Programmhefteinleger mit Libretto

Fotos: [M] Fotolia; David Wassermann/­brandXpictures (Umschlag); Valry Joncheray
05.12.2016
IL VERBO IN CARNE
libretto
SAISON 2016/2017 Abonnementkonzert 3
BESETZUNGSÄNDERUNG
Riccardo Minasi wird anstelle von Stefano Barneschi
die Leitung des heutigen Konzerts übernehmen.
RICCARDO MINASI
Violine und Leitung
Der Dirigent und Geiger Riccardo Minasi wurde
1978 in Rom geboren. Ersten Musikunterricht erhielt er von seiner Mutter, er studierte moderne
Violine bei Paolo Centurioni und Alfredo Fiorentini. Danach wandte Minasi sich der Barockvioline
und dem entsprechenden Repertoire zu, seine
Lehrer in diesem Bereich waren Enrico Parizzi
und Luigi Mangiocavallo.
Als Mitbegründer und Leiter des Ensembles
Pomo d’Oro von 2012 bis 2015 ist Minasi regelmäßiger Gast bei den wichtigsten Konzertund Opernveranstaltern der Welt. Jüngste Engagements beinhalten das neue Ballett von
Christian Spuck „Der Sandmann“ mit der Musik
von Schnittke und Schumann wie auch Mozarts
„Don Giovanni“ und „Il Matrimonio Segreto“
am Opernhaus Zürich, „Iphigénie en Tauride“ an
der Hamburger Staatsoper, „Carmen“ an der
Opera national de Lyon und „Ronaldo“ am Theater an der Wien. Minasi leitete u. a. das Orchester
und den Chor der Opéra National de Lyon,
Kammerakademie Potsdam, Zürich Kammerorchester, Philarmonia Zürich, Balthasar Neumann
Ensemble, Ensemble Resonanz, The European
Union Baroque Orchestra (EUBO), Orquesta
Barroca de Sevilla, Casa da Música Porto, Il
Complesso Barocco, Holland Baroque Society
und das Helsinki Baroque Orchestra, dessen
erster Gastdirigent er von 2008 bis 2011 war.
Nagano beim Knowlton Belcanto Festival (Canada). Er wirkte außerdem mit beim Concerto
Vocale, Ensemble 415 und trat mit Künstlern wie
Joyce Di Donato, Albrecht Mayer, Reinhard Goebel, Nils Mönkemeyer, Katia und Marielle Labèque,
Cecilia Bartoli, Viktoria Mullova, Edgar Moreau,
Gautier Capuçon und Christophe Coin auf.
Als Solist und Konzertmeister arbeitete Minasi
mit Le Concert des Nations von Jordi Savall,
Accademia Bizantina, Concerto Italiano, Il Giar­
dino Armonico, Al Ayre Español, Orchestra
dell’Accademia Nazionale di S. Cecilia, Orquesta
Sinfónica de Madrid und auf Einladung von Kent
leitung | 03
IL VERBO IN CARNE |
DAS FLEISCH GEWORDENE WORT
INTRODUZIONE
einleitung
1. Sinfonia
1. Sinfonia
Libretto von Giovanni Giuseppe Giron
Musik von Nicola Antonio Porpora
2. Aria
2. Arie
UMANITÀ :
Distillatevi, o cieli, in rugiada
ed il giusto dall’alto a noi cada
in sembianza di tenero amor.
Omai s’apra la terra feconda,
e germogli di Giuda alla sponda
chi dell’uomo debelli l’error
Distillatevi etc.
MENSCHHEIT: Tauet, oh Himmel,
und aus der Höhe komme der Gerechte
zu uns herab als Abbild zärtlicher Liebe.
Es öffne sich die fruchtbare Erde,
und in Juda sprieße jener hervor,
der den Fehler des Menschen bezwingt.
Tauet …
3. Recitativo accompagnato
Lungi fissando i sguardi
venir di Dio la gran potenza io veggio:
è una nube coprir la terra intera.
Ah! il dì funesto pera,
in cui sulle pupille
venne dell’uomo a trionfare il pianto.
E tu perdona intanto,
per quel della tua mente eterno parto,
per quel di genitore amato nome,
che sol nella Giudea noto risuona,
pietoso padre, a’ figli tuoi perdona.
Deh! manda a noi l’Agnello, il di cui sangue
terga l’umane colpe.
Assai si diè a sospiri,
alle lagrime assai.
Egli disciolga i prigionieri ormai,
che siedono nell’ombra della morte,
egli disserri a noi del ciel le porte.
3. Recitativo accompagnato
Meinen Blick in die Ferne richtend,
sehe ich die große Macht Gottes sich nähern:
es ist eine Wolke, die die ganze Welt bedeckt.
Ah! Vergehen soll der unheilvolle Tag,
an dem das Weinen
über die Augen des Menschen triumphiert hat.
Und Du verzeihe indessen
kraft jener ewigen Zeugung deines Geistes,
kraft jenes geliebten Namens des Vaters,
der nur in Judäa bekannt klingt;
mitleidiger Vater, verzeihe Deinen Kindern.
Ach! Sende uns das Lamm, dessen Blut
die Sünden der Menschen reinwäscht.
Genug haben sie geseufzt,
zuviele Tränen vergossen.
Nun erlöse das Lamm die Gefangenen,
die im Schatten des Todes sitzen;
möge es uns die Tore des Himmels öffnen.
4. Aria
Come da verno algente
nasce ridente aprile,
che il colombin richiama
i dolci affetti suoi,
e torna al prato il fior.
4. Arie
Wie nach dem eisigen Winter
der lächelnde April erscheint,
wenn der Täuberich seine
süßen Weisen wieder erklingen lässt
und die Wiese neu erblüht,
Erstaufführung: Neapel 1747
Personen
GIUSTIZIA / GERECHTIGKEIT Sopran
UMANITÀ / MENSCHHEIT Sopran
PACE / FRIEDE alt
VERITÀ / WAHRHEIT tenor
CHOR
Einleitung
Erster Teil (Dauer ca. 70 Minuten)
Pause
Zweiter Teil (Dauer ca. 60 Minuten)
04 | Programmabfolge
Text | 05
Così da un pianto vile
nasca il contento a noi,
rinovi il cor la brama,
torni la pace al cor
Come da etc.
so soll aus unserem feigen Weinen
unser Glück hervorgehen,
im Herzen soll sich die Sehnsucht erneuern,
friede kehre ein in die Herzen.
Wie nach ...
PARTE PRIMA
ERSTER TEIL
6. Recitativo
PACE: Qui dal regno del tuono, e del baleno
volgiamo i primi neghittosi sguardi
sul contumace abbandonato mondo,
e si discenda poi.
GIUSTIZIA : Più mi confondo
nel riveder quelle riviere ingrate,
donde bambina ancora ebbi l’esiglio.
Se là rivolgo il ciglio
veggio ne’ lidi eoi
di quella regia i fortunati avanzi,
ove il polve animò l’Alto Motore,
ove cadde il prim’uomo, ove il lasciai
in preda a’ suoi deliri, e qua volai.
6. Rezitativ
FRIEDE: Von hier aus, dem Reich des Donners und
des Blitzes, richten wir unsere ersten widerwil­
ligen Blicke auf die trotzige, verlassene Welt,
und dann wollen wir hinunter gehen.
GERECHTIGKEIT: Immer verwirrter werde ich,
wenn ich jene undankbaren Gestade sehe,
an denen ich als Kind noch Zuflucht fand.
Wenn ich mein Auge dorthin wende, sehe ich an
den östlichen Stränden die glücklichen Reste
jenes Reiches, wo der Hohe Beweger dem Staub
Leben einhauchte, wo der erste Mensch fiel,
wo ich ihn seinem Wahn überließ und hierher
flog.
PACE: Tra quelle piante, onde a bagnar
l’Egitto spumoso nasce il coronato Nilo,
misero mi perdé, stendendo appena
ambizioso, e insano
all’albero fatal l’incauta mano.
Mille d’allora, e mille
nacquer, lasciando quel mortal confine,
nella reggia del cor guerre intestine.
Sotto larvato aspetto
surser sull’alma a dominar le cure:
in varie guise il mascherato affetto
distese in quella l’usurpato impero.
D’allora l’astio altero,
il pallido timor, l’ira crudele,
l’atro livore, il baldanzoso orgoglio,
e l’empia turba delle prime ignote
tiranne passioni,
FRIEDE:
06 | Text
Unter jenen Bäumen, wo schäumend der
gekrönte Nil entspringt, um Ägypten zu benetzen,
hat der Elende mich verloren, indem er
ehrgeizig und töricht die unvorsichtige Hand
nach dem Schicksalsbaum ausstreckte.
Nachdem jene tödliche Grenze zurückgelassen war,
entstanden Tausende und Abertausende von
inneren Kämpfen im Herzen.
Unter verschleierter Gestalt entstand in der Seele
das Bedürfnis zu herrschen: In verschiedenen
Formen vergrößerte der maskierte Affekt in ihr
sein unrechtmäßig erworbenes Reich.
Von da an haben hochmütiger Neid,
blasse Furcht, grausamer Zorn,
schwarze Missgunst, anmaßender Stolz
und die üble Schar der ersten unbekannten
tyrannischen Leidenschaften, die der bereits ver­
che v’introdusse il già corrotto senso,
turbar nell’uomo follemente indegno
della natia concordia il dolce regno.
dorbene Geist eingeführt hatte, im töricht unwür­
digen Menschen die süße Herrschaft der ur­
sprünglichen Einigkeit gestört.
7. Aria
Perché sì breve allora
dell’infelice giorno
fu la ridente aurora?
Perché nascendo appena
dovei la patria arena,
misera, abbandonar.
Non vidi mai sì presta
sorgere in mar tempesta,
non vidi mai d’intorno
sì breve calma in mar.
Perché sì etc.
7. Arie
Warum war damals
die lächelnde Morgenröte
des unglücklichen Tages so kurz?
Warum musste ich Elender,
kaum geboren,
den heimischen Strand verlassen?
Noch nie sah ich einen Sturm
so schnell aus dem Meer aufsteigen,
noch nie sah ich rundherum
eine so kurze Windstille im Meer.
Warum …
8. Recitativo
8. Rezitativ
FRIEDE: Aber wozu erwähne ich das! Ach,
Du schöne Gerechtigkeit, Du warst bei mir in
dieser grausamen Gefahr.
GERECHTIGKEIT: Und du bist mit mir geflohen,
ich erinnere mich daran. Wer konnte in den
unsinnigen Wogen gewalttätiger Gefühle der
aufgewühlten, erloschenen und unfruchtbaren
Seele die ruhige Tugend erkennen?
Wer konnte sehen wie das Recht verdreht wurde
und die Königin Vernunft in erniedrigender
Knechtschaft weinend litt? Am Ende tat es mir so­
gar Leid um den entweihten Strahl mit dem Gott
den Menschen gezeichnet hatte. Als Strafe für
den großen Fehler waren da die Ignoranz
und die Schuld, die mit bösen Schatten den Geist
versehrten. Seither ist die Wahrheit unbekannt.
Jeder wendet sich ab von jenem sanften und
liebevollen Antrieb, mit dem wir von Natur aus
vernünftig überlegen.
Zwischen den Wegen des Vergnügens schafft der
süße Schmerz, der seufzen lässt, jedem
Linderung, und er möchte Ruhe finden in jenem,
PACE: Ma che rammento! Ah! tu, Giustizia bella,
tu meco fosti al barbaro cimento.
GIUSTIZIA : E meco tu fuggisti, io me ’l rammento.
Chi mai veder potea tra flutti insani
de’ violenti affetti
l’alma agitata, spenta, ed infeconda
la tranquilla virtude?
Confuso il dritto, e in servitù meschina
languir piangendo la ragion regina?
M’increbbe alfin del profanato raggio,
che segnato sul l’uomo avea Iddio.
Del grand’error per fio
l’ignoranza, e la colpa
colle tenebre ree violar la mente.
D’allora ignoto è il vero. Ognun dissente
da quel soave, ed amoroso moto,
con cui ragiona a nostro pro natura.
Sedare ognun procura
fra le vie del piacer quel dolce affanno,
con cui sospira, e intende
a riposare in chi creollo il core:
Text | 07
der sein Herz erschaffen hat. Unter den Hüllen des
Eifers regiert der Neid, und den schwarzen Betrug
hält man für unschuldig, wenn er nur einem selber
sotto spoglie di zel regna il livore,
e innocente si stima il nero inganno,
purché a sé vantaggioso
fondi i vantaggi suoi sull’altrui danno,
e tra questo di vizi orrendo scempio
oppresso è il giusto, e trionfante è l’empio.
Queste sì dure, e luttuose, oh quanto!
vicende umane, onde languir di poi
i posteri infelici
m’indussero a lasciar quell’uom primiero,
che sin da che mirò del sol la faccia
riposò dolce cura in queste braccia.
PACE: Ma troppo al Fabbro eterno
costò quell’opra: in quel primiero istante
egli discese alla viltà di amante.
Egli di propria mano
ammassò il vile ingentilito fango:
Egli spirovvi il suo divino spirto:
Egli informò repente
il vile ingombro in anima vivente.
GIUSTIZIA : Ah! non si perda un tal lavoro:
un opra, parto
del divo amore, ah non si perda;
ed il secondo Adamo,
le tenebre, e l’error sgombri, e disperda.
GERECHTIGKEIT: Ach, ein solches Werk darf nicht
verloren gehen! Ein Werk, Zeugnis der göttlichen
Liebe, darf nicht verloren gehen.
Der zweite Adam möge Dunkelheit und Sünde
vertreiben und zerstreuen.
9. Aria
Benché sia la prole ingrata,
pure ognor la madre amante
mira in lei l’imago amata,
del suo seno il dolce pegno,
la metà del suo bel cor.
E qualor commossa a sdegno
a ferir la destra avventa,
le sue viscere rammenta
e ritorna al primo amor.
Benché sia etc.
9. Arie
Auch wenn die Nachkommenschaft undankbar ist,
sieht die liebende Mutter doch jederzeit
in ihr das geliebte Abbild,
das süße Pfand ihres Schoßes,
die Hälfte ihres schönen Herzens.
Und wenn sie, von Empörung bewegt,
die Rechte zum Schlag erhebt,
kehrt sie doch, ihres Leibes eingedenk,
zur früheren Liebe zurück.
Auch wenn …
08 | Text
nützt, auf Kosten des anderen Vorteile erzielt.
Und bei dem schrecklichen Wüten dieser Laster
wird der Gerechte unterdrückt und der Böse
triumphiert. Diese so harten und traurigen
menschlichen Zustände, unter denen von da an
die unglücklichen Nachkommen leiden, haben
mich bewogen, jenen ersten Menschen zu verlas­
sen, der seit er das Antlitz der Sonne gesehen
hatte, seine süße Sorge in diese Arme gelegt hat.
FRIEDE: Den ewigen Schöpfer hat jenes Werk
allzu viel gekostet: in jenem ersten Augenblick
stieg er herab als ein gewöhnlich Liebender.
Mit eigener Hand häufte er die veredelte Erde auf,
hauchte seinen göttlichen Atem darauf und ver­
wandelte so auf einmal die niedrige Materie in ei­
ne lebendige Seele.
10. Recitativo
10. Rezitativ
Täusche dich nicht: nun ist das Maß der
menschlichen Frivolität voll. Von Daniel wurde
dieser Tag festgelegt:
Aus der Hand von Juda wird das Zepter nicht
mehr fallen,
und die Sehnsucht nach den ewigen Hügeln wird
das törichte Streben der traurigen Menschheit
verdrängen.
PACE:
Mal non ti apponi: è giunto,
al colmo omai l’umano
libertino piacer: di Daniele
è questo il dì prefisso: dalla mano
di Giuda omai non caderà lo scettro;
e verrà a rintuzzare
dell’egra umanità le cure folli,
il desiderio dell’eterni Colli.
FRIEDE:
11. Recitativo accompagnato
11. Recitativo accompagnato
Schau jenseits des syrischen
Meeres Judäa, vom Jordan geteilt, jenes Land,
das Zierde und berühmte Pracht des Orients ist
und die Königin unter seinen Städten.
Siehe wie zwischen den blassen Olivenbäumen
murmelnd der Bach fließt: Jene Länder und jenes
auserwählte Volk werden bald den Engel des
Großen Rates von Galiläa kommen sehen, den
mächtigen Prinzen des Friedens, der vom
Okzident bis zu den Stränden der Aurora sein
Reich ausdehnen wird.
Mira più in là dal Sirio mar divisa
dal Giordan la Giudea: quella ch’è fregio,
ed inclito splendor dell’Oriente,
è la citta de’ regni suoi regina.
Mira dove ruina
tra quei pallidi ulivi
mormorando il torrente:
quelle contrade, e quell’eletta gente
vedrà non guari uscir di Galilea
l’angel del gran consiglio, il poderoso
principe della pace,
che d’Occidente ai lidi dell’aurora
stenderà i regni suoi.
GIUSTIZIA :
PACE: Non più dimora.
Vedi la nazarena avventurosa
donna fra mille, e del gran numer’una,
come prepara in quel tugurio algente
al nascente signor la rozza cuna.
GIUSTIZIA : Mira come raguna
dal vicino presepe i fuscellini,
e ne forma la culla.
PACE: Oh! quante versa
lagrime su quel fien! quanti sospiri
manda ver noi di dubbia angoscia aspersa!
GIUSTIZIA : Ah! i fulmini deponi,
gran Dio delle vendette,
e il tenero desio di quella madre,
di cui sei dolce peso, appaga omai:
scendi il mondo a salvar: s’è pianto assai.
GERECHTIGKEIT:
Säume nicht länger!
Schau die schicksalshafte Nazarenerin,
eine Frau unter Tausenden, eine unter vielen,
wie sie in jener kalten Hütte
die rohe Wiege für die Geburt des Herrn bereitet.
GERECHTIGKEIT: Siehe wie sie die Hälmchen der
nahen Krippe zusammenschiebt und eine Wiege
daraus macht.
FRIEDE: Oh, wie viele Tränen weint sie auf jenes
Heu, wieviele Seufzer schickt sie zu uns,
erfasst von zweifelnder Angst.
GERECHTIGKEIT: Ach, großer Gott der Rache,
lege Deine Blitze ab und belohne jetzt das zarte
Sehnen jener Mutter, deren süßes Gewicht Du
bist: Komm herab, die Welt zu retten,
es wurde schon genug geweint.
FRIEDE:
Text | 09
PACE: Sommo è Dio quando tuona,
ma si rende maggior quando perdona
Ist, oh Herr, nicht dies der wichtige Au­
genblick, dem die Gebärerin entgegen eilte seit
ihr Antlitz erbleicht war? Schon neun Monde hat
sie auf den gewartet, der das wilde Ungeheuer
des Styx bekämpfen und das Reich auf seinen
Schultern tragen soll.
GERECHTIGKEIT: Wenn ihr der allgemeine Friede
so sehr am Herzen liegt, wer kann dann ihren
Gebeten die Zustimmung verweigern? Wer kann
noch säumen?
FRIEDE: Groß ist Gott wenn er donnert,
aber noch größer wenn er verzeiht.
12. Aria
Pietà di quel bel cuore,
tergi l’amato ciglio;
troppo fia caro al figlio
di madre il dolce amore,
di madre il mesto pianto,
di madre il sospirar.
Della giustizia il sole
vegga la bassa molle,
dell’ombre il nero ammanto,
nascendo dissipar.
Pietà di quel etc.
12. Arie
Erbarmen mit jenem schönen Herzen!
Trockne das geliebte Auge,
denn gar lieb waren dem Sohn
die süße Liebe,
das traurige Weinen und
die Seufzer der Mutter.
Möge die niedrige Schwachheit
die Sonne der Gerechtigkeit sehen,
die in ihrem Aufgang den schwarzen
Mantel der Schatten auflöst.
Erbarmen …
PACE: Non è questo, o Signore, il primo istante,
in cui la genitrice affrettò l’ore;
in cui quel volto a impallidir apprese:
già nove lune attese
chi a debellar di Stige il mostro fiero,
sopra l’omeri suoi porti l’impero.
Che se tanto a lei cale
del riposo comun, chi può negare
l’assenso a’ voti suoi? chi può tardare?
GIUSTIZIA :
FRIEDE:
13. Recitativo
13. Rezitativ
Non più: da’ monti cadono già l’ombre:
scendiam, germana, a consolar la terra.
PACE: Ella il sen già disserra, ed indi nasce,
la Verità con quel giulivo aspetto!
GIUSTIZIA : Discendiamo, e di nuovo
con sembiante giocondo
PACE, GIUSTIZIA : la Giustizia, e la Pace accolga
il mondo.
Genug! Schon fallen von den
Bergen die Schatten, steigen wir hinab, Bruder,
die Erde zu trösten.
FRIEDE: Schon öffnet sie ihr Herz und mit
fröhlichem Ausdruck wird die Wahrheit geboren.
GERECHTIGKEIT: Steigen wir hinab, und von Neuem
empfange die Welt mit freudigem Antlitz
FRIEDE, GERECHTIGKEIT: Der Friede und die
Gerechtigkeit kommen zur Welt.
14. Coro
Dall’Austro vieni,
gran Dio de’ forti
14. Chor
CHOR : Vom Süden her komme,
Du großer Gott der Starken,
GIUSTIZIA :
CORO :
10 | Text
e i dì sereni
e i dì felici
l’oppresso mondo
goda per te.
De’ tuoi nemici
vendica i torti,
de’ figli tuoi
l’onor difendi:
dal ciel discendi
amante, e re.
und durch Dich möge
die unterdrückte Welt
heitere und glückliche Tage genießen.
15. Recitativo
VERITÀ : So che a’ mortali è il mio sembiante ignoto;
perché larvata sempre, e in vario velo
ascosa fra’ viventi ogn’ora apparvi.
In Samaria, in Giudea,
in Garra, in Menfi, e nel ferace Egitto
in più guise parlai
ne’ padri, e ne’ profeti ed animai
o dell’Adria sul più riposto seno,
o di Cuma alle sponde
coll’arcano mio dir sin le donzelle.
Ma le sembianze belle
fra gl’enigmi, e fra l’ombre ascoser sempre
il geloso splendore. È tempo ormai
ch’io ragioni nel Verbo
promesso già dal Genitore eterno.
15. Rezitativ
WAHRHEIT: Ich weiß, dass den Sterblichen mein
Anblick unbekannt ist, denn unter den Lebenden
erschien ich immer verhüllt, verborgen unter
verschiedenen Schleiern. In Samaria, Judäa, in
Garra, in Memphis und dem fruchtbaren Ägypten
sprach ich unter verschiedenen Gestalten
durch die Väter und Propheten und inspirierte
mit meiner geheimnisvollen Rede im entferntes­
ten Winkel der Adria oder an den Ufern von
Cumae sogar junge Frauen.
Aber der schöne Schein verbarg stets den eifer­
süchtig gehüteten Glanz unter Rätseln und Schat­
ten. Jetzt ist es Zeit, dass ich durch das WORT
spreche, das einstmals vom ewigen Schöpfer
versprochen wurde.
17. Aria
Della guerriera tromba,
se in campo mai rimbomba,
si vede al suono istesso
il vinto impallidire,
gioire il vincitor.
Talor la pioggia, e il tuono
quando il nocchier spaventa
appaga, ed alimenta
la speme del pastor.
Della guerriera etc.
17. Arie
Wenn die Kriegstrompete
im Feld erschallt,
sieht man bei ihrem Klang
den Besiegten erbleichen,
den Sieger sich freuen.
So erschreckt der Donner
den Schiffer, während
der Regen die Hoffnung
des Hirten erfüllt und nährt.
Wenn die …
Räche die Fehler
Deiner Feinde,
verteidige die Ehre
Deiner Kinder:
Steige vom Himmel herab
als Liebender und König.
GERECHTIGKEIT:
Text | 11
18. Recitativo
Che miro! Non son queste
la Giustizia, e la Pace?
GIUSTIZIA : Alfin, germana,
giunse il dì sospirato.
PACE: Alfin la notte
affrettata da mille voti e mille
d’Abramo e di Giacobbe
questa è pur dessa, in cui l’onnipossente
verbo di Dio dalle regali sedi
come giurò discese.
GIUSTIZIA , PACE: Più bell’opra d’amore ove
s’intese?
VERITÀ : Il vid’io, non ha guari in quello speco
gemire in rozza cuna: accorsi i primi
suoi teneri vagiti; e vidi, oh dio!
non so se oppressa dal dolore o mossa
da soave piacer la genitrice
su quelle labbra intatte
mischiar col pianto il suo verginio latte.
GIUSTIZIA : Che narri mai!
18. Rezitativ
Was sehe ich? Sind das
Friede und Gerechtigkeit?
GERECHTIGKEIT: Endlich, Geschwister,
ist der herbeigesehnte Tag da.
FRIEDE: Herbeigeführt von Tausenden von
Gebeten Abrahams und Jakobs,
ist dies endlich die Nacht,
in der das allmächtige Wort Gottes,
wie versprochen,
von seinem königlichen Sitz heruntersteigt.
GERECHTIGKEIT: Wo hat man je ein größeres Werk
der Liebe gesehen?
WAHRHEIT: Ich habe es gesehen, ein unvergleich­
liches Wimmern in jener Höhle, in rauer Wiege:
Ich hörte seine ersten zarten Klagelaute und
sah – oh Gott! – ich weiß nicht ob vom Schmerz
übermannt oder von zarter Freude bewegt, die
Gebärerin auf jenen unberührten Lippen
ihre jungfräuliche Milch mit Tränen vermischen.
GERECHTIGKEIT: Was erzählst Du?!
19. Recitativo accompagnato
19. Recitativo accompagnato
VERITÀ : Ei tutta in sé racchiude
quella che raggio è del divino volto
beltà soave e maestosa insieme:
e se il soglio non preme
su cui modera il ciel, se non ha il ciglio,
un di cui sguardo solo
fa da’ cardini suoi scuoter la terra,
se i fulmini roventi
non impugna con cui confonde gl’empi,
pur non può mai guardarsi
senz’arder, senz’amar, senza infiammarsi.
WAHRHEIT: Er schließt in sich jene sanfte
Schönheit und Majestät, die ein Widerschein des
göttlichen Antlitzes ist.
Und auch wenn er nicht auf dem Thron sitzt,
von dem aus er den Himmel regiert,
auch wenn er nicht das Auge hat, von dem ein
einziger Blick die Erde in ihren Angeln erzittern
lässt, auch wenn er keine glühenden Blitze in sei­
ner Faust hält, mit denen er die Bösen beschämt,
kann man ihn nicht betrachten ohne zu brennen,
zu lieben, sich zu entflammen.
20. Aria
Chi non s’accese mai
d’un ciglio a’ vaghi rai,
veda quel dolce amante,
e s’innamorerà.
20. Arie
Wer sich nie wegen eines Auges
und seinem schönen Strahlen entflammte,
betrachte diesen holden Liebenden
und er wird sich verlieben.
A quelle luci appresso
è nero ogni candore,
è oscuro ogni splendore,
Neben diesen Lichtern
ist alles Weiße schwarz,
ist jeder Glanz dunkel
è fosca ogni beltà.
Chi non etc.
und jede Schönheit düster.
Wer sich …
21. Recitativo
PACE: Chi può negarlo, s’egli
della bontà divina
è l’unica, l’eterna, e vera imago?
S’ei negl’angeli suoi trova i difetti
le macchie nelle stelle?
GIUSTIZIA : Se i spirti più perfetti
di mirarlo han vaghezza
per ritrar più beltà da quel bel ciglio,
se in fasce ancor delle convalli è il giglio?
21. Rezitativ
FRIEDE: Wer kann bestreiten, dass er
das einzige, ewige und wahre Abbild
der göttlichen Güte ist?
Dass er noch in seinen Engeln Fehler finde würde
und Flecken auf den Sternen?
GERECHTIGKEIT: Dass die vollkommensten Geister
Gefallen daran finden ihn zu betrachten, um von
dem lieblichen Auge noch mehr Schönheit zu
empfangen, da er – obwohl noch in Windeln – die
Lilie des Tales ist?
22. Recitativo accompagnato
VERITÀ : Al mio sorger vid’io, alme compagne,
che il re dell’ombre a palpitare apprese:
cadder le menzognere
deità profane e i prostituti templi,
e l’are incestuose alfin crollaro.
Già i mostri abbandonaro
le tripodi nefande e degli Numi
il popolo fallace:
già tace Delfo, e già Dodona tace;
e le cortine sue l’Egitto atterra;
e quell’ignoto dio che vanta Atene
noto fia ne’ confin dell’ampia terra.
22. Recitativo accompagnato
WAHRHEIT: Als ich kam, sah ich, edle Gefährten,
wie der König der Finsternis erzitterte:
es fielen die lügnerischen profanen Gottheiten
und Tempel der Freudenmädchen,
und endlich stürzten auch die inzestuösen Altäre.
Schon verließen die Ungeheuer die ruchlosen
Dreifüß und das falsche Volk der Götter:
Schon schweigt Delphi, Dodona bleibt stumm,
und Ägypten reißt seine Schleier herunter.
Der unbekannte Gott, dessen Athen sich rühmt,
soll bekannt werden bis zu den Grenzen der
weiten Erde.
23. Recitativo
GIUSTIZIA : O presagi avverati!
23. Rezitativ
GERECHTIGKEIT:
Oh, die Prophezeiungen werden
wahr!
12 | Text
O vaticini
pienamente adempiuti!
GIUSTIZIA : Il tuo lume di primo, e solo vero
lo smarrito sentiero
additerà all’ingannate genti:
PACE:
Oh, die Vorzeichen erfüllen sich ganz!
Dein ursprüngliches und einzig
wahres Licht wird den betrogenen Völkern
den verlorenen Weg zeigen:
Ein einziger Schafstall soll die verstreuten
FRIEDE:
GERECHTIGKEIT:
Text | 13
gli dispersi viventi
chiuda un ovile solo
e richiamando lor dal lungo errore
li guidi al vero fonte un sol pastore.
Lebenden umschließen und, sie zurückrufend von
langen Irrwegen, sie führen zur wahren Quelle
eines einzigen Hirten.
24. Aria
Dal seno natio
si parte quell’onda,
ch’or bagna la sponda,
or mormora in rio,
or geme tra l’erba,
ma vile, o superba
poi torna nel mar.
Così la smarrita
umana natura
al fonte sicura,
dond’ebbe la vita,
vedrassi tornar
Dal seno etc.
24. Arie
So wie die Welle,
ihrer Quelle entsprungen,
einmal das Ufer benetzt,
einmal im Fluss murmelt,
dann wieder im Gras seufzt
und bescheiden oder stolz
ins Meer zurückkehrt,
so wird man die verirrte
menschliche Natur
zur sicheren Quelle
zurückkehren sehen,
von der sie das Leben bekam.
25. Recitativo
PACE: Chi ci vieta il veder l’antro beato
che in sé chiude l’Agnel del Testamento?
Corriamo in Betelemme al gran portento.
die das Lamm des Testamentes in sich schließt?
Lasst uns nach Betlehem laufen zum großen Wunder.
GIUSTIZIA : Tra quei cadenti sassi,
tra quelle rupi algenti
deposto ha il Verbo i spaventosi nomi:
non più Leon di Giuda,
non più Dio degl’eserciti,
non più Signor delle vendette, o il Forte
cura d’esser chiamato:
il nome sol gl’è grato
di figliuolo dell’uomo.
PACE: E tal dirassi
nel ragionar di maestà e di regno.
VERITÀ : Così bel nome il renderà più degno
dopo sei lustri, e dopo
il tempo sol della paterna destra,
e il guiderà col volger dell’etadi
a giudicar le nazioni intere.
GERECHTIGKEIT: Zwischen jenen hängenden
Felsen, zwischen jenen kalten Steinen, hat das
WORT die erschreckenden Namen abgelegt:
nicht mehr Löwe von Juda,
nicht mehr Gott der Heerscharen,
nicht mehr Herr der Rache oder der Starke
will es genannt werden:
nur ein Name ist ihm genehm:
Menschensohn.
FRIEDE: Und so wird man sagen,
wenn man von Majestät und Reich sprechen wird.
WAHRHEIT: Dieser schöne Name wird ihn nach
dreißig Jahren würdig machen – nach der Epoche,
in der die väterliche Rechte regierte – und wird
ihn leiten im Lauf der Zeiten, über ganze Nationen
Recht zu sprechen.
14 | Text
25. Rezitativ
FRIEDE: Wer verbietet uns die selige Höhle zu sehen,
Denn umsonst kleidet sich das Licht in
gewöhnlichen Schmutz, um das Licht seines
Herrn zu verdunkeln.
PACE: Che il fango vil di cui si veste, invano,
può la luce oscurar del suo sovrano.
FRIEDE:
26. Aria
In bassa valle ancora
discende il sol coi rai,
né tra quel fango mai
macchia il candor natio,
perde la sua beltà.
Egual se i colli indora,
o se nel pian discende,
sempre feconda, e accende,
sempre maggior si fa.
In bassa valle etc.
26. Arie
Auch wenn die Sonne mit ihren Strahlen
ins tiefe Tal hinab steigt,
verliert sie in jenem Lehm
nichts von ihrer Schönheit
oder befleckt ihre ursprüngliche Helligkeit.
Ob sie die Hügel vergoldet
oder in die Ebene hinabsteigt,
stets bleibt sie fruchtbringend entflammt
und wird dabei immer größer.
Auch wenn …
27. Recitativo
Volgete, o mie germane,
pria di adorar quella spelonca bella,
volgete i sguardi a questa nuova stella:
guari non fia che gl’Arabi e i Sabei
guiderà in Palestina, e d’Oriente
chiamerà con suoi raggi i re divoti
ad adorar la cuna e sciorre i voti.
27. Rezitativ
Wendet, oh meine Geschwister,
bevor Ihr jene schöne Höhle anbetet, wendet die
Blicke zu diesem neuen Stern: er ist unvergleich­
lich und wird die Araber und Sabiner nach Paläs­
tina führen. Aus dem Orient wird er mit seinen
Strahlen die frommen Könige herbeirufen, damit
sie die Wiege anbeten und ihr Gelübde einlösen.
GIUSTIZIA : Che rammenti! Gl’arcani
presagi questi son de’ sagri vati.
Già veder parmi tra il comun piacere
il re della Giudea turbato e scosso
da improvviso spavento: ah! troppo cieca
ragion di Stato! Ah! gelosia d’impero,
follemente avveleni un cor altero!
GERECHTIGKEIT: Woran erinnerst Du? Es sind die
geheimen Vorhersagen der heiligen Propheten.
Schon scheint es mir, dass ich in der allgemeinen
Freude sehe wie der König von Judäa betrübt und
erschüttert wird von plötzlichem Schrecken: Ach!
allzu blind ist die Staatsräson! Ach! Herrscher­
neid, töricht vergiftest du ein stolzes Herz!
28. Aria
Re superbo, ah! che paventi?
nasce un dio, perché ti sdegni?
Chi del Ciel promette i regni
non contende il soglio a te.
D’un bambin se ti spaventi,
che fia mai se lo vedrai
28. Arie
Stolzer König, ach, was fürchtest Du?
Ein König wird geboren, warum empörst du dich?
Wer das Reich des Himmels verspricht,
macht dir deinen Thron nicht streitig.
Wenn du vor einem Kind erschrickst,
was geschieht erst, wenn du ihn als
VERITÀ :
WAHRHEIT:
Text | 15
e tuo giudice, e tuo re?
Re superbo etc.
deinen Richter, deinen König siehst?
Stolzer König …
33. Sinfonia (ripresa) Ripigliasi lo stesso suono
34. Recitativo
34. Rezitativ
29. Recitativo
VERITÀ : Affrettiam dunque i passi
or che del Salvator la grazia apparve.
PACE: Veggiam pur questo nuovo
spettacolo d’amore.
GIUSTIZIA : E a’ nostre liete voci …
PACE: Ai soavi concenti …
30. Terzetto
VERITÀ : Al nostro canto
dal cupo speco
risuoni l’eco:
nacque il divino,
l’immenso amor.
30. Terzett:
WAHRHEIT: Bei unserem Gesang
soll das Echo
aus der dunklen Höhle erschallen:
Die unermessliche göttliche
Liebe wurde geboren.
GIUSTIZIA , PACE:
GERECHTIGKEIT, FRIEDE:
nacque il divino,
l’immenso amor.
VERITÀ : Da lungi intanto
l’opposta sponda
lieta risponda:
venne bambino
l’alto Motor
Die unermessliche göttliche
Liebe wurde geboren.
Wahrheit: Und von weitem
soll das gegenüberliegende Ufer
fröhlich antworten:
Das Kind ist gekommen,
der Höchste Beweger.
GIUSTIZIA , PACE:
GERECHTIGKEIT, FRIEDE:
venne bambino
l’alto Motor
Das Kind ist gekommen,
der höchste Beweger.
Le avventurose arene
di Betlemme son queste, e queste sono
le capanne e i tuguri
ove morì Rachele, ove il sovrano
Signor di Palestina
aprì le luci, ove le chiuse al giorno.
PACE: Sì gran popolo intorno
che a’ comandi d’Augusto
qui giunse a riveder le patrie mura,
della grazia che apparve
spettator diverrà.
VERITÀ : Vedili a gara
passar cantando al fortunato speco.
Altri un agnello ha seco appena svelto
dalle materne poppe, altri di fiori
di stagione non sua serti e ghirlande,
chi di lagrime amare,
cui da lacero sen versò la mirra
nappi odorosi, e chi di fresco latte
muscose tazze o rustici vaselli,
chi da’ rami novelli
colla stupida man raccolti i frutti:
tutti giulivi e tutti
desti all’annunzio degl’alati spirti
senza dimora alcuna
corron coi doni ad adorar la cuna.
Das sind die schicksalshaften
Gefilde von Bethlehem, und da sind die
Hütten, wo Rachel starb, wo der
höchste Herr von Palästina seine Augen öffnete,
wo er sie auch dem Tageslicht schloss.
fermino l’onde il corso, e il volo i venti.
29. Rezitaitv:
WAHRHEIT: Beeilen wir uns also,
jetzt wo die Gnade des Retters erschienen ist.
FRIEDE: Lasst uns dieses neue Schauspiel
der Liebe betrachten.
GERECHTIGKEIT: Und zu unseren frohen Stimmen …
FRIEDE: … bei den süßen Gesängen...
GERECHTIGKEIt, FRIEDE, WAHRHEIT: … halten die
Wellen ihren Lauf an und die Winde ihren Flug.
GIUSTIZIA , PACE, VERITÀ :
PARTE seconda
zweiter TEIL
31. Sinfonia di pastorali stromenti
31. Sinfonia pastoraler Instrumente
32. Recitativo
VERITÀ : Udite, o care, udite
il risuonar delle silvestri avene.
32. Rezitativ
WAHRHEIT: Hört, Ihr Lieben, hört
das Tönen der Dudelsäcke im Wald.
16 | Text
GIUSTIZIA :
35. Aria
Abbandona il molle armento,
fortunata pastorella,
e in mirar la nuova stella
sorgi, adora il tuo pastor.
Quel pastor, che il gregge amato
all’ovile abbandonato
condurrà per man d’amor.
Abbandona il etc.
33. Sinfonia Wiederholung
GERECHTIGKEIT:
So viel Volk ist rundherum,
das auf Befehl von Augustus hierher geströmt ist,
um die heimatlichen Mauern zu sehen.
Es wird Zeuge der Gnade werden,
die erschienen ist.
WAHRHEIT: Sieh wie sie sich drängen,
um singend an der glücklichen Höhle vorbei
zu ziehen. Einer hat ein neugeborenes Lamm
bei sich, andere tragen Kränze und Sträuße
von Blumen, ein anderer gießt aus zerrissener
Brust bitterlich weinend, duftende Myrrhe aus,
andere wieder frische Milch
aus bemoosten Tassen oder roh geformten
Gefäßen, andere pflücken mit ungeschickter
Hand Früchte von neuen Zweigen.
Alle sind fröhlich, aufgeweckt von der
Verkündigung der geflügelten Geister.
Ohne zu säumen laufen sie
mit Gaben die Wiege anzubeten.
FRIEDE:
35. Arie
Verlasse die weiche Herde,
glückliche Hirtin,
und komm den neuen Stern zu sehen,
bete deinen Hirten an.
Jenen Hirten, der seine geliebte Herde
mit liebender Hand
zum verlassenen Schafstall führen wird.
Verlasse …
Text | 17
36. Recitativo accompagnato
GIUSTIZIA : Spandete i vostri gloriosi tralci,
o monti d’Israele: ecco lo stelo
sbucciato ormai dalla iessea radice.
Ogni alpestre pendice
della città di Dio dolcezza stilli:
versin dolcezza i monti,
scorran di latte i fiumi, e miele i fonti.
PACE: Come i vati predissero sovente
ecco l’orso, e ’l giovenco in strana guisa
pascono in un sol prato. Ecco l’agnello
beve col pardo in un torrente istesso:
tanto comune, e tanto
inusitato è del piacer l’eccesso.
VERITÀ : Ma già stan presso all’antro, ove la luce
fra le tenebre splende.
GIUSTIZIA : Ove vagisce il mediator degl’uomini,
e di Dio.
Avanti al cui cospetto
moveransi gl’abissi
e che a domar dell’uom l’insano orgoglio
nella pietà preparerà il suo soglio.
36. Recitativo accompagnato
Verbreitet eure glorreichen
Zweige, ihr Berge von Israel: hier ist der Trieb,
der aus der Wurzel Jesse entspross.
Jeder felsige Abhang der Stadt Gottes möge Süße
ausströmen: Milde sollen ausgießen die Berge,
es mögen fließen Flüsse von Milch und Quellen
von Honig.
FRIEDE: Wie es die Propheten vorausgesagt ha­
ben: Seht den Bären und den jungen Ochsen,
sie weiden zusammen auf der Wiese. Seht das
Lamm, es trinkt mit dem Leoparden aus dem
gleichen Bach. So gemeinsam und so
ungewöhnlich ist das Übermaß der Freude.
WAHRHEIT: Aber schon stehen sie bei der Höhle,
wo das Licht in der Dunkelheit strahlt,
GERECHTIGKEIT: Wo der Mittler zwischen Gott und
Mensch wimmert.
Bei seinem Anblick werden die Abgründe sich
bewegen und,
den unsinnigen Stolz des Menschen bezwingend,
wird er seinen Thron auf Mitleid gründen.
37. Aria
Perché l’uom diventi un dio
un dio nasce, e d’uom si veste:
ah! che immagini son queste,
ah! che idea di vero amor!
Per sì tenero desio,
o mortali, alfin dovreste
tributargli in dono il cuor.
Perché l’uom etc.
37. Arie
Damit der Mensch ein Gott werde,
wird ein Gott im Gewand eines Menschen geboren:
Ach! Was für Bilder!
Ach! Welcher Gedanke wahrer Liebe!
Oh Sterbliche! Für eine so zarte Absicht
müsstet ihr ihm endlich
euer Herz schenken.
Damit ...
38. Recitativo
PACE: Onnipossente dio! che veggio! è quella
la maestà che suole
premer de’ serafini il dorso alato!
GIUSTIZIA : Questo è il nume adorato,
che sul Sina tuonò! che volò spesso
sovra l’ali de’ venti!
38. Rezitativ
FRIEDE: Allmächtiger Gott! Was sehe ich?
Ist das die Majestät, die den geflügelten
Rücken der Seraphim zu berühren pflegt?
GERECHTIGKEIT: Das ist der angebetete Gott,
der auf dem Sinai donnerte, der oft
auf den Flügeln des Windes flog!
18 | Text
GERECHTIGKEIT:
VERITÀ : Quei spirti almen, che suoi messaggi sono,
di lui l’ignude e virginali membra
covrissero coll’ali!
GIUSTIZIA : Almen quei tanti
ministri suoi, che sono fiamme ardenti,
fomentasser calore
del nuovo Testamento al mediatore.
PACE: Il sole almeno alla spelonca algente
non niegasse i suoi raggi, o men rigore
acquistasse quel gelo
che astringe a palpitare il re del Cielo.
VERITÀ : All’infierir di tempestoso verno
così gela quel dio
foco consumator!
GIUSTIZIA : Così tremante
desta pietà ne’ bruti, onde il riscalda
ciascun col fiato.
PACE: E qual quel sì duro petto
non si divise a così dolce oggetto?
Ah! Solche Fülle schenkt der
höchste, der größte, der immer lebendige Gott,
dessen Zorn sich niemand widersetzen kann!
Was für eine außerordentliche Liebe!
WAHRHEIT: Wenn wenigstens jene Geister, die
seine Boten sind, seine nackten und jungfräu­
lichen Glieder mit ihren Flügeln bedeckten!
GERECHTIGKEIT: Wenn wenigstes jene zahlreichen
Diener, die brennende Flammen sind,
die Wärme des Testamentes
schürten für den Mittler.
FRIEDE: Wenn wenigstens die Sonne ihre
Strahlen der kalten Höhle nicht verweigerte
oder der Frost weniger kalt wäre, der den
König des Himmels zittern lässt.
WAHRHEIT: Wie der stürmische Winter strenger
wird, so erfriert ein verzehrendes
Feuer jenen Gott!
GERECHTIGKEIT: So zitternd
erweckt er Mitleid in den Lieblosen,
und sie wärmen ihn mit ihrem Atem.
FRIEDE: Und welches noch so harte Herz
bricht nicht vor diesem zarten Ding?
39. Aria
Sentir quei teneri
dolci vagiti,
che sono inviti
di vero amor,
e non dividersi
dal petto il cor:
dov’è quel barbaro
che il può soffrir?
A queste lagrime
d’un innocente
d’un dio nascente
al sospirar,
chi non sa accendersi?
chi non sa amar?
Dov’è quel perfido
39. Arie
Diese zarten
süßen Klagen zu hören,
die Aufforderung sind
zu wahrer Liebe,
und das Herz nicht aus
der Brust springen zu fühlen:
Wo ist der Barbar,
der das ertragen könnte?
Bei diesen Tränen
eines Unschuldigen,
eines neugeborenen Gottes,
bei diesem Seufzen,
wer würde sich nicht entflammen?
Wer kann nicht lieben?
Wo ist der Hinterhältige,
PACE: Ah! in questo eccesso
dà l’altissimo, il sommo, il sempre vivo Iddio!
al cui furore niun oppor si può! che strano
amore!
FRIEDE:
Text | 19
che il può ridir?
Sentir quei etc.
der dem widersprechen kann?
Bei diesen …
40. Recitativo
VERITÀ : O dilette, fra questi
di soave piacer teneri moti,
ammiro la rugiada
che stillò già di Gedeon nel vello:
veste volto novello
la natura per lei.
PACE: Dall’aspro gelo la pastorella ebrea
con palpitante, e ancor dubbiosa mano
divelle il molle acanto.
GIUSTIZIA : L’immortale amaranto
o dall’alpestri rupi,
o dal tenero allor diviso solco
dubbio della stagion coglie il bifolco.
VERITÀ : E il villanel con malsicura falce
dal gelido terren recide i gigli.
PACE: Spuntati ha i feri artigli
la tigre, e dorme al molle gregge accanto.
GIUSTIZIA : Move pria dell’usato
verso il mar donde nacque i passi il rio.
40. Rezitativ
Geliebte, unter den
von milder Freude verfeinerten Klängen
bewundere ich den Tau,
der einst das Vlies von Gideon benetzte:
Für ihn hat die Natur
ein neues Antlitz bekommen.
FRIEDE: Mit zitternder und noch zögernder Hand
befreit die jüdische Hirtin
den weichen Akanthus vom Frost.
GERECHTIGKEIT: Den unsterblichen Amarant
pflückt der Bauer von
steinigem Fels oder aus der
geteilten Furche, unsicher der Jahreszeit.
WAHRHEIT: Und der Landmann schneidet Lilien
mit zögernder Sichel vom gefrorenen Boden.
FRIEDE: Der Tiger hat seine Krallen gestutzt
und schläft neben der weichen Herde.
GERECHTIGKEIT: Der Fluss bewegt seinen Lauf
näher zum Meer, aus dem er entstand.
VERITÀ : Per l’angeliche schiere
che uniscono a pastori i lor concenti
è tutta in opra la celeste mole,
è dubbio ancor tra il dì, e la notte il sole.
GIUSTIZIA : Ah! bella Pace, ah! questo
è il sospirato istante
da rinovar gl’antichi nostri amplessi.
PACE: Sì, mia germana, a questi labbri impressi
richiamo i primi baci.
GIUSTIZIA : Odi, che il cielo
pace risuona, e pace
echeggia intorno la betlea foresta.
PACE: La gran vittoria è questa
che riportò del mondo il lungo pianto.
GIUSTIZIA : Felice colpa, oh! quanto,
che sì gran redentor meritar seppe!
WAHRHEIT: Mit den himmlischen Scharen,
die ihre Gesänge mit jenen der Hirten vereinen,
ist die ganze himmlische Burg in Bewegung
und die Sonne schwankt zwischen Tag und Nacht.
GERECHTIGKEIT: Ah! Schöner Friede, ah! Das
Ist der ersehnte Augenblick
unsere alte Freundschaft zu erneuern.
FRIEDE: Ja, meine Schwester, diese Lippen
erinnere ich an die ersten Küsse.
GERECHTIGKEIT: Höre wie im Himmel der Friede
widerhallt,
und Friede tönt um den Wald von Betlehem.
FRIEDE: Das ist ein großer Sieg,
den das lange Weinen der Welt beschert hat.
GERECHTIGKEIT: Glückliche Schuld, die es ver­
stand, einen solchen Erlöser zu verdienen.
20 | Text
WAHRHEIT:
GIUSTIZIA : Ah! in sì bel giorno
all’antica amistà facciam ritorno.
Oh notwendige Sünde des
ersten Menschen, die das WORT dazu brachte
im FLEISCHE zu erscheinen,
um den Tod aufzulösen und die
von gerechten Tränen heißen Augen zu trocknen!
GERECHTIGKEIT: Ah! An einem solchen Tag
lasst uns zur alten Freundschaft zurückkehren!
41. Aria
41. Arie
Lascia, ch’io veda almeno
in questo bacio, o cara,
depor la doglia amara
il mondo vincitor.
PACE: Torna di questo seno
ai dolci amplessi, o bella,
e si richiami quella
placida età dell’or.
GIUSTIZIA , PACE: Che nuova guisa è questa
di tenerezza, e amor!
A notte così chiara
ceda coi raggi il sole
ceda alla bassa mole
il cielo col suo splendor.
GERECHTIGKEIT: Lass zu, dass ich in
diesem Kuss, oh Lieber,
erkenne, dass die siegreiche
Welt ihren Schmerz ablegt.
FRIEDE: Kehre zurück zu den süßen Umarmungen,
oh Schöne, und man erinnere sich
jenes milden goldenen Zeitalters.
PACE: O del prim’uomo necessario fallo
che chiamò il VERBO ad apparir in CARNE,
per dissipar la morte, e de’ mortali
rasciugar le pupille
calde di giusto pianto!
GIUSTIZIA :
GIUSTIZIA :
Lascia, ch’io etc.
42. Recitativo accompagnato
VERITÀ : Oimé, che luttuoso
spettacolo è mai questo! Posa appena
nell’aspro fien la genitrice amante
le care del bambin tenere membra,
che a lui ferisce, ahi lassa!
una pungente arista il sagro lato.
GIUSTIZIA : Ah, colpo dispietato onde va
sparso l’istromento feral del divin sangue!
PACE: La vergin quasi esangue
a tal vista crudel già s’abbandona
nel sen del casto sposo:
egl’in volto amoroso
FRIEDE:
Was für eine neue Art
von Zärtlichkeit und Liebe!
In so heller Nacht
sollen die Sonnenstrahlen,
soll der Himmel mit seinem Glanz
vor der irdischen Welt zurückweichen.
GERECHTIGKEIt, FRIEDE:
GERECHTIGKEIT:
Lass zu …
42. Recitativo accompagnato
Oh weh! Welch trauriges Schauspiel!
Kaum hat die liebende Mutter
die lieben zarten Glieder des Kindes
ins Heu gelegt, oh weh! schon verletzt
ein spitzer Halm seine Seite.
WAHRHEIT:
GERECHTIGKEIT: Oh grausamer Schlag, durch den
das traurige Heilmittel des göttlichen
Blutes vergossen wird!
FRIEDE: Beinahe ohnmächtig lehnt sich die
Jungfrau bei diesem grausamen Anblick an die
Brust des jungfräulichen Gatten;
Und er bückt sich mit liebendem Ausdruck,
Text | 21
si china a terger colla man tremante
la bella piaga, e bacia poi l’infante.
VERITÀ : O tenerezza! E chi può mai credere
con saldo ciglio il sommo Dio di luce
cominciar dalla culla il suo martire?
Qui deponete l’ire,
qui l’orgoglio, o mortali: è quel vagito
un rimprovero a voi; fa questo fieno
ingiuria al vostro fasto: umile, e servo
disinganna i superbi, amante e mite
gl’iracondi condanna. Ei qui vi chiama
di sua bella umiltade al paragone,
ei qui sceglie i suoi parti, ei qui vi espone
al suo cospetto. „Io son la vita“, dice.
„La verità è la via: chi sa imitarmi
è sol degno di me: chi può fissarsi
ai rai di questo sole è parto mio:
io vi precederò“, sì dice Iddio.
um mit zitternder Hand die schöne
Wunde zu trocknen, und küsst dann das Kind.
WAHRHEIT: Oh Zärtlichkeit! Wer könnte es glauben,
dass der der höchste Gott des Lichtes unerschüt­
terlich schon in der Wiege sein Martyrium beginnt?
Hier sollt ihr ablegen den Zorn
und den Stolz, oh Sterbliche: dieses Weinen
ist ein Vorwurf an euch, dieses Heu klagt an
euren Prunk. Als demütiger Diener
beschämt er die Stolzen, liebend und milde
verurteilt er die Zornigen. Er ruft euch
zum Vergleich mit seiner schönen Demut auf,
er wählt hier die Seinen und setzt euch
seinem Anblick aus. Er sagt: „Ich bin das Leben“.
„Die Wahrheit ist der Weg: nur wer mir nachfolgt,
ist meiner würdig: wer standhaft bleibt
in den Strahlen dieser Sonne, ist auf meiner Seite.
Ich werde euch voraus gehen“, so spricht Gott.
43. Aria
Sospende incontro al sole
l’aquile generosa
la pargoletta prole,
e guarda poi gelosa
chi a’ rai resister sa.
Colà decide poi
quai siano i parti suoi,
e quali al patrio nido
sull’ali porterà.
Sospende etc.
43. Arie
Der edle Adler
setzt seine Jungen
der Sonne aus
und schaut dann aufmerksam,
wer den Strahlen widerstehen kann.
Dort entscheidet er,
welche seine Kinder sind,
die er auf den Flügeln
ins heimatliche Nest tragen wird.
Der edle …
44. Recitativo
44. Rezitativ
Peccò l’uom, si fe’ reo:
nacque l’uom dio;
il reo salvo si rese;
e quando cadde, l’un l’altro discese.
PACE: Cadde superbo l’un: pietoso l’altro
a sostener lo venne,
e gareggiar si vide
in quello il fallo, e la pietade in questo.
GERECHTIGKEIT:
GIUSTIZIA :
22 | Text
Der Mensch hat gesündigt und wur­
de schuldig, der Menschengott wurde geboren und
der Schuldige wurde gerettet; und als er fiel, hat der
eine den anderen herunter kommen lassen.
FRIEDE: Der eine fiel in seinem Stolz, und gnädig
kam der andere ihn zu unterstützen. Im einen
sah man die Sünde wetteifern, im anderen das
Mitleid.
VERITÀ : O portentoso amore! In dolce innesto
ecco i sponsali delle due nature
tra loro non confuse, e non divise
in un sol Verbo: quel che fu, non perde:
quel che non era acquista. Ah! chi spiegare
può del divino amore opre sì rare?
WAHRHEIT: Oh wunderbare Liebe! In süßer
Vereinigung siehe die Hochzeit der beiden
Naturen, vermischt und nicht getrennt
in einem einzigen WORT. Das, was es war,
verliert es nicht und erwirbt, was es nicht war.
Ah wer kann diese unvergleichlichen Werke der
göttlichen Liebe erklären?
Brevissima sinfonia pastorale
Sehr kurze pastorale Sinfonia
46. Recitativo
46. Rezitativ
GIUSTIZIA :
Tacete: al suon di pastorali canne
stende il Bambino sul materno collo
quelle mani, di cui son opra i cieli;
chiude quei labbri, al cui sovrano moto
uscì la luce, il mar, l’aria, le stelle:
indi le luci belle
infaticabilmente aperte, e deste
sopra i figli dell’uom, chiude nel sonno.
Schweigt! Beim Klang der Hirten­
flöten reckt das Kind jene Hände nach dem Hals
der Mutter, welche die Himmel erschaffen haben.
Es schließt jene Lippen, aus deren Machtwort
das Licht, das Meer und die Luft entstanden sind.
Und dann schließt es die schönen, unermüdlich
offenen und über den Menschenkindern wa­
chenden Augen im Schlaf.
47. Recitativo accompagnato
Ah! voi, ah! voi spirate
tiepide almeno a quel sembiante intorno,
aurette fortunate! E vi rammenti,
che al vostro respirar sul caldo raggio
del meriggio primiero
nell’Orto del piacer passeggiò allora,
che chiamar volle il contumace Adamo.
A lui destiamo intanto
voi col spirar, il sonno, ed io col canto.
47. Recitativo accompagnato
Ach, Ihr, ach! Glückliche Winde,
weht wenigstens lau um jenes Antlitz herum!
Erinnert euch wie bei eurem Hauch
auf den warmen Strahl des ersten Mittags
im Garten der Freude damals Jener einherging,
der den abwesenden Adam rufen wollte.
Ihm aber bringen wir Schlaf,
ihr mit eurem Wehen und ich mit Gesang.
48. Aria
Al risuonar soave
di queste dolci avene
dormi, diletto bene,
e sentirai men grave
il duolo atroce.
Ma no, se ancor dormendo,
o nazareno fior,
sogni quel bacio orrendo,
48. Arie
Beim sanften Klang
dieser süßen Flöten,
schlafe, Du geliebtes Gut.
So wirst Du den grausamen
Schmerz weniger empfinden.
Doch nein, denn während Du schläfst,
oh Blüte von Nazareth,
träumst Du von jenem schrecklichen Kuss,
GERECHTIGKEIT:
Text | 23
sogni l’ebreo furor
sogni la croce.
Al risuonar etc.
vom jüdischen Zorn, vom Kreuz.
Beim sanften …
49. Recitativo
PACE: Mentr’ei dorme ti desta,
o dolce cura del divino ingegno
mortale avventuroso: a parte sei
della divina ed immortal natura;
deh! non tornar procura
all’antica viltà col tralignare:
rammenta di qual capo,
di qual corpo sei membro e che sottratto
dal poter delle tenebre, nel regno,
e nel lume di Dio alfin giungesti.
A piè del VERBO IN CARNE
che non deponi il fallo, e no ’l detesti?
GIUSTIZIA : Troppo inumano è quello,
che in ricevere è saggio,
nel rendere il favor, pigro, ed ingrato.
PACE: Questo è il dì sospirato: i pargoletti
ogni tenero vezzo e placa, e muove.
Fissa il tuo guardo; dove
per ricovrir la nudità dell’uomo,
ignudo nasce un dio;
e poi niega, se puoi,
a sposo così bel gl’affetti tuoi.
49. Rezitativ
Während er schläft, wache auf
oh süße Sorge des göttlichen Geistes,
du schicksalshafter Sterblicher,
Teil bist du der göttlichen, unsterblichen Natur;
oh, kehre nicht zurück zum vorigen
Bösen durch deine Entartung;
erinnere dich wessen Hauptes,
wessen Körpers Glied du bist und dass du,
der Macht der Finsternis entrissen, endlich
zum Reich und zum Licht Gottes gelangt bist.
Warum legst du die Sünde nicht ab und verab­
scheust sie zu Füssen des Fleisch gewordenen
Wortes?
GERECHTIGKEIT: Allzu unmenschlich ist der, der
klug ist, wenn er etwas bekommt, jedoch faul
und undankbar, wenn er etwas zurückgeben soll.
FRIEDE: Das ist der ersehnte Tag: Jede Zärtlichkeit
bewegt und beruhigt die Kleinen.
Richte deinen Blick dorthin,
wo, um die Nacktheit des Menschen zu bedecken,
ein Gott nackt geboren wird;
und dann verweigere, wenn du kannst,
diesem schönen Bräutigam deine Liebe.
50. Aria
Impallidisci, ingrato,
a’ rai di quel sembiante;
chi no ’l paventa infante,
giudica il temerà.
Chi non l’adora in cuna,
facile a dar perdono,
lo temerà sul trono,
chi lo disprezza amante,
sdegnato il soffrirà.
Impallidisci etc.
50. Arie
Erbleiche, Undankbarer,
bei den Strahlen von jenem Antlitz;
wer ihn als Kind nicht achtet,
wird ihn als Richter fürchten.
Wer ihn in der Wiege nicht anbetet,
wo leicht verziehen wird,
wird ihn fürchten auf dem Thron;
wer ihn als Liebenden verachtet,
wird unter dem Erzürnten leiden.
Erbleiche …
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FRIEDE:
51. Recitativo
Ma che si tarda? Alla sagace cura
d’innocenti pastori
lascisi il Verbo, e noi
voliamo a consolar l’afflitta gente
che mira il sol che nasce, e il sol cadente.
VERITÀ :
È dover: non si indugi.
Io vedrò a piè della Tarpea pendice
chiuder le porte al menzognero Giano,
e l’armi abbandonare il ciel romano.
GIUSTIZIA : Io al gelido Scita
darò le leggi, ed all’Etiope adusto;
onde il reo si punisca, e premi il giusto.
PACE:
VERITÀ : Io quei profani sassi
crollerò ne’ delubri: io della terra
il fraudolento usurpator cacciando,
oltre le vie del tuono
alzerò al vero dio l’eterno trono.
PACE: Tempo verrà, che dove di Falero
or torreggia la rocca in sen d’Italia
rinoverà l’alma pietà d’un padre
l’annua membranza della sagra cuna.
51. Rezitativ
Aber warum säumen? Überlassen wir
das WORT der weisen Sorge der unschuldigen
Hirten.
Und wir wollen eilen, das traurige Volk zu trösten,
das die Sonne auf- und untergehen sieht.
FRIEDE: Es ist Pflicht, man zögere nicht. Ich werde
dafür sorgen, dass man am Abhang des Kapitols
dem lügnerischen Janus das Tor verschließt und
der römische Himmel die Waffen streckt.
GERECHTIGKEIT: Ich werde dem eisigen Skythen
und dem von der Sonne versengten Äthiopier Ge­
setze geben, damit man den Schlechten bestrafe
und den Gerechten belohne.
WAHRHEIT: Ich werde jene profanen Steine in
den Tempeln umstürzen und den betrügerischen
Usurpator von der Erde vertreiben;
jenseits der Wege des Donners werde ich dem
wahren Gott einen Thron errichten.
FRIEDE: Eine Zeit wird kommen, in der dort, wo jetzt
der Felsen von Falero inmitten Italiens seine Türme
erhebt, das edle Mitleid eines Vaters das jährliche
Gedenken der heiligen Wiege erneuern wird.
WAHRHEIT:
52. Recitativo accompagnato
Già il prevedo, che aduna
la tenera sua prole
con quell’ardor, ch’anche nel nome serra,
alla capanna intorno,
e fra lieti concenti
prodigamente allora
sparge i suoi voti e la spelonca adora.
52. Recitativo accompagnato
Schon sehe ich voraus, wie er seine zarte
Nachkommenschaft mit jenem Eifer, der in sei­
nem Namen ist, um die Hütte herum versammelt
und unter fröhlichen Gesängen seine vielen
Gebete spricht und die Höhle anbetet.
Deh! sommo dio d’Abramo un tanto zelo
abbia il suo guiderdon.
VERITÀ : Serba dal cielo
immune da’ perigli
a’ figli il genitore, al padre i figli.
PACE: E tu di lui, vago Bambin, gradisci
allora il santo culto, e in lieti auspici
feconda a chi t’adora i dì felici.
GERECHTIGKEIT: Oh höchster Gott Abrahams!
So viel Eifer soll belohnt werden.
WAHRHEIT: Es bewahre der Himmel
fern von Gefahren
den Kindern den Vater, dem Vater die Kinder.
FRIEDE: Und Du, schönes Kindlein, nimm dann von
ihm die heilige Verehrung an und bereichere mit
froher Zukunft die Tage dessen, der Dich anbetet.
GIUSTIZIA :
Text | 25
Senza indugiarne
si palesi per tutto
il VERBO IN CARNE.
GERECHTIGKEIT:
GIUSTIZIA , PACE, VERITÀ :
soll sich in
allem das WORT IM FLEISCHE offenbaren.
53. Coro
53. Chor
FRIEDE: Vom atlantischen Meer
bis zum kältesten Pol
soll man die Liebe
des neugeborenen Gottes bewundern.
CHOR : Und das Kind möge wachsen,
um die Welt zu regieren.
GERECHTIGKEIT: Vom kalten Schwarzen Meer
bis zum Himmel der Morgenröte
betet man die Wiege
des geborenen Herrn an.
CHOR : Und das Kind möge wachsen,
um die Hölle zu bezwingen.
WAHRHEIT: Der ewige Donnerer
soll seine Pfeile ablegen
und die frohen Sterblichen
in sein Herz schließen.
CHOR : Und es wachse der Herrscher,
um das Reich zu begründen.
PACE: Dal mare d’Atlante
al polo più algente
del Verbo nascente
s’ammiri l’amor
CORO : E cresca l’infante
sul mondo a regnar.
GIUSTIZIA : Dal gelido Eusino
al ciel dell’aurora
la cuna si adora
del nato signor.
CORO : E cresca il bambino
l’inferno a domar.
VERITÀ : L’eterno Tonante
deponga i suoi strali
i lieti mortali
stringendo nel cuor.
CORO : E cresca il regnante
l’impero a fondar.
TELEMANN-FESTIVAL
Ohne zu zögern
GIUSTIZIA :
GERECHTIGKEIT, FRIEDE, WAHRHEIT:
HAMBURG, 23. BIS 25. JUNI UND 24. NOVEMBER BIS 3. DEZEMBER 2017
GEORG PHILIPP TELEMANN ZUM 250. TODESJAHR
Das Festivalprogramm wird im März 2017 bekannt gegeben
(ndr.de/telemann-festival).
Ein Festival von NDR Das Alte Werk in Kooperation
mit Elbphilharmonie Hamburg.
Unterstützt von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
und der Kulturbehörde Hamburg.
Foto: [M] Klaus Westermann/NDR, Image Source/Plainpicture
Edition des literarischen Textes:
Giovanni Andrea Sechi © 2016
Deutsche Übersetzung:
Nicoletta Gossen
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