Sonderbeilage Sonnabend, 19. November 2016 Börsen-Zeitung Nr. 224 B1 Eigenkapital Deutschland braucht ein Ökosystem für Wachstum Start-up-Finanzierung und Wagniskapital sind die Zukunftsfragen – Beteiligte müssen an einem Strang ziehen Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Der Bedarf an Unternehmensfinanzierungen ist in Deutschland höher als je zuvor. Die Digitalisierung und ein anhaltender Start-up-Boom treiben ihn. Für Deutschland stellt sich die Zukunftsfrage. Schon Ende 2014 hatte die Beratungsgesellschaft PwC in einer Studie erhoben, dass deutsche Unternehmen bis zum Jahr 2020 rund 40 Mrd. Euro jährlich investieren müssen, um sich auf die Industrie 4.0 vorzubereiten. Mit diesen Investitionen überführt die etablierte deutsche Industrie ihre Produkte, Dienstleistungen und Abläufe in die Zukunft. Die Branchen, aus denen die 235 Unternehmen kommen, die befragt wurden, stehen größtenteils für die Realwirtschaft der Industrienation Deutschland: Automobilzulieferer, Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Elektrotechnik und Elektronik, der Prozessindustrie und der Informations- und Kommunikationsindustrie. Die Digitalisierung ist in diesen Branchen längst zu einer strategischen Zukunftsfrage geworden. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie Unternehmen erfolgreich daran arbeiten, eine „digitalere“ Wertschöpfungskette aufzubauen, indem sie sich besser vernetzen, Prozessketten automatisieren und auf neue Technologien setzen. Sie möchten ihren Kunden ein innovativeres, moderneres Angebot bieten oder versprechen sich von der Digitalisierung effizientere Abläufe und niedrigere Kosten. Es geht für diese Unternehmen um große Investitionen, um zukunftsfähig zu bleiben, und im Wettbewerb bestehen zu können. Es geht letztlich auch um die Sicherung von Millionen von Arbeitsplätzen. „Made in Germany“ ist nach wie vor ein starkes Gütesiegel, das von internationalen Investoren geschätzt wird. Das gilt insbesondere für die Branchen, in denen Deutschland über Jahrzehnte seine Glaubwürdigkeit als Top-Industriestandort etabliert hat. Die deutsche Ingenieurs- vertrauen, speziell von Fintechs. Also einer Branche und einem Markt, der international hohe Erwartungen schürt und dem ein enormes Entwicklungspotenzial zugesprochen wird. Junge Fintech-Unternehmen, die nach ihrer Gründung den Bedarf Von für eine erste FinanzieHauke Stars rung haben, können über Business Angels, kleinere Wagniskapitalgeber oder die öffentliche Förderung eine reiche Palette an Finanzierungsoptionen ausschöpfen. Darüber hinaus gewinnen moderne Vorstandsmitglied der Deutschen Börse AG Finanzierungsmöglichkeiten wie das Crowdfunding an Popularität, kunst, die ganz erheblich den die gerade bei kleineren Investitionsdeutschen Mittelstand prägt, genießt summen äußerst erfolgreich sind – international einen Ruf, der den zumindest in den USA und GroßbriUnternehmen im Wettstreit um In- tannien. vestitionsmittel, insbesondere aus In Deutschland müssen sich diese Asien, eine gute Ausgangslage be- Finanzierungsplattformen noch etaschert. Die deutschen Mittelständler blieren. Sie haben aber auch hier ei– gerade aus dem B2B-Bereich – sind ne Zukunft, da Banken bei Gründunin der Regel nicht stark verschuldet, gen oder in Frühphasen eines Unterhaben einen hohen Cash-flow, ha- nehmens als klassische Kreditgeber ben sich seit Jahren im Wettbewerb kaum noch auftreten – sie tun sich behauptet und unter anderem damit mit der Bewertung der Geschäftsmodie Nachhaltigkeit ihrer Geschäfts- delle ohne greifbare Vermögenswermodelle – auch in Krisenzeiten – te schwer. Das Interesse der Banken unter Beweis gestellt. an diesen jungen Unternehmen ist häufig ein anderes: Sie möchten sich direkt an ihnen beteiligen und setFintech: Investoren zögern zen auf Wachstum und Rendite; Der Zugang zu Investitionsmitteln oder sie haben Interesse an einer unterscheidet sich jedoch für auf- Technologie, die sie zu eigenen Zwestrebende Industrien, deren Ge- cken einsetzen möchten. Während aufstrebende Unternehschäftsmodell auf neuen Technologien und der Digitalisierung auf- men in der Frühphase noch Investobaut. Insbesondere deutsche Investo- ren für sich gewinnen können, stellt ren zeigen eine große Zurückhal- sie die Anschlussfinanzierung im tung, wenn es darum geht, Ge- mittleren zweistelligen Millionenbeschäftsmodellen von Start-ups zu reich vor existenzielle Fragen: Ihnen Solide Ausstattung mit Eigenkapital bleibt unverzichtbar droht das Aus – und allzu häufig ist der einzige Ausweg der Gang ins Ausland, vor allem in die USA. Das kann nicht im Interesse Deutschlands sein: Gute Ideen „made in Germany“ sollten auch der deutschen Volkswirtschaft nutzen. Diese Ideen in Deutschland zu halten und daraus nachhaltig profitable Geschäftsmodelle zu entwickeln, liegt in der Verantwortung einer Reihe von Beteiligten: Banken, Börsen, Investoren, der Politik, Verbänden und Universitäten. Sie alle müssen dazu beitragen, dass in Deutschland ein Ökosystem für Wachstum entsteht, wie es zum Beispiel im Gründerland USA seit Jahren vorbildlich etabliert ist und erfolgreich funktioniert. Der Beitrag der Börse Die Deutsche Börse wird ein wesentlicher Bestandteil dieses Ökosystems sein. Wichtig ist, die Visibilität unserer „Hidden Champions“ zu steigern. Wir leisten unseren Beitrag seit Jahren, indem wir kleinere und mittlere Unternehmen bei Veranstaltungen wie dem Deutschen Eigenkapitalforum mit Analysten und Investoren zusammenbringen. Die Digitalisierung, die neue Geschäftsmodelle ermöglicht und zu einem regelrechten Start-up-Boom geführt hat, verlangt aber nach zusätzlichen Wegen, vielversprechende Unternehmen, die wir in Deutschland haben, internationalen Kapitalgebern zu präsentieren. Daher haben wir im Juni 2015 das Deutsche Börse Venture Network geschaffen, um in ers- ter Linie deutsche Wachstumsunternehmen mit internationalen Investoren zusammenzubringen. Mittlerweile sind mehr als 110 Unternehmen an das Deutsche Börse Venture Network angebunden, darunter 17 aus dem Ausland, die sich über 200 Investoren aus ganz Europa, aber auch den USA und Asien, präsentieren können. Der Kapitalbedarf der Unternehmen im Netzwerk ist hoch: Bislang sammelten sie in 26 Finanzierungsrunden mehr als 970 Mill. Euro ein. Mit eGym und brillen.de waren darunter zwei größere Finanzierungsrunden, bei denen Investoren insgesamt jeweils 45 Mill. Euro investiert haben. Und wenn es in der Folge um deutlich mehr Kapital geht, dann ist ein Börsengang über die Deutsche Börse für Unternehmen aus dem Netzwerk eine Option: Ende September ist mit va-Q-tec das erste Deutsche Börse Venture Network-Unternehmen diesen Schritt gegangen. Aufmerksamkeit zählt Die Deutsche Börse baut ihren Beitrag zum Ökosystem für Wachstum konsequent aus. Seit September bringt zum Beispiel das Angebot Venture Match Investoren und Startups nach ausgewählten Kriterien noch zielgerichteter zusammen. Ziel ist, die Transparenz in diesem Umfeld zu erhöhen, damit noch mehr Kapital von in- und ausländischen Investoren seinen Weg zu vielversprechenden deutschen Unternehmen findet. Wer Zugang zu Investitions- mitteln benötigt, braucht zunächst einmal eines: Aufmerksamkeit. Sosehr wir in Deutschland zu Recht mit Stolz von unseren „Hidden Champions“ sprechen, so sehr darf das „Hidden“ nicht zum Hindernis werden. Es braucht Mittel und Wege, wie deutsche Top-Unternehmen, von denen wir gerade im Mittelstand unzählige haben, sich über Investorenkonferenzen hinaus regelmäßig und dauerhaft Investoren präsentieren können. Auch hier schreitet die Digitalisierung voran: Online-Plattformen bieten die Möglichkeit zum regelmäßigen Austausch von Informationen, vereinfachen Investoren den Zugang zum Top-Management und erlauben Unternehmen, bestehende und neue Investorenkreise auf neuen Wegen und über neue Formate anzusprechen. Land der Ideen Es fehlt in Deutschland nicht an guten Ideen und Ideengebern. Es fehlt auch nicht an deutschen und internationalen Investoren, die bereit sind, in vielversprechende Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen zu investieren. Aber die einzelnen Bausteine müssen zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. „Deutschland – Land der Ideen“ heißt eine prominente Standortinitiative der Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft, vertreten durch den Bundesverband der Deutschen Industrie. Ein Ökosystem für Wachstum wird dazu beitragen, dass Deutschland ein Land der Ideen bleibt. Wir fördern das Gute in NRW. Hohe Bedeutung auch in der Niedrigzinsphase – Unabhängigkeit bewahren – das gilt insbesondere für den Mittelstand – gelernt und ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben die gute Ertragslage genutzt, um den Anteil ihres Eigenkapitals beim Gesamtfinanzierungsmix zu erhöhen. Das zeigt die jährliche Studie des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) zur Lage Von des deutschen MittelOtto Beierl stands. Dadurch sind die Verschuldungsquoten und die Abhängigkeiten von Fremdfinanzierungen zurückgegangen. Die Vorteile liegen Vorstandsvorsitzender auf der Hand: Bei der der LfA Förderbank Refinanzierung von ProBayern jekten beziehungsweise Investitionen mit Eigenteresse haben, Eigenkapital aufzu- kapital steht dieses dem Unternehbauen beziehungsweise entspre- men grundsätzlich unbeschränkt chend einzubringen. Die Bedeutung und ohne unmittelbare Refinanzievon Eigenkapital ist aber nicht zu rungskosten zur Verfügung – abgeseunterschätzen. Aus den Erfahrungen hen natürlich von einer Rendite für der Finanzkrise haben Unternehmen den Eigenkapitalgeber. Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Fremdkapital ist so günstig wie nie. Dagegen erscheint Eigenkapital im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld teuer. Man könnte demnach erwarten, dass Unternehmer weniger In- AUS DEM INHALT Deutschland braucht ein Ökosystem für Wachstum Von Hauke Stars Umfangreiches Portfolio B1 Life Sciences bieten Chancen für neue Geschäftsideen Von Michael Stölting B4 B1 IPO ohne öffentliches Angebot durchaus eine Option Von Dr. Achim Herfs und Dr. Anna Schwander B4 Solide Ausstattung mit Eigenkapital ist unverzichtbar Von Dr. Otto Beierl Der Kapitalmarkt lebt – Timing entscheidet Von Nadine Veldung und Karl Filbert Unabhängig von der gegenwärtigen Niedrigzinsphase ist eine ausreichende Eigenkapitalausstattung ein wesentlicher Schlüssel für Unternehmen, um Wachstum und Innovation zu finanzieren. Mit Eigenkapital lässt sich die unternehmerische Unabhängigkeit wahren und werden die Voraussetzungen geschaffen, um in einer späteren Phase Zugang zu Fremdkapital zu erhalten. Es hilft also bei der Kreditfähigkeit und ist ein wichtiger Risikopuffer. Das gilt gerade für kleine und mittlere Unternehmen, aber auch für junge Start-ups, für die Beteiligungskapital die Initialzündung für den weiteren unternehmerischen Erfolg sein kann. Hier scheidet eine Selbstfinanzierung in der Regel aus. Entscheidend ist daher der Zugang zu Eigenkapital; dies gilt über die verschiedenen Lebenszyklen eines Unternehmens hinweg. Als staatliche Spezialbank sichert die LfA Förderbank Bayern (LfA), neben ihrem umfassenden Angebot an Förderkrediten und Risikoübernahmen, diesen Zugang. Gang aufs Parkett braucht die richtige Strategie B2 Von Oliver Diehl B5 Bei Eigenkapital geht kein Weg an der Bank vorbei Von Martin Keller B2 Investor bringt den Gesellschafterwechsel voran Von Martin Völker Mit Börsengängen von Konzerntöchtern Wert schaffen Von Dr. Foruhar Madjlessi und Josef Ritter B3 Banken forcieren Distressed-M&A-Transaktionen Von Oliver Räuscher und Dr. Hendrik Engelhardt B6 B6 Mit Hilfe des mittlerweile sehr umfangreichen Portfolios an Eigenkapitalinstrumenten unterstützen wir mit den verschiedenen Beteiligungsgesellschaften eine Vielzahl von Unternehmen auf den unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Im Vordergrund stehen vor allem innovative und schnell wachsende kleine und mittlere Unternehmen, die Zugang zu Eigenkapitalfinanzierungsquellen erhalten sollen. Die Beteiligungsgesellschaften innerhalb der LfA-Gruppe bieten Eigenkapital von der sehr frühen Seed-Phase bis hin zur klassischen mittelständischen Finanzierung bei Sondersituationen, wie Sprunginvestitionen oder Nachfolgeregelungen, an. Fortsetzung Seite B 3 Digital-Unternehmer Dirk Franke nutzt die Eigenkapital-Lösungen der NRW.BANK Auf immer komplexer werdenden Märkten ist Durchblick der Schlüssel zum Erfolg. Das weiß auch Picavi-Gründer Dirk Franke, der mit seiner Datenbrillensoftware die Lagerlogistik optimiert. Die NRW.BANK bietet attraktive Fördermittel für die digitale Wirtschaft. Sprechen Sie uns an! www.nrwbank.de/durchblick B 2 Börsen-Zeitung Nr. 224 Sonderbeilage Sonnabend, 19. November 2016 Der Kapitalmarkt lebt – Timing entscheidet Vielfältiges Repertoire an Instrumenten gerade zur Finanzierung des Mittelstands – Das gilt insbesondere für Unternehmen aus Deutschland ausgerichtet werden, um den Anforderungen an die Rendite zu genügen. Das gilt gerade für die großen institutionellen Investoren wie Pensionskassen, Versorgungswerke, Stiftungen, gilt gleichermaßen aber auch für private Anleger. Allmählich führt das zu einem UmdenVon ken hinsichtlich des Engagements mit EigenkaNadine Veldung . . . pital. So hat sich die Lage für die klassische Eigenkapitalanlageform, die Aktie, selbst im risikoscheuen Deutschland verbessert. Nach AngaGroup Co-Head ben des Deutschen AktiCorporate Finance eninstituts vom Frühbei der Oddo Group jahr 2016 haben die Anleger hierzulande im bleibendem Kapital scheitert? Drei Jahr 2015 wieder verstärkt VertrauFragen, die zum Kern des Problems en in die Aktie und in Aktienfonds geführen, das nicht wenige Unterneh- fasst. Im Jahresdurchschnitt lag die men hierzulande umtreibt: die Fi- Zahl der Aktionäre und Aktienfondsnanzierung ihrer Projekte oder die besitzer in Deutschland bei gut 9 Milsinnvolle Ablösung von Verbindlich- lionen und damit auf dem höchsten keiten. Der Markt für Eigenkapital Stand seit drei Jahren. Das sind rund hält dafür eine Reihe von Instrumen- 14 % der Bevölkerung im Alter über ten bereit: die Börsennotierung, hy- 14 Jahren. Im Vergleich zu 2014 bride Formen wie Wandelanleihen wurden damit 560 000 Aktienbesitzer mehr gezählt, was einem Plus oder Private-Equity-Beteiligungen. Obwohl die vergangenen Jahre gu- von 6,7 % entspricht. te Jahre am Aktienmarkt waren, sich das laufende Jahr zumindest seit FeAllen Unkenrufen zum Trotz bruar bei aller Volatilität als durchaus stabil erwiesen hat und UnterDiese Zahlen sind nur ein Beleg nehmensbeteiligungen erheblich an für die These, dass der Markt für EiAttraktivität gewonnen haben, ist genkapitalfinanzierung lebt – allen Deutschland kein ganz einfacher Unkenrufen zum Trotz. Auch wenn Markt für Eigenkapitalfinanzierun- die Zahl der spektakulären Neuemisgen. Die Aktie hat gerade erst wie- sionen im Jahr 2016 auf den ersten der die ersten Etappen auf dem Weg Blick vergleichsweise niedrig erheraus aus dem Nischendasein in scheint, wer sich die Mühe macht, gedeutschen Depots hinter sich ge- nauer hinzuschauen, stellt fest, der bracht. Daran haben auch die nun Markt für Eigenkapital ist sogar sehr schon geraume Zeit geltenden niedri- lebendig. Das hat zu Beginn dieses gen Zinsen ihren Anteil. Jahres etwa der Börsengang der Der Druck auf Investorenseite Brain AG im Segment der Weißen wächst. Anleger halten zunehmend Biotechnologie eindrucksvoll unter angespannt nach renditestärkeren Beweis gestellt. Unter denkbar unInvestitionsgelegenheiten Ausschau. günstigen Marktbedingungen schaffKlassische Produkte wie ehemals aus- te das Unternehmen aus dem hessikömmlich verzinste Staatsanleihen schen Zwingenberg sehr erfolgreich laufen aus. Die Depots müssen neu den Sprung aufs Parkett, obwohl Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Was nützt ein noch so ausgereiftes Konzept? Wozu detaillierte Geschäftsplanung? Welchen Sinn hat kühne unternehmerische Entschlossenheit, wenn am Ende alles an aus- nach dem Crash am chinesischen Aktienmarkt zum Jahresauftakt die Grundstimmung auch an den europäischen Börsen alles andere als freundlich war. Brain hat exemplarisch gezeigt, worauf es bei Eigenkapitalfinanzierungen ankommt, damit sie auch unter widrigen und volatilen Marktbedingungen gelingen. Zwei entscheidende Punkte sind dabei hervorzuheben: eine gute, überzeugende Equity Story und professionelle, frühzeitige Vorbereitung. Investoren wollen verstehen, wohin die Reise geht, wollen wissen, was das Unternehmen plant, wie es das Kapital einzusetzen gedenkt, und wollen die Chancen und Risiken ihres finanziellen Engagements einschätzen können. Eine belastbare Equity Story, die plausible Antworten auf all diese Fragen gibt, entsteht nicht im stillen Kämmerlein, sondern wird im Dialog mit den Investoren entwickelt. Dazu gilt es, Qualitätsinvestoren zu identifizieren, die auf die langfristige Qualität des Assets achten. Dabei ist es wichtig, den richtigen Mix aus Spezialisten und Generalisten zu „Deutschland gilt im Ausland und verstärkt im Nachbarland Frankreich nicht ganz zu Unrecht als das Königreich der ,Hidden Champions‘ und weckt das Interesse zahlreicher Investoren.“ finden. Es gilt weiter, diese Investoren frühzeitig anzusprechen, um ein wohlbegründetes, belastbares Gefühl für den Markt zu entwickeln. Im sogenannten Pilotfishing, Monate vor der geplanten Emission, kommt es darauf an, bereits in einer frühen Phase Transparenz herzustellen, um das Interesse der Investoren einschätzen zu können. Es ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Neuemission, ebenso wie für jede andere Form der Eigenkapitalaufnahme, genau zuzuhören, wie und anhand welcher Kriterien Investoren die Equity Story bewerten und welche Dealstruktur von deren Seite gewünscht wird. Bei Letzterem geht es um Fragen der Liquidität des geplanten Investments, Fragen der Transparenz und weitere technische Parameter. Anhand dieser Informationen arbeiten Unternehmen und Bank dann gemeinsam an der Verbesserung ihrer Investorenansprache. Der Dialog mit den Investoren sollte von den Unternehmen nicht als notwendiges Übel angesehen werden, sondern als wertvolle Quelle von externem Expertenwissen, die mitunter entscheidend dazu beitragen kann, die Unternehmensstrategie zu verbessern. Gelungener Auftakt Die erwähnte Brain AG war ein guter Auftakt, dem im Laufe des Jahres weitere interessante Kapitalmaßnahmen an den Börsen in Frankfurt und Paris, jenen beiden Standorten, an denen die Oddo Seydler Bank Heimvorteil genießt, folgten. Hier seien nur einige jeweils von der Bank begleitete Transaktionen genannt, die belegen, dass Platzierungen diesseits und jenseits des Rheins durchaus erfolgreich sein können und keine Frage der Branche sind. Im Februar etwa konnte die Deutsche Konsum Reit-AG eine Kapitalerhöhung erfolgreich an der Frankfurter Wertpapierbörse platzieren. Management, Konzept und der Reit-Status (Real Estate Investment Trust) waren wesentliche Faktoren, die Investoren zu überzeugen. Im März gelang Figeac Aéro, einem Zulieferer für den Flugzeugbau, an der Euronext in Paris das Re-IPO (Initial Public Offering) im Volumen von knapp 100 Mill. Euro. Im Juli ging es Schlag auf Schlag. In diesem Monat folgte in Frankfurt . . . und Karl Filbert Group Co-Head Corporate Finance bei der Oddo Group die Kapitalerhöhung des Providers von Software und Software-Dienstleistungen SNP, in Paris erhöhte das Biotech-Unternehmen Gensight das Kapital für die Firma auf dem Wege des Börsengangs und auch Poxel, Entwickler von Wirkstoffen für die Pharmaindustrie, nahm Kapital in einer beschleunigten Platzierung an der Pariser Börse auf. Die genannten Beispiele zeigen: Der Kapitalmarkt lebt in der Tat und bietet ein vielfältiges Repertoire an Instrumenten gerade zur Finanzierung des Mittelstandes. Dies gilt besonders für Unternehmen aus Deutschland. Denn der Mittelstand hierzulande genießt auch über die Landesgrenzen hinaus einen hervorragenden Ruf. Deutschland gilt im Ausland und verstärkt im Nachbarland Frankreich nicht ganz zu Unrecht als das Königreich der „Hidden Champions“ und weckt das Interesse zahlreicher Investoren. Dies gilt es zu nutzen. Unternehmen, die bei der Kapitalbeschaffung nicht nur auf den deutschen Markt angewiesen sind, sondern durch ihre beratende Bank, die zu länderübergreifenden Strategien in der Lage ist, Zugang zu ausländischen Investoren und Kapital zu schaffen, sind aufgrund der breiteren Investorenbasis klar im Vorteil. Ein großes Thema für Eigenkapitalfinanzierungen könnte in den kommenden Monaten und Jahren die Ablösung von Mittelstandsanleihen sein. Obwohl das Segment der High-Yield-Anleihen von mittelständischen Unternehmen aufgrund einer Reihe von Insolvenzen nicht den besten Ruf hat, sollten Investoren nicht in den Fehler verfallen, alle Unternehmen über einen Kamm zu scheren. Andererseits sollten die Unternehmen vor der Herausforderung der Ablösung oder Anschlussfinanzierung nicht die Augen verschließen und wertvolle Zeit ungenutzt verstreichen lassen. Dieses Verhalten verschärft das Problem, obwohl es Möglichkeiten für viele der betroffenen Unternehmen gibt. Das richtige Timing ist der Schlüssel zur erfolgreichen Finanzierung. Dies gilt gerade auch in volatilen Märkten, wie wir sie gerade erleben. Frühzeitig planen Die Windows of Opportunity, wie es heute heißt, öffnen und schließen sich, nicht selten in rascher Folge. Die Vorbereitung der Finanzierungstransaktion sollte abgeschlossen sein, wenn eine Gelegenheit sich bietet, und nicht dann erst in Angriff genommen werden. Wessen Anleihe etwa 2017/18 zur Auszahlung ansteht, der sollte heute damit beginnen, sich mit dem Thema intensiver zu befassen. Der Börsengang ist nicht das einzige Mittel, sich mit Eigenkapital zu versorgen. Unternehmen, die nicht an die Börse wollen, stehen andere Möglichkeiten der Eigenkapitalfinanzierung offen. Denkbar ist beispielsweise die Hereinnahme einer Minderheitsbeteiligung. In jedem Fall aber ist frühzeitige, gründliche Planung nötig und professioneller Rat. Wichtiges Kriterium für jeden Investor ist die Rendite, sie ist aber keineswegs das einzige Kriterium. So haben sich auch infolge der Finanzkrise die durchschnittlichen Renditeerwartungen von Investoren reduFortsetzung Seite B 5 Bei Eigenkapital geht kein Weg an der Bank vorbei In einem schlanken und transparenten Investitionsprozess werden tragfähige Strukturen für Anleger und kapitalsuchende Unternehmen gewährleistet Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Gesunde und tragfähige Bilanzrelationen bilden die Basis für nachhaltige unternehmerische Entscheidungen und damit die Voraussetzung für Wachstum und Fortschritt, aber auch für Krisenfestigkeit und eine sichere Planungsgrundlage. Vor dem Hintergrund eines sich intensivierenden internationalen Wettbewerbsumfelds ist die Frage nach der passenden Bilanzstruktur für das eigene Geschäftsmodell und der zielgenauen Kapitalallokation aktueller denn je. Neben der fortschreitenden Internationalisierung prägen die aktuellen Entwicklungen rund um die Digitalisierung und Industrie 4.0 die Wahl passgenauer Finanzierungslösungen. Mittelständische Unternehmen sind von diesem Veränderungsprozess in mehrfacher Hinsicht betroffen. Auf der einen Seite treten neue, innovative Wettbewerber in etablierten Märkten auf. Auf der anderen Seite verändern sich aber nicht allein die Wettbewerbsintensität, sondern auch die Parameter und Marktstrukturen. Im Rahmen dieses „Nicht nur am Anfang des Unternehmenszyklus und in Wachstumsphasen ist Eigenkapital ein knappes Gut.“ Transformationsprozesses werden Entscheidungen also unter zunehmender Unsicherheit, zum Beispiel über künftige Standards, getroffen. In diesem Zuge verändert sich auch der Wertschöpfungsprozess, zum Beispiel indem sich Geschäftsmodelle vom reinen Produzenten zum Anbieter von Services und Dienstleistungen entlang integrierter Wertschöpfungsketten wandeln – einhergehend mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Bi- lanzrelationen, etwa in Form eines gestiegenen Umlaufvermögenanteils. Darüber hinaus finden alternative Wege der Zusammenarbeit Einzug in den unternehmerischen Alltag. Nicht jedes Unternehmen muss alle technologisch hoch anspruchsvollen Tätigkeiten entwickeln und selbst vorhalten. Kooperationen und Netzwerke eröffnen neue Chancen, die den Zugriff und die technologische Infrastruktur für eine unternehmensindividuelle Nutzung ermöglichen. Nicht zuletzt durch die daraus resultierende Veränderung der Bilanzrelationen wird die Zusammenarbeit von Bank und Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Bewertbarkeit im Fokus Der Investitionsschwerpunkt verschiebt sich zudem verstärkt von materiellen hin zu immateriellen Investitionsgütern und wirft damit zum Beispiel die Frage nach deren Bewertbarkeit auf. Im Ergebnis verändert dies nicht nur die Bilanzstatik, sondern definiert auch die Anforderungen und Ansprüche an Sicherheiten und Haftkapital durch die Finanzierungspartner neu. Eine stabile und tragfähige Eigenkapitalbasis auf Basis einer zukunftsorientierten Bilanzanalyse ist daher die Grundlage für nachhaltiges unternehmerisches Wachstum und die Voraussetzung für den Einstieg alternativer Finanzierungspartner. Als „Benchmark“ für innovative Gründungen und technologisches Know-how dient im internationalen Vergleich oft das Silicon Valley. Neben einem kreativen Umfeld wird die hohe Verfügbarkeit von Finanzierungsquellen als zentraler Erfolgsfaktor gepriesen – doch auch hier muss sich der Standort Deutschland nicht verstecken. Verschiedene Anbieter haben diesen Markt hierzulande längst entlang aller Unternehmensphasen für sich erschlossen. Das passgenaue Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital ist dabei kein statisches Konstrukt, sondern immer am unternehmerischen Zielbild und gesellschafter einhergehen, und gleichzeitig sollen weitere Wachstumsszenarien nicht durch laufende Kapitalkosten belastet werden. An dieser Stelle können Direktinvestitionen beziehungsweise Beteiligungskapital eine zielführende Lösung sein. Auch für kleinere und mittlere Unternehmen Von stehen Lösungen ohne Martin Keller vordefinierte Laufzeitbegrenzungen für Mehrund Minderheitsbeteiligungen zur Verfügung. In Verbindung mit öffentlichen FördermitLeiter Product Manage- teln können durch diese ment Mittelstandsbank eigenkapitalnahen Finanzierungslösungen der Commerzbank AG die Voraussetzungen für weiteres Wachstum und verfügen, ist eine tragfähige Finan- ergänzende (Senior-)Finanzierungszierungspartnerschaft und langfris- bausteine geschaffen werden. Dies tig angelegte Zusammenarbeit von spiegelt sich auch in der Liquiditätsbesonderer Bedeutung. Ziel der Zu- planung und -steuerung für den Insammenarbeit ist neben konkreten vestitionszeitraum wider, da diese Finanzierungslösungen der Zugang Bausteine in der Regel endfällig verzu fachspezifischem Know-how, Netz- geben werden und somit liquiditätsschonendes Wachstum ermöglichen. werken und Beratungsleistungen. Fehlende finanzielle Spielräume Banken haben daher sukzessive ihre klassischen Finanzierungskompe- können Unternehmen in ihrem tenzen erweitert und schaffen durch Wachstumskurs beschneiden. Dies Vermittlungsdienstleistungen den gilt insbesondere für den unternehZugang zu öffentlichen Förderpro- merischen Entscheidungsspielraum: grammen und Zuschüssen, aber Je schwächer die Eigenkapitalbasis auch zu Netzwerken von Kapitalge- ist, desto stärker wird dieser durch bern und Know-how-Trägern. Ne- Dritte bestimmt. Der Einschätzung ben der reinen Vermittlung von Ei- und Bewertung entscheidender Zugenmitteln durch externe Dritte ha- kunftsfaktoren, wie zum Beispiel ben Banken schrittweise auch eige- Trends und Treibern in Markt und ne Finanzierungsvehikel, wie zum Branche, sowie der Modellierung Beispiel Tochtergesellschaften, die und Validierung von Businessplänen als Venture-Capital-Geber auftreten, kommt daher eine besondere Rolle am Markt etabliert. Darüber hinaus zu. Dies gilt auch für Unternehmen sind sie durch die Gründung eigener mit bewährten Geschäftsmodellen Inkubatoren in diesem Marktseg- in etablierten Märkten. Geplante Akquisitionen, Wachstum und Sprungment aktiv. Nach der initialen Wachstumspha- investitionen lassen sich nicht imse stehen Unternehmen oft vor der mer rein aus eigenen Mitteln und Herausforderung, die Investoren der klassischer Fremdfinanzierung stemersten Stunde abzulösen, die das men. Vor diesem Hintergrund kann eiUnternehmen in der Frühphase mit einem festen Zeithorizont und Exit- ne Eigenmittelfinanzierung, etwa in vorstellungen begleitet haben. Mit Form von Mezzaninekapital, Abhilfe diesem Schritt soll aber nach Mög- schaffen. Neben der Optimierung lichkeit keine Verwässerung der Alt- der Bilanzstruktur bietet diese Form der konkreten Investitions- und Wachstumsplanung orientiert. Insbesondere für junge Unternehmen, die noch über keine umfassenden drittverwendungsfähigen Sicherheiten oder thesaurierten Gewinne der Finanzierung durch die Schaffung eines zusätzlichen Verlustpuffers auch eine Art Geschäftsmodellversicherung, – ohne dass der unternehmerische Entscheidungsspielraum in den oftmals familiengeführten Unternehmen beschränkt wird. Durch den eigenkapitalnahen Charakter erzeugen diese Vehikel zudem eine Bonitätsverbesserung – ohne die bestehenden Sicherheitenund Covenantstrukturen zu verschlechtern. Doch nicht nur am Anfang des Unternehmenszyklus und in Wachstumsphasen ist Eigenkapital ein knappes Gut. Im Zuge der anstehenden Nachfolgewelle im deutschen Mittelstand kommt es vermehrt zu Unternehmensübergaben. Durch stille Beteiligungen oder Genussrechtskapital erfolgt eine Stärkung der Eigenmittel, ohne Sicherheiten zu binden. Bei Eigentümerstrukturen mit einem breit aufgestellten Gesellschafterkreis hat diese Lösung darüber hinaus den Charme, dass bestehende Gesellschafteranteile nicht verwässert und in der Regel keine gesellschaftsrechtlichen Mitspracherechte gewährt werden. Auch IPO denkbar Für den Eintritt in eine neue Unternehmensphase kann auch direkt an den Kapitalmärkten Eigenkapital eingeworben und die Eigenkapitalbasis, zum Beispiel im Rahmen eines Initial Public Offering (IPO) oder einer Kapitalerhöhung, gestärkt werden. In diesem Fall stehen dem Unternehmen die Mittel ohne operative Zweckbindung zur Verfügung, und die Abhängigkeit von Fremdkapitalgebern wird verringert. Als Nebeneffekt schafft diese Variante die Grundlage für weitere Kapitalmarktemissionen und greift durch die öffentliche Aufbereitung der eigenen Bonität möglichen Informationsasymmetrien vor. Dies kann beispielsweise geschäftsfördernde Signale an Zulieferer und Kunden zur Folge haben. Insbesondere mittelständisch geprägte Unternehmen sollten jedoch die gesetzlichen Transparenz- und Publi- kationspflichten und damit verbundene einmalige sowie laufende Kosten und das unternehmerische Mitspracherecht der Aktionäre berücksichtigen. Die Digitalisierung hat die Rahmenbedingungen für die Finanzintermediation nachhaltig verändert. Während klassische Eigen- und Fremdkapitalbausteine dem veränderten Wettbewerbsumfeld nicht immer vollumfänglich gerecht werden können, haben Banken durch umfangreiche Vermittlungsdienstleistungen und die Verbindung von bewährtem Risiko- und Markt-Know-how mit innovativen Formen der Kapitalausreichung ihre Angebotspalette ausgebaut. Sukzessive finden alternative „Im Zuge der anstehenden Nachfolgewelle im deutschen Mittelstand kommt es vermehrt zu Unternehmensübergaben. Durch stille Beteiligungen oder Genussrechtskapital erfolgt eine Stärkung der Eigenmittel, ohne Sicherheiten zu binden.“ Formen der Finanzintermediation, zum Beispiel in Form von Peer-toPeer-Lending-Plattformen, Einzug in die Unternehmensfinanzierung. Dabei werden durch bankeigene Lösungen die hohen Anforderungen an die Kreditgewährung sowie etablierte und aufsichtsrechtlich geprüfte Mechanismen der Ratingbestimmung beibehalten. In einem schlanken und transparenten Investitionsprozess werden so tragfähige Strukturen für Investoren und kapitalsuchende Unternehmen gewährleistet. Sonderbeilage Sonnabend, 19. November 2016 Börsen-Zeitung Nr. 224 B3 Mit Börsengängen von Konzerntöchtern Wert schaffen In vielen Fällen verbessert eine solche Maßnahme die Wettbewerbsposition und erhöht die finanzielle und strategische Flexibilität Roger Rüdisüli (2005) zeigt in einer empirischen Untersuchung eine deutliche langfristige Outperformance für Spin-offs sowohl in den USA als auch in Europa. Dies gilt für die abspaltende Gesellschaft ebenso wie für die abgespaltene Gesellschaft. Für IPO von Konzerntöchtern lässt sich demnach eine langfristige Outperformance so nicht feststellen. Es gibt der Studie zufolge jeVon doch zum Zeitpunkt der Foruhar Madjlessi . . . Ankündigung des IPO eines Geschäftsbereichs eine relevante Outperformance der Mutter. Zu den jüngeren euroKo-Leiter des Aktienpäischen Beispielen eremissionsgeschäfts folgreicher Reorganisatider Deutschen Bank onen im Wege eines IPO in Deutschland, Östergehören Philips Lighting reich und der Schweiz in den Niederlanden oder die tschechische In der überwiegenden Zahl der Fälle GE-Tochter Moneta Money Bank. geschieht dies durch Mergers & Ac- Namhafte weitere Fälle sind Ferrari quisitions-(M & A)-Verkäufe an stra- (Fiat), NN Group (ING), Worldline tegische Käufer oder Finanzinvesto- (Atos) oder Telefónica Deutschland ren. Dabei eröffnet der Weg über die (Telefónica). Insgesamt beläuft sich Börse oftmals eine attraktive Alter- das IPO-Emissionsvolumen aus Konzernunternehmen börsennotierter native. Mütter in Europa in den vergangenen 20 Jahren auf rund 87 Mrd. EuSpin-offs oder IPOs ro. Dazu kommen Abspaltungen, ob In Europa nutzen Unternehmen ganz oder teilweise, börsennotierter tatsächlich regelmäßig den Kapital- europäischer Konzerne einschließmarkt, um Portfolioveränderungen lich etwa World Duty Free oder Buumzusetzen. Grundsätzlich kann ein wog im Volumen von insgesamt Börsengang dabei auf zweierlei Wei- über 270 Mrd. Euro im genannten se erfolgen. Erstens im Wege eines Zeitraum. Das Gesamtvolumen sol„Spin-offs“ (Abspaltung) von Ge- cher Börsengänge in Höhe von insgeschäftsbereichen, vergleichbar einer samt über 350 Mrd. Euro belegt die Dividende an die Investoren der be- Bedeutung dieses Instruments. reits börsennotierten Mutter. Oder zweitens durch IPO (Initial Public OfMaßgeschneiderte Konzepte fering), also den Verkauf an institutionelle Kapitalmarktinvestoren. Der Reorganisationen von UnternehSpin-off wird dabei oft zu Unrecht men durch Börsengänge von Tochals „Schenkung“ eines Unternehmens- terunternehmen können dabei so teils begriffen. Aus der maßgeblichen umfangreich ausfallen, dass man Perspektive des Aktionärs handelt es von einer „Unternehmenstransforsich keineswegs um eine Schenkung, mation“ spricht. In Deutschland hasondern lediglich um die getrennte ben Siemens, Bayer, RWE und Eon Verbriefung eines bereits zuvor be- jüngst mit den Börseneinführungen stehenden Eigentumsanspruchs. Der von Osram, Covestro, Innogy und Erfolg eines Börsengangs kann zum Uniper die Relevanz einer AusgliedeBeispiel anhand der Aktienkurs-Out- rung über den Kapitalmarkt unterperformance der betreffenden Ge- mauert. Metro und United Internet sellschaften gemessen werden. haben Vergleichbares angekündigt Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Unternehmen haben permanent strategische Entscheidungen im Hinblick auf die Optimierung ihres Geschäftsportfolios oder die Konzernreorganisation zu treffen. Dies umfasst auch die Veräußerung von Geschäftsbereichen oder Tochterunternehmen. oder als mögliche Maßnahme in Aussicht gestellt. Strukturierungsvarianten für ein IPO von Konzernteilen gibt es viele. Deshalb können Konzepte auf die verschiedenen Finanz- und Kapitalanforderungen, aber auch auf die strategischen Erwägungen der jeweiligen Emittenten maßgeschneidert werden. Die Abspaltung oder das IPO eines Minderheitsanteils eines Unternehmens kann ein erster Schritt mit Blick auf eine künftige Veräußerung sein; alternativ kann das Management sich bewusst für eine dauerhafte Mehrheitsbeteiligung entscheiden. Siemens und Eon haben beispielsweise den Weg einer Abspaltung in Höhe von rund 80 % beziehungsweise rund 53 % der jeweiligen Tochter gewählt. Damit fließen den Unternehmen im ersten Schritt keine Mittel zu. Über einen späteren Verkauf zunächst bei der Mutter verbliebener Altaktien besteht aber sehr wohl die Möglichkeit, zukünftig Veräußerungserlöse zu erzielen. Frühere Abspaltungen etwa von Lanxess (durch Bayer) oder Takkt (durch Gehe) haben unmittelbar zu einer vollständigen Abgabe der jeweiligen Beteiligung geführt. Beispiele aus der Praxis Osram und Uniper sind Beispiele für Teilabspaltungen, denen weitere Veräußerungsschritte folgen dürften. Dagegen haben Bayer und RWE sich im Falle von Covestro und Innogy für ein IPO entschieden und auf diese Weise Mittel für die Mutter und/oder die Tochter erlösen können. Siemens hat in der Vergangenheit sein Engagement in aktiven und passiven elektronischen Bauteilen durch die IPOs von Infineon und Epcos und darauf folgende weitere Aktienplatzierungen sukzessive aufgegeben. In der Abwägung zwischen den verfügbaren Grundvarianten spielt die Beurteilung von Marktrisiken und Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarkts zu einem gegebenen Zeitpunkt ebenso eine Rolle wie die ganz unterschiedlichen finanziellen und bilanziellen Auswirkungen der Solide Ausstattung mit Eigenkapital Fortsetzung von Seite B 1 Auf die sehr frühe und frühe Phase ist unsere Venture-Capital-Tochter Bayern Kapital spezialisiert, die vor über 20 Jahren gegründet wurde. Mit der damaligen Gründung war Bayern, was das Thema Venture Capital in Deutschland betrifft, Vorreiter unter den Ländern und die LfA Vorreiter unter den Landesförderinstituten. Anspruch ist es, Finanzierungen zu realisieren, die für private Beteiligungsgesellschaften oder Business Angels allein oft nicht möglich wären. Als Spezialanbieter für technologieorientierte Start-ups ist Bayern Kapital als öffentlicher Finanzierer dabei immer zusammen mit privaten Lead-Investoren aktiv und verwaltet derzeit elf Beteiligungsfonds mit einem Beteiligungsvolumen von rund 340 Mill. Euro. Der Fokus liegt auf der Finanzierung von Gründern, bayerischen Hightech-Unternehmen und jungen, innovativen Technologieunternehmen, um diesen den Zugang zu Venture Capital für die Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte zu erleichtern. Das Netzwerk rund um Bayern Kapital verschafft den Beteiligungsnehmern neben frischem Kapital zusätzliches unternehmerisches Know-how und gezielte Marktkontakte. Verschiedenste Branchen Die innovativen, technologieorientierten Unternehmen stammen dabei aus verschiedensten Branchen wie beispielsweise Biotechnologie und Life Science, Software und IT, Medizintechnik, Werkstoffe und neue Materialien, Nanotechnologie und Umwelttechnologie. Durch den in 2015 hinzugekommenen Wachstumsfonds Bayern ist es Bayern Kapital möglich, nun für die gesamte Early-Stage-Phase als Eigenkapitalpartner die Unternehmen in der Entwicklung zu begleiten. Allein durch den Wachstumsfonds Bayern, der mit 100 Mill. Euro ausgestattet ist, werden voraussichtlich 250 Mill. Euro an Wachstumsinvestitionen für bayerische innovative Unternehmen mo- bilisiert. Der Start des Fonds verläuft vielversprechend. Universalanbieter für die Finanzierungsbedürfnisse des Mittelstands im Eigenkapitalbereich ist die Bayerische Beteiligungsgesellschaft BayBG – ebenfalls ein Unternehmen der LfAGruppe. Schwerpunkt ist hier das Engagement für den heimischen Mittelstand mit Kapital in Form von stillen und offenen Beteiligungen sowie Venture Capital. Der überwiegende Anteil der Finanzierungen liegt im klassischen Bereich der Wachstumsfinanzierung; die Spezialbereiche Turnaround, Venture Capital sowie Unternehmensnachfolge sind aber ebenfalls gefragt. Wertschöpfung am Standort Mit einem Volumen von mehr als 310 Mill. Euro ist die BayBG derzeit bei etwa 500 mittelständischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen engagiert. Diese Partnerunternehmen realisieren mit rund 50 000 Mitarbeitern einen jährlichen Umsatz von gut 9,5 Mrd. Euro. Das schafft Wertschöpfung am Standort. Speziell auch bei Existenzgründern im Handel, Handwerk, in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich hilft die LfA in Kooperation mit der Beteiligungsgesellschaft. Um den Bedürfnissen von schnell wachsenden jungen Start-ups oder von jungen Unternehmen in besonderen Finanzierungssituationen, wie Sprunginvestitionen, ein Angebot zur Verfügung zu stellen, arbeitet die LfA auch mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) zusammen. Bereits im Jahr 2009 haben wir gemeinsam mit dem EIF die sogenannte LfA-EIF-Fazilität ins Leben gerufen. Ziel der Fazilität ist es, neben den infrastrukturellen Voraussetzungen, die vor allem durch die Start-upInitiative des Bayerischen Wirtschaftsministeriums optimiert wurden, auch das entsprechende Finanzierungsökosystem für bayerische Unternehmen auszubauen. Hierbei soll die Fazilität als Ankerinvestor in einer frühen Phase des Fundraising Fonds unterstützen und durch das Investment aus der Fazilität ein positi- ves Signal für private Investoren setzen: beste Standards bei Fondsstrukturen und Governance liegen hier zugrunde. Ebenso soll durch den intensiven Due-Diligence-Prozess ein Katalysatoreffekt für privates Kapital geschaffen werden. Das Volumen der Fazilität beläuft sich derzeit auf 150 Mill. Euro. Inzwischen sind Investments in ca. 20 Fonds erfolgt, die alle einen Sitz oder ein Büro in Bayern haben. LfA und EIF investieren nur in Fonds, die mehrheitlich privat finanziert sind. Die mitfinanzierten privaten Venture-Capital-Fonds haben daher in Summe Investitionsmittel von ca. 2,6 Mrd. Euro zur Verfügung. Dadurch sind Investitionen in eine Vielzahl von Unternehmen, davon mehr als 40 bayerische Unternehmen, möglich geworden, die zum Teil bereits die großen Entwicklungserwartungen erfüllt haben. Neben der LfA-EIF-Fazilität sind wir gemeinsam mit den Partnern vom EIF, vom Bund und von der NRW.Bank im Rahmen des Mezzanin-Dachfonds für Deutschland aktiv. Auch hier ist das Ziel, mittelständischen Unternehmen ein alternatives Finanzierungsmodell anzubieten und private Investoren als Finanzierungspartner zu gewinnen. Alternativen. Letzteres insbesondere mit Blick auf die Eigenkapitalposition des Emittenten, die in korrespondierender Höhe zum Eigenkapital der abgespaltenen Anteile an der Tochter abnimmt. Der Spin-off lässt sich als eher technischer Weg an die Börse verstehen. Die Gesellschaft gibt Aktien der Tochter verhältniswahrend an ihre bestehenden Aktionäre. Die Abspaltung ist in der Folge vergleichsweise unabhängiger vom Kapitalmarktumfeld als der IPO, bei dem eine Kombination von Altaktien aus dem Bestand der Mutter und/oder neue Aktien der Tochter an institutionelle Investoren verkauft werden. Dennoch unterscheiden sich Aufwand und Prozess der Vermarktung in beiden Fällen nur unwesentlich. Während die Vermarktung im Falle eines IPO unmittelbar auf den Vertrieb der Aktien an relevante Investoren gerichtet ist, geht es bei einer Abspaltung um das Management des sogenannten „Flowbacks“. Das bedeutet, es sind frühzeitig auch solche Investoren anzusprechen und mit den Zukunftsplänen und -aussichten der neuen Gesellschaft – der „Equity Story“ – vertraut zu machen, die nicht automatisch Aktien erhalten. So lassen sich Verkaufsaufträge derjenigen Investoren, denen die Aktien der Tochter zunächst mechanisch „eingebucht“ werden, die aber in vielen Fällen nicht die natürlichen Eigentümer sind oder die Aktien aus technischen Gründen nicht halten dürfen, durch entsprechende Nachfrage anderer institutioneller Investoren auffangen. Ziel ist es dabei, einen allzu großen technisch bedingten Kursdruck auf die Aktien unmittelbar nach der Abspaltung zu vermeiden. Gründe und Motivation der Börseneinführung einer Tochtergesellschaft sind äußerst vielfältig. Wertaufhellung, Reduzierung von Komplexität, Wachstumsfinanzierung der Mutter oder Tochter sowie Schaffung einer „Akquisitionswährung“ spielen regelmäßig eine Rolle. Stark . . . und Josef Ritter Finanzabschlüsse (in der Regel sogenannte „Kombinierte Finanzzahlen“), die Definition relevanter Kennzahlen für den Kapitalmarkt, die Sicherstellung einer von der Mutter unabhängigen Finanzierung, gegebenenfalls die Loslösung aus einem gemeinsamen Cash-Pool sowie die Duplikation relevanter Stabstellen oder die Einrichtung einer eigenständigen Vertriebsorganisation sind einige der hier gegebenenfalls relevanten Themen. Schritte rechtzeitig prüfen Ko-Leiter des Aktienemissionsgeschäfts der Deutschen Bank in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) unterschiedliche Bewertungen verschiedener Geschäftsbereiche können ebenso den Börsengang einer Tochter motivieren wie die Notwendigkeit, in einem sich konsolidierenden Markt ein höheres Maß an finanzieller und strategischer Unabhängigkeit zu erlangen. Letztlich kann auch die strategische Entscheidung, sich zu fokussieren und somit bestimmte (Rand-)Geschäftsbereiche aufzugeben, ausschlaggebend für eine Veräußerungsentscheidung sein. Relevante Themen Unabhängig von der Struktur und der Motivation des Börsengangs ist die Umsetzung in der Regel komplex und erfordert, dass sich interne Experten und externe Berater eng abstimmen. Die organisatorische „Verselbständigung“ einer oftmals aus Betriebsteilen neu zu schaffenden Tochter, die entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und deren steuerliche Auswirkungen, das Aufstellen historischer Für einen erfolgreichen Börsengang muss jeder dieser Schritte aus Kapitalmarktsicht frühzeitig geprüft werden. Dies schließt weitere Themen mit ein, etwa Corporate Governance im weiteren Sinne, die Vergütung des Managements oder etwaige vertragliche Vereinbarungen zwischen Mutter und Tochter zur Regelung der fortgesetzten Bereitstellung von Dienstleistungen. Die Maßnahmen müssen geplant und in einen Kommunikations- und Vermarktungsplan für die neue Gesellschaft eingebettet werden. Die Erfahrung zeigt: Der frühzeitige Dialog mit den neuen Zielinvestoren – insbesondere im Falle eines IPO – und ein umfassender Vermarktungsplan sind entscheidende Erfolgsfaktoren. Bei aller Komplexität in Vorbereitung und Umsetzung untermauern die zahlreichen erfolgreichen Börsengänge von Konzernunternehmen in Deutschland und Europa die Relevanz dieses Instruments auch und gerade als Mittel der strategischen Portfolio-Optimierung oder der Konzernreorganisation. In vielen Fällen führt eine solche Maßnahme zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition von Mutter und/oder Tochterunternehmen, erhöhter finanzieller und strategischer Flexibilität und nicht zuletzt messbarer Wertschaffung für Eigentümer und Stakeholder. Dt. Beteiligungs AG ISARIA Wohnbau AG MPC Capital AG Sole Bookrunner EUR 38,6 Mio. Kapitalerhöhung Exchange Agent Übernahmeangebot von Lone Star Sole Bookrunner EUR 12,6 Mio. Kapitalerhöhung September 2016 September 2016 März 2016 publity AG SIXT LEASING AG Sole Bookrunner EUR 30,6 Mio. Kapitalerhöhung, Umplatzierung Joint Bookrunner EUR 239,3 Mio. Börsengang März 2016 Mai 2015 www.baaderbank.de Ihr Experte für Capital Markets Die Baader Bank ist führend im börslichen und außerbörslichen Handel von Finanzinstrumenten, ausgezeichnet als Corporate Broker und Trading-Partner für institutionelle Investoren, Berater von Unternehmen bei Kapitalmarkttransaktionen sowie der Erarbeitung von Finan- Optimale Bedingungen Für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg jedes Unternehmens ist eine solide Ausstattung mit Eigenkapital eine unverzichtbare Voraussetzung. Das gilt für den Mittelstand genauso wie für junge Wachstumsunternehmen, und zwar unabhängig vom Zinsumfeld. Die Bereitstellung von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mitteln hat daher auch in der Niedrigzinsphase eine hohe Bedeutung. Als Förderbank und damit als Partner der mittelständischen Wirtschaft unterstützen wir gemeinsam mit den privaten Finanzierern Unternehmen mit einem attraktiven Angebot für die jeweilige Phase. Das ist ein wichtiger Standortfaktor, denn innovative Unternehmen lassen sich dort nieder, wo sie die optimalen Rahmenbedingungen finden. zierungsstrategien mit Fokus auf die DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz). Ihr Vorteil als Unternehmen: Internationales Investorennetzwerk über die Bankstandorte in Frankfurt, München, Zürich, London, New York, Boston und Montreal. Unser Versprechen: Kompetenz, Erfahrung und exzellenter Service bei allen Fragen rund um den Kapitalmarkt. Professionelle und erfolgsorientierte Begleitung von Kapitalmarkttransaktionen. Die Baader Bank bietet ein breites Leistungsspektrum und individuelle Beratung – unabhängig, lösungsorientiert und auf Augenhöhe. Kontaktieren Sie uns: [email protected] Die Bank zum Kapitalmarkt. B 4 Börsen-Zeitung Nr. 224 Sonderbeilage Sonnabend, 19. November 2016 Life Sciences bieten Chancen für neue Geschäftsideen Förderbanken schieben private Investitionen an – Gute Vorschläge sollten nicht an der Finanzierung scheitern Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Die Lebenswissenschaften sind ein Wachstums- und Innovationsmotor für Deutschland. Sie bieten nicht nur Chancen für Investoren, sondern auch für neue Geschäftsideen. Denn sie schaffen Lösungsansätze für globale Herausforderungen wie die medizinische Versorgung, Umweltschutz oder die Sicherung der weltweiten Ernährung. Um Ideen rund um das Thema Life Sciences zur Marktreife zu führen, schieben Förderbanken private Investitionen an und unterstützen mit ihrem Netzwerk. Innovationsmotor Life Sciences zählen zu den wachstumsträchtigsten Technologiefeldern und sind ein Innovationsmotor für Deutschland. Nicht umsonst wird die Branche als einer der acht Leitmärkte für Nordrhein-Westfalen (NRW) definiert – weist sie doch ein hohes Innovationspotenzial für Gesellschaft und Wirtschaft auf. Die Lebenswissenschaften umfassen ein breites Spektrum – von der Krebstherapie über moderne Diagnostik und Analysemethoden bis hin zu innovativen Enzymen, die Bioabfall in Kraftstoff verwandeln. Im Zuge der demografischen Entwicklung kommt medizinischen Innovationen eine wachsende Bedeutung zu. Denn für eine älter werdende Gesellschaft spielen Medizintechnik, Wirkstoffentwicklung, Home Care und der Bereich der digitalen Gesundheit eine immer größere Rolle. Zudem suchen die Lebenswissenschaften für globale Herausforderungen wie die Bekämpfung von Epidemien, den Schutz der Umwelt und die Sicherung der weltweiten Ernährung nach neuen Antworten. Unternehmen aus diesem Bereich machen Ergebnisse der Grundlagenforschung anwendbar und tragen dazu bei, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu stärken. Umgekehrt prägt Nordrhein-Westfalen diese Branche nachhaltig: Gerade NRW, das mit seinen 70 Hochschulen, zwölf Max-PlanckInstituten, elf Fraunhofer-Instituten, zehn Leibniz-Instituten und dem Forschungszentrum Jülich zu den größten Forschungslandschaften Europas zählt, bietet jungen Unternehmen aus dem Biotechnologieund Medizinbereich ein ideales Umfeld. Da NRW gleichzeitig Sitz vieler bekannter Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich ist, verzahnen sich in diesem Ballungsraum Wissenschaft und Wirtschaft eng miteinander und befruchten sich gegenseitig. Geprägt wird die Branche von jungen und etablierten Unternehmen gleichermaßen: Neben einigen großen, international agierenden Unternehmen wie Qiagen, Miltenyi Biotec, Bayer Health Care, UCB, Henkel, Lanxess und Evonik Industries haben gerade auch einige sehr junge Unternehmen bewusst NRW als ihren Unternehmenssitz gewählt. Das wirkt sich auch auf die Anzahl der Beschäftigten in dieser Branche aus. Laut Cluster Biotechnologie Nordrhein-Westfalen BIO.NRW waren im Jahr 2015 in NRW im Bereich der besonders innovativen Biotechnologien mit knapp 4 000 Angestellten die meisten Mitarbeiter im Bundesvergleich beschäftigt. Insgesamt erzielten die Biotechnologie-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen Von Michael Stölting Vorstandsmitglied der NRW.Bank 44 % der Umsätze der gesamten Branche in Deutschland. Neue Industriezweige In den Life Sciences entstehen neue Industriezweige, in denen Produkte mit hohem Kommerzialisierungspotenzial entwickelt werden. Entsprechend hat sich diese Branche in den USA zu einer Boombranche entwickelt, die zahlreiche private Investoren anzieht. Doch zwischen den USA und Deutschland bestehen deutliche Unterschiede. Obwohl die Branche auch hierzulande ein hohes Wachstumspotenzial hat und damit interessant für Investoren ist, halten sich potenzielle Kapitalgeber in Deutschland immer noch zurück. Das gilt für Branchenkenner ebenso wie für fachfremde Investoren. Dabei sind insbesondere Investitionen in Forschung und Entwicklung so- wie die Vermarktung der Produkte notwendig. Nur durch sie können Start-ups den Markteintritt überhaupt schaffen und etablierte deutsche Life-Science-Unternehmen international mithalten. Um die Finanzierungslücke zu schließen, kommt der Eigenkapitalfinanzierung eine wichtige Rolle zu. Hier spielen Förderbanken wie die NRW.Bank eine wesentliche Rolle. Sie unterstützen den Markt mit günstigen Förder- und Finanzierungsangeboten und beleben ihn mit Eigenkapitalangeboten. Auf diese Weise schieben sie private Investitionen mit an. Mit seiner Gründungsexpertise ist das Beteiligungsteam der NRW.Bank in der Lage, Branchen angemessen zu verstehen und die Aussichten auf den Erfolg von Geschäftsmodellen richtig einzuschätzen. Es unterstützt früh bei unternehmerischen Fragen und berät beim Erstellen von Businessplänen ebenso wie beim Planen von Vermarktungsstrategien sowie bei deren Ausführung. Zudem begleiten Förderbanken aktiv durch die Übernahme von Beirats- oder Aufsichtsratsmandaten. Diese Expertise bietet sowohl Gründern als auch Investoren einen Mehrwert. Zugang zu Netzwerken ebnen Technologieorientierte Existenzgründer benötigen neben Kapital und Beratung aber auch einen Zugang zu guten Netzwerken, insbesondere zu internationalen Industriepartnern, markterfahrenen Kapitalgebern und innovativen Mittelständlern. Damit stellen Start-ups sicher, dass sie Technologien, Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die sich an den Bedürfnissen des Marktes orientieren. Für diese Gründer gibt es in NRW eine bundesweit einmalige Anlaufstelle: das NRW.Bank.Venture Center. Es berät Interessierte aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen, identifiziert vielversprechende Ideen mit Vermarktungsperspektive und unterstützt bis in die Gründungsphase. Erfolgreiche Ausgründungen Gründer brauchen zudem Raum zur Entwicklung. In Gründerzentren und den Life-Science-Inkubatoren in NRW finden Forscher, Wissenschaftler und junge Start-ups ein optimales Umfeld. Wie fruchtbar sich dort Start-ups entwickeln, zeigen erste Ausgründungen wie zum Beispiel aus dem Life-Science-Inkubator in Bonn, an dem auch die NRW.Bank mit Kapital aus dem Pre-Seed-Fonds beteiligt ist. Aus diesem gründete sich im April 2014 als erster Spin-off die Neuway Pharma GmbH aus. Nach einer mehrjährigen Phase der Grundlagenforschung erhielt das Start-up 2,7 Mill. Euro Erstrundenfinanzierung von einem Investorensyndikat. Neuway beschäftigt sich mit der präklinischen und klinischen Entwicklung von innovativen Therapeutika für die Behandlung von seltenen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, beispielsweise Gehirntumoren. Ein Boomfeld ist die personalisierte Medizin. Eine individualisierte Behandlung erhöht vor allem in der Onkologie, bei Autoimmunerkrankungen und Diabetes nicht nur die Versorgungs- und Lebensqualität der Erkrankten. Weil unwirksame Therapien vermieden werden, steigt auch die Kosteneffizienz im Gesundheitswesen. Eine Erfolgsgeschichte ist die NEO New Oncology AG aus Köln mit ihrem molekulargenetischen Test für Krebszellen. Dessen Ergebnisse ermöglichen dem behandelnden Arzt die Auswahl personalisierter Behandlungsstrategien. Dieser völlig neuartige Gentest wurde an der Universität zu Köln entwickelt und mit Unterstützung des NRW.Bank.Venture Fonds zur Marktreife gebracht. Im Frühjahr 2016 erfolgte der Verkauf an die inzwischen umbenannte Siemens Healthcare GmbH. Den Life Sciences geht es jedoch nicht nur um das Erkennen und Heilen von Krankheiten. Digitale Prozesse und die Auswertung großer Datenmengen im Sinne von „Big Data“ helfen auch gesunden Menschen. Smartphones, Wearables und tragbare Mini-Computer erheben heute bereits Gesundheitsinformationen. Erste Krankenkassen wollen so ihre Mitglieder im Rahmen der Gesundheitsvorsorge zu mehr Bewegung animieren. Auch hier bieten sich Chancen für neue Geschäftsmodelle. Gemeinsam agieren Dass diese guten Geschäftsideen nicht an der Finanzierung scheitern, ist eine der wichtigsten Aufgaben von Förderbanken wie der NRW.Bank. Sie stellen nicht nur Kredite und Eigenkapital zur Verfügung, sondern unterstützen auch durch vielschichtige Beratung und ihr breites Netzwerk. So sorgen sie dafür, dass jede erfolgversprechende Gründeridee die passende Finanzierung erhält, damit gesamtgesellschaftliche Herausforderungen gemeinsam erfolgreich bewältigt werden. IPO ohne öffentliches Angebot durchaus eine Option Weniger Preis- und Erfolgsdruck – Abzuwägen bleibt, ob eine ausreichende Anzahl von Investoren erreicht werden kann nannten Private Placement platziert und anschließend zugelassen. Die letzten prominenten Börsengänge ohne öffentliches Angebot waren Schaeffler, Hella und Evonik. Die Schaeffler AG hat es geschafft, unmittelbar zu Beginn der VW-Krise im Herbst 2015 in einem schwierigen Umfeld an die Börse Von zu gehen und das Risiko Achim Herfs . . . etwaiger negativer Publizität im Falle eines Abbruchs des Börsengangs bis zum Schluss gering zu halten. Sogenannte „Wallcrossed“-Investoren wurden vorab Partner angesprochen, um debei Kirkland & Ellis, ren InvestitionsbereitMünchen schaft zu sondieren. Nach Bekanntgabe der Börsengang ab. Es wäre nach der Preisspanne wurden innerhalb einer Innogy SE das zweitgrößte IPO (Initi- Woche die Roadshow des Manageal Public Offering) in diesem Jahr ments durchgeführt, der finale Preis gewesen. Als Grund wurde angege- je neuer Aktie festgelegt und der ben, dass Investoren nicht bereit wa- Wertpapierprospekt für die Börsenzuren, den geforderten Preis zu zah- lassung gebilligt und veröffentlicht. Im Fall des Börsengangs der Hella len. Tatsächlich waren während der ersten Angebotswoche die Aktienkur- KGaA Hueck & Co im Jahr 2014 wurse der „Peer Group“ um bis zu 10 % de die Privatplatzierung von 10 % der Aktien mit einem zweitägigen öfgefallen. fentlichen Angebot von weiteren 5 % der Aktien kombiniert. Bei der EvoNachdenklich gestimmt nik Industries AG, die im Jahr 2012 Dass ein Börsengang eines Unter- als erster Emittent nach mehrfachen nehmens mit einem stabilen Ge- vergeblichen Versuchen den Weg an schäftsmodell und attraktiver Divi- die Börse ohne das übliche öffentlidendenrendite in einem grundsätz- che Angebot gesucht hatte, folgte lich positiven Börsenumfeld abge- auf das Private Placement ebenfalls sagt werden muss, wird viele poten- ein kurzes öffentliches Angebot. zielle Emittenten und Finanzinvestoren, die einen Exit über die Börse erAblauf und Vermarktung wägen, nachdenklich stimmen. Wie das Beispiel OfficeFirst zeigt, setzt Im herkömmlichen IPO-Prozess sich der Emittent aber während der verläuft die Vermarktung in zwei Dauer des öffentlichen Angebots ei- Schritten: einem nicht öffentlichen ner öffentlichen Preisdiskussion und Pre-Marketing-Prozess und dem öfMarktrisiken aus. fentlichen Angebot, das meistens Die Absage eines Börsengangs zwei Wochen dauert. In der Pre-Markann für ein Unternehmen sehr nach- keting-Phase werden bei ausgewählteilig sein. Sie verunsichert Mitarbei- ten Investoren das Interesse an dem ter und Eigentümer und wird die Be- Emittenten und die Bewertung sonwertung bei einem erneuten Anlauf diert. Aufgrund des Feedback weroder einem alternativen Trade Sale den die finale „Go/No Go“-Entscheinachteilig beeinflussen. Diese Risi- dung für den Börsengang getroffen ken können minimiert und der Repu- und die Preisspanne festgelegt. tationsschaden durch die Absage ei- Dann beginnt die zweite Phase: das nes bereits öffentlich angekündigten öffentliche Angebot auf der GrundlaIPO kann vermieden werden, wenn ge des von der Bundesanstalt für Fiein Börsengang ohne öffentliches An- nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebot durchgeführt wird. Die Preis- gebilligten Prospekts und der Roadfindung spielt sich dann unter Aus- show des Managements. Schließlich schluss der Öffentlichkeit ab. Es wer- folgt die Preisfestsetzung. den nur potenzielle institutionelle InAuch bei einem Börsengang ohne vestoren angesprochen und die Ak- öffentliches Angebot wird im ersten tien im Rahmen eines größeren soge- Schritt eine Gruppe von potenziellen Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Am 11. Oktober dieses Jahres sagte das Immobilienunternehmen OfficeFirst, ein Tochterunternehmen der IVG, eine Woche nach Beginn des öffentlichen Angebots den geplanten Investoren identifiziert und werden Sondierungsgespräche geführt. Idealerweise sollte die potenzielle Nachfrage dieser Gruppe einen wesentlichen Teil (30 bis 50 %) des geplanten Emissionsvolumens abdecken. Hat der Emittent Anleihen ausgegeben oder werden etwaige Schuldinstrumente im Kreditmarkt gehandelt (was bei größeren syndizierten Finanzierungen der Fall sein wird), erfordert die erste Ansprache ein sogenanntes „Wallcrossing“ der Investoren. Sie erhalten die vertrauliche und für die gehandelten Schuldinstrumente potenziell preissensitive Information, dass der Emittent einen Börsengang erwägt. Für das „Wallcrossing“ müssen die Vorgaben für eine Marktsondierung nach der neuen Marktmissbrauchsverordnung (Ziffer 11 MAR) eingehalten werden. Wichtig ist dabei das anschließende sogenannte Cleansing, da die Investoren nur über einen möglichst kurzen Zeitraum „restricted“ bleiben wollen, um nicht am Handel in den Schuldinstrumenten gehindert zu sein. Nach dem Pre-Marketing wird die Preisspanne festgelegt. Auf dieser Grundlage kann eine größere Gruppe von Investoren angesprochen werden, um das geplante Emissionsvolumen abzudecken. Es müssen mindestens 100 Aktionäre investieren, um eine breite Streuung der Aktien zu schaffen, die neben einem Streubesitzanteil von 25 % des Grundkapi- „Auch bei einem Börsengang ohne öffentliches Angebot wird im ersten Schritt eine Gruppe von potenziellen Investoren identifiziert und werden Sondierungsgespräche geführt.“ tals (bei großen Emissionsvolumina reichen auch 10 bis 15 %) Voraussetzung für die Börsenzulassung ist. Diese Phase dauert in der Regel eine Woche. Für die Vermarktung kann ein Offering Memorandum verwendet werden, das mit dem späteren Zulassungsprospekt identisch sein sollte. Das gilt auch für das Pre-Marketing, in dessen Rahmen ein Offering Memorandum ohne Preisspanne verwendet werden kann (sog. Pink Herring). Weicht das Offering Memorandum von dem später gebilligten Zulassungsprospekt ab, müssen die Investoren, die aufgrund des Offering Memorandum ihren Zeichnungsauftrag abgegeben haben, über die Veränderungen informiert werden. Unklar ist, ob im Fall der Zeichnung aufgrund des Offering Memorandum und vor Billigung des Zulassungsprospekts die Prospekthaftung nach Wertpapierprospektgesetz (WpPG) Anwendung finden würde, da diese rein formal auf einen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG veröffentlichten Angebotsprospekt abstellt. Eben der liegt in dieser Transaktionsstruktur jedoch nicht vor. Es können dann die Grundsätze der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung nach dem Recht des Landes, in dem die Zeichnung erfolgte, zur Anwendung kommen. Die Haftungsmaßstäbe können dabei unterschiedlich sein. Kein Risiko mehr Nach einer gesicherten Privatplatzierung kann noch ein kurzes öffentliches Angebot durchgeführt werden, um das Emissionsvolumen und die Anzahl der Investoren zu erhöhen. Ist die Platzierung bereits gesichert, ist mit dem öffentlichen Angebot kein Risiko mehr verbunden. Eine Abweichung in der Vermarktung kann sich durch das sogenannte Deal Related Research ergeben. Bei regulären IPOs in Europa ist es üblich, bei der Vermarktung Research Reports zu verwenden, die von Analysten der begleitenden Banken auf der Grundlage einer Analystenpräsentation des Emittenten erstellt werden. Dies ist von Vorteil für die Investoren, da sie ein Modell für die Bewertung des Emittenten geliefert bekommen, einschließlich der Einschätzung des Analysten, welche Unternehmen zu der für Bewertungszwecke relevanten Peer Group des Emittenten gehören. Obwohl die Verwendung von Research Reports der begleitenden Banken in den USA verboten ist, akzeptieren internationale Banken die Praxis in Europa, da die Research Reports erst nach Bekannt- gabe des IPO verteilt werden und mit Veröffentlichung des Prospekts und somit vor der eigentlichen Investitionsentscheidung ein sogenanntes Level Playing Field für alle Investoren hergestellt wird. . . . und Anna Schwander Partner bei Kirkland & Ellis, München Bei einem Platzierungsverfahren ohne öffentliches Angebot fehlt es an dem Level Playing Field vor der Investitionsentscheidung, weshalb manche Banken bei der Verwendung von Research Reports aus Compliance-Gründen zurückhaltend sein werden. Ohne Research ist die Prüfung der Investition für den einzelnen Investor aufwendiger, was nachteilig für die Platzierung sein kann. Es ist daher im Einzelfall mit den begleitenden Banken zu diskutieren, in welcher Form Research verwendet werden kann. Die Zusage des Investors, Aktien zu übernehmen, kann durch ein Investment Agreement dokumentiert werden. Ansonsten kann eine kurze Vereinbarung zum Zeitpunkt der Order abgegeben werden, die Regelungen zur Vertraulichkeit, Haftungsbegrenzung, Geltung des deutschen Prospektrechts, zum Listing als aufschiebende Bedingung etc. enthält. Dies kann jedoch zu inhaltlichen Diskussionen führen, die den Prozess verkomplizieren und Investoren abschrecken. Will man das vermeiden, kann auch die Unterzeichnung einer Order lediglich unter der aufschiebenden Bedingung der Zulassung der Aktien ausreichen. Fazit – Im Ergebnis bleibt abzuwägen, ob ausreichend interessierte Investoren bekannt und Informationen am Kapitalmarkt verfügbar sind, um ein IPO ohne öffentliches Angebot durchführen zu können. Dem öffentlichen Preis- und Erfolgsdruck kann man dadurch sicherlich besser entgehen, als wenn man ein – oftmals auch ressourcenintensiveres – IPO mit öffentlichem Angebot durchführt. Vor dem Hintergrund des jüngst abgesagten Börsengangs von OfficeFirst sollten Unternehmen und Gesellschafter ein IPO ohne öffentliches Angebot daher durchaus in Erwägung ziehen. Impressum Börsen-Zeitung Sonderbeilage Eigenkapital Am 19. November 2016 Redaktion: Claudia Weippert-Stemmer Anzeigen: Bernd Bernhardt (verantwortlich) Technik: Tom Maier Typografische Umsetzung: Klaus Jung Verlag der Börsen-Zeitung in der Herausgebergemeinschaft WERTPAPIER-MITTEILUNGEN Keppler, Lehmann GmbH & Co. KG, Düsseldorfer Straße 16, 60329 Frankfurt am Main, Tel.: 069/2732-0, (Anzeigen) Tel.: 069/2732-115, Fax: 069/233702, (Vertrieb) 069/234173. Geschäftsführung: Ernst Padberg (Vorsitzender), Torsten Ulrich, Dr. Jens Zinke Druck: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH; Kurhessenstraße 4–6, 64546 Mörfelden-Walldorf Sonderbeilage Sonnabend, 19. November 2016 Börsen-Zeitung Nr. 224 B5 Gang aufs Parkett braucht die richtige Strategie Nachhaltig besserer Zugang zu Eigen- und Fremdkapital – Aber auch Ressourcenbindung sowie Folgepflichten Die Börsenreife des Unternehmens ist die Fähigkeit, sämtliche gesetzlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Anforderungen, die mit einem Börsengang verbunden sind, zu erfüllen. Hierzu gehören sowohl Mindestanforderungen an die Unternehmensgröße, die Qualität der Finanzberichterstattung Von als auch an die interne Oliver Diehl Organisation im Hinblick auf Transparenz und Kommunikation. Weitere Voraussetzungen eines Börsenganges sind sowohl der realisierte Geschäftserfolg mit eiLeiter ner attraktiven ErgebnisEquity Capital Markets entwicklung in der Verbei Berenberg gangenheit als auch ein umfassender Businessterschiedlich. Im Vordergrund ste- plan für die künftigen Jahre. Investoren achten auf solide Finanhen meist die Möglichkeit einer kostengünstigen Finanzierung des Un- zen und eine überzeugende Equity ternehmenswachstums und der Story. Die jeweilige Markt- und BranWunsch nach einer Stärkung der Ei- chenpositionierung des Unternehgenkapitalbasis sowie die Handelbar- mens beeinflusst ebenfalls den Grad keit und tägliche Bewertung der Un- der Börsenreife. Hierbei sollte sich das Geschäftsmodell im Hinblick auf verternehmensanteile. gleichbare Unternehmen klar unterscheiden. Welches WachstumspotenSorgfältig abwägen zial hat die jeweilige Branche? Wie Die Vor- und Nachteile eines Bör- sieht die Wettbewerbsintensität im senganges sind vielseitig und von Markt aus? Der Börsenkandidat sollweitreichender Bedeutung für das te bezüglich der Wachstumsrate, Umzukünftige Wachstum. Eine richtige satzentwicklung und des MarktanKapitalmarktstrategie, die auf das teils eine überdurchschnittliche Geschäftsmodell und die Finanzie- Performance abbilden und sichtbare widerrungsbedürfnisse eines Unterneh- Wachstumsmöglichkeiten mens abgestimmt ist, vermag es, die spiegeln. Darüber hinaus ist eine glaubwürWachstumsstrategie der Gesellschaft wirksam zu unterstützen. Ein dige Darstellung der Verwendung Börsengang ist allerdings mehr als der Emissionserlöse für die Realisiedie reine Kapitalbeschaffung, er ist rung der vorgestellten Wachstumsauch mit bedeutenden Kosten und strategie von großer Bedeutung. weiterem Folgeaufwand verbunden. Letztlich spielt die Qualität des MaDaher sollte nur nach sorgfältiger Ab- nagements eine wichtige Rolle. Hierwägung die Entscheidung getroffen bei stehen die fachliche und persönliwerden, ob sich der Schritt an die che Reife, eine umfangreiche Industrieerfahrung sowie idealerweise eiBörse lohnt. Vor jedem Börsengang muss zu- ne langjährige Unternehmenszugenächst geprüft werden, ob das Unter- hörigkeit im Vordergrund. All diese nehmen reif für den Aktienmarkt ist. Faktoren spielen bei der Beurteilung Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Der Weg an die Börse ist ein Meilenstein und bedeutender Schritt für die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens. Die Gründe für einen Gang auf das Börsenparkett sind un- Der Kapitalmarkt lebt Fortsetzung von Seite B 2 ziert, und Verlässlichkeit und Sicherheit eines Investments haben an Wertschätzung zugelegt. Das Phänomen negativer Zinsen ist hierfür offensichtlicher Beleg: Nicht wenige Investoren sind in bestimmten Marktphasen bereit, für den bloßen Werterhalt ihres Investments sogar zu bezahlen. Aber für die Unternehmen bleibt es dabei: Von ihnen wird bei der Kapitalaufnahme weiterhin eine auskömmliche, den eingegangenen Risiken angemessene Rendite verlangt – beim Aktieninvestor beispielsweise aus der Wertsteigerung des erworbenen Papiers. Je nach Branche kommt die Forderung nach Gewinnbeteiligung in Form von Dividenden hinzu. Dividendenpolitik vermitteln Für Gesellschaften ist hier aber Maßhalten angesagt, denn wenn Ausschüttungen nicht voll operativ verdient werden, schmälert das langfristig die Substanz und damit das Kapital des Investors. Und auch Wachstumsunternehmen bieten aus guten unternehmerischen Gründen keine hohen Dividendenrenditen, wenn überhaupt. Familiendominierte Gesellschaften neigen bei Dividenden gerne zur Zurückhaltung, um auf lange Sicht die Substanz des Unternehmens für schwierige Marktphasen zu stärken. Die Dividendenpolitik eines Unternehmens muss Investoren vermittelt werden. Dies ist Aufgabe der Bank als Bindeglied zwischen Investor und Unternehmen. Unternehmen ohne Kapitalmarkterfahrung sind auf professionelle Unterstützung einer Bank, die sich mit den Erwartungen der Kapitalgeber auskennt, angewiesen. Gerade deutsche Eigenkapitalinvestoren erwarten von Unternehmen Verlässlichkeit. Sie wollen klar formulierte, erreichbare, nachvollziehbare Unternehmensziele und bevorzugen konservative und langfristige Planungen. „Underpromise – overdeliver“ bleibt die beste Richtschnur unternehmerischer Kommunikation. Lieber weniger versprechen und das Versprochene übererfüllen, das ist im Kern, was Eigenkapitalinvestoren von Unternehmen erwarten. Das gilt gerade im risikoaversen Deutschland. Wem es als Unternehmen gelingt, über Jahre seine Prognosen zu erfüllen, der gewinnt das Vertrauen des Marktes – ein hohes, aber scheues Gut. Ein verlässlicher Track Record ist für Investoren wichtige Kenngröße bei der Beurteilung einer Firma und ihres Managements. Darüber hinaus zählen ein starkes Management und eine überzeugende Equity Story möglichst innerhalb einer schnell wachsenden und attraktiven Branche. Im Falle von Brain war dies alles gegeben. Die hohe Retailnachfrage unterstreicht das Interesse. In Kombination mit der Nachfrage institutioneller Investoren ergibt das einen stabilen, diversifizierten Investorenmix. Börsengänge bleiben im aktuellen Markt eine Herausforderung. Brain aber hat gezeigt, dass auch in schwierigen Marktlagen der Weg auf das Parkett nicht grundsätzlich verstellt ist. Es bedarf jedoch eines Unternehmens mit hoher Qualität sowie einer guten Vorbereitung mit einem passenden Platzierungskonzept. Generell haben Investoren über die vergangenen bewegten Börsenjahre gelernt, auch mit volatilen Märkten umzugehen. Den Kandidaten ist zu raten, sich frühzeitig vorzubereiten, um günstige Marktphasen zu nutzen. Neben der frühen Ansprache der Schlüsselinvestoren haben wir den Börsengang über etliche Monate schon vor dem eigentlichen IPO zusammen mit dem Management vorbereitet. eines Börsenaspiranten durch den Kapitalmarkt im Zuge eines Börsenganges eine herausgehobene Rolle. Der Gang an die Börse ist mit einer Reihe von Vorteilen verbunden. Zunächst eröffnet die Kapitalmarktpräsenz besseren Zugang zu Eigenund Fremdkapital für die Deckung des unternehmenseigenen Finanzierungsbedarfs. Mit der Ausgabe von neuen Aktien stärken Unternehmen ihre Eigenkapitalquote und erzielen eine höhere Flexibilität und Unabhängigkeit in der Unternehmensfinanzierung. Auch die Bonität gegenüber Fremdkapitalgebern wie Banken und Lieferanten verbessert sich dadurch erheblich. Zusätzlich bietet die tägliche Handelbarkeit mit Unternehmensanteilen höhere Flexibilität, sowohl für Altaktionäre im Bezug auf die Diversifizierung ihres Vermögens als auch für Neuinvestoren auf der Suche nach attraktiven Investitionsopportunitäten. Ein Börsengang bietet neben einer möglichen Kapitalerhöhung auch Altaktionären die Möglichkeit, bestehende Aktien am Kapitalmarkt zu verkaufen und somit ihren Anteil am gelisteten Unternehmen zu reduzieren. Es gilt allerdings zu beachten, dass ein kontinuierlicher Abverkauf von Unternehmensanteilen durch Altaktionäre möglicherweise durch den Kapitalmarkt als Signal interpretiert wird in Bezug auf die zukünftigen Geschäftsaussichten der Gesellschaft. Allgemein erzielen börsengelistete Unternehmen eine höhere Bewertung als Unternehmen, deren Anteile nicht an der Börse handelbar sind. Weiterhin schafft ein Börsengang mit der Ausgabe von handelbaren Aktien nicht nur eine attraktive Ak- quisitionswährung, sondern auch die Grundlage für eine ergänzende aktienbasierte Mitarbeitervergütung in der Zukunft. Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist, dass die durch die Pressebegleitung des Börsenganges geschaffene zusätzliche mediale Aufmerksamkeit die Bekanntheit der Marken und Produkte des Unternehmens weiter steigert. Auf der anderen Seite stehen die Kosten und Pflichten eines Börsenganges. Hierzu gehören umfangreiche Transparenz- und Publizitäts- „Entscheidend für den Erfolg eines Börsengangs sind neben der Ausarbeitung einer für die Investoren überzeugenden Equity Story des Unternehmens die konsequente Adressierung dieser Vorbehalte unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Anforderungen des Börsenkandidaten.“ pflichten, Anforderungen an die Corporate Governance sowie andere organisatorische und zeitliche Anforderungen. Die Pflege der Beziehung zu Kapitalgebern kostet Zeit und bindet Ressourcen. Der Umfang der Anforderungen an die periodische Berichterstattung und an die Einhaltung von Corporate-Governance-Vorgaben hängt von dem jeweiligen Listingsegment ab, in dem das Unternehmen an der Börse gehandelt wird. Diese Anforderungen bestimmen auch die Höhe der Kosten für periodische Berichterstattung und Investorenbetreuung. Darüber hinaus ist ein Börsengang allgemein mit stärkerer Mitsprache bei der Unternehmensstrategie verbunden, insbesondere getrieben durch die mit der zunehmenden Transparenz einhergehenden Leistungserwartungen der Kapitalmarktöffentlichkeit. Eigen- und Fremdkapitalgeber, Analysten, Geschäftspartner und Wettbewerber haben zudem nun direkten Zugang zu Finanzdaten und verfolgen die Unternehmensentwicklung aufmerksam. Mit dem Börsengang verfolgen Unternehmen meist das Ziel, die Internationalisierungs- oder Wachstumsstrategie sowie Innovationsvorhaben konsequenter zu verfolgen. Um den Kapitalbedarf für diese Vorhaben zu decken, stehen einem Unternehmen neben einem Börsengang eine Reihe von weiteren Alternativen zur Verfügung. Hierzu gehört die Aufnahme von Fremdkapital, beispielsweise durch die Emission einer Unternehmensanleihe. Oft bietet sich eine Anleiheemission als eine attraktive Möglichkeit für Unternehmen an, um erste Kapitalmarkterfahrungen zu sammeln, bevor ein Börsengang angestrebt wird, zumal die Anforderungen für die Begebung einer Unternehmensanleihe weniger restriktiv sind als die Anforderungen an einen Börsengang. Über den Erfolg eines Börsenganges entscheidet auch das aktuelle Kapitalmarktumfeld. Die Schwankungen am Kapitalmarkt in der letzten Zeit verstärken oft bestehende Vorbehalte gegen einen möglichen Börsengang. Hinzu kommen neben den einmaligen Kosten die Sorge vor dem allgemeinen Regulierungsniveau oder einer zu niedrigen Bewertung des Unternehmens durch den Kapitalmarkt sowie ein nicht ausreichendes Verständnis des Geschäftsmodells durch die Kapitalmarktöffentlichkeit. Entsprechende Reife nötig Entscheidend für den Erfolg eines Börsenganges sind daher neben der Ausarbeitung einer für die Investoren überzeugenden Equity Story des Unternehmens die konsequente Adressierung dieser Vorbehalte unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Anforderungen des Börsenkandidaten. Hierfür ist die Auswahl der richtigen begleitenden Banken von entscheidender Bedeutung. Neben der Fähigkeit, die beschriebenen Angaben zu erfüllen, steht die Platzierungsfähigkeit durch die begleitenden Banken am Kapitalmarkt im Vordergrund. In Summe bieten die strukturellen Rahmenbedingungen im heutigen Kapitalmarkt eine attraktive Möglichkeit für Unternehmen mit der entsprechenden Reife, mittels eines Börsenganges nachhaltig besseren Zugang zu Eigen- und Fremdkapital zu erhalten, das Unternehmenswachstum zu beschleunigen sowie durch erhöhte Publizität die Bekanntheit des Unternehmens weiter zu steigern. Deutsche Börse Venture Network Perfektes Matching für Wachstumsunternehmen und Investoren Eigenheiten beachten Bei Healthcare haben wir in allen drei relevanten Bereichen Corporate Finance, Research und Distribution die in Europa führende Plattform und verfügen durch unseren länderübergreifenden deutsch-französischen Schwerpunkt über erhebliche Platzierungskraft. Nicht zuletzt konnten wir die BHF-Bank als Selling Agent in die Transaktion einbinden, was dazu beigetragen hat, die Transaktion zum Erfolg zu führen. Allerdings – und das gilt es zu beachten – durchlebt der Markt eine Phase, deren Eigenheiten es zu berücksichtigen gilt. Finanzierungen durch Eigenkapital haben für Unternehmen wie Investoren viele grundsätzliche Vorteile. In Frankreich gibt es mittlerweile eine ganze Reihe Fonds, die sich auf Deutschland fokussieren. Deutsche Börse Venture Network führt als neutrale Plattform wachstumsstarke Unternehmen mit nationalen und internationalen Investoren gezielt zusammen. Dabei berücksichtigt die Deutsche Börse den besonderen Finanzierungsbedarf der Unternehmen und die Anlagepräferenzen der Investoren. Als Unternehmen kommen Sie schneller an Wachstumskapital. Als Investor erhalten Sie Zugang zu den vielversprechendsten Unternehmen von morgen. Seien Sie dabei: venture-network.com Your place for growth B 6 Börsen-Zeitung Nr. 224 Sonderbeilage Sonnabend, 19. November 2016 Investor bringt den Gesellschafterwechsel voran Gute Beteiligungsgesellschaften halten von maßgeschneidertem Mezzaninekapital bis hin zur individuellen Direktbeteiligung passende Finanzierungen bereit Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Für die meisten Mittelständler ist es eine besondere Situation, wenn es darum geht, scheidende Gesellschafter auszuzahlen oder neue aufzunehmen. Wenn Eigner sich zur Ruhe setzen, ein Investor seine Beteiligung veräußern möchte oder Konflikte über die Unternehmensführung nur mit einer Trennung von Gesellschaftern zu lösen sind, bedeutet das für jedes mittelständische Unternehmen einen organisatorischen und häufig auch finanziellen Kraftakt. Das Engagement eines Eigenkapitalinvestors kann in diesen Fällen viele Probleme lösen und zu einem sicheren Gelingen beitragen. Sicherheiten erforderlich Die Hausbank wird die Auszahlung eines Altgesellschafters in der Regel nicht vollständig finanzieren. Sie benötigt Sicherheiten. Die sind beim Gesellschafterwechsel selten in ausreichender Höhe vorhanden oder können von Mittelständlern oft nicht erbracht werden. Bei einvernehmlichen Trennungen wird oftmals eine Ratenzahlung vereinbart. Der scheidende Gesellschafter erhält dann den Kaufpreis über die nächsten drei bis fünf Jahre, zum Beispiel durch disquotale Gewinnverteilungen. Diese Liquidität fehlt jedoch dem Unternehmen für Investitionen und bilanziell als Eigenkapitalpuffer, falls Umsätze und Gewinne aufgrund externer Einflüsse kurzfristig nachlassen sollten. Mit einer solchen Verpflichtung könnte sich ein Gesellschafterwechsel unter Umständen sogar als existenzgefährdend für das Unternehmen erweisen. Das droht auch bei dem Gesellschafterwechsel, den jeder Unternehmer am Ende seines beruflichen Wirkens vor sich hat: dem Ausstieg aus dem eigenen Betrieb, mit der Übergabe der operativen Verantwortung und des wirtschaftlichen Eigentums an hoffentlich geeignete Nachfolger. Jeder Unternehmer strebt hier selbstverständlich eine Lösung an, die den Fortbestand seines Lebenswerks nicht gefährdet, seinem Nachfolger die nötige unternehmerische Frei- ne wertsteigernde Zukunftsperspektive für das Unternehmen entwickeln. Soweit eine Rückkaufmöglichkeit vereinbart wurde, sollten die Altgesellschafter bei planmäßiger Entwicklung den Investor nach den darauffolgenden vier bis sieben Jahren auszahlen können. Alternativ ist auch möglich, dass alle Gesellschafter Von das nun wertvollere UnMartin Völker ternehmen gemeinsam an einen Dritten veräußern. Für viele Mittelständler ist die Beteiligung eines Investors bei einem anstehenden Gesellschafterwechsel eine attraktive Lösung. Die Geschäftsführer der VR Equitypartner GmbH Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens steht für sie ohnehin im heit bietet, seiner Verantwortung für Fokus ihrer täglichen Arbeit. Wenn die Mitarbeiter und die Region ge- sie diese umsetzen können, ohne zurecht wird und mit der er seine Fami- sätzliche finanzielle Abhängigkeiten lie und sich selbst ohne Risiko finan- hinnehmen zu müssen, spricht viel für eine zeitlich begrenzte Partnerziell absichern kann. schaft mit einem geeigneten externen Investor. Zukunft nicht belasten Gute Beteiligungsgesellschaften Eine wichtige Leistung des Inves- halten von maßgeschneidertem Meztors ist die Bereitstellung der finanzi- zaninekapital bis zur individuell geellen Mittel für den Ausstieg des aus- stalteten Direktbeteiligung als Minscheidenden Gesellschafters, ohne derheits- oder Mehrheitsgesellschafdie Zukunftsmöglichkeiten des ter die passenden FinanzierungsinUnternehmens durch hohe Verbind- strumente mit unterschiedlich abgelichkeiten zu belasten. Mittelständ- stuften Abstimmungserfordernissen ler, bei denen ein Gesellschafter- und Berichtspflichten bereit. Investowechsel ansteht, können so den ren, die vor allem mittelständische Wechsel an der Spitze des Unterneh- Familienunternehmen unterstützen, mens mit der nötigen Ruhe umset- achten zudem darauf, dass sie die Inzen, ohne Einbußen in der finan- teressen des Unternehmers versteziellen Handlungsfähigkeit und un- hen und beachten und Maßnahmen ter Beibehaltung geordneter Bilanz- zur Wertsteigerung vorab gemeinsam abstimmen. Sie werden zudem relationen. Ein Eigenkapitalinvestor wird sein ihr Engagement nicht strikt zeitlich Engagement jedoch zeitlich begren- befristen, sondern können sich flexizen und – im Idealfall bereits vor Ein- bel nach den Anforderungen des Untritt in den Gesellschafterkreis – mit ternehmers und der Lage des Unterden verbliebenen Gesellschaftern ei- nehmens richten. Damit sind dann auch Vorhaben wie der Ausbau von Produktionskapazitäten oder das Erschließen neuer Märkte im Ausland möglich, die ein Unternehmen in der Regel mehr als vier oder fünf Jahre stark in Anspruch nehmen. Doch ein guter Investor kann noch mehr, nämlich den Unternehmer auch bei der mitunter schwierigen personellen und organisatorischen Umsetzung des Gesellschafterwechsels wirkungsvoll unterstützen. Diese Leistung kommt Mittelständlern vor allem bei der Nachfolge zugute. Hier ist sie auch dringend nötig. Alarmierende Zahlen Die Zahlen sind alarmierend. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag stellt jedes Jahr ein neues Rekordhoch bei übergabewilligen Unternehmern fest. Zugleich nimmt aber die Zahl der potenziellen Nachfolger, die sich für eine Betriebsübernahme interessieren, stetig ab. 43 % der Senior-Unternehmer fanden laut Umfrage im vergangenen Jahr nicht den passenden Nachfolger – so viele wie nie seit Beginn der Statistik im Jahr 2007. In der Industrie kommen sogar fast fünf Altinhaber auf einen Übernahmeinteressenten. Hoher Kapital- und Modernisierungsbedarf und die schwierige Suche nach qualifizierten Übernehmern erschweren die Nachfolgersuche. Aber auch das „Nicht-loslassen-Können“ vieler Altinhaber schreckt etliche potenzielle Nachfolger ab. Die letztlich mögliche Lösung, den Betrieb an einen Wettbewerber zu veräußern, können sich Umfragen zufolge zwar immer mehr Senior-Unternehmer vorstellen. Wünschenswert ist das aber für viele nicht. Schließlich soll das Unternehmen im Idealfall eigenständig bestehen bleiben. Ein solcher Schritt entspricht zudem oftmals nicht der sozialen und regionalen Verantwortung, die gera- de mittelständischen Familienunternehmen wichtig ist. Es ist auch dann keine Alternative, wenn derjenige mit dem besten Angebot ausgerechnet der Wettbewerber ist, mit dem der Betriebsinhaber eine jahrzehntelange scharfe Konkurrenz pflegte. In dieser Situation bietet es sich für Unternehmer an, frühzeitig die Unterstützung eines Eigenkapitalinvestors zu suchen. Der kann ihnen den Weg zu einer erfolgreichen Nachfolge ein Stück weit ebnen. Die Leistung des Investors besteht darin, den Unternehmer beim Aufbau professioneller Entscheidungs- und Berichtsstrukturen im Betrieb zu begleiten und gemeinsam mit ihm einen geeigneten Nachfolger zu finden. Dieser kann aus der Familie oder aus „Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag stellt jedes Jahr ein neues Rekordhoch bei übergabewilligen Unternehmern fest. Zugleich nimmt aber die Zahl der potenziellen Nachfolger, die sich für eine Betriebsübernahme interessieren, stetig ab.“ der Führungsebene des Unternehmens in die neue Aufgabe hineinwachsen oder extern gesucht werden, etwa im Netzwerk des Investors bei anderen vergleichbaren Unternehmen. Der Investor kann auch bei weiteren notwendigen Schritten begleiten. Dazu gehört etwa der konkrete zeitliche Ablauf der Nachfolge, die Ausgestaltung des organisatorischen Übergangs und der Übergabe der Anteile bis hin zu einer möglichen Rückbeteiligung des bisherigen Betriebsinhabers, die ihm einen schrittweisen Rückzug ermöglicht. Möglich ist auch eine Beteiligung des Managements oder sogar ein Beteiligungsmodell für eine größere Anzahl von Mitarbeitern. Unternehmer hat letztes Wort Das letzte Wort bei diesen Entscheidungen hat selbstverständlich der Unternehmer. Er findet jedoch im ausgewählten Investor einen Sparringspartner, der ihm im Unternehmen sonst häufig fehlt. Der Investor unterstützt den Betriebsinhaber dabei, die erforderlichen Schritte professionell vorzubereiten und umzusetzen. Sollte sich eine wichtige Entscheidung, etwa die Auswahl des Nachfolgers, als Fehlgriff erweisen, wird der Unternehmer gemeinsam mit dem Investor schneller zu einer Alternativlösung finden als allein. Im Regelfall allerdings erweist sich eine Unternehmensübergabe, die vom Investor begleitet wird, als erfolgreich – auch für den Nachfolger. Sofern der Kapitalgeber in seinem Engagement nicht zeitlich strikt begrenzt ist, kann der Übernehmer den Betrieb in Ruhe auf sich ausrichten und zugleich von den Erfahrungen des Übergebers profitieren. Zudem kann der Investor als Moderator bei eventuellen Konflikten vermitteln und so dazu beitragen, die Nachfolgelösung reibungslos zu gestalten. Schon allein diese Option macht die Übernahme eines Betriebs für qualifizierte Interessenten oftmals attraktiver. Banken forcieren Distressed-M&A-Transaktionen Verbesserte Risikoinstrumente identifizieren Restrukturierungsfälle rechtzeitig – Mit externer Unterstützung professionellen Verkaufsprozess sicherstellen den Restrukturierungsfälle mittlerweile rechtzeitig identifiziert und Distressed-M & A-Deals forciert. Für externe Investoren gibt es grundsätzlich zwei Optionen des Erwerbs: eine Investition im Rahmen eines Insolvenzplanes beziehungsweise ein Asset-Deal im Rahmen eiVon ner übertragenden SaOliver Räuscher . . . nierung. Externe Investoren haben im Zuge eines Distressed-M & ADeals eine geringe Bereitschaft, in Insolvenzplanlösungen zu investieren, da sie ÜbertraPartner Corporate gungslösungen wegen Restructuring eines größeren Hebels bei Deloitte zur Wertsteigerung und besseren Sanierungsmöglichkeiten präferieren. Gleichzeitig lässt sich ein steigenist der frühzeitige Verkauf von Tochterunternehmen oder Vermögensge- der Anteil an ausländischen und stragenständen eine mögliche Strategie. tegischen Investoren bei größeren Die zusätzlichen liquiden Mittel kön- Transaktionen beobachten, was zu nen zur Stabilisierung der operati- einer erhöhten Komplexität bei der ven Geschäftstätigkeit eingesetzt Investorensuche führt. Insbesondere asiatische Unternehmen nutzen werden. Darüber hinaus kann man durch häufig die Chance, durch einen Diseine erfolgreiche Transaktion das tressed-M & A-Deal schnell Zugang Verschuldungsniveau signifikant re- zum deutschen Markt zu finden. duzieren und die Eigenkapitalausstattung verbessern. Zu beachten ist Weltweite Bieter hierbei, dass die Veräußerung in diesen Situationen oft unter hohem zeitEin Beispiel für eine solche Translichem Druck erfolgt. Außerdem gibt aktion ist der Erwerb des deutschen es neben wirtschaftlichen Risiken Fotovoltaik-Unternehmens Q-Cells SE (angemessener Kaufpreis bei Notver- durch die südkoreanische Hanwhakäufen) auch rechtliche Risiken, die Gruppe. Nachdem die angestrebte zur Rückabwicklung der Transakti- Restrukturierung am Widerstand on insbesondere bei Verkäufen im der Anleger gescheitert war, musste Zeitraum kurz vor einer Insolvenz das sächsische Unternehmen im des Verkäufers führen können. Risi- April 2013 Insolvenz anmelden. ken können sich auch für einen „sol- Dies wurde primär mit dem steigenventen“ Verkäufer bei einer späteren den Preisdruck durch asiatische Insolvenz des verkauften Unterneh- Wettbewerber begründet. Der Insolmens ergeben. venzverwalter plante, Q-Cells über den Verkauf zu sanieren, und beauftragte Deloitte mit der InvestorensuStabiles Marktsegment che. Deloitte organisierte ein global Die Anzahl und das Volumen von aufgelegtes Auktionsverfahren mit Transaktionen auf dem deutschen Bietern aus Europa, Asien und NordM e r g e r s - & - A c q u i s i t i o n s - M a r k t amerika. Die Hanwha-Gruppe, einer (M & A) liegen momentan auf einem der zehn größten südkoreanischen hohen Niveau, und Distressed-M & A- Konzerne, setzte sich als langfristiTransaktionen sind dabei ein stabi- ger, strategischer Investor durch. les Marktsegment. Dies liegt nicht zu- Die Übernahme ermöglicht der Hanletzt daran, dass Banken häufig Not- wha-Gruppe die weitere Expansion verkäufe zur Abwendung einer Insol- ihres Europageschäfts. Im Gegensatz dazu zeigt der Fall venz anstoßen. Durch verbesserte Risikoinstrumente der Geldhäuser wer- der Praktika AG, dass nicht immer Börsen-Zeitung, 19.11.2016 Im Jahr 2015 haben rund 23 000 Unternehmen Insolvenz angemeldet. Um die Zahlungsfähigkeit zu erhalten und die Grundlage für eine erfolgreiche Sanierung zu schaffen, eine Rettung durch eine Distressed-M & A-Transaktion möglich ist. Das fehlende Kapital für die Umsetzung des Sanierungskonzeptes belief sich auf rund 30 Mill. Euro. Die Konsequenz war die Liquidation und der Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen. Kritische Erfolgsfaktoren Aus der Vielzahl der von Deloitte geführten Distressed-M & A-Transaktionen lassen sich sieben kritische Erfolgsfaktoren identifizieren. Zunächst ist die Sicherstellung der Liquidität von hoher Bedeutung. So kann der für den Verkaufsprozess notwendige zeitliche Spielraum durch temporäre Verlängerung von Zahlungszielen und Zahlungsvereinbarungen mit Lieferanten, Fokussierung von Einkauf und Produktion auf das Kernsortiment beziehungsweise Schnelldreher sowie Beiträge von Gesellschafter- und Bankenseite gewährleistet werden. Außerdem ist es wichtig, einen schlanken Verkaufsprozess aufzusetzen. Der Verkauf eines Unternehmens in einer Krisensituation ist in der Regel äußerst zeitkritisch, da in der Krise ein möglicher Vertrauensverlust bei Kunden, Zulieferern und Mitarbeitern negative Auswirkungen auf das operative Geschäft haben kann. Es ist daher entscheidend, den Prozess strukturiert und ohne Reibungsverluste umzusetzen. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Prozessschritt eng verzahnt und detailliert mit allen involvierten Stakeholdern abgestimmt sowie umgesetzt werden muss. Distressed-M & A-Projekte in der Krise benötigen personelle Ressourcen kurzfristig und in hohem Umfang. Die Geschäftsführung des zu veräußernden Unternehmens muss sich auf den reibungslosen Ablauf im operativen Geschäft und die Restrukturierung konzentrieren können. Eine Abwicklung einer solchen Transaktion stellt außerdem hohe Anforderungen inhaltlicher und zeitlicher Natur an das Projektteam, welches die Transaktion vorbereitet und durchführt. Aus diesem Grund wird auch externe Unterstützung bei einem solchen Transaktionsprozess benötigt, um kurzfristig starten zu können. Auch seitens der finanzierenden Banken wird oftmals eine externe Unterstützung gefordert, um einen professionellen Verkaufsprozess sicherzustellen. Darüber hinaus sollten alle Stakeholder möglichst frühzeitig in den Prozess eingebunden werden. Bei . . . und Hendrik Engelhardt Director Corporate Restructuring bei Deloitte Distressed-M & A-Projekten gibt es eine Vielzahl verschiedener Parteien (Kreditgeber, andere Gläubiger, besicherte und unbesicherte Gläubiger, potenzielle Investoren, Mitarbeiter etc.), die teils gegensätzliche Ziele verfolgen. Ein umfangreiches Verständnis der jeweiligen Interessenlagen ist essenziell für eine schnelle und erfolgreiche Abwicklung der Transaktion. Wesentliche Erfolgsfaktoren stellen dabei auch eine umfas- sende Branchenexpertise und Restrukturierungskompetenz dar. Eine schnelle Identifikation von potenziellen strategischen Investoren und spezialisierten Finanzinvestoren muss gewährleistet werden. Des Weiteren ist es von hoher Bedeutung, dass Restrukturierungsansätze kompetent und mit Erfahrung mit möglichen Kapitalgebern diskutiert werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist ein belastbares Investorennetzwerk. Die Chancen auf einen angemessenen Verkaufserlös bei der Transaktion werden oft durch eine breit gefächerte Investorensuche, insbesondere in Bezug auf strategische Investoren, substanziell erhöht. Dabei spielt zunehmend auch die erfolgreiche Identifikation und Ansprache internationaler Investoren in einem großen Netzwerk eine bedeutende Rolle. Kürzerer Zeitrahmen Zuletzt ist die Integration von Insolvenzrechtsexperten zu nennen. Bei Distressed-M & A-Transaktionen sind fundierte Kenntnisse über die besonderen insolvenzrechtlichen Anforderungen erforderlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung möglicher Aufhebungsrisiken oder der Rückabwicklung einer bereits erfolgten Transaktion. Im Vergleich zu normalen M & ATransaktionen liegt der Fokus der Verhandlungen häufig auf den Vermögensgegenständen und Sanierungsrisiken, da diese einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung haben. Die Struktur und der Zeitpunkt der Transaktion werden daher stark von der Käuferseite getrieben. Charakteristisch für Distressed-M & AProjekte ist auch der Zeitrahmen, welcher zum Teil zwischen einem bis drei Monaten liegt. Im Vergleich dazu erfolgt bei regulären M & ADeals ein Closing nach rund sechs bis zwölf Monaten. Für eine erfolgreiche Transaktion ist es entscheidend, dass externe Unterstützung in Anspruch genommen wird und die Gesellschafter, Gläubiger, Berater und gegebenenfalls Insolvenzverwalter von Anfang an in den Prozess eingebunden werden. Dies ermöglicht einen schnellen und effizienten Abschluss der Transaktion.
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