Zugang zu Gesundheitsversor- gung – auch für Asylsuchende und

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EDITORIAL
Start der Artikelserie Asyl und Migration
Zugang zu Gesundheitsversorgung – auch für Asylsuchende
und Flüchtlinge
Dr. med. Mark Witschi
Sektion Impfempfehlungen und Bekämpfungsmassnahmen, Eidgenössisches Departement des Innern, Bundesamt für Gesundheit,
Abteilung Übertragbare Krankheiten
Die zunehmende Anzahl Flüchtlinge, die in der Schweiz
stammen, nicht an impfverhütbaren Krankheiten er­
Asyl beantragen, stellt auch an das Gesundheitswesen
kranken, ist neben einer allfälligen Therapie auch eine
besondere Anforderungen. Infektionskrankheiten bei
Überprüfung des Impfstatus wichtig. Anamnestisch
Flüchtlingen stellen für die Schweizer Bevölkerung
ist es jedoch oft nicht möglich, den aktuellen Impf­
grundsätzlich keine Gefahr dar. Flüchtlinge sind nicht
status zu erfahren. Im Artikel von Tarr et al. [2] in vor­
häufiger krank. Abhängig vom Ursprungsland kommen
liegender Ausgabe des Swiss Medical Forum erfahren
aber andere Krankheiten als in der Schweizer Bevölke­
Sie, wie in der Praxis diese Personen gemäss dem
rung gehäuft vor. Die Tuberkulose ist wohl die bekann­
Schweizerischen Impfplan geimpft werden sollen.
teste Infektionskrankheit bei Flüchtlingen, insbeson­
Impfungen sind besonders bei Kindern und Bewohnern
dere bei denjenigen aus Ländern mit einer hohen
von Flüchtlingszentren wichtig, um Ausbrüche zu ver­
Prävalenz. Asylsuchende werden deshalb beim Eintritt
hindern.
in ein Empfangszentrum systematisch auf spezifische
Die Kostendeckung der Gesundheitsversorgung ist für
Symptome befragt und bei Verdacht auf eine Tuber­
Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Ausländer
kuloseerkrankung werden weitere Abklärungen durch­
­sowie anerkannte Flüchtlinge sichergestellt. Seit dem
geführt. Die Tuberkulose ist in der ansässigen Bevölke­
Jahr 2011 hält die Verordnung über die Krankenver­
rung seit vielen Jahrzehnten rückläufig trotz gros­ser
sicherung fest, dass auch alle Nothilfeberechtigten ob­
Anzahl an Flüchtlingen aus Ländern mit hoher Prä­
ligatorisch krankenversichert werden. Dies ist Voraus­
valenz.
setzung, um den Zugang zum Gesundheitssystem zu
Wie mit erkrankten Asylsuchenden und Flüchtlingen
gewährleisten.
in der ärztlichen Praxis vorgegangen werden soll, zeigt
Die praktischen Orientierungshilfen in beiden Artikeln
der Artikel von Notter et al. [1] in dieser Ausgabe des
unterstützen die Grundversorger, damit Erkrankun­
Swiss Medical Forum. Er liefert eine praktische Über­
gen rasch diagnostiziert und adäquat behandelt werden
sicht, an welche Krankheiten bei erwachsenen Flücht­
und bei Bedarf auch geimpft wird. Dies ist nicht nur
lingen zu denken ist und wie sie diagnostiziert und
aus Sicht der öffentlichen Gesundheit sinnvoll, sondern
fehlungen und
­behandelt werden sollen. Eine gute Anamnese, gefolgt
wird auch den Bedürfnissen der Asylsuchenden und
­Bekämpfungsmassnahmen
von der Überlegung, welche Krankheiten im Ursprungs­
Flüchtlinge gerecht.
Mark Witschi
Korrespondenz:
Dr. med. Mark Witschi, MPH
Leiter Sektion Impfemp­
Eidgenössisches
Departement des Innern
land gehäuft vorkommen, sind wichtige Voraussetzun­
Bundesamt für Gesundheit
gen für eine erfolgreiche Behandlung. Der nationale
Abteilung Übertragbare
Krankheiten
Schwarzenburgstrasse 157
CH-3003 Bern
mark.witschi[at]bag.
admin.ch
Telefondolmetschdienst kann helfen, sprachliche Hin­
dernisse zu überbrücken.
Damit Asylbewerber und Flüchtlinge, die meistens aus
Ländern mit einem schwachen Gesundheitssystem
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2016;16(49–50):1057
Literatur
1 Notter J, Labhardt N, Hatz C, Wallnöfer A, Vollgraff M, Ritz N, et al.
Infektionen bei erwachsenen Flüchtlingen. Schweiz Med Forum.
2016;16(49–50):1067–74.
2 Tarr P, Notter J, Sydow V, Wirz S, Wallnöfer A, Vollgraff M, et al.
Impfungen bei erwachsenen Flüchtlingen. Schweiz Med Forum.
2016;16(49–50):1075–79.