Dr. Thomas Sedran und Dietmar Oeliger im Pro

Shift
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Ausblicke
Klimakiller
Sport Utility Vehicles – kurz SUV – polarisieren. Sie sind
höher, breiter und schwerer als andere Pkw und verbrauchen
mehr Sprit. Ist das zeitgemäß? Zwei Meinungen.
Protokolle
Sibel Şen
Sicherheitstechnik wie ABS und ESP ist der SUV kein
Dietmar Oeliger,
44, Leiter Verkehrspolitik beim
Naturschutzbund Deutschland
(NABU) in Berlin, ist meist mit Bahn
und Fahrrad unterwegs. Schönes
Fahrzeugdesign kann ihn trotz­
dem begeistern, zum Beispiel ein
Porsche 911, egal ob von 1963 oder
2016. Den Cayenne findet er dage­
gen auch ästhetisch unzumutbar.
Katalysator für die Markteinführung neuer Antriebstechnologien. Hersteller rechnen sie mit Plug-in-Technologie zwar ganz lässig grün. Auf der Straße nutzt
aber kaum jemand den Elektromodus. Schon gar nicht,
wenn subventionierter Diesel billig ist. Über kurz oder
lang wird der reine Verbrennungsmotor von den Straßen verschwinden. Premiumhersteller müssen deshalb aber nicht untergehen. Sie bieten schon heute in
jeder Fahrzeugklasse Modelle an, die die Grenzwerte
einhalten. Weil die Marge attraktiver ist, verkaufen sie
Zugegeben: SUV erfreuen sich wachsender Beliebtheit.
aber lieber umweltschädlichere Varianten.
Und bescheren der Automobilbranche enorme Gewinne. 2015 war jeder fünfte Neuwagen ein Übergrößen-
Die Hersteller wissen um den dramatischen Effizienz-
modell, Tendenz steigend. Dass die Schwergewichte bis
fortschritt, den sie in den nächsten Jahren und Jahr-
zu 30 Prozent mehr Treibstoff verbrauchen, kümmert
zehnten leisten müssen. Statt zu handeln, planen sie
den Dienstwagenfahrer offenbar so wenig wie die gut
aber munter die nächsten SUV-Generationen und ent-
situierte Städterin. Gegen Physik kommt niemand an:
wickeln aufwendige Werbekampagnen, damit die
Große Fahrzeuge bedeuten auch mehr Emissionen.
Kunden weiter überdimensionierte Autos kaufen.
Das sollte den Unternehmen Zukunftssorgen bereiten.
Das ist weder zukunftsfähig noch nachhaltig.
Spätestens 2021 dürfen Pkw-Flotten laut EU-Vorgabe
Und Klimaschutz ist mit dem aktuellen
nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, also
Fahrzeugportfolio nicht möglich.
gut 3,6 Liter Diesel oder 4,1 Liter Benzin auf 100 Kilo-
Die Industrie hat eine einfache
metern. Davon ist die Branche weit entfernt – weniger
Wahl: Entweder sie erzwingt
auf dem Papier, doch vor allem beim realen Verbrauch.
den Technologiewandel
mit einem Effizienzsprung
Selbst elektrisch betrieben sind SUV sehr ressourcen-
oder sie schafft ganze
intensiv, brauchen zudem größere Akkus und mehr
Segmente ab. Von mir
Strom als andere Modelle. Anders als bei innovativer
aus gern den SUV.
„Ein Anachronismus
auf Rädern“
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Das Nachhaltigkeitsmagazin von Volkswagen
oder
Fortschrittstreiber?
„Das SUV-Geschäft
ermöglicht
Innovationssprünge.“
Dr. Thomas Sedran,
51, Leiter der Volkswagen Konzern­
strategie, fährt privat einen Porsche
Cayenne Hybrid. Mit der perfekten
Kombination aus Sportwagen und
robustem Familienfahrzeug fährt er
an den Wochenenden mit Familie,
Freunden und Hund häufig in die Berge –
im Sommer zum Trailrunning, im
Winter für ausgedehnte Skitouren.
Kein Zweifel, SUV liegen im Trend. Seit 2010 verkaufen
Aber: Indem wir den Antrieb elektrifizieren und im-
wir jährlich 20 Prozent mehr dieser praktischen All-
mer mehr Plug-in-Hybride und vollelektrische Fahr-
zweckfahrzeuge. Was viele Kunden begeistert: Ein SUV
zeuge auf die Straße bringen, wird es uns gelingen, den
bietet eine Extraportion Sicherheit und Komfort sowie
CO2-Ausstoß ingesamt zu verringern. Speziell dann,
obendrein viel Stauraum. Vom Fahrersitz aus lässt sich
wenn wir unseren Kunden Fahrstrom aus regenera-
der Verkehr gut überblicken und auch der Ein- und
tiven Energien anbieten. Elektrische Antriebe haben
Ausstieg ist bequemer. Die Älteren unter uns wissen
noch einen weiteren Vorteil: Sie animieren die Kunden
das zu schätzen – und wir leben nun einmal in einer
zu energiebewusstem Fahrverhalten.
älter werdenden Gesellschaft. Nicht zu unterschätzen
ist natürlich auch das soziale Prestige, das man heute
All die technologischen Innovationen, die wir benöti-
als SUV-Fahrer häufig noch genießt.
gen, damit SUV auch künftig die strengeren gesetzli-
Porträts: Uli Knörzer
chen Anforderungen erfüllen, werden auch den vielen
Ökologisch orientierte Kunden empfinden SUV dagegen
weiteren Modellen des Volkswagen Konzerns zugute-
als protzig und verschwenderisch – zu Unrecht. Es ist
kommen. Insofern finanziert die Bereitschaft von
richtig: SUV machen es uns nicht leichter, unsere Klima-
SUV-Kunden, höhere Preise zu zahlen, die notwendigen
ziele zu erreichen. Schlechtere Aerodynamik, etwas mehr
Innovationssprünge in der Automobilindustrie. So wer-
Gewicht und häufig etwas mehr an Motorleistung bedeu-
den Arbeitsplätze von über zwei Millionen Menschen
ten mehr Kraftstoff- beziehungsweise Energieverbrauch.
am Hochlohnstandort Deutschland gesichert.
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