Pragmatisch mit Exzellenz Christiane Wendehorst

MANZ · INTERN]
Porträt des Monats:
Es gibt frühe Vögel. „Early birds“ nennen sie die Briten
und Christiane Wendehorst gehört sicherlich zu dieser
Spezies. Um 7:45 morgens ist sie bereits im Büro. „Ich
wünschte, ich hätte eine 40-Stunden-Woche, meistens
sind es viel mehr“, sagt sie und lacht. Das Gute sei,
dass sie mit den Jahren gelernt habe, Wesentliches von
Unwesentlichem zu unterscheiden, und dass ihr das
juristische Arbeiten, das Probleme Durchdenken und
Lösungen Finden Spaß machen.
Dass sie Juristin ist, sei aber reiner Zufall. Geboren
1968 in München, wuchs sie in einer von Medizinern
geprägten Familie auf, die traditionellerweise eine gewisse Verachtung für die Rechtswissenschaften hegte.
Folgerichtig verlegte sich Wendehorst während der
Schulzeit erst einmal ganz auf Chemie, Physik und
Mathematik und gewann erste Preise in Bundeswettbewerben. „Es war so, als ob ich davon komplett in einen
Sog gezogen würde“, erinnert sie sich. Nach ihrem Abitur entschloss sie sich deshalb, quasi zur Entspannung
zwei Semester Rechtswissenschaften in München zu
studieren. Danach wollte sie in die Naturwissenschaften,
so der Plan.
Es kam anders. Die Struktur und Systematik in
Gesetzen gefielen ihr sehr. „Ich merkte, dass ich mich für
so gut wie alles interessieren und begeistern konnte“,
beschreibt sie ihre Grundeinstellung. Als ihr eine Drittelstelle am Münchner Institut für Internationales Recht
angeboten wurde, nutzte sie die Chance, „unter lauter
älteren, recht arroganten Männern zu beweisen, dass
es möglich ist, sich zügiger als sie zu habilitieren“, sagt
sie unverblümt und es sind genau solche Sätze, die
eine Unterhaltung mit ihr unkonventionell machen.
Christiane Wendehorst denkt gut und ist eigenwillig
– genau das ist ihre Stärke.
„Anspruch und Ausgleich“ war das Thema ihrer
Habilitation, das sie zurück bis Aristoteles führte. Die
schnöseligen Kollegen, die sie, die „Kleine“, einst nicht
ernst genommen hatten, waren nicht amüsiert, als sie
ihre ersten Veröffentlichungen platzierte, aber heute
seien sie bestens befreundet, lacht sie.
Zwischendurch wechselte Christiane Wendehorst
das Terrain, um ihr Wissen als Wirtschaftsanwältin in
einer internationalen Kanzlei in Chicago unter Beweis
zu stellen. „Drei Monate später war ich mir sicher, dass
die auf ‚billable hours‘ ausgerichteten Strukturen nicht
mein Ding sind.“ Da kam ihr der Ruf an die Universität
Greifswald gerade recht. Kurz nach der „Wende“
herrschte dort Auf bruchsstimmung. Mit 29 Jahren war
Wendehorst die jüngste Professorin der Bundesrepublik.
R E C H T A K T U E L L # 1 1 / 1 2 | N o ve m b e r / D e z e m b e r 2 016
1998 heiratete sie den Historiker Stephan Wendehorst,
mit dem sie lange Zeit eine Fernbeziehung führte. Ein
Jahr später übersiedelte sie nach Göttingen, um dort die
Nachfolge des deutschen Zivil- und Medizinrechtlers
Erwin Deutsch anzutreten.
Insgesamt sollte sie acht Jahre lang in Göttingen
bleiben. Als Professorin für Bürgerliches Recht, Medizinrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung arbeitete sie sich durch ein breites Spektrum
von Themen und etablierte als Direktorin des DeutschChinesischen Instituts für Rechtswissenschaften eine
neue Expertise.
Sie gründete eine Familie. 2001 kam Sohn Bendix
zur Welt, 2003 Hanno und 2004 Ferdinand. „Ich war so
gut wie immer allein mit den Kindern“, sagt sie und da
ist es wieder, das Unkonventionelle. Ihr Mann forschte
in Leipzig, „wir führten die Fernbeziehung einfach
weiter“, sagt sie.
Doch 2008 war diese Phase zu Ende. Die Wendehorsts übersiedelten gemeinsam nach Wien, im selben
Jahr kam Tochter Henriette zur Welt. Seitdem hat die
Juristin eine Professur für Zivilrecht und arbeitet intensiv mit ihrer Kollegin Brigitta Zöchling-Jud zusammen.
Gemeinsam haben sie etwa einen Kommentar zum
Verbraucherkreditrecht geschrieben, der im Frühjahr
2017 in zweiter und erweiterter Auflage bei MANZ erscheinen wird. Auch ihre Funktion als Vizepräsidentin
des „European Law Institute“ (ELI), dessen Mitbegründerin sie ist, nimmt viel Zeit in Anspruch.
© Mike Ranz
Pragmatisch mit Exzellenz
Christiane Wendehorst
CHRISTIANE WENDEHORST
ist Professorin für Zivilrecht
an der Universität Wien.
Struktur, Systematik und
Lösungen sind ihr im juristischen Arbeiten wichtig.
„Ich wünschte, ich hätte
eine 40-Stunden-Woche,
meistens sind es viel mehr“
Woran sie aktuell arbeitet? An Fragen des Datenhandels, der Digitalisierung und des Datenschutzes,
„weil da Dinge auf uns zukommen, die wir noch gar
nicht ahnen und ich einen Beitrag dazu leisten will,
dass wir unsere Zukunft lebenswert gestalten“, sagt
sie. Wovon sie träumt? „Von regelmäßigen Theaterbesuchen, weil das mit vier Kindern beim besten Willen
keine Priorität haben kann.“ Und was sie ungern
macht: „Kochen, das machen glücklicherweise meist
meine Männer.“
Karin Pollack
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