Ich glaube, ich weiß, wie Ihr einen Stern bekommen könnt, Herr König. Im Wald lebt ein Mädchen, das spricht zu den Sternen und die Sterne sprechen zu ihm. Es heißt, einmal im Jahr, in einer kalten Vollmondnacht, schwebt ein Stern zu ihr herab, um sie zu wärmen. Denn sie ist arm und ihr einziges Kleid ist aus dünnem Gewebe.“ Der König verlangte, man möge das Mädchen zu ihm bringen. Als nach Stunden das Mädchen endlich vor ihm stand, war er von ihrer Schönheit überrascht und von dem Blick ihrer dunklen Augen, die keinerlei Furcht erkennen ließen. Er war es gewohnt, dass seine Untertanen unter seinem strengen Blick die Augen senkten. Nicht dieses Mädchen, es hielt die Augen geradeaus und schaute dem König direkt ins Gesicht. „ Mir wurde berichtet, du sprichst mit den Sternen“ sagte der König. „Da ich der König dieses Landes bin, gehört mir auch der Himmel darüber, also sind die Sterne mein Eigentum. Ich verlange, dass du für mich einen Stern vom Himmel holst. Es soll dein Schaden nicht sein.“ Das Mädchen sah den König an und dachte bei sich: „Er sieht nicht glücklich aus, trotz seines Reichtums ist er ein trauriger Mann. Sein Herz ist kalt und hart wie ein Stein, was mag wohl der Grund dafür sein?“ „Herr König“ sprach sie „Euch mag das Land gehören mit jedem Baum, jedem Stein darin, aber das Himmelszelt darüber gehört Gott allein. Die Sterne sind nicht Euer, aber wenn Ihr es wünscht, werde ich mit ihnen sprechen und einen von ihnen bitten, herabzusteigen und Euer Herz zu erwärmen.“ Der König war empört, niemals zuvor hatte jemand gewagt, so mit ihm zu sprechen. Er wollte sie in ihre Schranken weisen aber seine Stimme versagte ihm und für einen Moment wurde es ganz still. Dieses Mädchen hatte etwas in Ihm angerührt, das lange verborgen war. Der Schmerz in seiner Brust, als seine geliebte Mutter starb und er allein zurückblieb, war wieder da. Er räusperte sich: „Ich habe dich rufen lassen, weil ich mir einen Stern wünsche, ich ersuche dich jetzt, meiner Bitte nachzukommen.“ Es war inzwischen Nacht geworden und die Sterne leuchteten in großer Zahl über dem Schlossberg. Alle schauten zum Himmel empor als das Mädchen einige Sterne bei ihrem Namen rief: „Atamia, Isis, Aktomia, Rosiris“ und viele mehr, jedesmal leuchtete ein Stern in einem hellen Licht, so hell, als würde die ganze Sternenschar zur Erde herabsteigen. Dabei war es nur einer der unzähligen, der schließlich funkelnd und blitzend direkt in die Schürze des Mädchens fiel. Alles um sie herum war in warme Farben getaucht, als sei ein riesiger Feuerball vom Himmel gefallen. Der König fühlte ein Pochen in seiner Brust, sein Herz fühlte sich warm und weich an und zum ersten Mal, seitdem er König war, empfand er so etwas wie Glück und Frieden. Er sah sein Volk, wie es staunte, sah in ihre Gesichter und empfand plötzlich unendliche Scham. Was war er für ein König geworden? Statt sein Volk zu beschützen und dafür Sorge zu tragen, dass es ihm gut ging, hatte er es ausgebeutet und bestohlen. Alles Wertvolle hatte er ihnen genommen. Da musste erst dieses arme Mädchen kommen um ihm die Augen zu öffnen, nein, sein Herz. Noch in derselben Nacht ließ er die Schatzkammern des Schlosses öffnen und wies die Wächter an, dem Volk das zurück zu geben, was ihnen gehörte und jedem noch 5 Goldtaler dazu. Er wollte von nun an gütig und wohlwollend erscheinen und vor allem wollte er ein glücklicher König sein. Kein Gold der Welt konnte sein Herz erwärmen so wie ein Stern am Himmelszelt. So ging er in die Geschichte ein als der „König der Sterne“ und das arme Mädchen wurde schließlich zu seiner Gemahlin. Jedes Jahr wurde in einer Vollmondnacht das Sternenfest gefeiert und die junge Königin holte einen der unzähligen Sterne vom Himmel und das Volk erwärmte sich daran.
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