Architektur der Moderne in Sarajevo Die Brüder Kadic gelten als Pioniere. Nach ihren Studien an der Technischen Hochschule Prag wurden sie Ende der 1930er Jahre in Sarajevo selbstständig tätig. An ihrem Werk beeindruckt, wie scheinbar unbeirrt sie den Prinzipien des International Style sowohl vor dem Zweiten Weltkrieg, als auch währenddessen und danach folgten. So kam später auch der Einfluss des Sozialistischen Realismus bei ihren Bauten kaum zu Geltung. Legendär - und im Fotoessay von Anida Kreco aus dem Jahr 2013 festgehalten - ist ihr Rentenversicherungsgebäude an einer Kreuzung in der Stadtmitte von 19401943 sowie die Wohnsiedlung Dzidzikovac. Diese sieht aus, als ob sie vor dem Krieg gebaut ← 1: Revolutionsmuseum, 1959, Architekt Juraj Neidhardt Nedzla Potogija Anida Kreco Text Bilder wurde, stammt aber von 1947. In der Zeilenhaussiedlung findet man viele der als fortschrittlich geltenden Elemente des modernen Siedlungsbaus: ausgeklügelte, rational gestaltete Grundrisse mit optimierten Lichtverhältnissen, vielfältige Freiraumbezüge durch teils üppige Balkone und großzügige Grüngestaltungen zwischen der Bebauung. Noch enger mit Sarajevo verbunden ist Juraj Neidhardt. Gebürtig aus Zagreb, studierte er bis 1924 bei Peter Behrens an der Akademie der bildenden Künste Wien und arbeitete zwischen 1930 bis 1932 in dessen Berliner Atelier. 1933 bis 1935 war er Mitarbeiter von Le Corbusier in Paris. Ab 1938 lebte er in Sarajevo, wo er 1953 Professor an der Fakultät für Architektur und Städtebau der Universität wurde. Er selbst sagte, in Sarajevo hätte er genug Nahrung für seine Seele gefunden. Zweiundvierzig Jahre seines Lebens widmete er der Stadt. Drei seiner Projekte sind im Fotoessay dokumentiert: die Wohnsiedlung Alipasina von 1958, deren Hauszeilen geradezu kühn als Gegenhang-Bebauung angeordnet sind. Die betonte Modernität stützt sich gewissermaßen auf einen traditionellen Sockel aus dem rustikalen bosnischen Naturstein. Auch beim Institut für Philosophie der Universität (1959/60), das in vielerlei Hinsicht Le Corbusiers gestalterischen und funktionalen Konzepten folgt, integrierte Neidhardt mit Fassadenpartien aus diesem Material eine lokalspezifische Note. Sein vielleicht bekanntestes Werk ist der Parlamentskomplex der Föderation, Planungsbeginn 1956, gebaut von 1974 bis 1980 - eine Architektur Parlante der einstigen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina. Die drei vorgestellten Architekten und andere „Meister der Moderne“ haben mit ihren Bauten zu einem Innenstadtbild Sarajevos beigetragen, das eben nicht nur von der oft betonten glanzvollen österreich-ungarischen Epoche getragen wird, sondern ein Mosaik bildet, zu dem die Spielarten der Moderne bis hin zum East Modernism wichtige Teile beitrugen. 25 24 "Hier trifft Ost auf West" Um die architektonische Moderne in Sarajevo verstehen zu können, muss man zu ihren Wurzeln und in die wechselvolle Geschichte der ganzen Region vordringen. Die ältere Kultur Bosnien-Herzegowinas entstand als Synthese aus altrömischen, byzantinischen, slawischen und starken osmanischen Einflüssen. Dabei verflochten sich die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Gegensätze von Ost und West. Dieses Zusammenfließen ist auch an der Architektur der Stadt Sarajevo zu erkennen, deren jüngere Geschichte von der Zugehörigkeit zu den Königreichen Österreich-Ungarn (seit 1878) und Jugoslawien (1918-1945) sowie zum sozialistischen Jugoslawien geprägt ist. Im Spektrum der historistischen Stil-Spielarten dominierte in Sarajevo um 1900 der traditionell verankerte maurische Baustil, während im zentralen Belgrad vor allem der Neobyzantinismus Spuren im Stadtbild hinterließ. Erst seit den späten 1920er Jahren sorgten Einheimische, die nach dem Ersten Weltkrieg im westlichen Ausland studierten und in die Stadt zurückkehrten, für frischen Wind. Aus Prag, Wien und Paris brachten sie die Einflüsse des Neoplastizismus, des Kubismus, des Bauhauses und des CIAM mit nach Sarajevo - architektonische Impulse, von denen die Stadt noch heute stark geprägt ist. Dafür stehen - um nur drei Architektenpersönlichkeiten hervorzuheben - Juraj Neidhardt sowie Reuf und Muhamed Kadic. Nedzla Potogija / Anida Kreco 26 27 Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften ↑→ 2: Volksbank, 1929, Architekt Vladimir Zagorodnjik Architektur der Moderne in Sarajevo 29 28 ←→ 3: Wohnhaus 1938, Architekten Jahiel Vinci und Leon Kabilja Nedzla Potogija / Anida Kreco 30 31 Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften ↑→ 4: Rentenversicherung, 1940, Architekten Muhamed und Reuf Kadić Nedzla Potogija / Anida Kreco 32 33 Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften ↑→ 5: Wohnsiedlung Džidžikovac, 1947, Architekten Muhamed und Reuf Kadić Nedzla Potogija / Anida Kreco Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften 35 34 ↓→ 6: Amt für Hygiene, 1952, Architekt Tihomir Ivanović 37 Architektur der Moderne in Sarajevo 36 Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften ←↑ 7: Geschäftshaus Šipad, 1956, Architekt Tihomir Ivanović 39 Architektur der Moderne in Sarajevo 38 Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften ←↑ 8: Wohnsiedlung Alipašina, 1958, Architekt Juraj Neidhardt Nedzla Potogija / Anida Kreco 40 41 Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften ↑→ 9: Universität, Institut für Philosophie, 1959, Architekt Juraj Neidhardt Max Mustermann Neue Ideen fuer Thueringens Kulturlandschaften 43 42 → 10: Parlament der Föderation BosnienHerzegowina, 1974–1980, Architekt Juraj Neidhardt
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