Jahresbericht 2015

Bild: Philipp Guntern
STIFTUNG
AUTISMUSLINK
JAHRESBERICHT 2015
STIFTUNG AUTISMUSLINK
Ostermundigenstrasse 99 | 3006 Bern
Tel. + 41 31 911 91 07
www.autismuslink.ch
[email protected]
JAHRESGRUSS DES STIFTUNGSRATSPRÄSIDENTEN
Sehr geehrte Leserinnen
Sehr geehrte Leser
Wie in den vorangegangenen Jahren blicke ich erfreut und stolz auf ein weiteres erfolgreiches Jahr unserer jungen Stiftung zurück. Mit dem Jahresbericht 2015 vermitteln wir
Einblicke in unsere Aufbauarbeit im abgelaufenen Jahr und skizzieren unsere Perspektiven
für zukünftige Projekte.
Unsere Stiftung wurde im Jahre 2008 gegründet. Nach einer intensiven Aufbau- und Strukturierungsphase können wir mittlerweile auf 5 operative Jahre mit aussergewöhnlich breiter
Erfahrung zurückschauen. Während dieser Zeit haben wir immer wieder an unseren
Dienstleistungen gefeilt und diese angepasst, bis sie den Bedürfnissen unserer Klienten
optimal gerecht wurden. Aufgrund der grossen Nachfrage, sowohl von den Klienten selbst
wie auch von diversen Dienstleistern, wie beispielsweise der Invalidenversicherung,
konnten wir unsere Beratungs- und Unterstützungstätigkeiten kontinuierlich ausbauen.
Da die Räumlichkeiten an unserem alten Standort in Zollikofen mit dem steten Wachstum
nicht mithalten konnten, mussten wir uns nach einem neuen grösseren Standort im
Grossraum Bern umsehen.
Nach langer Suche und Verhandlungen eröffneten wir am 28. August 2015 unseren
neuen Standort mit einer offiziellen Feier in den ehemaligen Büros der Swisscom an der
Ostermundigenstrasse 99 in Bern.
Die neuen weitläufigen Räume bieten genügend Platz für die Entwicklung von
autismusspezifischen Strukturen und eine vielfältigere Handlungsmöglichkeit für die Gestaltung von Dialogräumen. Hier entstehen neue Ideen für eine zukunftsgerichtete Ausrichtung
in der Thematik «Integration in den Arbeitsmarkt».
Der Eröffnungsevent hat den Besuchern die Möglichkeit gegeben, den Spirit unserer Organisation mit allen Sinnen wahrzunehmen. Diesen Spirit spüre ich immer wieder, wenn ich die
Räumlichkeiten, unsere Mitarbeiter und Klienten besuche. Ich bin immer wieder aufs Neue
fasziniert vom Teamgeist, dem Willen – ungeachtet aller Probleme – etwas neues und sinnvolles zu vollbringen und neue Wege zu gehen.
Es hat mich fasziniert, wie engagiert und hochmotiviert die Mitarbeiter und Klienten unsere
neuen Räume auf über 1'200 m2 mit sehr viel Eigenarbeit, Engagement und Kreativität in der
kurzen Zeit eingerichtet haben. Ich hätte nie gedacht, dass unsere neuen Büros/Arbeitsplätze
mit den mehr als bescheidenen Finanzmitteln so gelungen gestaltet werden können.
An dieser Stelle ein dickes Lob im Namen des ganzen Stiftungsrates an alle Involvierten!
Unsere Klienten kommen aus allen deutschsprachigen Regionen der Schweiz und bewältigen zum Teil sehr lange Anfahrtswege. Wir planen für das kommende Jahr Wohnungen für
unsere Klienten anzumieten und ihnen so zu ermöglichen, bei uns mit der nötigen Ruhe und
Konzentration die nächsten Schritte in ihre Zukunft zu gehen.
Der Erfolg aus dem Jahr 2015 hat mich einmal mehr überzeugt, dass unsere Stiftung
autismuslink als kompetenter und verlässlicher Dienstleister zum Wohl der Menschen
aus dem Autismus-Spektrum bestens gerüstet ist, um in Zukunft seine Dienstleistungen
schweizweit anzubieten.
Dabei hoffen wir auch auf Ihre Unterstützung, sowohl ideell als auch finanziell.
Nehmen Sie Kontakt mit uns auf und nutzen Sie gerne unser Spendentool auf unserer Webseite!
Besten Dank und freundliche Grüsse
René Germann
Bildausschnitt Film: Temple Grandin
GESCHÄFTSBERICHT 2015
Das Jahr 2015 ist ganz unter dem Zeichen von Veränderungsprozessen und einem weiteren
Wachstum zu sehen – Change Management pur!
Die im April 2015 bezogenen Büros am Stadtrand von Bern befinden sich in ehemaligen
Räumen der Swisscom an der Ostermundigenstrasse. Der Industriestandort aus den 70er
Jahren verbindet alte Architektur- und Industriegeschichte mit den aktuellen digitalen
Entwicklungen in der Informatik. Der Standort ist in sich einem ständigen Wandel unterzogen:
die ehemalige Besitzerin dieser Liegenschaften, die Swisscom AG, nutzt nur noch gut
5'000 m2 von ursprünglichen 60'000 m2.
Auf der Suche nach neuen Büros wurden wir aufmerksam auf diese Liegenschaft und
konnten nach monatelangen Verhandlungen auf den 1. April 2015 die neuen Räumlichkeiten
auf über 1200 m2 beziehen.
In den vergangenen 4 Jahren, genauer von 2011 – 2015 und damals noch in Zollikofen, konnten wir in einer dynamischen und sehr pionierhaften Art und Weise die Geschäftsstelle der
Stiftung autismuslink weiter ausbauen.
Empfehlung 6
Für den Prozess der Berufsvorbereitung, beruflichen Abklärung und Ausbildung sollte ein
bedarfsdeckender Ausbau autismusspezifischer Unterstützungsangebote erfolgen.
Eine quantitative und regionsübergreifende Etablierung und Erweiterung spezifischer Angebote, die in
den letzten Jahren regional bereits in qualitativ hochwertiger Form und in enger Kooperation mit den
jeweiligen kantonalen IV-Stellen entstanden sind, sollte einen Schwerpunkt der Weiterentwicklung dieses
Sektors darstellen. Leistungsverträge der IV mit autismusspezifisch arbeitenden Fachstellen im Ausbildungssektor sollten dabei ebenso eine wichtige Grundlage für einen gelingenden Prozess der beruflichen
Integration bilden wie die enge Kooperation der IV-Berufsberatung mit Fachpersonen für Autismus.
Ein möglicher Bedarf an Jobcoaching beim Einstieg in den Beruf nach erfolgter Ausbildung sollte dabei
ebenfalls mitgedacht werden.
Die beiden aktuell vorzufindenden Wege, d.h., die Delegation der Prozessbegleitung der beruflichen
Integration als Gesamtpaket an autismusspezifisch arbeitende Fachstellen über Leistungsverträge sowie
die Beibehaltung der Koordinierung durch die IV-Berufsberatung in gezielter Zusammenarbeit mit Ausbildungs- bzw. Integrationsbetrieben und Autismusfachstellen können dabei mit Blick auf die regional
unterschiedlichen Voraussetzungen als mögliche Alternativen gesehen werden. Beide Wege sollten die
Good-Practice Kriterien und damit die individuellen Unterstützungsbedarfe umfassend berücksichtigen.
Für geschützte Arbeits- und Beschäftigungsmassnahmen wird primär eine differenzierte Überprüfung
der Rahmenbedingungen und konzeptionellen Ausrichtungen der vorhandenen Angebote aus einer
autismusspezifischen Perspektive empfohlen, um notwendige Anpassungen bedarfsgerecht vornehmen
zu können.
Bild Eröffnungsevent: Esther Schramm, Büro für Unterschiedlichkeitsmanagement, HaHamburg
Der erstmalige Leistungsvertrag der Invalidenversicherung im Jahr 2014 gab uns die Möglichkeit, in einem weiteren Meilenstein die bestehenden Dienstleistungen zu konsolidieren und
weiterzuentwickeln.
Am Eröffnungsevent vom 28. August 2015 sprach Stefan Rittler, Vizedirektor BSV und Leiter
Geschäftsfeld Invalidenversicherung davon, wie wichtig unsere Organisation in der Gestaltung der Integration in den Arbeitsmarkt für die Zukunft sei, «da im Rahmen der 6. IV Revision die Eingliederung vor IV Rente angestrebt wird und autismuslink hier eine wichtige
Scharnierstelle bietet»! Für Herrn Rittler ist die Auseinandersetzung mit der Thematik
Autismus von enormer Bedeutung, «da die Invalidenversicherung Antworten bieten muss auf
die wachsende Anzahl von Personen, die direkt betroffen oder im Umfeld dieser Personen zu
suchen sind; autismuslink bietet hier Antworten und nimmt die verschiedenen Bedürfnisse
sowohl dieser Direktbetroffenen, als auch der Invalidenversicherung und der Fachstellen auf
und bietet lösungsorientierte Ansätze».
Gleichzeitig zu unserem Event wurde seitens des Bundesrates eine Antwort auf das «Autismus Postulat von Claude Hêche» in Form eines Forschungsberichts veröffentlicht; der Bericht
ist eine Stellungnahme zur Lebenssituation von Personen aus dem Autismus-Spektrum, die
insbesondere die Situation von Kindern, Jugendlichen und Adoleszenten berücksichtigt und
folgende Empfehlung abgibt:
ERBRACHTE DIENSTLEISTUNGEN IM 2015
Die Stiftung autismuslink hat ihre Dienstleistungen von Beginn an so konzipiert, dass die
Begleitung der Dienstleistungsnehmer immer eine möglichst grosse Teilhabe mit einbezieht.
Nur wer lernt, sich in Eigenständigkeit in Abstimmung mit seinem Umfeld zu entwickeln, wird
seinen Platz im Arbeitsmarkt finden.
In einem Arbeitsmarkt, der sich selbst im Wandel befindet und ganz neue Möglichkeiten wie
auch Herausforderungen bietet, wird es wichtig sein, über die praktische Anschauung sowie
über die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten und über das Interesse an der Sache selbst,
seinen eigenen Weg zu finden.
BERUFLICHE ABKLÄRUNG
Die 3 – 6 monatige grundlegende und spezifische berufliche Abklärung hat zum Ziel,
eine berufliche Perspektive nahe am Klienten zu entwickeln, und damit eine tragfähige
Nachfolgelösung in den Bereichen Ausbildung, berufsspezifische Praktika oder in der
direkten Positionierung im Arbeitsmarkt zu finden.
Aber auch wir werden mit klientenspezifischen Situationen konfrontiert, in denen wir
gemeinsam und in enger Zusammenarbeit mit der Invalidenversicherung und weiteren
externen Partnern berufliche Perspektiven im geschützten Arbeitsmarkt suchen.
Unser Netzwerk wächst und wir bauen weiter daran, für diese beruflichen
Perspektiven eine möglichst grosse Vielfalt an externen Plätzen anbieten zu können.
BERUFLICHE GRUNDBILDUNG
In der Informatik, der Systemtechnik EFZ und der Applikationsentwicklung EFZ haben wir
uns weiter professionalisiert und aktuell unser Angebot auf die Mediamatik ausgeweitet;
für 2016 ist ein erster Ausbildungsplatz vorgesehen.
Im Bereich Ausbildung zum Kaufmann EFZ stehen bei uns 1 – 2 Ausbildungsplätze
zur Verfügung.
In diesen genannten Fachbereichen führen wir auch entsprechende 3-monatige
spezifische berufliche Abklärungen, wie Vorbereitungszeiten auf die Ausbildung, an.
COACHING
Das Coaching ist bei uns einerseits integriert in den internen beruflichen Massnahmen
und ein wesentlicher Aspekt liegt in der Unterstützung der personellen und ressourcenorientierten Entwicklung.
Es ist uns ein Anliegen, in externen berufsbegleitenden Coachings neue berufliche Perspektiven zu finden oder eine Stabilisierung der bestehenden beruflichen Situation zu ermöglichen.
Immer mehr übernehmen wir nach der beruflichen Abklärung in einem Folgecoaching die
sogenannte externe Nachsorge am Ausbildungs- oder Arbeitsplatz; d.h. wir begleiten den
Klienten mit einem Jobcoaching in seiner neuen externen Arbeitssituation.
Das Coaching wird durch das Sozial- und Kommunikationskompetenztraining
in kleinen Gruppen ergänzt.
SCHULE/LERNORT
Eine ganz neue Dienstleistung hat sich aus dem Bedürfnis nach einem Lernort entwickelt, der
den Übergang von der Schulzeit bis in die Arbeitswelt abdeckt. Es ist ein Ort, wo Lernen Spass
macht, der sich am Leben orientiert und Perspektiven bietet.
Dabei liegt der Fokus auf den folgenden zwei Ausrichtungen:
1. für Oberstufenschüler, die ein ganz anderes, individuelles und handlungsorientiertes
Lernsetting benötigen und in unserem normalen Schulsystem temporär überfordert sind.
2. für Maturanden, die mit der AKAD ein individuelles Lernsetting in der Maturavorbereitung
suchen und dafür bei uns einen Lernort finden.
WOHNEN
Im Bereich Wohnen haben wir erste Schritte gemacht und im Raum Bern Wohnmöglich­keiten
in Form von WGs mit Wohncoaching geschaffen. Daraus könnte sich im 2016 ein grösseres
Wohnprojekt ergeben und allenfalls auch eine Wohnschule entstehen.
Bild: Marco Glauser
KUNST
Kunstprojekte wie «Smalltalk» und «Spektrum» am Eröffnungsevent oder die Kunstaustellung im Paul Klee Museum zum Thema «bäumig» führen immer wieder unseren Ansatz vor
Augen: die eigene Suche nach einer zukunftsorientierten beruflichen Ausrichtung zu unterstützen, die eigene Gestaltungskraft zu entdecken und einzusetzen und in der Vielfalt der
Möglichkeiten die eigene Perspektive zu erkennen.
In den Kunstmodulen und innerhalb der vielen anderen Projekte wird mit einer Vielzahl von
Themenfeldern gearbeitet, um an die verborgenen Ressourcen unserer Klienten zu gelangen.
An dieser Stelle danken wir der Stiftung Prof. Otto Beisheim für die freundliche Unterstützung
der Kunstarbeit und -projekte mit ihren Fördergeldern.
Die Kooperation des Kunstprojekts Plattform_A mit Creaviva/ Zentrum Paul Klee hat am
17. Oktober 2015 bis 24. Januar 2016 zu einer ersten gemeinsamen Ausstellung unter dem
Titel «bäumig» geführt. Diese vermittelt den Reichtum an unterschiedlichen Ausdrucksweisen
und dem Formenreichtum, mit welcher sich neun Kunstschaffende aus dem Autismus-Spektrum mit dem Thema Baum auseinandergesetzt hatten.
Dabei bedienten sich die Künstler verschiedener Formen der visuellen Kunst – von der
Zeichnung, Installation, Malerei, Collage über die Skulptur oder das Video. Sie beobachteten
die Realität und ihre Wahrnehmung. Das Resultat dieser Reflexion waren innige Werke,
welche die Weltanschauung der Künstler zu enthüllen vermochten.
«WIR HABEN IM 2015 UNTERANDEREM BEI INSGESAMT 45 KLIENTEN ÜBER DIE IV BERUFLICHE MASSNAHMEN DURCHGEFÜHRT, MIT EINER DURCHSCHNITTLICHEN AUFENTHALTSZEIT VON 6 MONATEN.
10 WEITERE KLIENTEN WURDEN IN VERSCHIEDENEN COACHINGSETTINGS BEGLEITET.
ÜBER 20 MITARBEITER HABEN DIESE BEGLEITUNG GEWÄHRLEISTET UND AKTIV AN DER ENTSTEHUNG
DER NEUEN RÄUMLICHKEITEN MITGEBAUT.
DAMIT KONNTEN INHALTLICHE UND KONZEPTIONELLE SCHWERPUNKTE VERTIEFT UND NEU AUSGERICHTET WERDEN, SODASS SICH DER NEUE ORT AUTISMUSLINK IN BERN, ABER AUCH SCHWEIZWEIT,
ZU EINER FESTEN GRÖSSE ENTWICKELN KONNTE.»
Weitere wichtige Zahlen und Diagramme können Sie dem separaten PDF Dokument
«Jahresbericht_2015_Zahlen_Diagramme» entnehmen.
Thomas van der Stad
Geschäftsleiter Stiftung autismuslink
PERSPEKTIVEN/AUSBLICK 2016
• Berufliche Abklärung
Die Nachfrage nach einer beruflichen Abklärung ist gestiegen.
Entsprechend werden wir die Anzahl Plätze erweitern.
• Lernort
Wir klären zurzeit bei der Gesundheits- und Fürsorgedirektion GEF die Frage, ob ein
solcher Lernort gewünscht wird. In diesem Falle können wir bis zu 10 Plätze anbieten.
• Angebot in der Innerschweiz
Aufgrund der grossen Nachfrage von Klienten aus der Innerschweiz sind wir dabei, in der
Region einen Standort aufzubauen. Vorerst nur mit einem Coachingangebot.
• autismuslink.ch
Mit dem Umzug in die neuen Räume wollen wir die erweiterten Dienstleistungen auch
über eine neue Webseite mit neuen Inhalten und neuem Design präsentieren.Der Launch
der neuen Seite ist für das letzte Quartal 2016 geplant.
LINK
• «Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene: Frühkindliche Entwicklungsstörungen und
Invalidität» Forschungsbericht des Bundesamtes für Sozialversicherungen
STIFTUNG AUTISMUSLINK
Ostermundigenstrasse 99 | 3006 Bern
Tel. + 41 31 911 91 07
www.autismuslink.ch
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Redaktion: Thomas van der Stad, Gabie Laffer | Grafik: Luca Nejedly | Fotos: Yasmin Dogan, Andrin Tschirren, Luca Nejedly