70-Gene-Signatur hilft, unnötige Chemotherapie zu vermeiden

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MEDIZINREPORT
belegt, dass der bioprothetische Aortenklappenersatz ein bewährtes Therapieverfahren ist, welches mit einer ausgezeichneten perioperativen
Sterblichkeit und auch Langzeitsterblichkeit einhergeht. „Das mediane Überleben entspricht bei Patienten über 65 Jahren weitestgehend
einer vergleichbaren Alterskohorte
ohne Operation“, erläutert Prof. Dr.
med. Thorsten Wahlers, Klinik und
Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie des Herzzentrums an der Universität Köln.
Die Patienten wiesen eine sehr
niedrige Schlaganfallrate von 0,25
pro 100 Patientenjahre auf. Eine
Klappendegeneration trat vermehrt
bei den jüngeren Patienten auf,
wenngleich mit ausgezeichneten
Ergebnissen bis zu 10 Jahre, sehr
gute Ergebnissen bis zu 15 Jahre
und akzeptablen Ergebnissen bis zu
20 Jahre nach der Operation. Damit
ist der chirurgische Aortenklappenersatz laut Professor Wahlers weiterhin das Standardverfahren bei
Patienten über 60 Jahren mit der
Notwendigkeit für einen Klappenersatz. Neuere Klappenprothesen,
insbesondere kathetergestützte Verfahren, müssen nach seinen Anga-
ben Langzeitdaten über 8 Jahre hinaus generieren, um als vergleichbarer Ersatz generell empfohlen
werden zu können. Die Daten der
erhobenen Studie sind prinzipiell
nicht neu, wie Professor Wahlers
betont. Sie belegen jedoch die hohe
Qualität und Langzeithaltbarkeit
des chirurgischen Klappenersatzes.
Christine Vetter
Foroutan F, et al.: Prognosis after surgical
replacement with a bioprostetic aortic valve
in patients with severe symptomatic aortic
stenosis: systematic review of observational
studies. BMJ 2016; 354: 5065;
DOI: 101136/bmj5065.
FRÜHES MAMMAKRZINOM
70-Gene-Signatur hilft, unnötige Chemotherapie zu vermeiden
In frühen Stadien des Mammakrzinoms wird häufig nach der Operation eine adjuvante Chemotherapie
empfohlen, um Rezidive zu verhindern. Da sich das Rückfallrisiko
aber auf Basis der bislang verwendeten Kriterien nicht zuverlässig
prognostizieren ließ, ist die Vermutung, dass eine Zytostatikabehandlung für einen erheblichen Teil dieser Frauen eine Übertherapie ist.
In der internationalen Phase3-Studie MINDACT wurde prospektiv randomisiert untersucht, ob
ein 70-Gene-Signatur-Test an Tumorresektaten von Frauen mit frühem Brustkrebs beitragen kann, die
auf klinischen Befunden basierte
Prognose eines hohen und eines
niedrigen Rezidivrisikos zuverlässiger zu machen. 6 693 Frauen mit
histologisch gesichertem, primären
invasiven Karzinom wurden eingeschlossen: bei 22 % im Tumorstadium 1 und bei 78 % in den Stadien 2
oder 3 (operabel). Diejenigen mit
hohem klinischen und genomischen
Risiko erhielten eine Chemotherapie, die mit niedrigem klinischen
und genomischen Risiko keine.
Wichen die Prognosen der beiden Vorhersagemethoden voneinander ab, wurden die Gruppen „hohes
klinisches/geringes genomisches
Risiko“ (n = 1 497) und „geringes
klinisches/hohes genomisches Risiko“ (n = 690) randomisiert in einen
A 2266
Arm mit und einen Arm ohne Chemotherapie. Primärer Endpunkt war
zu bestimmen, ob bei Verzicht auf
die Chemotherapie bei hohem klinischen, aber niedrigem genomischen
Risiko mindestens 92 % der Frauen
5 Jahre ohne Fernmetastasen überlebten (Nichtunterlegenheit).
Die Nichtunterlegenheit wurde
nachgewiesen. Das 5-Jahres-Überleben ohne Fernmetastasen betrug in
der diskordanten Gruppe mit niedrigem genomischen, aber hohem klinischen Risiko 94,7 % ohne Chemotherapie (95-%-Konfidenzintervall
[KI]: 92,5–96,2). In der Intentionto-treat-Analyse lagen die Raten des
5-Jahres-Überlebens ohne Fernmetastasen bei 94,4 % (95-%-KI:
92,3–95,9) in dieser diskonkordanten Gruppe, wenn keine adjuvante
Chemotherapie erfolgt war, und bei
95,9 % mit Chemotherapie (95-%KI: 94,0–97,2). Der Unterschied zugunsten der Chemotherapie betrug
also 1,5 Prozentpunkte.
Fazit: Bei Patientinnen mit operablem Mammakarzinom, die ein hohes klinisches, aber geringes genomisches Rezidivrisiko nach Resektion haben, kann auf die Chemotherapie verzichtet werden, ohne dass
sich das Risiko für Fernmetastasen
relevant erhöht. „Die Ergebnisse der
MINDACT-Studie reihen sich ein in
die Daten anderer Studien, die den
Stellenwert von Gensignaturen zur
verbesserten Prognoseabschätzung
beim Mammakarzinom belegen“,
kommentiert Priv.-Doz. Dr. med.
Cornelia Liedtke, Leitende Oberärztin an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein/
Campus Lübeck. „Hervorzuheben
sind die Ergebnisse der MINDACTStudie insofern, als mit dem MammaPrint-Test erstmals auch eine
Aussage basierend auf den Ergebnissen einer prospektiven klinischen
Studie zur Wirksamkeit der Chemotherapie bei Patientinnen mit niedrigem genomischen Risiko getroffen
werden konnte (prädiktive Aussage):
Eine Wirksamkeit der adjuvanten
Chemotherapie bei Patientinnen mit
niedrigem genomischen Risiko ließ
sich auch bei hohem klinischem Risiko nicht belegen“, so Liedtke.
Noch aber gebe es keine direkten,
prospektiven Vergleiche der 4 derzeitig marktführenden Testsysteme
(MammaPrint, Oncotype, Endopredict und ProSigna). Deshalb sei unklar, welcher der Tests die zutreffendste Prognoseabschätzung und
exaktere Beurteilung der Chemotherapie-Wirksamkeit erlaube.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Cardoso F, van’t Veer LJ, et al.: 70-gene
signature as an aid to treatment decisions in
early-stage breast cancer. N Engl J Med
2016; 375: 717–29.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 49 | 9. Dezember 2016