c) Schutz des Geschäftsrufs (§ 4 Nr. 1, 2 UWG)

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c)
Schutz des Geschäftsrufs (§ 4 Nr. 1, 2 UWG)
Lit.:
Brammsen/Apel, WRP 2009, 1464 ff.; Ohly, GRUR 2007, 926 ff.
Übungsfall
Die Bio-Molkerei Oberland e.G. fordert Verbraucher auf Werbeplakaten auf, die
Milchprodukte des Unternehmens Meier GmbH zu meiden, weil Meier „Gen-Milch“
verwende. Tatsächlich verarbeitet die Meier GmbH Milch von Kühen, die mit genetisch verändertem Futter ernährt werden. Hingegen ist wissenschaftlich nicht erwiesen, dass der Verzehr der so hergestellten Milch nachteilige Folgen für die Gesundheit
hat. Ansprüche der GmbH?
Flussdiagramm zu § 4 Nr. 1, 2
Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1)?
(-)
§§ 823 I, 1004 analog BGB
(+)
(-)
Äußerung über einen Mitbewerber?
Nur § 3 I „pur“, §§ 823 I, 1004 analog
BGB
(+)
Tatsachenbehauptung?
(-)
(+)
Eignung zur Kreditschädigung
(+)
nicht erweislich wahr (s. aber 2. HS)
(+)
Spürbarkeit (§ 3 I), wird indiziert
(-)
Nur
§6
(+)
§ 4 Nr. 2
(+)
Keine vergleichende
Werbung?
§ 4 Nr. 1
(-)
(+)
Herabsetzung oder Verunglimpfung
(+)
Unlauter?  umfassende Interessenabwägung
(+)
Spürbarkeit (§ 3 I), wird indiziert
Ausgangspunkte


Der Schutz des guten Geschäftsrufs gehört zu den wesentlichen durch das UWG geschützten Mitbewerberinteressen.
Gemeinsame Voraussetzungen:
- Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 1): fehlt bei privaten oder politischen Äußerungen,
die daher nur nach §§ 823 I, 1004 analog (wegen Verletzung des APR oder des Rechts
am Gewerbebetrieb) zu beurteilen sind. Beispiel für § 2 I Nr. 1 (-): Anti-GenmilchKampagne von Greenpeace, Gegenbeispiel: Anti-Genmilch-Kampagne von Biobauern.
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Mitbewerberbezug (§ 2 I Nr. 3): bei pauschaler Herabsetzung ohne Bezug auf individuellen Mitbewerber bestehen nur Ansprüche aus §§ 8 ff. i.V.m. § 3 I „pur“ und aus
allgemeinem Zivilrecht (str.)
Abgrenzung § 4 Nr. 1 ↔ Nr. 2
- § 4 Nr. 2 erfasst unwahre (genauer: nicht erweislich wahre) Tatsachenbehauptungen,
z.B. die falsche Behauptung, ein Mitbewerber stehe kurz vor der Insolvenz
- § 4 Nr. 1 erfasst in erster Linie Werturteile, z.B. ein Konkurrent sei notorisch unzuverlässig, daneben auch die herabsetzende Behauptung wahrer Tatsachen, die allerdings
regelmäßig zulässig ist
Unionsrechtlicher Rahmen:
- § 6 beruht auf der WerbeRL. Daher ist der (in Deutschland „hausgemachte“) § 4 Nr. 1
gegenüber § 6 subsidiär  wegen des weiten Anwendungsbereichs von § 6 und des
auch bei § 4 Nr. 1 erforderlichen Mitbewerberbezugs kommt § 4 Nr. 1 nur selten zur
Anwendung
- § 4 Nr. 1 schützt ausschließlich Mitbewerberinteressen und wird daher von der UGPRL als solches nicht erfasst, anders aber, wenn zugleich die Entscheidungsfreiheit des
Verbrauchers betroffen ist
- § 4 Nr. 2 regelt einen Sonderfall der Irreführung. Es bleibt dem deutschen Gesetzgeber
aber überlassen, speziell konkurrentenschützende Tatbestände zu schaffen. Daher fällt
§ 4 Nr. 2 UGP-RL nicht in den Anwendungsbereich der UGP-RL (str.). Sieht man das
anders, so wäre die in Nr. 2 vorgesehene Beweislastumkehr aber ausdrücklich erlaubt
(Art. 12 UGP-RL), außerdem würde auch unter § 4 Nr. 2 das Verbraucherleitbild der
UGP-RL. Da es aber ohnehin im deutschen Recht gilt, kommt es auf die Frage letztlich
nicht an.
-


Herabsetzung und Verunglimpfung (§ 4 Nr. 1)





§ 4 Nr. 1 erfasst in erster Linie Werturteile, daneben auch wahre Tatsachenbehauptungen
(für unwahre oder nicht erweislich wahre ist Nr. 2 einschlägig), die geeignet sind, den Ruf
eines Mitbewerbers zu schädigen.
§ 6 ist vorrangig, weil er auf Unionsrecht beruht (s.o.). Daher § 4 Nr. 1 selten anwendbar,
weil die Herabsetzung oft in einem Vergleich erfolgt. Aber Beispiel für das Fehlen eines
Vergleichs: Bericht darüber, dass Konkurrent Sekten nahesteht (BGH GRUR 2012, 74 –
Coaching-Newsletter).
Verhältnis zu §§ 14 II Nr. 3; 15 III MarkenG str., die Schutz vor Herabsetzung nur bekannten Kennzeichen bieten. Problem: § 4 Nr. 1 erwähnt ausdrücklich Kennzeichen, Schutzuntergrenze der §§ 14 II Nr. 3; 15 III MarkenG würde aber unterlaufen, wenn jede Art der
Herabsetzung von § 4 Nr. 1 erfasst wird. Da dieser Widerspruch aber im EU-Recht angelegt ist, ist er wohl hinzunehmen.
Zweistufige Prüfung: (1) Herabsetzung, die (2) unlauter sein muss.
Herabsetzung
- = Verringerung der Wertschätzung in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise,
ausschlaggebend ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Kontextabhängig: Anlass und Situation, ggf. auch humorvolle Überspitzung sind zu berücksichtigen.
- Verunglimpfung = Gesteigerte Form der Herabsetzung. Trennscharfe Abgrenzung weder möglich noch erforderlich.
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Gegenstand der Herabsetzung: Kennzeichen (kann wie unter § 6 II Nr. 4 MarkenG
über § 1 MarkenG hinausgehen und auch einfache Unterscheidungszeichen erfassen),
Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder Verhältnisse.
- Betroffener = Mitbewerber (§ 2 Nr. 3), s.o.
Unlauterkeit:
- Kritik an den Leistungen eines Konkurrenten ist dem Wettbewerb immanent, § 4 Nr. 1
muss daher im Licht von Art. 5 I GG eng ausgelegt werden. Ebenso wie § 6 UWG ist § 4
Nr. 1 Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: Kritik ist nur erlaubt, soweit sie
sich im Rahmen des Erforderlichen hält.
- Immer gegen § 4 Nr. 1 verstoßen Schmähkritik, die einen Konkurrenten ohne hinreichenden sachlichen Grund pauschal abwertet (Beispiel, ÖOGH, ÖBl. 1991, 64 – Kronenzeitung: Zeitung des Konkurrenten tauge nur als Toilettenpapier) und Formalbeleidigungen (Beispiel, OLG München WRP 1996, 925: Konkurrenzerzeugnis als „Scheiß
des Monats“).
- Im Übrigen ist eine umfassende, einzelfallbezogene Interessenabwägung erforderlich,
in deren Rahmen insbesondere (wie im Rahmen des § 6 II) das Informationsinteresse
des Verbrauchers ausschlaggebend ist.
- Beispiel (BGH GRUR 2012, 74 – Coaching-Newsletter): Bericht über schwarze Schafe
im Coaching-Gewerbe ist unlauter, wenn die Kritik nur vage und pauschal erfolgt und
keine Einzelheiten mitgeteilt werden, aus denen sich die Berechtigung der Kritik
ergibt.
-

Anschwärzung (§ 4 Nr. 2)



Behaupten oder Verbreiten: Weitergabe an Dritte, bei der sich der Behauptende die Aussage zueigen macht.
Problem: Haftet der Betreiber einer Internet-Bewertungsplattform gem. § 4 Nr. 2, wenn
dort ein Nutzer eine falsche Behauptung einstellt?
- BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal: Kein „Behaupten“, wenn sich der Betreiber die Äußerung nicht zueigen macht, aber „Verbreiten“. Begriff des „Verbreitens“
ist aber im Lichte der §§ 7, 10 TMG auszulegen, so dass der Betreiber nur haftet, wenn
er beanstandete Inhalte nicht entfernt.
- Dagegen: täterschaftliches Handeln immer nur bei Verbreiten + Zueigenmachen, ansonsten nur mittelbare Haftung (zu dieser näher unten, IV 1)
Rufschädigende Tatsachen:
- Tatsachenbehauptungen sind dem Beweis zugänglich und können richtig oder falsch
sein (Wertungen nur vertretbar oder unvertretbar).
- Entscheidend ist, ob nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise zumindest ein nachprüfbarer Tatsachenkern vorliegt. Bei Mischung aus Tatsache und
Wertung ist die Tatsachenbehauptung nach § 4 Nr. 2, die Wertung nach Nr. 1 zu beurteilen.
- Problem: Ist die rechtliche Subsumtion eine Tatsachenbehauptung? Nur, sofern darin
Tatsachen behauptet werden (Beispiel: A hat einen Gegenstand aus einem Supermarkt
mitgenommen, ohne zu bezahlen = Tatsachenbehauptung. Also hat A einen Diebstahl
begangen = Wertung). Daher erfüllt die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung („A hat
mein Patent verletzt“, näher dazu unter § 4 Nr. 4) nach h.M. nur insoweit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 2 UWG, als Tatsachen (z.B. Patent wurde erteilt) behauptet wer-
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den, während die eigentliche Subsumtion unter die Tatbestände des Immaterialgüterrechts ein Werturteil ist (zumal die Beweislastumkehr für diese Fälle zu weitgehend
wäre).
Beweislastumkehr (Ausnahme: vertrauliche Mitteilungen): Unlauterkeit schon (+), wenn
Aussage nicht erweislich wahr, d.h. der Behauptende trägt das Risiko des Wahrheitsbeweises.
Str. ist, ob § 8 III Nr. 2-4 für die Anschwärzung teleologisch zu reduzieren sind (so im
früheren UWG § 14 a.F.). Dafür: Der Unternehmensinhaber sollte selbst entscheiden, ob er
eine Rufbeeinträchtigung als erheblich empfindet und sich dem Risiko eines prozessualen
Wahrheitsbeweises aussetzen möchte. Irreführungen der Verbraucher lassen sich über § 5
I erfassen. Anders aber inzwischen der BGH zu § 6.