„Es gibt keine bessere Alternative!“

Zur aktuellen Debatte über
„Es gibt keine
bessere Alternative!“
Foto: Privat
Das Greening wird es auch nach 2020 geben. Es ist
EU-weit umsetzbar und verbessert die Umweltwirkungen
der EU-Agrarförderung. Darauf wird die Politik nicht
verzichten.
top agrar: Wie bewerten Sie das
Greening-Paket?
Wilhelm: Es ist ein Kompromiss nach
einem langen Kräftemessen zwischen
EU-Parlament, Ministerrat und Kommission. Bei letzten Reformen ging es
v.a. um die Modulationssätze. Das
Greening ist jetzt eine qualitative Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik.
Dies kann man durchaus würdigen.
top agrar: Für die Bauern ist das
Greening zu bürokratisch, für die Umweltverbände zu lasch und für die Wissenschaft zu wirkungslos! Ist es das falsche Instrument, die Förderung zu begrünen?
Wilhelm: Die EU-Kommission hat
klare Ziele. Ihr geht es um mehr Artenvielfalt, mehr ökologische Leistungen der Landwirtschaft und um eine
dauerhafte Sicherung der Ertragsfähigkeit unserer Böden. Das ist richtig, weil
es Anzeichen dafür gibt, dass die Nutzungsintensität in der Landwirtschaft
zunimmt. Ein Beispiel: Enge Fruchtfolgen oder Monokulturen sind in den
wenigsten Fällen nachhaltig, aber
manchmal betriebswirtschaftlich sinnvoll. Warum also nicht die Förderung
an den Anbau verschiedener Kulturen
knüpfen und so mehr Nachhaltigkeit
belohnen? Natürlich können Sie das
auch ordnungsrechtlich angehen, aber
wäre das besser?
top agrar: Das Greening soll die Akzeptanz der Direktzahlungen verbessern.
Wie wollen die Länder das jetzt dem
Steuerzahler vermitteln?
Wilhelm: Das ist nicht allein eine Aufgabe der Länder, sondern auch des Bundes, der EU, der Landwirte und der Na-
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top agrar 12/2014
Dr. Jürgen Wilhelm, Landwirtschaftsministerium
Niedersachsen und Beauftragter des Bundesrats für
horizontale Agrarfragen
turschützer. Die zusätzlichen ökologischen Vorrangflächen, Zwischenfrüchte, Eiweißpflanzen sowie die vielfältigeren Fruchtfolgen lassen sich den
Steuerzahlern als wichtige Verbesserungen vermitteln. Die vorgesehene
Bewertung des Greenings wird zeigen,
welche messbaren Umweltverbesserungen es gibt. Sollte sich herausstellen,
dass wir mit der Agrarreform nur zusätzliche Bürokratie geschaffen haben,
wäre eine Kurskorrektur angebracht.
Davon gehe ich aber nicht aus.
top agrar: Gibt es außerhalb der EU ein
Greening der Agrarförderung?
Wilhelm: Nicht wirklich. Die USA setzen z. B. auf Ertragsausfall- und Ernteversicherungen und protegieren die
Bioethanolerzeugung. Dort spielt der
Umweltschutz eine viel kleinere Rolle.
top agrar: Macht das Greening die
Agrarförderung für Bauern und Behörden aufwendiger und fehleranfälliger?
Wilhelm: Aufwendiger auf jeden Fall,
weil Cross Compliance und Greening
parallel umgesetzt werden müssen.
Fehleranfälliger nicht unbedingt. Der
Europäische Rechnungshof hat die
niedrigen Fehlerquoten bei den Direktzahlungen gelobt.
top agrar: Was tut Niedersachsen, um
Agrarreform und Greening so unbürokratisch wie möglich umzusetzen?
Wilhelm: Wir bieten den Landwirten
mit der „Agrarförderung Niedersachsen Digital“ ein schlankes Antragsverfahren an. In einem einzigen Sammelantrag werden die entkoppelten Prämien, das Greening und die
PRO
Agrarumweltmaßnahmen abgewickelt.
Viele Landschaftselemente sind bereits
digitalisiert erfasst und damit Bestandteil des Antragsverfahrens. Darüber hinaus sind viele Agrarumweltmaßnahmen in Niedersachsen auf das
Greening anrechenbar. Zur Kontrolle
setzen wir auf Satellitenüberwachung
und beschränken die Vor-Ort-Kontrollen auf das notwendige Maß.
top agrar: Wird es das Greening auch
nach noch geben?
Wilhelm: Das erwarte ich. Wer das
Greening abschaffen will, muss bessere
Vorschläge vorlegen, die zugleich auch
praxisorientiert und politisch mehrheitsfähig sind. Die Stärke des
Greenings ist der einzelbetriebliche Ansatz, der alle Landnutzer in einem
„Massenverfahren“ erreicht. Das lässt
sich EU-weit umsetzen. Freiwillige Agrarumweltmaßnahmen können dagegen
nur dort wirken, wo sie angenommen
werden. Bestimmt wäre die Politik für
bessere Ansätze offen, gerne auch aus
der Wissenschaft. An der Einbeziehung
von Umweltaspekten führt sicherlich
auch nach kein Weg vorbei.
top agrar: Brauchen wir in der nächsten
Förderperiode noch EU-Direktzahlungen?
Wilhelm: Das hängt von den Zielen ab,
die mit der Agrarpolitik verfolgt werden. Wenn es weiterhin um Einkommensstützung und Umweltsicherung
geht, dann bleiben die EU-Direktzahlungen ein wichtiges Instrument der
EU-Förderpolitik. Sollte darüber hinaus das Tierwohl ein großes EU-Thema
werden, müsste die EU-Agrarpolitik
auch hierauf Antworten finden.
-sp-
Sinn und Unsinn des Greenings
„Außer Spesen nichts
gewesen!“
KONTRA
top agrar: Was halten Sie vom
Greening?
Nieberg: Wenig. Gegen das Prinzip
Leistung gegen Gegenleistung ist zwar
nichts einzuwenden. Aber so wie das
Greening jetzt umgesetzt wird, bringt
es der Umwelt nicht viel und sorgt in
der Verwaltung und bei den Bauern für
einen Riesenaufwand.
top agrar: Was ist Ihre Hauptkritik?
Nieberg: Das Greening ist viel zu
unspezifisch, nimmt auf standörtliche
Besonderheiten keine Rücksicht. Die
meisten Betriebe haben die Vorgaben
zur Anbaudifferenzierung und Grünlanderhaltung schon in der Vergangenheit ganz oder weitgehend eingehalten.
Bezüglich der ökologischen Vorrangflächen gibt es viele Anrechnungsmöglichkeiten, die es den Landwirten leicht
machen, die % ökologischen Vorrangflächen nachzuweisen. Bedenkenswert
finde ich zudem, dass die „ZwangsBegrünung“ vielen Landwirten so viel
Ärger und Frust bereiten wird, dass sie
vielleicht in Zukunft in weitaus geringerem Maße bereit sein werden, an
freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen
teilzunehmen. Dann hätte sich die
Politik einen Bärendienst erwiesen.
top agrar: Welche Greening-Kosten
kommen auf die Landwirte zu?
Nieberg: Es gibt viele Landwirte, die
gar keine Kosten haben, weil sie alle
Auflagen schon jetzt erfüllen. Andere,
wie z. B. intensive Bullenmäster oder
Betriebe mit engen Maisfruchtfolgen
in strukturarmen Landschaften, müssen dagegen z. T. erhebliche Anpassungen vornehmen. Im Schnitt liegen die
Foto: Seifert, TI
Das Greening bringt der Umwelt wenig und beschert
den Bauern einen Riesenaufwand. Brüssel sollte
besser die 2. Säule ausbauen und die Direktzahlungen
schrittweise auslaufen lassen.
Prof. Dr. Hiltrud Nieberg,
Leiterin des Instituts für Betriebswirtschaft am Thünen-Institut,
Braunschweig
Greening-Kosten aber bei weniger als
€/ha LF. Die „Greening-Prämie“ beträgt €/ha LF.
top agrar: Lassen sich mit dem Greening
die Direktzahlungen legitimieren?
Nieberg: Das Greening ist zu einem
grünen Deckmäntelchen mutiert. Ursprünglich waren viel strengere Auflagen geplant. Diese werden von der Umweltseite sicher wieder eingefordert.
Dann kann die Diskussion in zwei
Richtungen gehen. Entweder wird das
Greening wieder abgeschafft oder es
wird verschärft.
top agrar: Der neue Agrarkommissar
muss spätestens einen Halbzeitbericht über die Wirkungen vorlegen. Worauf sollte Phil Hogan Wert legen?
Nieberg: Ich frage mich, was innerhalb
von zwei Jahren tatsächlich untersucht
werden kann? Wahrscheinlich wird
nur erhoben, wie viele Zwischenfrüchte und Randstreifen es dann gibt.
Schon dabei lässt sich kaum erfassen,
welcher Anteil davon schon vorher da
war, also gar nichts mit dem Greening
zu tun hat. Was die qualitativen Umwelteffekte angeht, sind die Auswirkungen z. B. auf die biologische Vielfalt
erst in einigen Jahren messbar – wenn
überhaupt. Für eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse wäre es zudem
wichtig, auch die Umsetzungskosten
des Greenings zu ermitteln. Interessant
ist, dass die Kommission für die Bewertung des Greenings meines Wissens
überhaupt keine Gelder eingestellt hat.
Für die Begutachtung der Maßnahmen
der . Säule stehen dagegen erhebliche
Mittel bereit.
top agrar: Steht das Ergebnis der
Evaluation womöglich schon fest?
Nieberg: Das ist eine gute Frage, die
Sie der Kommission stellen sollten.
top agrar: Brauchen wir für eine
neue EU-Agrarförderpolitik?
Nieberg: Ja, begrünte Direktzahlungen sind nicht effizient. Ein bisschen
mehr Förderung kleiner Betriebe und
ein Drehen an den Greening-Schrauben löst das grundlegende Problem
nicht. Die EU sollte die Direktzahlungen schrittweise abbauen und die Mittel in die . Säule umschichten. Dafür
spricht auch, dass ein großer Teil der
Prämien über die Pacht an die Flächeneigentümer durchgereicht wird und
die Agrarproduktion in Deutschland
inzwischen wettbewerbsfähig ist.
Mit der Umschichtung der Prämien
könnten wir also auch schon vor beginnen. Allerdings sollte dann die
. Säule deutlich angepasst werden.
top agrar: Inwiefern?
Nieberg: Die Förderung muss wesentlich zielorientierter werden und auch
tiergerechte Haltungsverfahren stärker
einbeziehen. Bezogen auf den Umweltbereich stellen wir seit Langem fest,
dass viele Agrarumweltmaßnahmen
dort auf Akzeptanz stoßen, wo schon
extensiv gewirtschaftet wird. In den Intensivgebieten finden sie kein Interesse,
weil es sich schlicht nicht lohnt. Um
auch in diesen Regionen voranzukommen, müssen wir attraktive Prämien
ausloben, die eine echte Anreizwirkung
entfachen. Dafür brauchen wir neue
innovative Förderkonzepte und kein
-spGreening.
top agrar 12/2014
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