Radiogottesdienst am 4. Dezember 2016

Radiogottesdienst
am 4. Dezember 2016
St. Matthäus Melle
Dechant Michael Wehrmeyer
Predigttext: Mt 3, 1-12
Bereitet dem Herrn den Weg!
Liebe Hörerinnen und Hörer! Liebe Gemeinde!
Sie war nicht zu übersehen: die Wüste in dem Bild, das uns die Kinder eines unserer
Kindergärten vor drei Jahren für eine Predigt zum 2. Adventssonntag gemalt haben.
Wir haben damals eine Predigtreihe mit Kindergartenbildern zu den
Adventsevangelien gestaltet. Nicht zu übersehen war sie: die Wüste, gefertigt aus
roten und gelben Farben, vermischt mit Kleister und echtem Sand, wie er eben in
einer Wüste vorkommt. Auch der Jordan war zu sehen. Und: Johannes der Täufer,
freundlich lächelnd, mit weit ausgestreckten Armen. Natürlich gab es auch
Heuschrecken, ja sogar eine Schlange, die für die Kinder einfach in eine Wüste
gehört. Und Jesus war da: schmuck gekleidet, im Anzug, mit rotem Halstuch.
Johannes verweist auf ihn. Die Hand auf ihn gerichtet, scheint er zu sagen: An ihn
sollen sich die Menschen wenden. Zu ihm sollen sie sich bekehren. Er macht seiner
Vorläuferrolle alle Ehre. Doch dann gab es da noch eine Figur, eine, die zumindest
so im Evangelium des 2. Adventssonntags nicht auftaucht: „Das ist ein Mann aus
dem Dorf!“, haben mir die Kinder erzählt. „Der schaut sich das Ganze an!“ Und das
tut er eher skeptisch: Die Augen sind hochgezogen, die Mundwinkel kippen nach
unten. Ihm scheint nicht geheuer, was er da hört und was er da sieht. Skeptisch
scheint er diesen Exoten im Kamelhaarmantel und seine Botschaft zu beäugen. Er
scheint daran zu zweifeln, dass die Botschaft, die da verkündet wird, wirklich
glaubwürdig ist. Und was ist die Botschaft?
UMKEHR.
HINKEHR zu Jesus und seinem Weg.
Im letzten die Behauptung, dass dieser Jesus von Nazareth der wahre Weg, die
Wahrheit und das Leben ist und dass es sich lohnt, ihm zu folgen. Ich stelle mir vor,
dass der Mann, den die Kinder mit ins Bild gezeichnet haben, diese Behauptung
hinterfragt: Stimmt das? Soll der Weg Jesu wirklich der richtige sein? Ist er es wert,
ihm nachzugehen? Schließlich gibt es auch noch andere Angebote, nach denen ich
mich ausrichten und mein Leben gestalten kann. Warum sollte es ausgerechnet der
Weg Jesu sein? Was würden wir ihm sagen?
Liebe Hörerinnen und Hörer! Liebe Gemeinde!
Zu allen Zeiten gab es die Frage nach dem richtigen Weg, nach einer guten und
gesunden Grundlage für das eigene Leben. Es gab sie auch zurzeit Jesu. Viele
waren aufgetreten und gaben vor, die Richtung zu kennen, und wollten, dass man
ihnen folgte. An wen sollte man sich halten? Wer hatte recht? Das war offenbar auch
die Frage Johannes des Täufers: Nicht umsonst schickt er - davon berichtet das
Evangelium an anderer Stelle - seine Jünger zu Jesus und lässt ihn fragen: „Bist du
es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Den richtigen
Weg zu erkennen, zu wissen, welchen Weg man gehen sollte, das war offenbar
schon damals alles andere als einfach. Deshalb benennt Jesus Johannes Kriterien,
anhand derer man das Einzigartige des Weges Jesu erkennen kann. Er tut das,
indem er an die alte prophetische Verheißung erinnert, in der Gott sein Volk hat
wissen lassen: Der Messias, der kommen wird, das ist einer, der den Blinden das
Augenlicht gibt, der die Lahmen wieder gehen lässt und den Armen die Frohe
Botschaft verkündet. Der Messias ist der, der den Menschen leben hilft, der denen,
die vom Leben hart rangenommen wurden, das Leben erleichtert und der auf der
Seite derer steht, die von den vermeintlich Stärkeren an die Wand gedrückt werden.
Das ist sein Weg - in den Erzählungen der Evangelien vielfach dokumentiert. Daran
kann man ihn erkennen. Dieser Messias, der aufrichtet, der im Namen Gottes Leben
schafft, der dazu verhilft, dass man leben kann, dieser Messias will die Grundlage
meines Lebens sein! Ist er das? Soll sein Weg der meine sein? Der Johannes in
unserem Kita-Bild und auch der des Evangeliums weist voller Überzeugung auf
diesen Jesus und seinen Weg. Der Dorfbewohner scheint ihn zu hinterfragen. Wozu
würde ich ihm raten? Was würde ich ihm sagen? Würde ich ihm Mut machen,
mitzugehen?
Liebe Hörerinnen und Hörer! Liebe Gemeinde!
Der Täufer weist voller Überzeugung auf Jesus und seinen Weg. Und er fordert die
Menschen in die Entscheidung. Nicht umsonst gehört er deshalb zu den großen
Gestalten des Advents. Advent ist die Vorbereitung auf das immer wieder neue AnKommen Jesu in mir, und damit auch die Frage, inwieweit die Tür meines Herzens
für ihn offen, bzw. wie wichtig mir die Sache mit diesem Jesus Christus ist. Ich bin
eingeladen, mich dieser Frage zu stellen. Ohnehin scheint mir deren Beantwortung
wichtig, in einer Zeit, in der man mehr als kritisch auf die Kirche und ihre Praxis
schaut. Ich stelle mir vor, dass der Mann aus dem Dorf in unserem Kita-Bild auch
einer sein könnte, der die Christen unserer Tage kritisch in den Blick nimmt und nach
ihrer Bedeutung fragt. Würde er sehen, dass sich in diesen Christen der Weg des
Jesus von Nazareth fortsetzt? Würde er sehen, dass den Blinden, darunter auch die,
die für sich keine Perspektive mehr sehen oder den Blick für das Gute in ihrem
Leben verloren haben, die Augen geöffnet werden? Würde er sehen, dass den
Lahmen, darunter auch die, die innerlich gelähmt, in sich selbst gebunden,
festgesetzt sind, aufgeholfen, zu neuem Schwung verholfen wird? Würde er sehen,
dass die Armen, Kranken und in Not Geratenen in unserer Gesellschaft - darunter
auch die vielen auf der Flucht - klare Zuwendung erfahren? Leben im Sinne Jesu
heißt doch: zum Leben verhelfen, das Leben lebenswerter machen. Würde einer, der
kritisch auf die Kirche schaut, dieses Bemühen in der Kirche finden?
Liebe Hörerinnen und Hörer! Liebe Gemeinde!
Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Das ist der Ruf des Johannes.
Und: Er ergeht an jeden von uns! Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die
Straßen! Ein deutlicher Appell. Imperativ. Aufruf. Ihr könnt und sollt Menschen
aufrichten, mit Gottes Hilfe Leben schaffen! Ihr könnt und sollt dazu beitragen, dass
man leben kann! Wer macht mit? Wer ist dazu bereit?