Exposee zum X-Gespräch Wintersemester 2015/2016 Roman Elenbogen Über das Roboterleiden Das Schmerzempfinden und generell die Fähigkeit zu leiden sind Eigenschaften, die üblicherweise biologischen Wesen zugeschrieben werden. Insofern erscheint die Frage, ob ein Roboter leiden kann deplatziert. Schließlich stellt man sich einen „Roboter“ als eine Maschine aus Metall und Kunststoff vor, gelenkt von elektronischen Schaltkreisen und Mikrochips. In einer solchen Maschine gäbe es keinen Platz für physische Schmerzen, denn Metall kann nicht leiden, und auch nach seelischem Leiden sucht man in Mikrochips und Schaltkreisen vergeblich. Doch dieser Zustand könnte sich rasch ändern. Bedingt durch den technologischen Fortschritt könnte in einer absehbaren Zeit von einigen Dekaden eine AI gebaut werden, die in ihrer geistigen Kapazität dem Menschen mindestens ebenbürtig wäre. Eine solche AI wäre durchaus in der Lage psychisch zu leiden, ähnlich wie Menschen leiden können ohne physische Schmerzen zu haben. Aber auch die Möglichkeit physisch zu leiden kann man bei einem Roboter nicht ausschließen. Wie das Phänomen der Phantomschmerzen zeigt, lässt sich von der Abwesenheit bestimmter Organe bzw. Körperteile nicht auf die Abwesenheit von entsprechenden Schmerzen schließen. Ganz allgemein ausgedrückt ist die Abwesenheit von Schmerzrezeptoren in der Peripherie kein Zeichen dafür, dass ein Wesen keine Schmerzen empfinden kann, solange sein zentrales Nervensystem (d.i. sein Gehirn bzw. das künstliche Pendant bei einer AI) für Schmerzen empfänglich ist. Die Frage nach Roboterleiden lässt sich nicht ohne weiteres empirisch untersuchen. Zum einen sind solche Maschinen noch nicht vorhanden, zum anderen ist es auch heute noch bei vielen Tierarten – vor allem bei denen, deren Physiologie sich stark von der menschlichen unterscheidet – nicht eindeutig geklärt, ob sie leidensfähig sind oder nicht. Die Untersuchung der Leidensfähigkeit eines Roboters, der nicht mal organisch ist, würde dieses Problem auf eine völlig neue Stufe heben. Die Philosophen haben die Roboterleidenproblematik stets mit der Frage nach der Möglichkeit der Existenz eines (phänomenalen) Maschinenbewusstseins verbunden. Falls es ein solches Bewusstsein geben könnte, wäre es auch leidensfähig, falls nicht, dann eben nicht. Dadurch wurde die Frage nach Roboterleiden aber nur unnötig verkompliziert: das Problem des Maschinenbewusstseins erwies sich als sehr hartnäckig und hat in den letzten 50 Jahren sehr viel Literatur produziert, ohne allerdings ein eindeutiges „Ja“ oder „Nein“. Dadurch ließ sich auch die Frage nach Roboterleiden nicht eindeutig beantworten. Aus diesem Grund will ich mich der Problematik genau aus der entgegengesetzten Richtung annähern und zwar vom Wesen des Leidens ausgehend, auf die mögliche Leidensfähigkeit einer AI bzw. eines Roboters schließen. Dabei stütze ich mich primär auf die Erkenntnisse der Evolutionstheorie, die das theoretische Grundgerüst meiner Untersuchungsmethode bildet.
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