2INTERVIEW: AMS-Wien-Chefin Petra Draxl 6PORTRAIT: INIGO – Perspektive Handel a r b e i t s m a r k t p o l i t i k 7NEUES MITGLIED: VHS BBE Deutsch Clearing 8RÜCKBLICK: DSE-Jobmesse 2/16 10 DENKANSTOSS: Mindestsicherung Mindestens ungleich Ein soziales Netz für alle Fälle? VEREINSZEITUNG DES WIENER DACHVERBANDES FÜR SOZIAL-ÖKONOMISCHE EINRICHTUNGEN EDITORIAL Foto Wilke S ie sollte die Armutsbekämpfung harmonisieren und eine Weiterentwicklung der Sozialhilfe der Länder bringen: die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Bei ihrer Einführung vor fünf Jahren – nach Analysen und jahrelangen Vorbereitungen – wurde sie als sozialpolitischer Meilenstein gefeiert. Generell wurde neben bundeseinheitlichen Standards ein erleichterter Zugang zu Leistungen der BMS ohne Stigmatisierung angestrebt; erwerbsfähige Menschen sollten stärker an die aktive Arbeitsmarktpolitik angebunden werden. Beides ist gelungen. Die Folgen von Finanz- und Wirtschaftskrise sowie Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind aber auch in der BMS unübersehbar. Die realen Bruttoeinkommen der untersten 25 Prozent sind seit 2008 um ernüchternde 20 Prozent gesunken, was nicht so sehr auf eine zunehmende Ungleichheit als solche zurückzuführen ist, sondern vor allem strukturelle Arbeitsmarktentwicklungen widerspiegelt. Die Gruppe der working poor wächst – und damit die Zahl der BMS-BezieherInnen. Die Flüchtlinge in der BMS haben die Diskussion nun massiv zugespitzt. Bemerkenswert ist die Entwicklung der politischen Diskussion um die Verlängerung der Bund-Länder-Vereinbarung zur BMS: Da geht es weniger um Inhalte, es geht vielmehr um die Demonstration politischer Macht. Wer gibt in der Koalition die Linie vor, welche LänderForderung setzt sich durch? Statt einen sinnvollen Kompromiss zu finden, wird die BMS-Debatte für eine weitere gesellschaftliche Polarisierung genützt. Die Herausforderungen der Armutsbe kämpfung als Aufgabe der Politik treten in den Hintergrund – auf Kosten der Betroffenen. Ihr/Euer Christoph Parak 2 ar b e i ts ma r k tp ol i ti k akti v AKTIV: Bei Ihrem Amtsantritt als Chefin des AMS Wien im Sommer 2012 haben Sie einen Strategiewechsel angekündigt: weg von der aktivierenden hin zur qualifizierenden Arbeitsmarktpolitik. Ist dieser Strategiewechsel gelungen? Draxl: Ja, ich glaube, dass uns das gelungen ist. Wir haben unsere Angebotslandschaft verändert, und wir haben parallel mit dem Qualifikationsplan 2020 und der Einführung des Qualifikationspasses auch Instrumente weiterentwickelt, die diese Strategie unterstützen. Ich habe bei meinem Amtsantritt auch gesagt, dass das AMS Wien ein Motor der Arbeitsmarktpolitik werden soll – das haben wir erfüllt: Wir sind seit 9 Monaten Nummer eins im AMS-internen Messsystem. AKTIV: Ungeachtet aller wichtigen qualifizierenden Maßnahmen gibt es ein Überangebot an Arbeitskräften. Wo sehen Sie Lösungsansätze neben Höherqualifizierungen? Was kann man arbeitsmarktpolitisch für die Menschen machen, die da sind? Draxl: Beim Arbeitskräfteangebot in Wien ist es notwendig, nachzuschauen, woher dieses Angebot kommt: Ein Teil dieser Arbeitskräfte sind Menschen, die schon in der Stadt leben – zum Beispiel Frauen, die auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Die werden wir qualifizieren, integrieren und „unsere Hausaufgaben erledigen“. Was neu angekommene Asylberechtigte betrifft, wird sich meiner Meinung nach noch einiges tun, wie man in der politischen Diskussion dieser Tage sieht: Es kann ja nicht sein, dass Wien die Hauptlast für Österreich trägt. Noch dazu, wenn die freien Arbeitsplätze nicht in Wien, sondern zum Beispiel in der Tourismusbranche der westlichen Bundesländer zu finden sind. Die dritte Gruppe sind Menschen aus unseren angrenzenden Nachbarstaaten. Auch hier sind gewisse Mechanismen sichtbar – jemand fängt in Tirol zu arbeiten an und meldet sich dann in Wien arbeitslos: Wien ist eben Anziehungspunkt, um hier zu leben. Da können wir nur dagegen halten, indem wir den Menschen, die hier leben, Startvorteile bieten, zum Beispiel durch Qualifizierung und unsere Jobplattform. AKTIV: Wien ist eine seit Jahren stark wachsende Stadt. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote in Wien bei rund 13%. Betroffen sind insbesondere Niedrigqualifizierte und Ältere mit gesundheitlichen Einschränkungen. Was kann man mit Menschen tun, die am Arbeitsmarkt de facto keine Chance haben? Draxl: Bei den Niedrigqualifizierten stellt sich sehr stark die Frage, wo ich eine Arbeit finde und aufnehmen kann – die Arbeitsmärkte sind innerhalb Österreichs unter- dse im dialog AMS-WIEN-CHEFIN DRAXL IM INTERVIEW AMS/Petra Spiola „Qualifizieren, integrieren und unsere Hausaufgaben erledigen“ „Arbeitsmarktpolitik AKTIV“ sprach mit Petra Draxl über die Entwicklungen seit ihrem Amtsantritt vor vier Jahren, Niedrigqualifizierte, Ältere mit gesundheitlichen Einschränkungen, die Grenzen aktiver Arbeitsmarktpolitik, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung und die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. schiedlich. Bei dieser Gruppe sind die wichtigsten Ansätze Mobilität erhöhen, Social Skills verbessern und Höherqualifizierung. Die Mobilitätsbereitschaft kann entscheidend sein: In Westösterreich oder Deutschland wird auch nach Niedrigqualifizierten gesucht. Zusätzlich machen wir jetzt auch den Roll-out des Qualifikationspasses, um vor Ort Abhilfe zu schaffen. Man muss die Höherqualifizierung entmystifizieren: Wir werden es alle noch erleben, dass man in jeder Form von Arbeit eine gewisse Intellektualität und Ausbildung braucht – beispielsweise ausreichende Computerkenntnisse. Es geht nicht nur um höhere Einkommen mit höherer Ausbildung, intellektuelle und technologische Problemlösung wird in allen Branchen unumgänglicher, sei es die neue Registrierkassa oder Lagersoftware. Teilweise müssen wir erwachsene Menschen stärker motivieren als jetzt, damit sie Basiskenntnisse nachholen oder ergänzen. Bei älteren Arbeitsuchenden und Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen gibt es ganz andere Problemstellungen. Hier sind wir noch auf der Suche nach Antworten: Was können wir tun, wenn jemand bereits mit Einschränkungen lebt? Wir arbeiten momentan sehr intensiv an der Prävention, also daran zu verhindern, dass die Arbeitsfähigkeit verloren geht. Für das Hauptproblem aber, wenn sie einmal verloren gegangen ist, gibt es derzeit noch keine perfekte Lösung: Hier braucht es ein viel besseres Zusammenspiel zwischen den Einrichtungen, ob das jetzt Therapieplätze, medikamentöse Einstellungen etc. sind – das halte ich wirklich für ein extrem schwieriges Thema mit derzeit nur sehr wenigen Lösungsoptionen, wenn man ehrlich ist. In diesem Bereich geht es auch sehr stark um Fragen der Resilienz: Wie bringt man Menschen rechtzeitig dazu, belastbarer zu werden und auf ihre eigene Stabilität zu schauen? Das sind Fragen, die sich in einem Dreieck zwischen Gesundheitssystem, dem einzelnen Menschen mit seiner Eigenverantwortung und natürlich der Politik bewegen. Die Politik kann beispielsweise einen geförderten Arbeitsmarkt ausbauen, aber auch hier sind die Mittel be- Wir werden es alle noch erleben, dass man in jeder Form von Arbeit eine gewisse Intellektualität und Ausbildung braucht – beispielsweise ausreichende Computerkenntnisse. grenzt – eine Diskussion, die wir ja gerade führen, man denke an die Hartz-IV-Debatte um gemeinnützige Arbeit, für die es nur Entschädigungszahlungen geben soll. Oder ist es doch besser, ein kollektivvertragliches Entgelt zu zahlen wie in unseren Sozialökonomischen Betrieben? AKTIV: Zuletzt ist die Effektivität und Effizienz der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den Fokus der Debatte gerückt. Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen: was kann eine aktive Arbeitsmarktpolitik leisten und wo liegen Grenzen? Draxl: Aktive Arbeitsmarktpolitik leistet die entsprechenden Begleitprozesse zu dem, was wirtschaftlich notwendig ist. In Zeiten, in denen viele Jobs offen sind, organisieren wir, dass Menschen sich rasch in diese Jobs bewegen. Wenn es aber, so wie jetzt, nicht genug Jobs gibt, kümmern wir uns um die Höherqualifizierung von Menschen. Darüber hinaus werden wir mitverantwortlich gemacht, ein Stück Integrationspolitik zu tragen. Hier leisten wir einen großen Beitrag, denke ich. Aktive Arbeitsmarktpolitik bedeutet natürlich auch die Auseinandersetzung mit der Frage, was man mit Gruppen macht, die sehr schwierig in den Arbeitsmarkt zu ➞ Fortsetzung auf Seite 4 a rbeitsma r ktpoliti k a ktiv 3 dse im dialog ➞ Fortsetzung von Seite 3 integrieren sind. Auch die Frage der Schulungseffizienz hängt eng damit zusammen und wird bei uns intern intensiv diskutiert. Wenn ich Menschen, die geringe Chancen am Arbeitsmarkt haben, nicht in diese Maßnahmen aufnehme, steigt sofort unsere Schulungseffizienz, weil die Vermittlungsquote höher wird. Da geht es einfach darum, wem stelle ich was zur Verfügung? Das ist natürlich eine hochpolitische Diskussion: Welchen Effekt kann ich damit erreichen, wem ich welche Maßnahmen zur Verfügung stelle? Welche Unterstützung bekommt beispielsweise jemand, der mit über 50 arbeitslos ist? Womit kann ich bei dieser Person erfolgreich sein? Stellt man der betreffenden Person das Richtige zur Verfügung? AKTIV: Es ist unumstritten, dass verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit zu vielen Problemen führt und letztlich eine Reintegration in den Arbeitsmarkt besonders schwierig macht. Das deklarierte AMS-Ziel, den Übertritt in Langzeitbeschäftigungslosigkeit zu verhindern, wurde vor einiger Zeit aufgegeben und nur für gewisse Gruppen beibehalten. Warum? Draxl: Das Ziel ist nur mehr für Jugendliche aufrecht. Für Erwachsene ist es auch deswegen gefallen, weil es aus einer Epoche kam, als der Arbeitsmarkt sehr aufnahmefähig und eine sinnvolle Intervention möglich war, durch die die Menschen wieder eine Beschäftigung annahmen. Nun ist die Arbeitsmarktlage aber schwieriger geworden und es sind andere Mittel gefragt, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Deshalb hat man das neue Ziel gesetzt, in eine Geschäftsfalllogik zu gehen: Das heißt, ich schaue, ob jemand mit dem, was wir tun, die Arbeitslosigkeit tatsächlich beenden kann, und nicht, ob ich den Übertritt verhindern kann. AKTIV: Die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung vor 5 Jahren wurde mit dem arbeitsmarktpolitischen Auftrag verknüpft, die BMS-BezieherInnen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wie bewerten Sie die seither gesetzten Maßnahmen? Draxl: Ich denke, dass wir als AMS Wien sehr viel getan haben, um Menschen zu integrieren. Vom Effekt her ist das natürlich unterschiedlich gelungen, je nachdem, um welche Gruppen mit welcher Ausgangslage es geht. Die Gruppe der BMS-BezieherInnen ist in unseren Maßnahmen überproportional vertreten. Die Frage, wie gut die einzelnen Untergruppen integriert werden können, ist nicht so einfach zu beantworten: Bei Jugendlichen beispielsweise gelingt dies besonders schlecht, darum wollen wir hier weitere Schritte gehen – da braucht es Veränderungen, ein anderes Konzept für die Betreuung von Menschen bis 25, um zu verhindern, dass sie in diesem System bleiben. AKTIV: Sie wollten Wien über ein europäisches Städtenetzwerk mit anderen Ballungsräumen vergleichen, verknüpft mit dem Ziel, dass Wien zu einem Motor der österreichischen Arbeitsmarktpolitik wird. Was ist daraus geworden und welche Städte haben für Sie Referenzcharakter? Draxl: Wir haben uns sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und uns auch extern begleiten lassen, um Referenzstädte zu finden. Über die Flüchtlingskrise sind wir sehr intensiv mit Deutschland und Schweden in Austausch getreten, der auch laufend stattfindet. Wir arbeiten mit Hamburg, Berlin und München zusammen, gerade zu den Themen Jugendbeschäftigung, Flüchtlinge und Service für Unternehmen. Der Fokus liegt auf deutschen Städten, weil wir hier gemeinsam am meisten lernen können. Erst kürzlich war auch eine schwedische Delegation da, mit der wir uns intensiv zur Flüchtlingsproblematik ausgetauscht haben – man muss natürlich auch schauen, welche Themen gerade relevant sind, und wo es dazu geeignete Ansprechpartner gibt. Auch in Brüssel waren wir zu diesem Thema stark vertreten: Wien gehört im deutschsprachigen Raum zu den ersten, die hier Instrumente entwickelt haben, und das hat uns natürlich verstärkt in den europäischen Diskurs gebracht. AKTIV: Ein spannendes Thema, wobei die Arbeit ja hauptsächlich hinter den Kulissen stattfindet. Draxl: Ja, weil es um gemeinsames und gegenseitiges Lernen geht – die Schweden interessieren sich für unseren Kompetenzcheck, wir schauen uns an, wie ihre „Fast Track Line“ funktioniert, wir diskutieren die Kompetenzerfassung der Deutschen usw. Hier geht es wirklich darum, durch den gemeinsamen Austausch besser vorwärts zu kommen – das ist natürlich öffentlich nicht so interessant, bringt uns aber sehr viel. AKTIV: Herzlichen Dank für das Gespräch. Das Interview in voller Länge gibt’s auf www.dse-wien.at. Petra Draxl leitet seit Juli 2012 die Landesgeschäftsstelle des AMS Wien; zuvor war sie im BMASK als Abteilungsleiterin für den ESF zuständig. Nach ihrem Doppelstudium Pädagogik und Psychologie in Graz führte sie das Grazer Jugendbeschäftigungsprojekt „Insel“, Ausgangspunkt für ihre langjährige arbeitsmarktpolitische Berufserfahrung; u.a. war sie als selbstständige Beraterin für das AMS und die ÖSB Unternehmensberatung tätig, wo sie 1999 die Geschäftsführung übernahm. AMS/Petra Spiola 4 Wir arbeiten mit Hamburg, Berlin und München zusammen, gerade zu den Themen Jugendbeschäftigung, Flüchtlinge und Service für Unternehmen. ar b e i ts ma r k tp ol i ti k akti v dse von innen RÜCKBLICK LANGE NACHT DER WIENER SOZIALWIRTSCHAFT Fotos: DSE-Wien/Martin Juen Sommerliches Vernetzungsevent EINLADUNG Schon traditionell organisiert der DSEWien jedes Jahr gemeinsam mit dem AMS Wien und dem waff die Lange Nacht der Wiener Sozialwirtschaft: Heuer trafen sich rund 400 AkteurInnen aus der Arbeitsmarktpolitik zum geselligen Beisammensein. Ungezwungen schmausten, tanzten, plauderten sie im Schutzhaus zur Zukunft und unterstützten durch Loskauf und Spenden das Benefiz anliegen des Abends. 4. Lange Nac ht der Wiener Sozial wirtschaft 23. Juni 2016 // ab 18 Uhr Schutzhaus zu r Zukunft Auf der Schm elz Verlängerte Gu 1150 Wien ntherstraße Dank den Sponsoren Ohne die Unterstützung durch DSE-Mitglieder sowie Unternehmenssponsoren und ohne die großzügigen Spenden von Vereinen und Privatpersonen wären weder die äußerst attraktiv bestückte Tombola noch der Erlös von 3.400,- Euro für den Verein backup möglich gewesen. Hauptpreise von Bockwerk l Job-TransFair Die insgesamt 400 Preise stammten von FAB l DRZ l Wiener Hilfswerk l zib-Training l Michl's l AMS l Job-TransFair l Jugend am Werk l Caritas l Rapid l Austria l gabarage l WSD l fix&fertig l Trendwerk l SL Roland Sauer l Wohnen mit Service l Volkshilfe Beschäftigung l Wienwork l Inigo l Die Caterei l Kolping Campus Krems l DSE-Wien DSE-Präsident Walter Wojcik und DSE-GF Christoph Parak freuten sich, Sozialminister Alois Stöger begrüßen zu dürfen. Gerd Gressl Tolle Stimmung, wunderbares Wetter, mitreißende Rhythmen und viele interessante Gespräche ließen die Gäste bis tief in die Nacht hinein feiern. Großzügige Geldspenden von bfi l bit-Schulungscenter l zib-Training l die Berater l best Eva Obemeata, Obfrau des Vereins backup, freute sich über 3.400 Euro, die bei der Job-TransFair Tretbootregatta übergeben werden konnten und Arbeitslosen in akuter Notlage zugutekommen (rechts DSE-GF Christoph Parak). ? dse von innen Neues Projekt: INIGO – Perspektive Handel Ja, es darf ein bisserl mehr sein! Spar bietet in Kooperation mit der Caritas in einer Filiale in Favoriten Arbeitsplätze mit sozialem Mehrwert: 30 langzeitarbeitslose Frauen und Männer werden im Bereich Einzelhandel qualifiziert und erhalten die Chance, (wieder) in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Ein gutes Team: (v.l.) Geschäftsfeldleiterin Birgit Reingruber, Administrator Georg Schaubschläger und Marktleiter Rudi Savic. w Blitzsauber, einladend und hell präsentiert sich die SPAR-Filiale in der Quellenstraße 185. Ein Supermarkt wie jeder andere, nur ein kleiner Aufkleber am Eingang lässt erkennen, dass hinter den Kulissen ein innovatives arbeitsmarktpolitisches Projekt läuft: eine nachahmenswerte enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Sozialwirtschaft. Wie alles begann Das Handelsunternehmen SPAR trat vor einiger Zeit an die Caritas der Erzdiözese Wien, Fachbereich Arbeit und Chance, mit dem Angebot einer längerfristigen Unternehmenskooperation heran. Konkret ging es um die Übernahme einer SPAR-Filiale, die die Caritas als Einzelhändler betreiben sollte. Eine derartige Kooperation gibt es bereits in Oberösterreich und seit Kurzem auch in Graz. Seit Anfang August wird nun der SPARMarkt in Favoriten als Sozialökonomischer Betrieb (SÖB) geführt und beschäftigt derzeit 11 Transitarbeitskräfte (befristet auf ein halbes Jahr); weitere 13 Personen befinden sich im Training. Insgesamt wird es 20 Tran sitarbeitsplätze geben, hauptsächlich in Teilzeit. Sieben FachanleiterInnen unterstützen die MitarbeiterInnen bei ihrem Neustart im Ein- 6 ar b e i ts ma r k tp ol i ti k akti v zelhandel und schulen sie in allen Bereichen des Marktes ein (Kassa, Feinkost, Obst und Gemüse, Trockensortiment, Regalbetreuung, Reinigung). Jede/r kann dann nach ihren/ seinen Vorlieben und Talenten eingesetzt werden, aber: „Wer Feinkost und Kassa beherrscht, ist am besten vermittelbar“, weiß Geschäftsfeldleiterin Birgit Reingruber von der Caritas. Zusätzlich zu den fachlichen Schulungen gibt es individuelles Coaching: Magdalena Popovic hilft bei der Bewältigung unterschiedlichster Probleme sowie bei Bewerbung und Jobsuche. Neue Chancen Durch Qualifizierung und Weiterbildung innerhalb der Filiale und mit den laufenden Weiterbildungsprogrammen von SPAR eröffnen sich für langzeitbeschäftigungslose Menschen neue Chancen. Zum Beispiel für eine junge Frau, die erst seit Kurzem in der Quellenstraße 185 arbeitet: Einige MarktleiterInnen von anderen Filialen haben schon Interesse an einer Übernahme in ihren SPARMarkt gezeigt. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit ein toller Neustart! Geplant ist, dass ca. 40 bis 50% der in der Caritas-Filiale ausgebildeten MitarbeiterInnen von SPAR in andere Märkte übernommen werden – aktuell laufen schon erste Gespräche zur Vermittlung. Innovationen und Synergien Sehr hilfreich dabei ist, dass Marktleiter Rudi Savic über jahrelange SPAR-Erfahrung verfügt – er kennt viele seiner KollegInnen aus anderen Filialen und kann so bei Personalanfragen punktgenau die passenden MitarbeiterInnen vorschlagen. Mit Begeisterung ist er bei der Sache und sprüht nur so vor Ideen für Neuerungen: Beispielsweise soll der Kaffeeautomat, der für die Kunden im Ausgangsbereich aufgestellt wurde, durch kleine Stehtischchen ergänzt zum „MeetingPoint“ werden. „Weiters ist geplant, ein eigenes Regal mit bei der Caritas produzierten Produkten zu bestücken – eine Möglichkeit, die sich durch den Einzelhändlerstatus ergibt“, erklärt Birgit Reingruber. Auch Synergien mit dem schon seit 1992 bestehenden Caritas-SÖB INIGO Restaurant, Salon, Catering sind möglich, verrät INIGOGeschäftsführerin Trixi Pech: Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, aber noch in Ordnung sind, sollen in Zukunft in den Küchen des INIGO Verwendung finden. Wertvolle Unterstützung Sie empfindet die Unterstützung durch SPAR als sehr hilfreich und schätzt es auch, dass SPAR-Gebietsbetreuer in den Markt kom- dse von innen Neues DSE-Mitglied VHS BBE Deutsch Clearing men, um das neue Projekt bezüglich Warenwirtschaft und Aktionen zu unterstützen. Trixi Pech sieht den (Lebensmittel-)Handel als ein Berufsfeld, das für den Wiedereinstieg besonders geeignet ist, bietet es doch eine große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten, die an die jeweiligen Leistungsniveaus und Fähigkeiten der ProjektteilnehmerInnen an- Passgenaue Unterstützung beim Deutschlernen Viele Menschen, die nach Österreich kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, bringen Qualifikationen mit, die am Arbeitsmarkt gefordert und gesucht sind – entweder zur Gänze oder zumindest teilweise. w Die Abteilung Obst und Gemüse gehört zu den wichtigsten Bereichen im Markt. gepasst werden können. „Durch den hohen KundInnenkontakt wirkt die Beschäftigung im Handel integrationsfördernd und sensibilisiert die Gesellschaft für das Potenzial von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen“, ist sie überzeugt. Eröffnungsfeier am 27.1.2017 Vom Erfolg und den Zukunftsperspektiven des SÖB INIGO – Perspektive Handel können sich bei der offiziellen Eröffnungsfeier am 27.1.2017 AMS-Wien-Geschäftsführerin Petra Draxl, SPAR-Geschäftsführer Alois Huber, namhafte VertreterInnen der Caritas und alle BesucherInnen selbst überzeugen – Termin vormerken! info INIGO – Perspektive Handel wird als regulärer Handelsbetrieb geführt. Dabei stehen die wirtschaftlichen Interessen des Lebensmittelhändlers genauso im Mittelpunkt wie die Qualifizierung und Vermittlung von Transitarbeitskräften. Quellenstraße 185, 1100 Wien Tel. (01) 602 190 210 E-Mail: [email protected] www.caritas.at Deutschkenntnisse enorm wichtig Was nützt den Asylberechtigten und MigrantInnen beispielsweise ein im Heimatland mit Auszeichnung absolviertes Pharmaziestudium, wenn sie nicht in der Lage sind, ihre KundInnen in der Apotheke zu verstehen und ihnen das entsprechende Medikament zu empfehlen? Welchen Vorteil ziehen sie aus einem betriebswirtschaftlichen Studium, wenn sie ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht zum Einsatz bringen können, da ihnen die Sprachkenntnisse fehlen? „Menschen mit anderen Erstsprachen als Deutsch werden also immer wieder mit dieser Problematik konfrontiert, solange ihre Deutschkenntnisse nicht den beruflichen Anfordernissen entsprechen“, weiß die Expertin, die heuer mit dem AMS-Award für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde (siehe auch Bericht auf Seite 9). Clearing für passgenaue Unterstützung Hier kommt nun das Clearing der BBE Deutsch an den Wiener Volkshochschulen ins Spiel: Beim AMS Wien als Arbeit suchend vorgemerkte Personen können von ihren BeraterInnen für den Sprachkurs Deutsch zugebucht werden, für welchen im Vorfeld eine Clearingphase zu absolvieren ist, die aus einem schriftlichen Einstufungstest und einem Einstufungs- und Beratungsgespräch besteht. Ziel dieses Clearings ist es, sowohl die sprachlichen Fertigkeiten und aktuellen Sprachniveaus der potenziellen SprachkursteilnehmerInnen zu eruieren, als auch deren berufliche Werdegänge und Lernbiografien in Betracht zu ziehen, um möglichst homogene Lerngruppen zusammenstellen zu können. Sieglinde Schittl: „Etwaige Lernhemmnisse werden ebenso miteinkalkuliert, um den Menschen bestmögliche Lernbedingungen anzubieten.“ info BBE Deutsch Clearing BBE Deutsch West – VHS Rudolfsheim Fünfhaus, Schwenderg. 41, 1150 Wien BBB Deutsch Süd – VHS Favoriten, Arthaberpl. 18, 1100 Wien BBE Deutsch Nord – VHS polycollege Stöbergasse, Stöberg. 11-15, 1050 Wien BBE Deutsch Ost – VHS Urania, Veranstaltungszentrum Praterstern, Praterstern 1, 1020 Wien Tel. 01 89174 105211 a rbeitsma r ktpoliti k a ktiv 7 VHS DSE/Reinberg-Leibel; Spar Sie hätten also die Möglichkeit, jene freien Stellen zu besetzen, die derzeit trotz hoher Arbeitslosenzahlen nicht besetzt werden können, weil die bereits im Lande befindlichen Arbeitsuchenden dafür nicht oder nicht ausreichend qualifiziert sind. Das könnte eines der großen Probleme des Arbeitsmarktes lösen – wäre da nicht die natürlicherweise häufig auftretende Sprachbarriere, wie Sieglinde Schittl, Leiterin der Beratungs- und Betreuungseinrichtung Deutsch Clearing, erläutert. TeilnehmerInnenrekord bei PERSPEKTIVE:16 Über 2.000 BesucherInnen bei neunter Jobmesse des DSE-Wien Die jährliche DSE-Jobmesse fand heuer zum zweiten Mal im Wiener Rathaus statt: Mehr als 2.000 Interessierte hatten in Volkshalle und Arkadenhof die Möglichkeit, über 30 sozialintegrative Betriebe aus Wien kennen zu lernen, sich Informationen zu aktuellen Stellenangeboten zu holen und sich individuell beraten zu lassen. Auch wichtige institutionelle Partner wie AMS, MA 40, Sozialminsteriumservice, waff und Schuldnerberatung waren bei der Jobmesse vertreten. w Wie schon im Vorjahr bot das AMS auch heuer die Möglichkeit, sich direkt am AMS-Stand zu den im Rahmen der Jobmesse ausgeschriebenen Jobs zubuchen zu lassen – 50 Jobs konnten somit gleich direkt vor Ort vergeben werden, darüber hinaus wurden zahlreiche Vorstellungsgespräche für die kommenden Tage vereinbart. Auch zahlreiche Beratungs- und Betreuungsorganisationen waren auf der Job messe vertreten, die „sehr gezielt indi Bei der DSE-Pressekonferenz am Podium: Petra Draxl, Thomas Rihl, Daniela Schallert, Tanja Wehsely (v.l.) 8 ar b e i ts ma r k tp ol i ti k akti v Fotos: DSE-Wien/Martin Juen So viele BesucherInnen wie noch nie bei der PERSPEKTIVE:16 dse von innen Auch Tanja Wehsely und Petra Draxl durften im Arkadenhof „Hand anlegen“ und sich als Fliesenlegerinnen versuchen. AMS Awards Erfolge für DSE-Mitglieder w Jedes Jahr zeichnet das AMS Wien besonders erfolgreiche arbeitsmarktpolitische Projekte aus. In der Kategorie der Sozialökonomischen Betriebe konnte heuer das Projekt Kolping Handwerk die begehrte Trophäe einheimsen. Bewertungskriterien waren die Zielerreichung in den Bereichen Arbeitsmarkterfolg (Anzahl der Personen, die drei Monate nach Ende der Projektteilnahme in Beschäftigung sind) sowie Teilnahmezufriedenheit (bezüglich des Projektträgers und des Nutzens). Mit einer Auszeichnung für ihr Lebenswerk wurde Sieglinde Schittl, die langjährige Leiterin der VHS-BBE Deutsch Clearing (siehe auch Bericht auf Seite 7), geehrt. Fotos: AMS Wien Ausprobieren und gewinnen Im Arkadenhof konnten sich die Mitgliedsbetriebe in Aktion präsentieren und Einblicke in ihren Arbeitsalltag aus den Be reichen Gastronomie, Renovierung, Radund Auto-Werkstatt sowie Sozialmarkt oder Grünraumbetreuung geben – Interessierte hatten die Möglichkeit, selbst „Hand anzulegen“ und ihr Können zu testen. Am DSE-Stand gab es für die BesucherInnen die Möglichkeit, am diesjährigen JobmesseGewinnspiel teilzunehmen – zu gewinnen gab es Restaurantgutscheine, darüber hinaus wurden von Trendwerk Sachpreise und Gutscheine für Elektrorad-Probefahrten zur Verfügung gestellt – der DSE-Wien sagt Danke! Die DSE-Jobmesse hat sich in den vergangenen neun Jahren als Plattform etabliert, Arbeitsuchenden in Wien die Möglichkeit zu geben, an einem Ort mit den Wiener arbeitsmarktpolitischen DienstleisterInnen ins Gespräch zu kommen, Kontakte zu knüpfen und neue Möglichkeiten zu entdecken. Übrigens: nächstes Jahr feiert die Jobmesse ihr 10-jähriges Jubiläum – also Termin vormerken und am 19.9. 2017 dabei sein! Job-TransFair viduell beraten und bei der Problemlösung unterstützen, die einer Arbeitsmarkt integration im Weg stehen können“, wie Daniela Schallert, Präsidiumsmitglied des DSE-Wien, bei der Pressekonferenz zu Beginn der Jobmesse e rläuterte. Mit ihr am Podium saßen DSE-Präsidiumsmitglied Thomas Rihl, AMS-Wien-Geschäftsführerin Petra Draxl sowie die waff-Vizevorsitzende und Wiener Landtagsabgeordnete Tanja Wehsely. Im Nordvestibül des Rathauses hatten die TeilnehmerInnen bei drei Workshops die Möglichkeit, sich und ihre Kompetenzen zu präsentieren und dazu Feedback von erfahrenen TrainerInnen einzuholen. Zudem wurden vor Ort professionelle Bewerbungsfotos angefertigt und den BesucherInnen mit gegeben. Foto links: v.l.: Marion Praschberger (Leiterin der Sozialeinrichtungen von Kolping Österreich), Petra Draxl (AMS-Wien-Geschäftsführerin) und Albert Pribyl (Geschäftsführer von Kolping Österreich) Foto rechts: Sieglinde Schittl freute sich über den von AMS-Wien-Chefin Petra Draxl über reichten Preis für ihr Lebenswerk. a rbeitsma r ktpoliti k a ktiv 9 ? dse denkfabrik GASTKOMMENTAR Fakten statt Mythen in der Diskussion zur Mindestsicherung Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist in der letzten Zeit unter Druck geraten. Ein faktenorientierter Zugang täte der aktuellen Diskussion gut. „Wir können uns die Mindest sicherung nicht leisten“ Im Jahr 2015 haben 284.374 Personen Geldleistungen der Mindestsicherung bezogen. Das entspricht rund 3,3% der österreichischen Bevölkerung. Zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs dieser Menschen wurden 765,2 Mill. € aufgewendet. Weitere 42,5 Mill. wurden für die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen investiert. Die Kosten für die Mindestsicherung entsprechen etwa 0,87% der österreichischen Sozialausgaben im Jahr 2015. Dieser Betrag sollte für die Sozialbudgets des Bundes und der Länder finanzierbar sein. Die konkrete Aufteilung der Kosten ist jedoch problematisch und unsolidarisch, denn gerade ärmere Gemeinden haben viele BMS-BezieherInnen und damit auch höhere Kosten zu tragen als 10 ar b e i ts ma r k tp ol i t ik akti v reichere Gemeinden mit wenigen Anspruchsberechtigten. „Wer arbeitet, ist der Dumme“ Von GegnerInnen der Mindestsicherung wird immer wieder darauf verwiesen, dass „Arbeit sich lohnen muss“ und diese daher unter den Erwerbseinkommen liegen muss. Statt jedoch für existenzsichernde Löhne einzutreten, wird die Mindestsicherung kritisiert. Für die betroffenen Menschen ist die Mindestsicherung keine „soziale Hängematte“, sondern ein Leben am Minimum. Sie liegt mit 837,76 € für alleinstehende Personen um rund 330 € unter der Armutsgefährdungsschwelle. Die Voraussetzungen zum Bezug der BMS sind streng: Wer arbeitsfähig ist, aber nicht arbeiten will, dem wird die Mindestsicherung gekürzt oder gestrichen. Fakt ist, dass es selbst mit sehr geringen Gehältern von rund 1.000 € brutto aufgrund von Weihnachts- und Urlaubsgeld einen deutlichen Abstand (20%) zur Mindestsicherung gibt. Für Familien mit mehreren Kindern kann es durchaus zu dem Fall kommen, dass sich durch die Mindestsicherung höhere Einkommen ergeben, als durch Erwerbsarbeit zu verdienen wäre. Doch dies liegt in der Natur der Mindestsicherung, die zur Armutsvermeidung Leistungen für jede anspruchsberechtigte Person im Haushalt vorsieht. Im Gegensatz dazu erhält wohl kaum jemand ein höheres Gehalt, nur weil er/sie eine Familie hat. Zukünftige Herausforderungen sind groSS Bis Ende 2016 muss die Regierung eine neue 15a-Vereinbarung – die rechtliche Grundlage der Mindestsicherung zwischen Bund und Ländern – verhandeln. Gelingt keine Einigung, droht eine weitere Aufwei- arbeit plus/Pletterbauer w Die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) im Jahr 2010 war ein wichtiger sozialpolitischer Erfolg, der erstmals bundesweite Mindeststandards für das letzte soziale Netz definierte. Doch dieser Erfolg ist unter Druck geraten. Es wird nicht mehr darüber debattiert, wie Armut vermieden werden kann, oder wie die BezieherInnen der Mindestsicherung beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt werden können. Stattdessen dominiert das Bild der „sozialen Hängematte“, in der es sich langzeitarbeitslose Menschen und Flüchtlinge angeblich gemütlich machen. Der Grundpfeiler unseres Sozialstaats – die Solidarität – wird immer mehr in Frage gestellt. Fakten spielen in der aktuellen Debatte über die Mindestsicherung kaum eine Rolle. Doch es lohnt sich genauer hinzusehen, denn trotz der ausgesprochen schlechten Datenlage können viele Mythen leicht widerlegt werden. Philipp Hammer ist Referent für Grundlagenarbeit bei arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich. chung des untersten sozialen Netzes. Doch auch wenn die Zeit drängt, wäre es dringend nötig, innezuhalten und eine faktenorientierte Diskussion zu führen. Das sind wir den ärmsten drei Prozent unserer Mitmenschen schuldig. Was es dringend braucht, ist aus unserer Sicht eine Übertragung der Mindestsicherung in die Kompetenz des Bundes. Nur so können einheitliche Standards sichergestellt werden. Zudem zeigen die Erfahrungen in den Sozialen Unternehmen von arbeit plus, dass BMS-BezieherInnen arbeiten wollen. Doch gerade für gering qualifizierte Menschen gibt es in Zeiten einer langjäh rigen Wirtschaftskrise und Rekordarbeits losigkeit immer weniger Arbeitsplätze. Für sie braucht es neue Angebote einer dauerhaften Beschäftigung in einem er weiterten Arbeitsmarkt. Denn: Eine bezahlte Arbeit ist unverzichtbar, um Menschen Teilhabe an unserer Gesellschaft zu er möglichen. dse denkfabrik ? ANALYSE Mindestsicherung: Sonderfall Wien Wien als einzige Großstadt Österreichs steht sowohl in punkto Arbeitsmarktsituation als auch hinsichtlich der Anzahl der BezieherInnen von Bedarfsorientierter Mindestsicherung (BMS) vor besonderen Herausforderungen. Neue Wifo-Studie zur BMS Seit Implementierung der Mindestsicherung haben sich die Zahl der Leistungsbeziehenden und das dafür verwendete Budgetvolumen in Wien sukzessive erhöht – besonders ab 2014. Eine Studie des WIFO stellte die Frage nach den Ursachen. Ein Faktor ist die Zuwanderung. Die Zahl der subsidiär Schutz- und Asylberechtigten unter den BMS-Leistungsbeziehenden hat sich zwischen 2010 und 2015 fast verdreifacht. Evident ist, dass die BMS – besonders in Wien – die wachsende Gruppe armutsgefährdeter Menschen erreicht. Die BMS-Leistung ist aber zu niedrig, um Menschen aus der Armutsgefährdung zu holen. Erwerbsarbeit ist und bleibt die beste Lösung zur dauerhaften Überwindung von Armut – allerdings erschwert die derzeitige Arbeitsmarktlage den Übergang in stabile Beschäftigungsverhältnisse. Vor diesem Hintergrund sind die Höhe und die zunehmende Verfestigung der Arbeitslosigkeit als wesentliche Einflussfaktoren für die Entwicklung der BMS zu sehen. Ein FREIER JOB – 44 Arbeitsuchende Ende 2014 waren etwa 50.000 BMS-Beziehende beim AMS vorgemerkt. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt ist jedoch durch fehlende berufliche Qualifikation sowie ausgeprägte Arbeitsmarktferne erschwert. 62% dieser Gruppe im Erwerbsalter haben maximal einen Pflichtschulabschluss. Der Stellenandrang zeigt aber auch, dass BMS-Beziehende gewillt sind zu arbeiten: Auf jede beim AMS gemeldete offene Stelle kommen in Österreich rund 12 Arbeitsuchende. Für Menschen mit maximal Pflichtschulabschluss liegt die Zahl mit 18,8 deutlich höher und in Wien sogar bei 43,6 Arbeitsuchenden. Außerdem gilt es zu beachten, dass in Wien fast die Hälfte der BMS-Beziehenden nicht in der Lage ist zu arbeiten, da es sich um Kinder, Pensionisten oder Menschen mit Betreuungspflichten handelt. schwieriger Voraussetzungen kleine Erfolge verzeichnet werden konnten, die keinesfalls als zu gering geschätzt werden dürfen. Das Ziel der dauerhaften Wieder-/Eingliederung in das Erwerbsleben gilt es weiter zu verfolgen. Es bedarf vereinter politischer Anstrengung, arbeitsmarktferne und langzeitbeschäfti- arbeit plus w 2015 bezogen in Österreich 284.374 Personen Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS), mehr als die Hälfte, nämlich 56%, davon leben in Wien. Für die Bundeshauptstadt wurden 63% der Gesamtkosten aufgewendet. Wien weist darüber hinaus eine hohe durchschnittliche Bezugsdauer mit 8,8 Monaten und den höchsten Anteil an Bedarfsgemeinschaften auf, die länger als ein halbes Jahr BMS-Leistungen erhalten (71%). Vor allem die Zahl der Personen mit Ergänzungs leistungen ist überdurchschnittlich ge stiegen. Die deutliche Konzentration auf Wien lässt sich nicht durch die Höhe der BMS erklären, denn Wien liegt österreichweit mit einer durchschnittlichen Leistungshöhe von 555 Euro/Monat an fünfter Stelle. Der Grund für die überdurchschnittliche Inanspruchnahme liegt wohl in typischen strukturellen Eigenheiten einer Großstadt: höhere Arbeitslosigkeit, höhere Anonymität und auch leichterer Zugang zu Beratungsangeboten. Arbeitsmarktpolitische MaSSnahmen unersetzbar Die vom Sozialministerium beauftragte Studie „3 Jahre Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) – Auswirkungen auf die Wiedereingliederung der Bezieher/innen ins Erwerbsleben“ stellt fest, dass trotz gungslose Personen zu unterstützen. Ein gezielter Ausbau des zweiten Arbeitsmarktes sollte angestrebt werden. Zusätzlicher Bedarf besteht im Angebot von niederschwelligen Beratungs- und Betreuungsangeboten: Betroffene sind oftmals mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, die nicht allein durch Arbeitsmarktpolitik gelöst werden können. Auch eine längerfristige Begleitung und Betreuung von BMS-Beziehenden wäre daher vorteilhaft. Es ist wichtig, dass es nicht bei Einzelmaßnahmen und Symptombekämpfung bleibt. Ein gut ausgebautes soziales Sicherungsnetz, das Arbeitsanreize setzt, ist und bleibt eine wesentliche Bedingung für die Integration der ärmsten Schichten in die Gesellschaft. a rbeitsma r ktpolitik a ktiv 11 IN MEDIAS RES A I D E Ob Film, TV, Print oder Internet: Diese Rubrik widmet sich arbeitsmarktrelevanten News mit Medienbezug. Gerfried Sperl (Hg.) Ungleichheit Wien 2016, 103 Seiten, Czernin-Verlag Anthony B. Atkinson Ungleichheit. Was wir dagegen tun können Stuttgart 2016, 474 Seiten, Klett Cotta M D E M in w 12 Autorinnen und Autoren beschäftigen sich in Gerfried Sperls kurzem Sammelband mit dem Thema Ungleichheit, und die Bandbreite reicht dabei vom literarischen Kurztext bis hin zur akademischen Abhandlung. Ziel des Herausgebers war, nicht nur die finanzielle Ungleichheit zu beleuchten – dementsprechend breit gefächert sind die Themen der Beiträge, die sich auch intensiv mit der ungleichen Verteilung von Arbeit, aber auch Arbeiterrechten beschäftigen. Während Andreas Sator die Gründe für die nach wie vor bestehende Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen analysiert, beobachtet Günther Wallraff, dass Arbeitnehmer nicht mehr gleich Arbeitnehmer ist, weil prekäre, unter bezahlte Arbeitsverhältnisse unter Aushebeln von Arbeitnehmerschutz in bestimmten Branchen immer mehr zum neuen Standard werden. Was einige der AutorInnen von unterschiedlichen Positionen beobachten: Je weiter die „Bildungsschere“ aufgeht, desto weniger Solidarität findet sich in einer Gesellschaft – warum einen Beitrag leis ten, um die prekäre Situation der „Ungebildeten“ zu bekämpfen, wenn man selbst glaubt, von diesem Problem nie betroffen werden zu können? Branko Milanović stellt in seinem Beitrag fest, dass zwar die globale Ungleichheit seit den 80ern kleiner geworden ist, innerhalb der einzelnen Länder die Kluft zwischen Arm und Reich aber immer größer wird. Dieser Umstand begründet für Joseph Stiglitz den wachsenden Verlust von Vertrauen in die politischen Eliten – weil es keine Lösung ist, so wie bisher weiterzumachen, wenden sich die WählerInnen Extrempositionen zu. Für Harry G. Frankfurt hingegen ist ökonomische Gleichheit oder Ungleichheit von keiner besonderen moralischen Bedeutung: „Es ist nicht wichtig, dass jeder dasselbe hat. Was moralisch zählt, ist, dass jeder genug hat.“ Die einzelnen Beiträge dieses Sammelbands sind so unterschiedlich wie ihre AutorInnen – und doch läuft die Argumentation aller in dieselbe Richtung: So wie jetzt sollte es nicht weitergehen. Wer kurze, schnell zu lesende Inputs zum Thema Ungleichheit sucht, findet in Gerfried Sperls „Ungleichheit“ einiges an Material. 12 ar b e i ts ma r k tp ol i t ik akti v w Ungleichheit ist ein hochaktuelles Thema und wird unweigerlich mit dem Namen Thomas Piketty verbunden. Jetzt hat Tony Atkinson – renommierter Ungleichheitsforscher, nach dem sogar ein Verteilungsindex benannt ist, und Ziehvater von Piketty – sich des Themas angenommen. Sein Buch ist ein Appell, einen Schritt zurückzutreten und grundlegende politische Fragen neu zu stellen. Der Fokus liegt auf Großbritannien, dennoch gibt es viele verallgemeinerbare Punkte. Im Gegensatz zu Piketty diskutiert er sehr konkrete Vorschläge zur Reduktion von Ungleichheit und erweitert den Fokus von der Konzentration auf Topeinkommen auf diejenigen am unteren Ende der Verteilung. Der Aufbau ist dreigeteilt: Der Diagnoseteil zeichnet die bisherige Entwicklung der Ungleichheit nach und geht auf die Lehrmeinung bezüglich technischem Wandel und Globalisierung ein. Dann folgen 15 Reformvorschläge für die Bereiche Steuer- und Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und zur Kontrolle über Kapital sowie „erwägenswerte Ideen“. Umstrittene Vorschläge sind ein „Mindesterbe“ an alle 18-Jährigen, eine staatliche Jobgarantie für Arbeitswillige und die Schaffung eines Wirtschafts-und Sozialrats. Der dritte Teil enthält z.B. eine Machbarkeitsstudie zur (Un)Möglichkeit solcher Reformen im Zuge der Globalisierung und der Frage nach der Finanzierbarkeit. Atkinson nennt Maßnahmen, die eine Richtungs angabe für jene sein sollen, die etwas an der jetzigen Lage ändern wollen. Die Vorschläge sind so gestaltet, dass ihre Umsetzung im heutigen System möglich wäre. „Ungleichheit. Was wir dagegen tun können“ ist lesenswert, und es ist für Nicht-ÖkonomInnen verständlich, liefert sachlich fundierte Argumente und Vorschläge, die weiter reichen, als man es von Publikationen über Ungleichheit gewohnt ist, und zeigt eine große Bandbreite möglicher Forderungen zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft. Atkinson betont, dass wir für ein gutes Verständnis von Ungleichheit alle Aspekte unserer Gesellschaft untersuchen müssen. Steigende Ungleichheit ist nicht unvermeidlich, sondern kann reduziert werden. Wie weit man Vorschlägen des Autors zustimmt, bleibt jeder/jedem selbst überlassen. Auf jeden Fall bietet das Buch genügend Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. res S A Martin Ford Aufstieg der Roboter. Wie unsere Arbeitswelt gerade auf den Kopf gestellt wird – und wie wir darauf reagieren müssen. Uwe Mauch Die Armen von Wien – 13 Sozialreportagen Wien 2016, 182 Seiten, Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes w Uwe Mauch, seit 1995 Redakteur beim „Kurier“, tritt mit seinem neuesten Buch in die Fußstapfen des legendären Wiener Sozialreporters Max Winter. Max Winter (1870 – 1937) gilt als Pionier und Meister der Sozialreportage und deckte Missstände öffentlichkeitswirksam auf. Dabei verwendete er zusätzlich zu den klassischen journalis tischen Methoden sozialwissenschaftliche Ansätze wie zum Beispiel die offene oder verdeckte teilnehmende Beobachtung. Auch Uwe Mauch geht dahin, wo es „wehtut“: Selbst in einer wohlhabenden Stadt wie Wien gibt es Menschen, die manifest arm sind, nur fallen sie im Stadtbild kaum auf. Zwei Jahre lang recherchierte der Autor und lernte einige der Armen von Wien kennen: Wohnungs- und Heimatlose, kranke Menschen ohne Krankenversicherung, Einsame in elenden Unterkünften, Hungrige bei Ausspeisungen, Bettelnde auf der Straße, Obdachlose, Verschuldete, Working Poor, Langzeitarbeitslose und andere. In 13 Sozialreportagen versucht er, den Ungehörten eine Stimme zu geben, die Unsichtbaren in unser Bewusstsein zu rücken. Er schaut genau hin, berichtet, interviewt und nimmt kurz am Leben der Betroffenen teil. Berührend, aber gleichzeitig doch zumeist sachlich schildert er Leidenswege, beschreibt Umstände und Probleme, immer auf Augenhöhe mit den Menschen, denen er begegnet. Und da geht es auch um Kinder, deren Kindheit niemals sorglos war, um SchülerInnen, die hungrig in die Schule kommen und im Krankheitsfall nicht nach Hause geschickt werden wollen, weil dort das Bett vom großen Bruder, der Nachtschicht arbeitet, besetzt ist. Um Langzeitarbeitslose, die entmutigt und entkräftet sind und Mauch zu einem Vergleich mit der berühmten Marienthal-Studie anregen. Abgerundet wird das Bild durch ein Interview mit Sozialforscher Martin Schenk, das noch einmal die Phänomene Armut und Ausgrenzung thematisiert. Eine Daten- und Faktensammlung ergänzt mit Zahlen zum Thema – wussten Sie beispielsweise, dass der Gesundheitsstatus jener 405.000 Menschen, die in Österreich manifest arm sind, dreimal so schlecht ist, wie der Status der restlichen Bevölkerung? Übrigens: Vom Kaufpreis jedes Exemplars (Euro 19,90) gehen zwei Euro an AmberMed, die Armenambulanz, der auch ein Kapitel gewidmet ist. Kulmbach 2016, 365 Seiten, Plassen Verlag w MArtin Ford WIN NER Seit Jahrhunderten wird die ökonomische Entwicklung angetrieben vom technischen Fortschritt. Abgesehen von Übergangsphasen mit kurzer Arbeitslosigkeit, die jedoch „nie systemisch oder dauerhaft“ waren, entstanden in Folge neue Arbeitsplätze mit besseren Jobs, höherer Produktivität, besseren Gehältern und letztlich höherem gesellschaftlichem Wohlstand. Allerdings, so Martin Ford: „Die symbiotische Beziehung zwischen verbesserter Produktivität und steigenden Gehältern zerfällt seit den 1970er-Jahren.“ Ursache dafür sei die „grundlegende Veränderung im Verhältnis von Mensch und Maschine“, angetrieben „von der nicht erlahmenden Innovation im Bereich der Computertechnologie“. Der Faszination für neue technische Möglichkeiten stehen die real beobachtbaren und erwarteten Auswirkungen für die Wertigkeit und Verwertbarkeit der Arbeitskraft samt Konsequenzen für den Arbeitsmarkt sowie die daran anknüpfenden Systeme der sozialen Sicherung gegenüber. Zentrale Frage ist demnach, ob der technische Fortschritt in Gestalt „disruptiver Technologien“ zu einer grundlegenden Gefährdung des gewachsenen gesellschaftlichen und ökonomischen Systems führt? Wird „eine grundlegende Neuordnung nötig“, um den – westlichen – Wohlstand zu erhalten? Martin Fords Prognosen für so gut wie alle Wirtschaftssektoren sind düster, und er untermauert sie mit vielen konkreten Beispielen, vor allem aus den USA. Dass nicht nur niedrig qualifizierte Jobs mit viel Routinetätigkeit massiv betroffen sind, wird anhand des Hochschul- und des Gesundheitswesens aufgezeigt. Aber was wird aus unserem Gemeinwesen, wenn die alles durchdringende Automatisierung in vorhergesagtem Ausmaß stattfindet? Maschinen sind schließlich keine KonsumentInnen, die Produkte und Dienstleistungen kaufen. Wer ersetzt die stockende Nachfrage an Produkten und Dienstleistungen? Wenn die Ungleichheit größer wird, die Mittelschicht schrumpft, die Gruppe der Prekarisierten massiv wächst, bleiben nur noch die Wohlhabenden, die sich Konsum jenseits der nackten Existenzsicherung leisten können. In den USA entfallen heute schon fast 40 Prozent der Konsumausgaben auf 5 Prozent der Haushalte. Prognose für die weitere Entwicklung: düster. Gleichwohl zeigt Ford Lösungsansätze auf wie z.B. ein bedingungsloses Grundeinkommen, dessen Einführung er aber für unrealistisch erachtet. Zu guter Letzt bleibt auch etwas an Optimismus über, der aber nur dann berechtigt sei, wenn die technologischen Innovationen als Lösung des Problems genützt und auch mit den Folgen des Klimawandels verknüpft werden. Es ist ein sehr lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt. Aufstieg der roboter Wie unsere Arbe itswelt gerade auf den Kopf geste llt wird – und wie wir darauf reag ieren müssen PLASSE VERLAG N res S A I D a rbeitsma r ktpolitik a ktiv 13 dse aktiv AMS WIEN STELLT VOR: Back to the Future – Stufen in die Zukunft Ein neuer Sozialökonomischer Betrieb bietet BMS-beziehenden Jugendlichen niederschwellige Tätigkeiten in einem motivierenden Stufenmodell. w Im Dezember startet ein neues Sozialökonomisches Projekt für junge, arbeitsfähige Bezieherinnen und Bezieher der Mindestsicherung: Back to the Future. Den 18- bis 24-Jährigen werden einfache handwerkliche Tätigkeiten unter der Anleitung qualifizierter Fachkräfte angeboten – wobei die Arbeiten sehr unterschiedlich sind, sowohl in der Schwierigkeit als auch in den Berufsfeldern, denen sie zuzuordnen sind. Das steigert die Chance, im Anschluss an das Projekt auch wirklich vermittelbar zu sein. Stufen zum Erfolg Der Einstieg ins Erwerbsleben erfolgt über mehrere Stufen, wobei in der ersten Phase das Stundenausmaß so gewählt ist, dass das Nettoentgelt nur knapp über der Mindest sicherung liegt. Wer „aufsteigen“ will, muss sich bewähren: Für den Wechsel in die nächsthöhere Stufe werden transparente und nachvollziehbare Kriterien definiert, die im Rahmen von Feedback-Gesprächen evaluiert werden. Mit den Stufen steigt nicht nur die Entlohnung, auch die Tätigkeiten werden interessanter und anspruchsvoller. Natürlich: Absteigen kann man auch – allerdings nur im beiderseitigen Einvernehmen und dann, wenn die Leistung nicht ausreicht. Kontinuierliche Begleitung Das Programm soll die Jugendlichen nicht nur an die Fertigkeiten, sondern auch an Arbeitstugenden heranführen, die das Erwerbsleben erfordert. Im Rahmen einer sozialpädagogischen Betreuung wird natürlich eine umfassende Unterstützung angeboten, darüber hinaus aber natürlich auch die Bewerbungssituation trainiert und auch Ausbildungen angeboten. Der Fokus der begleitenden Betreuung liegt auf der Vermeidung von Abbrüchen und, wo das gebraucht wird, auch auf der Einrichtung eines unterstützenden Netzwerks. Über den Zeitraum von höchstens zwei Jahren werden die Jugendlichen also intensiv und kontinuierlich begleitet. Das muss auch sein, denn die arbeitsmarktpolitische Erfolgsvorgabe ist hoch: Drei Monate nach dem Austritt aus dem Projekt soll zumindest einer von vier Jugendlichen in einer Beschäftigung sein, die weder geringfügig noch sozialökonomisch ist. Back to the Future wird vom Europäischen Sozialfonds (vertreten durch den waff), vom AMS Wien und von der MA 40 finanziert. AMS/Das Medienstudio Völlig neues Programm „Sozialökonomische Unternehmen sind ein wichtiges Instrument, wenn es darum geht, jene Menschen wieder an die Arbeit heranzuführen, die lange keine hatten“, sagt AMSWien-Chefin Petra Draxl. Allerdings müsse das Angebot ständig weiterentwickelt werden, weil sich auch die Erfordernisse des Arbeitsmarkts ständig ändern. „Mit Back to the Future haben wir ein völlig neues Programm für diese Zielgruppe – junge Menschen, die davor weder durch Weiterbildung noch durch Vermittlung eine realistische Chance auf Beschäftigung hatten.“ Die Bandbreite der Tätigkeiten, die bei Back to the Future angeboten werden, reicht von der Industrieproduktion bis zur Gartenpflege, von der Autoaufbereitung bis zur Lebensmittelveredelung. „Unser Ziel ist der Erwerb von Arbeits erfahrungen und Fertigkeiten für diese junge Zielgruppe und vor allem natürlich ein dauerhafter Job auf dem ersten Arbeitsmarkt.“ Zielgruppe sind junge Menschen, die davor weder durch Weiterbildung noch durch Vermittlung eine realistische Chance auf Beschäftigung hatten. 14 ar b e i ts ma r k tp ol i t ik akti v dse aktiv GASTBEITRAG WAFF 50 Millionen Euro ESF-Mittel für den Wiener Arbeitsmarkt bis 2020 „Armutsbekämpfung und soziale Inklusion“ – das ist der Schwerpunkt der laufenden Strukturfondsperiode des Europäischen Sozialfonds. StartWien – Das Jugendcollege Das Projekt StartWien-Jugendcollege ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Mittel des Europäischen Sozialfonds sinnvoll eingesetzt werden können, nämlich als „gewinnbringende" Investition in die Zukunft junger Menschen. Das Jugendcollege bietet 1.000 Kursplätze für jugendliche ZuwanderInnen, vorwiegend AsylwerberInnen und -berechtigte, die nicht mehr schulpflichtig sind. Ziel ist es, die Jugendlichen zwischen 15 und 21 Jahren in einem Votava w Für Wien bedeutet das: Bis 2020 können 52 Mio. Euro aus dem ESFTopf für Arbeitsmarktprojekte in diesem Schwerpunkt eingesetzt werden. Inklusive der nationalen Kofinanzierung stehen damit 104 Mio. für den Wiener Arbeitsmarkt zur Verfügung. Zugutekommen wird das BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, Jugendlichen und MigrantInnen. Als „zwischengeschaltete“ Stelle organisiert der waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds) den Einsatz der ESF-Mittel für wichtige Arbeitsmarktprojekte und ist für die Umsetzung der ESF-Programme in Wien verantwortlich. Der waff hat darauf gedrängt, mit der Umsetzung von ESFMaßnahmen raschest möglich zu beginnen. So konnten noch im Vorjahr die Umsetzung von Beratungs- und Betreuungseinrichtungen sowie die Realisierung von Deutschkursen starten. Insgesamt sind bis dato über 30.000 Menschen in Maßnahmen eingestiegen. Neben den soziapolitisch wichtigen Aspekten im Sinne der „Herstellung von Chancengerechtigkeit“ trägt die Tatsache, dass ESF-Mittel zur gezielten Unterstützung von ausgrenzungsgefährdeten WienerInnen eingesetzt werden können, auch dazu bei, den Haushalt der Gemeinde Wien zu entlasten. Die neun Trägerorganisationen des Jugendcolleges bieten 1.000 Kursplätze für jugendliche ZuwanderInnen zwischen 15 und 21 Jahren. modularen System fit für den Einstieg in eine weiterführende Schule oder berufliche Ausbildung zu machen. Dafür werden jährlich sechs Millionen Euro eingesetzt. Eine Hälfte wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF), die andere Hälfte aus Mitteln der Abteilung für Integration und Diversität MA 17, des AMS Wien und des FSW Wien finanziert. „Back to the Future – Wiener Jugendunterstützung“ Ein weiteres beispielhaftes Projekt ist „Back to the future – Wiener Jugendunterstützung“ (siehe auch Bericht auf Seite 14). Zielgruppe sind beim AMS Wien vorgemerkte junge BMS-BezieherInnen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, die bisher weder durch Weiterbildung oder Qualifizierung noch durch Arbeitsvermittlung eine realistische Chance auf Beschäftigung hatten. Mit dem Projekt werden in einem ersten Schritt für 200 junge BMS-BezieherInnen Ausbildungsund Beschäftigungsangebote geschaffen. Intensive Betreuung und Angebote zur Ausbildung und Erwerbsorientierung sollen diesen jungen Erwachsenen dabei helfen, ein selbstständiges Leben ohne Mindestsiche- rung führen zu können. Das Gesamtvolumen beträgt für ein Jahr 5 Mio. Euro, getragen werden die Kosten durch den ESF, AMS Wien und Stadt Wien. Der waff setzt aber auch ganz bewusst für eigene Projekte im Rahmen des Qualifikationsplans Wien 2020 ESF-Mittel ein. Die Zielsetzung: WienerInnen mit maximal Pflichtschulabschluss zu einer besseren Ausbildung zu verhelfen. Konkret sind das der ChancenScheck (bis zu 3.000 Euro für Beschäftigte mit höchstens Pflichtschulabschluss zur Höherqualifizierung bis hin zum Lehrabschluss; sowie Informationsveranstaltungen und Vernetzungsarbeit, um Personen mit maximal Pflichtschulabschluss für das Thema der Höherqualifizierung zu sensibilisieren. Passende und ausreichende Unterstützungs angebote, die gerade auch Qualifizierungsmöglichkeiten mit einschließen, sind ein wesentlicher Beitrag zu einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt und damit zur Armutsbekämpfung. Oder, wie es Tanja Wehsely, die stv. waff-Vorstandsvorsitzende, anlässlich der DSE-Jobmesse im Rathaus formulierte: „In einer solidarischen Gesellschaft geht es darum, Möglichkeiten für ALLE zu erschließen.“ a rbeitsma r ktpolitik a ktiv 15 vorschau D.R.Z Der DSE-Wien blickt nach vorn statt zurück. Das steht in den nächsten Monaten auf dem Programm: ART VENT KARLSPLATZ/WEIHNACHTSDORF ALTES AKH Trendige Designgeschenke aus Elektroschrott Filmladen w DIVERSE KINOS Ich, Daniel Blake w Der verwitwete Tischler Daniel Blake ist schwer herzkrank und darf laut seinem Arzt nicht arbeiten gehen. Sein Antrag auf Sozialhilfe wird aber abgelehnt. Um die Arbeitslose zu bekommen, müsste er nachweisen, dass er Arbeit sucht – was er gesundheitlich nicht dürfte … Im Spießrutenlauf durch den Behördendschungel lernt er die Alleinerzieherin Katie kennen. Gemeinsam versuchen sie, der bitteren Armut zu entkommen. Filmemacherlegende Ken Loach bekam für sein engagiertes So zialdrama heuer die Goldene Palme in Cannes. Der Film läuft ab 25.11.2016 in folgenden Kinos: Burg, Artis, Votiv, De France, Cine, Urania, Village W3, Apollo, UCI Millennium w w DS Wie jedes Jahr gibt es auch heuer wieder den Volkshilfe-Punschstand vor dem Millenniumstower (U6 Station Handelskai). Hier kann man Gutes genießen und Gutes tun – jeweils dienstags schenken Prominente wie z.B. die inungsR AMS-Wien-GFs Petra Draxl und Winfried e M A / Göschl (6.12.2016 ab 16.30 Uhr) heißen / U E r e d t Punsch aus. Ihre Sich ! g ti h ic Geöffnet bis 23. Dezember 2016, uns w Dinge ist wir uns über Ihre n Montag bis Samstag 15 bis 20 Uhr e u e n räge Daher fr nseren Beit u zu re ta n ! hemen Komme griffenen T r und aufge gungen pe re n A uns Ihre ie , S n n ie e d -W n E S Se E-Mail an D 0 Wien. Post oder -102 A , 8 /1 4 2 e Taborstraß -wien.at office@dse Zweiter Arbeitsmarkt stark und vielfältig – so nennt sich die von DSE-Wien und arbeit plus veranstaltete Tagung der Fach-Schlüsselarbeitskräfte der Sozialen Unternehmen 2017. Am Donnerstagnachmittag (19.1.) wird zum Thema Vielfalt ein Blick über den Tellerrand in andere (Arbeits-)Kulturen und Lebenswege geworfen, der Freitagvormittag steht ganz im Zeichen der Stärkung der TeilnehmerInnen. Infos zu den Restplätzen bzw. Anmeldung unter http://arbeitplus.at/tagung-2017/ impr e s s u m Medieninhaber und Herausgeber: DSE-Wien Taborstraße 24/18, A-1020 Wien T 01/720-38-80, F DW 20, [email protected], www.dse-wien.at, ZVR 220045008 Redaktion: Ruth Kreuz, Christoph Parak, Magdalena Reinberg-Leibel, Eva Schober Grafisches Konzept: Anita Frühwirth/www.effundwe.at Druck: Donau Forum Druck Ges.m.b.H. V ersand: fix und fertig. Die Mitgliedsorganisationen des DSE-Wien werden von folgenden Einrichtungen gefördert: 16 ar b e i ts ma r k tp ol i t ik akti v Volkshilfe Wien mit Baklava“ Punschen für den guten Zweck … 19. und 20.1.2017: „Melange MILLENNIUMSTOWER VOLKSHILFE PUNSCHSTAND M URANIA Upcycling, also aus alt und wertlos mach neu und hochwertig, schont nicht nur Umwelt und Ressourcen, sondern bringt auch wunderschöne Geschenkideen hervor: Das beweist die TrashDesignManufaktur mit attraktiven Schmuckstücken, individuellen DekoObjekten sowie kreativen Accessoires aus Elektroschrott-Teilen – zu kaufen zum Beispiel bei: ART ADVENT 2016 am Karlsplatz: bis 23.12.2016 täglich von 12 bis 20 Uhr; Weihnachtsdorf Altes AKH: bis 23.12.2016, Mo–Sa 14 bis 22 Uhr, So, feiertags 11 bis 22 Uhr
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