Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 Sachverhalt: A und B sind jeweils zur Hälfte als Gesellschafter an der X-GmbH, die mit Kunstgegenständen handelt, beteiligt. Diese verfügt über Aktiva von 100.000 EUR und Passiva von 70.000 EUR zzgl. eines nominalen Stammkapitals von 30.000 EUR. Geschäftsführer der X-GmbH ist der C. A, selbst ein leidenschaftlicher Kunstsammler, möchte ein Gemälde und eine antike Vase, die die X-GmbH in ihrem Bestand hat, erwerben. Da er nicht über ausreichend liquide Mittel verfügt, verabredet er mit C, zwar das Gemälde (Wert: 40.000 EUR) für 40.000 EUR zu erwerben, für die Vase (Wert: 15.000 EUR) jedoch nur 10.000 EUR zu zahlen, wobei C den Wert der Vase nicht kennt, aber hätte erkennen können. So geschieht es, die X-GmbH, vertreten durch C, verkauft, übergibt und übereignet beide Gegenstände an A und erhält den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von insgesamt 50.000 EUR. Auch in der Folgezeit befindet sich A in akuten finanziellen Schwierigkeiten. Die X-GmbH hat schon seit Jahren keine Gewinne mehr abgeworfen, auch über weitere Einnahmequellen verfügt A nicht. Um seine laufenden Verbindlichkeiten gegenüber Dritten weiterhin bedienen zu können, entschließt A sich, bei der X-GmbH ein zinsloses Darlehen in Höhe von 10.000 EUR aufzunehmen. Den Darlehensvertrag schließt jedoch die Ehefrau des A, die E ab. Am folgenden Tag wird das Darlehen an E ausgezahlt, die dieses sogleich an die Gläubiger des A weiterleitet. Der für die X-GmbH handelnde C weiß dabei um die beabsichtigte Verwendung der Darlehensvaluta und hätte die finanzielle Lage des A erkennen können. Da sich die Geschäfte der X-GmbH immer weiter verschlechtern, muss diese schließlich wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden. Aufgabe 1: a) Kann der Insolvenzverwalter von A das Gemälde und die Vase an die X-GmbH heraus oder zumindest Wertersatz verlangen? b) Kann der Insolvenzverwalter von A bereits vor Fälligkeit Rückzahlung der Darlehensvaluta an die X-GmbH verlangen? Aufgabe 2: Welche Ansprüche stehen der X-GmbH gegen B und C bezüglich des Darlehens zu, nachdem A ebenfalls Privatinsolvenz angemeldet hat? Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 Zusatzfall Die Q-GmbH hat 5.000 Mitarbeiter. Geschäftsführer ist der G. Die Gesellschaft verfügt über einen Aufsichtsrat, der satzungsgemäß über zwölf Mitglieder verfügt. Seine Struktur stellt sich wie folgt dar: Sechs Mitglieder vertreten die Gesellschafter, sechs Mitglieder die Arbeitnehmer, darunter die Gewerkschaftsvertreter Y und Z. In der Folgezeit kommt es zu Streitigkeiten zwischen Geschäftsführer G und Teilen des Aufsichtsrats. Dieser fasst daraufhin mit einer Mehrheit von 7:5 Stimmen den Beschluss, G als Geschäftsführer abzuberufen. G fragt sich, ob die Abberufung wirksam ist, da dies in einer GmbH doch eigentlich in die Zuständigkeit der Gesellschafter falle. Auszug aus dem Mitbestimmungsgesetz: § 1 Erfasste Unternehmen (1) In Unternehmen, die 1. in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft betrieben werden und 2. in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, haben die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes. […] § 6 Grundsatz (1) Bei den in § 1 Abs. 1 bezeichneten Unternehmen ist ein Aufsichtsrat zu bilden, soweit sich dies nicht schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergibt. […] § 7 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat eines Unternehmens 1. mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer; 2. mit in der Regel mehr als 10 000, jedoch nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je acht Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer; 3. mit in der Regel mehr als 20 000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je zehn Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 […] (2) Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer müssen sich befinden 1. in einem Aufsichtsrat, dem sechs Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, vier Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften; 2. in einem Aufsichtsrat, dem acht Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sechs Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften; 3. in einem Aufsichtsrat, dem zehn Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer angehören, sieben Arbeitnehmer des Unternehmens und drei Vertreter von Gewerkschaften. § 28 Beschlußfähigkeit Der Aufsichtsrat ist nur beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlußfassung teilnimmt. § 108 Abs. 2 Satz 4 des Aktiengesetzes ist anzuwenden. § 29 Abstimmungen (1) Beschlüsse des Aufsichtsrats bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht in Absatz 2 und in den §§ 27, 31 und 32 etwas anderes bestimmt ist. […] § 31 Bestellung und Widerruf (1) Die Bestellung der Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs und der Widerruf der Bestellung bestimmen sich nach den §§ 84 und 85 des Aktiengesetzes, soweit sich nicht aus den Absätzen 2 bis 5 etwas anderes ergibt. Dies gilt nicht für Kommanditgesellschaften auf Aktien. (2) Der Aufsichtsrat bestellt die Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs mit einer Mehrheit, die mindestens zwei Drittel der Stimmen seiner Mitglieder umfaßt. (3) Kommt eine Bestellung nach Absatz 2 nicht zustande, so hat der in § 27 Abs. 3 bezeichnete Ausschuß des Aufsichtsrats innerhalb eines Monats nach der Abstimmung, in der die in Absatz 2 vorgeschriebene Mehrheit nicht erreicht worden ist, dem Aufsichtsrat einen Vorschlag für die Bestellung zu machen; dieser Vorschlag schließt andere Vorschläge nicht aus. Der Aufsichtsrat bestellt die Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder. […] (5) Die Absätze 2 bis 4 sind für den Widerruf der Bestellung eines Mitglieds des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs entsprechend anzuwenden. Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 Lösungshinweise Aufgabe 1a): A. Einziehungsbefugnis Recht des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung der Forderung ergibt sich aus § 80 Abs. 1 InsO. B. Rückgabe des Gemäldes Anspruchsgrundlage: §§ 31 Abs. 1, 30 GmbHG I. Zahlung entgegen § 30 GmbHG 1. Übereignung des Gemäldes = Auszahlung iSd. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG? (+) Das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG betrifft nicht bloß Geldleistungen an Gesellschafter, sondern Leistungen aller Art. 2. Zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich? (-) Vorliegend: Aktiva 100.000 Kasse Passiva 30.000 Eigenkapital 70.000 Verbindlichkeiten Kein freies Vermögen Wert des Gemäldes 40.000 EUR Aber: Adäquate Gegenleistung erhalten, deshalb schon keine Auszahlung (auf § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG kommt es nicht an). 1 II. Ergebnis Kein Anspruch. 1 Vgl. BGHZ 31, 276. 1 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 B. Rückgabe der Vase I. §§ 31 Abs. 1, 30 GmbHG 1. Zahlung entgegen § 30 GmbHG a. Auszahlung (+), s.o. b. Zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich? (+) Vorliegend: Freies Vermögen - Wert der Vase + Kaufpreis Eingriff in das Stammkapital → Es besteht eine Unterbilanz! 0 15.000 10.000 5.000 Es kommt auf das statutarische Stammkapital (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG), nicht auf das Mindeststammkapital (§ 5 Abs. 1 GmbHG) an. Reiner Kapitalschutz, d.h. kein Schutz, soweit das Vermögen oberhalb des Stammkapitals betroffen ist (anders AG: Echter Vermögensschutz nach § 57 Abs. 3 AktG). Keine verbotene Auszahlung, wenn sie Drittvergleich standhält: „Ob ein normales Austauschgeschäft oder eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen vorliegt, richtet sich danach, ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte, ob die Leistung also aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist.“2 → Ein nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer hätte die Vase nicht unter Wert verkauft, sodass das Geschäft keinem Drittvergleich standhält. Ergebnis: Verbotene Auszahlung in Höhe von 5.000 EUR. c. Keine Ausnahme nach § 30 Abs. 1 S. 2, 3 GmbHG (+) Kein Unternehmensvertrag Kein Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch Keine Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen o.ä. 2 BGH, NJW 1987, 1194. 2 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 d. Zwischenergebnis Verstoß gegen § 30 GmbHG liegt vor. 2. Kein Ausschluss nach § 31 Abs. 2 GmbHG Gutgläubigkeit nach Sachverhalt nicht klar, beides vertretbar (Beweislast trägt Gesellschaft) Jedoch Insolvenz: Bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (vgl. §§ 17 – 19 InsO) stets zur Gläubigerbefriedigung erforderlich.3 3. Rechtsfolge P: Rückübertragung oder bloßer Wertersatz4 o Für Wertersatz spricht: § 30 GmbHG gibt nur wertmäßigen, keinen gegenständlichen Schutz; geschützt ist nur das bilanzielle Vermögen. o Für Rückübertragung spricht: Argument der Gegenmeinung ist nicht zwingend, auch gegenständliche Rückübertragung führt zu wertmäßigem Ausgleich; Beweisschwierigkeiten bzgl. des Wertes 4. Ergebnis: Der Insolvenzverwalter kann von A Übergabe und Rückübereignung der Vase (bzw. Wertersatz) an die X-GmbH verlangen (Gegenansprüche wegen der nur teilweisen Unterbilanz waren nicht zu prüfen.). II. Anspruch aus § 985 BGB bzgl. der Vase (-) A ist Besitzer; die X-GmbH müsste Eigentümerin der Vase sein. Ursprünglich war sie Eigentümerin (vgl. § 1006 Abs. 2 BGB); jedoch Übereignung an A; X-GmbH wirksam vertreten, § 35 Abs. 1 GmbHG P: Wirksamkeit der Übereignung Verstoß gegen § 30 GmbHG → Nichtigkeit nach § 134 BGB? Nach hM keine Nichtigkeit der Übereignung5 Arg.: o §§ 30, 31 GmbHG bilden ein abgeschlossenes System, das sonst unterlaufen würde (vgl. § 31 Abs. 2 GmbHG). o Im Falle der Insolvenz des Gesellschafters würde GmbH ggü. anderen Gläubigern besser gestellt (Aussonderungsrecht nach § 47 InsO). 3 Vgl. Lutter/Hommelhoff GmbHG, 19. Auflage 2016, § 31 Rn. 19. Dazu und zu den weiteren Ansichten Scholz/Verse GmbHG, 11. Auflage 2012, § 31 Rn. 16 ff. 5 BGHZ 136, 125; Scholz/Verse GmbHG, 11. Auflage 2012, § 31 Rn. 120 m.w.N. 4 3 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 o Vergleich zu § 57 AktG passt nicht mehr, hM nimmt auch dort die Wirksamkeit der Übereignung an. Keine Nichtigkeit wegen Missbrauch der Vertretungsmacht (kollusives Zusammenwirken), da C den Wert der Vase nicht kannte. (In einem solchen Falle wäre die Einigung nicht wirksam, § 177 Abs. 1 BGB, der Anspruch daher gegeben.) Ergebnis: Kein Anspruch III. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB bzgl. der Vase (-) A hat Eigentum und Besitz an der Vase durch Leistung der Gesellschaft erlangt. Fraglich ist, ob ein Rechtsgrund vorliegt. o Rechtsgrund könnte der Kaufvertrag sein, § 433 BGB o Verstoß gegen § 30 GmbHG → Nichtigkeit nach § 134 BGB? Nach hM ebenfalls keine Nichtigkeit des Kausalgeschäfts6 Arg.: Für §§ 812 ff. BGB besteht neben §§ 30 f. GmbHG kein Bedürfnis Zum Zeitpunkt des Geschäfts ist häufig nicht klar, ob eine Unterbilanz verursacht wird. Bei nur teilweisem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG wäre die vollständige Nichtigkeit unbillig. Ergebnis: Kein Anspruch IV. Weitere Ansprüche und Ergebnis Weitere Ansprüche sind nicht gegeben. § 823 Abs. 2 iVm. § 30 GmbHG scheitert an der Schutzgesetzeigenschaft des § 30 GmbHG. §§ 830 Abs. 2, 823 Abs. 2 iVm. § 266 StGB scheitert am Vorsatz des C. Daher besteht nur ein Anspruch aus §§ 31 Abs. 1, 30 GmbHG auf Rückgabe und Rückübereignung der Vase. 6 Scholz/Verse GmbHG, 11. Auflage 2012, § 31 Rn. 120 m.w.N. 4 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 Aufgabe 1b) A. Einziehungsbefugnis § 80 Abs. 1 InsO. B. Anspruch aus Darlehensvertrag (-) Anspruch auf Rückzahlung ist zwar entstanden, aber laut Sachverhalt noch nicht fällig, vgl. aber §§ 488 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1, 490 Abs. 1 BGB. C. §§ 31 Abs. 1, 30 GmbHG (+) I. Zahlung entgegen § 30 GmbHG 1. Auszahlung iSd. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG (+) 2. Zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich? (+) → Auch Vertiefung einer bestehenden Unterbilanz ist Verstoß gegen § 30 GmbHG. → Hält Drittvergleich nicht stand. 3. Auszahlung an E (+) Im Grundsatz begründet nur die Leistung an einen Gesellschafter einen Verstoß gegen § 30 GmbHG. Um Umgehungen zu verhindern, ist aber anerkannt, dass auch eine Leistung an dem Gesellschafter nahestehende Personen als Leistung an den Gesellschafter zu werten sind.7 Dazu gehört auch eine Auszahlung an nahe Angehörige, soweit der Gesellschafter dadurch begünstigt wird. Haftungsadressat bleibt jedoch der A. 4. Keine Ausnahme nach § 30 Abs. 1 S. 2, 3 GmbHG (+) 7 Kein Unternehmensvertrag Keine Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen o.ä. → Gemeint sind Darlehen des Gesellschafters an die Gesellschaft, vorliegend umgekehrter Fall Kein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch → Rückgewähranspruch liegt vor, § 488 Abs. 1 S. 2 BGB → P: Vollwertigkeit: Richtet sich nach bilanziellen Gesichtspunkten (vgl. § 253 HGB), auf Drittvergleich kommt es nicht an. Hier bestand ein konkretes Ausfallrisiko, da A sich in Zahlungsschwierigkeiten befand. Die Forderung hätte daher Vgl. dazu und den streitigen Einzelheiten Lutter/Hommelhoff GmbHG, 19. Auflage 2016, § 30 Rn. 38 ff. 5 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 nicht mehr zum Nominalwert bilanziert werden dürfen. Vollwertigkeit liegt nicht vor. II. Kein Ausschluss nach § 31 Abs. 2 GmbHG (+) III. Entreicherung? §§ 30, 31 GmbHG würden unterlaufen, wenn sich A auf Entreicherung berufen könnte. Nach hM werden die Vorschriften nicht bereicherungsrechtlich aufgefasst. Es ist mithin irrelevant, was A mit dem Geld gemacht hat (vorliegend schon keine Entreicherung, da durch Zahlung an Gläubiger Befreiung von einer Verbindlichkeit). IV. Ergebnis Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 10.000 EUR. Aufgabe 2): A. Ansprüche gegen B Grundsätzlich keine Nachschusspflicht (vgl. § 26 GmbHG). Möglich aber Anspruch aus § 31 Abs. 3 GmbHG I. Anspruch der X- GmbH gegen A (+), s.o. II. Nichteinbringlichkeit (+) Der Anspruch ist nicht zu erlangen, wenn er mit zumutbaren Mitteln in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar ist. Hier Insolvenzverfahren gegen A (vgl. §§ 304 ff. InsO). III. Zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich (+) X-GmbH ist insolvent, siehe oben. IV. Rechtsfolge Entgegen dem Wortlaut des § 31 Abs. 3 GmbHG ist die Höhe der Ausfallhaftung auf den Betrag des Stammkapitals begrenzt.8 Im Übrigen: Haftung pro rata. Dabei wird der ursprünglich haftende Gesellschafter nicht mitgezählt. → Vorliegend ist B einziger Gesellschafter neben A. Der Haftungsbetrag liegt mit 10.000 EUR unter dem nominellen Stammkapital, daher volle Haftung des B. 8 BGHZ 150, 61; BGH, GmbHR 2003, 1420; weitergehend Lutter/Hommelhoff GmbHG, 19. Auflage 2016, § 31 Rn. 22. 6 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 B. Ansprüche gegen C I. § 31 Abs. 6 GmbHG (-) Nur Anspruch der Mitgesellschafter, nicht der Gesellschaft. II. § 43 Abs. 3 GmbHG (+) 1. Schaden der Gesellschaft (+) 2. Kausal durch Zahlung entgegen § 30 GmbHG entstanden (+) 3. Verschulden des C (+) Erforderlich? → § 43 Abs. 3 GmbHG ist ein Sonderfall des Abs. 2. Dieser rekurriert auf den Verhaltensmaßstab des Abs. 1 und beinhaltet mithin ein auch in Abs. 3 zu beachtendes Verschuldenselement.9 Vorliegend hätte C die finanzielle Lage des A erkennen können, sodass er schuldhaft gehandelt hat. 4. Rechtsfolge Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR. III. § 64 S. 3 GmbHG (-) Zahlung des Geschäftsführers an Gesellschafter (+) Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft (+) P: Zahlung, die zur Zahlungsunfähigkeit führen musste Enger Kausalzusammenhang. Prognose des Geschäftsführers erforderlich (Maßstab streitig: Überwiegende Wahrscheinlichkeit oder an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit).10 → Vorliegend: Keine Anhaltspunkte, dass konkretes Geschäft ursächlich für Zahlungsunfähigkeit sein musste, daher kein hinreichender Kausalzusammenhang. IV. § 823 Abs. 2 iVm. § 266 StGB § 823 Abs. 2 iVm. § 266 StGB scheitert am Vorsatz des C. 9 MüKo GmbHG/Fleischer, 2. Auflage 2016, § 43 Rn. 255. Eine Haftung scheidet aber aus, wenn keine Prognose angestellt wurde, diese aber auch nicht zu einem Auszahlungsverbot geführt hätte, vgl. Scholz/K. Schmidt GmbHG, 11. Auflage 2015, § 64 Rn. 102. 10 7 Kolloquium zur Vorlesung GmbH-Recht und GmbH-Konzernrecht Dr. Hauke Lorenzen WS 2016/2017 21. Dezember 2016 Zusatzfrage Abberufung ist wirksam, wenn der Beschluss formell und materiell rechtmäßig war. I. Zuständigkeit des Aufsichtsrats (+) Grundsatz: Gesellschafter sind für Abberufung zuständig, § 46 Nr. 5 GmbHG. Vorliegend Aufsichtsrat bestellt. Nach § 52 GmbHG sind in diesem Fall die dort genannten Normen des AktG entsprechend anzuwenden. Ein Verweis auf § 84 AktG, die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats, findet sich darin aber gerade nicht. Etwas anderes ist auch mangels Angaben im Sachverhalt nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt. Jedoch hat die GmbH mehr als 2.000 Mitarbeiter. Damit fällt sie unter § 1 Abs. 1 MitbestG. Nach § 6 Abs. 1 MitbestG ist in diesem Fall obligatorisch ein Aufsichtsrat zu bestellen. Dieser ist, abweichend von § 52 GmbHG, für Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers zuständig, § 31 Abs. 1 MitbestG i.V.m. § 84 Abs. 1 AktG (anders im Falle, dass die Q-GmbH zwischen 501 und 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) II. Ordnungsgemäß besetzter Aufsichtsrat (+) Nach § 96 Abs. 1 AktG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG muss der Aufsichtsrat aus sechs Mitgliedern der Anteilseigner und sechs Mitgliedern der Arbeitnehmer bestehen. Nach § 7 Abs. 2 MitbestG müssen zudem zwei Mitglieder der Arbeitnehmer Gewerkschaftsvertreter sein. Dies ist vorliegend der Fall (vgl. zum Wahlverfahren §§ 8 ff. MitbestG). III. Ordnungsgemäß gefasster Beschluss (-) Beschlussfähigkeit gemäß § 28 MitbestG (+) Erforderliche Stimmenmehrheit (-) Im Grundsatz einfache Mehrheit, § 29 Abs. 1 MitbestG (vgl. zum Doppelstimmrecht des Vorsitzenden bei Stimmgleichheit Abs. 2). Jedoch müssen Abberufungen gemäß § 31 Abs. 2, 5 MitbestG mit zwei Drittel der Stimmen erfolgen. Hier 7:5 → keine erforderliche Mehrheit, der Beschluss ist unwirksam. Ein zweiter Beschluss nach § 31 Abs. 3, 5 MitbestG wurde nicht gefasst. IV. Ergebnis Die Abberufung ist unwirksam. 8
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