EU-Energiepolitik: Kann der Strommarkt wirklich

EU-Energiepolitik: Kann der Strommarkt wirklich
zusammenwachsen?
Keyfacts
- EU-Kommission will Einfluss auf nationale Stromnetze nehmen
- EU-Länder verfolgen unterschiedliche Strategien
- Klimaziele sind anders besser erreichbar
01. Dezember 2016
Mal angenommen, Sie wären ein Handwerker, in dessen Werkzeugkasten nur ein Hammer
liegt: Wie wahrscheinlich wäre es, dass Sie jedes Problem als einen Nagel betrachten würden?
Wie wahrscheinlich ist es, ob das große Ganze nicht die Perspektive bestimmen soll? Bezogen
auf die Europäische Union und den Energiesektor scheint genau das gerade zu passieren: Die
EU-Kommission will den Mitgliedsstaaten wesentliche Kompetenzen beim Betrieb ihrer
Stromnetze abnehmen; das entsprechende Regelungswerk wurde jetzt von der Kommission
vorgelegt.
Zugunsten von Klima und Kunden – so die Absicht – soll der Strommarkt in Europa
grundlegend umgebaut werden. So könnten beispielsweise überstaatliche „Regional
Operational Center“ künftig die Größe der Netzreserven bestimmen und wären befugt, auch in
den operativen Betrieb einzugreifen. Eine zentrale Steuereinheit auf europäischer Ebene also.
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Bezogen auf die Realität in den europäischen Mitgliedsstaaten: Wo jetzt noch im Einzelnen
geplant, geschraubt, geklebt oder gesteckt wird, soll künftig gehämmert werden. Zentral.
Europa der vielen Geschwindigkeiten ist Realität
Tatsächlich spiegelt die Geschichte in Europa ein Bild der verschiedenen Geschwindigkeiten
die in vielen Branchen gelebte Wirklichkeit wider; der Energiesektor gehört mit dazu. Welche
Strategie ein Land in welcher Geschwindigkeit in Sachen Stromversorgung fährt, ist durchaus
unterschiedlich. Eine Entwicklung gilt dabei aber länderübergreifend: Viele Energieanbieter
haben ihr Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren stärker an den singulären Realitäten in
den einzelnen Mitgliedsstaaten als in Richtung einer grenzüberschreitenden Perspektive
ausgerichtet. Eine Entwicklung, die auf europäischer Ebene zumindest nicht erschwert wurde,
da die Erzeugung von und der grenzüberschreitende Handel mit Strom in einem größeren
Ausmaß nicht unbedingt gefördert und gefordert wurde. Sofern der jetzt als „Winterpaket“
bezeichnete Maßnahmenkatalog diese Entwicklung zurückdrehen will, so ist das für viele
Energieanbieter alles andere als eine belastbare Planungsgrundlage.
Der Blick in einzelne Länder zeigt, wie unterschiedlich die jeweiligen nationalen Strategien und
Geschwindigkeiten tatsächlich sind. Beispiel gefällig? Die Bundesrepublik beispielsweise
beschleunigte nach der Katastrophe von Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie, war
aber eher langsam bei der Antwort auf die Frage, wie es danach im Einzelnen weitergehen soll.
In Frankreich hingegen hielt man stets an der Kernenergie fest – und wird das nach allen
Anzeichen auch weiterhin tun. Österreich wiederum hat nach einer entsprechenden
Volksabstimmung per Atomsperrvertrag schon vor Jahrzehnten die Nutzung von Kernenergie
im Land untersagt. Und England? Errichtet gerade ein neues Kernkraftwerk. So viel zu der
Frage, wie einheitlich Europa in wichtigen Fragen des Energiemix vorgeht. Und das ist nur der
erste Schritt.
2050
ist das Jahr, ab dem Strom in Europa nur noch aus
erneuerbaren Energien gewonnen werden soll.
Davon ausgehend verfolgt jedes einzelne Land nämlich auch einen jeweils eigenen Weg zum
Netzausbau nach unterschiedlichen Prämissen. In der Bundesrepublik beispielsweise liegt ein
Schwerpunkt auf der Stromerzeugung durch Windkraft in der Nordsee, unterstützt und finanziert
durch die entsprechenden Regularien. Die Energieinfrastruktur wird als Folge dessen intensiv
ausgebaut werden müssen. Dies muss sich rentieren. In Frankreich sieht die Strategie der
Stromerzeugung anders aus, in England ohnehin, in anderen Ländern ebenso und so weiter.
Natürlich ließe sich darüber streiten, wie sinnvoll die jeweiligen Strategien der einzelnen
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Länder sind, und beim deutschen Beispiel der festgelegten Einspeisevergütung für bestimmte
Stromarten ließe sich dazu einiges sagen. Fakt ist aber auch: Im Gegensatz zur EU haben die
einzelnen Staaten in den letzten Jahren immerhin jeweils eigene Strategien entwickelt –
möglicherweise zu viele. Mit anderen Worten: Die EU ist reichlich spät, Handlungsspielraum
wie unmittelbar nach der Fukushima-Katastrophe ist momentan kaum gegeben.
EU-Energiepolitik: Viel zu verbessern
Dabei gibt es selbstredend Verbesserungsbedarf im europäischen Stromsystem. Bis zum Jahr
2050 soll Strom in Europa nach dem Willen der EU-Kommission nur noch aus erneuerbaren
Energien gewonnen werden. Eine der wesentlichen Herausforderungen ist hierbei immer noch
die Tatsache, dass die Stromerzeugung nicht synchron ist mit dem Stromverbrauch. Eine
einheitliche Steuerungsebene auf europäischer Ebene könnte hier womöglich regulierend
eingreifen und effizienter managen – zum Wohle der Verbraucher. Zur europäischen Realität
gehört aber eben auch die Tatsache, dass beispielswiese in Frankreich Stromerzeuger
teilweise in staatlichem Besitz sind, in England wiederum kein einziger – und in der
Bundesrepublik in den vergangenen Jahren ein Trend zur Rekommunalisierung zu beobachten
war. Diese unterschiedlichen Strukturen wiederum müssten auch vereinheitlicht werden. Wie
eingangs gesagt: Eine Menge Nägel zum Hämmern. Aber eben auch Schrauben, Steck- und
Schweißverbindungen.
Wie also weiter bei der Erreichung der Klimaziele? Energieerzeugung ist ein wichtiger
Bestandteil der Ziele zum Klimaschutz. Aber eben nicht der einzige. Der Mobilitätssektor spielt
bei der Erreichung der Klimaziele eine ebenso große Rolle wie beispielsweise Fragen der
Städteplanung, des Häuserbaus oder der energieintensiven Industrien. Wer Klimaziele
erreichen will, hätte hier ein reichhaltiges Betätigungsfeld – die intelligente Verknüpfung der
einzelnen Energienachfrager, gestützt durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und
bedarfsgerechten Steuerung. Mit anderen Worten: Einsparung durch Innovationen. Hier liegt
das Einsparpotenzial. Liegt begraben, würden manche sagen.
Zusammengefasst
»Natürlich ließe sich darüber streiten, wie sinnvoll die jeweiligen Strategien der einzelnen Länder
in Sachen Stromerzeugung und Netzausbau sind. Fakt ist aber auch: Im Gegensatz zur EU
haben die einzelnen Staaten in den letzten Jahren immerhin eine Strategie entwickelt.«
Die EU-Kommission will den Mitgliedsstaaten wesentliche Kompetenzen beim Betrieb ihrer Stromnetze
abnehmen. Zugunsten von Klima und Kunden soll der Strommarkt in Europa grundlegend umgebaut
werden. So könnten überstaatliche „Regional Operational Center“ künftig die Größe der Netzreserven
bestimmen und wären befugt, auch in den operativen Betrieb einzugreifen.
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Michael Salcher
Head of Energy & Natural Resources
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