Carola Pohlen (Büro Rüffer) /-72042 und Sven Drebes /-51332 Teilhabegesetz: Ausstieg aus der Fürsorge geht anders Zusammenfassung: Vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention wäre es an der Zeit, behinderten Menschen endlich gleiche Rechte und Chancen zu garantieren, wie nichtbehinderte Menschen sie selbstverständlich genießen. Das leistet das Teilhabegesetz bei Weitem nicht. Die Koalitionsfraktionen flicken jetzt notdürftig an einem Gesetzentwurf herum, der zu massiven Verschlechterungen für behinderte Menschen geführt hätte. So verkürzt sich die Liste der Verschlechterungen gegenüber dem geltenden Recht. Von einem modernen Teilhabegesetz sind wir damit aber noch weit entfernt. Das haben die Länder erreicht Wir konnten einige der gravierenden Verschlechterungen verhindern (s.u.), aber keine Verbesserungen gegenüber geltendem Recht durchsetzen. Hintergrund und Entwicklung: Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, Menschen mit Behinderungen aus dem Fürsorgesystem herauszuführen und ein modernes Teilhaberecht zu schaffen. Durch das Gesetz dürfe allerdings keine neue Ausgabendynamik entstehen. Der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung nach ausgiebigen Beratungsprozessen mit behinderten Menschen und ihren Verbänden vorlegte, wurde massiv kritisiert, sowohl von der Wohlfahrt als von Menschen mit Behinderungen selbst. Er enthielt viele Regelungen, die es den künftigen Trägern der Eingliederungshilfe leicht gemacht hätten, zahlreiche behindertenpolitische Errungenschaften der letzten 40 Jahre zunichte zu machen. Ganz entgegen der Rhetorik, mit der er präsentiert wurde, enthielt der Entwurf also wesentliche Verschlechterungen gegenüber geltendem Recht. Die wenigen Verbesserungen, die er ebenfalls enthielt, fallen im Vergleich nicht ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund haben wir den Entwurf heftig kritisiert und uns gemeinsam mit den grünen Ländern dafür eingesetzt, dass diese Verschlechterungen zurückgenommen werden. Insbesondere haben wir dafür gekämpft, dass der Kreis der leistungsberechtigten Personen nicht eingeschränkt wird und dass es weiterhin einen Vorrang ambulanter Wohnformen gibt, dass also auch behinderte Menschen jenseits von Heimen wohnen können. Außerdem haben wir uns dafür stark gemacht, dass pflegebedürftige behinderte Menschen von den wenigen Verbesserungen des BTHG profitieren und keine Verschlechterungen zu erwarten haben. Das war keine konstruktive Debatte um die Gestaltung eines modernen Teilhaberechts, sondern ein harter Abwehrkampf. Wir waren mit diesen drei Punkten erfolgreich. Die Koalitionsfraktionen haben nun zahlreiche Änderungen vorgelegt, mit denen sie im Wesentlichen versuchen, den Schaden zu beheben, den die Bundesregierung angerichtet hatte. Auch die von uns kritisierten Regelungen nehmen sie weitgehend zurück: So bleibt der leistungsberechtige Personenkreis bestehen wie zuvor und auch die Schnittstelle zur Pflegeversicherung bleibt so ziemlich, wie sie war. Wir sind als Bundestagsfraktion weiter gegangen und setzen uns dafür ein, das Teilhaberecht konsequent menschenrechtskonform zu gestalten. So fordern wir in unserem Antrag Leistungen unabhängig von Einkommen und Vermögen zu garantieren, gleiche Bildungschancen für Menschen mit und ohne Behinderungen, selbstbestimmte Unterstützung jenseits von Einrichtungen auch für Menschen mit hohem Bedarf, Leistungen auch für Asylsuchende und Ausländer*innen mit unsicherem Aufenthaltstitel, die Finanzierung einer Unterstützung im Ehrenamt etc. Das Gesetz, über das der Bundestag am Donnerstag abstimmt, wird keiner dieser Forderungen gerecht. Carola Pohlen (Büro Rüffer) /-72042 und Sven Drebes /-51332 Verbesserungen gegenüber der geltenden Rechtslage: - - Das Budget für Arbeit wird bundesweit eingeführt. Für einen befristeten Zeitraum finanziert der Bund eine unabhängige Beratung, die vorzugsweise von Menschen mit Behinderungen selbst angeboten wird (peer-Prinzip) In der EGH wird der Freibetrag für Vermögen von 2600 Euro auf 50.000 Euro angehoben. Die Freibeträge für Einkommen werden leicht angehoben, für einige Menschen ergeben sich allerdings auch Verschlechterungen. Da beides grundlegend neu geregelt wird, ist klar, dass eine Abschaffung der Anrechnung auch langfristig nicht beabsichtigt ist. Für Grundsicherungsempfänger steigt das Schonvermögen vermutlich von 2600 auf 5000 €. Die Schwerbehindertenvertretungen werden gestärkt, wenn auch nicht so umfänglich wie nötig Verschlechterungen gegenüber der geltenden Rechtslage: - - - - - Das Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen wird geschwächt: o Assistenz im Ehrenamt wird nur noch finanziert, wenn Freunde/Familie etc. sie nicht freiwillig unbezahlt leisten o Behinderte Menschen können gezwungen werden, Leistungen gemeinsam in Anspruch zu nehmen (sog. Zwangspoolen). Nur im höchstpersönlichen Bereich (zu Hause) gilt das nicht. Auch für Menschen, die jenseits von Einrichtungen leben, bleibt der Leistungsträger zuständig, bei dem der erste Antrag gestellt wurde. Wer zuerst in Bremen einen Antrag stellt, dann nach Oberbayern zieht und schließlich in Berlin lebt, muss alles mit dem Leistungsträger in Bremen absprechen, auch wenn der keine Ahnung von der Situation an anderen Orten hat. Bisher war der Leistungskatalog der EGH sehr offen formuliert, durch das BTHG wird er konkretisiert, was in einigen Bereichen, wie der Kfz-Hilfe für nicht berufstätige Menschen, zu Einschränkungen führt. Die allgemeinen Zielvorgaben wurden eingeschränkt: Bisher sind auch Leistungen möglich, die der Reha und Sekundär-Prävention dienen, z.B. bestimmte Therapien oder Trainings, die die Krankenkasse nicht zahlt. Das ist nicht mehr so. Asylsuchende und Ausländer*innen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus werden von Leistungen der EGH ausgeschlossen bzw. erhalten die Leistungen nur noch nach Ermessen Gleichbleibend schlecht: - Behinderte Menschen bleiben weiterhin auf den Beruf festgelegt, den sie in jungen Jahren erlernt haben. Lebenslanges Lernen bleibt gesetzlich verboten.
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