Didaktik der Analysis - Didaktik der Mathematik (Sekundarstufen)

Jürgen Roth
Didaktik der Analysis
Modul 12a: Fachdidaktische Bereiche
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.1
Inhalt
Didaktik der Analysis
0
Organisatorisches
1
Ziele und Inhalte
2
Folgen und Vollständigkeit in ℝ
3
Ableitungsbegriff
4
Integralbegriff
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.2
www.menti.com
→ 91 60 55
Greefrath et al. (2016). Didaktik der Analysis. Heidelberg: Springer Spektrum, S. 137ff
Danckwerts, R.; Vogel, D. (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akad. Verlag, S. 45ff
Büchter, A.; Henn, H.-W. (2010): Elementare Analysis. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag
Didaktik der Analysis
Kapitel 3: Ableitungsbegriff
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.3
menti.com
→ 91 60 55
Grundvorstellungen
zum Ableitungsbegriff
Hußmann, Prediger (2003): Vorstellungsorientierte Analysis – auch in Klassenarbeiten und zentralen Prüfungen. PM 52(31), S. 35-38
Tangentensteigung
lokale
Änderungsrate
Verstärkungsfaktor
lokale lineare
Approximation
Roth, Siller (2016). Bestand und Änderung – Grundvorstellungen entwickeln und nutzen. Mathematik lehren 199, S. 2-8
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.4
Ableitung als
Tangentensteigung
Schritt 1
Definition der Steigung einer
Kurve im Punkt 𝑃 über die
Steigung der Tangente in 𝑃
Schritt 2
Tangente als Grenzlage
von Sekanten
Schritt 3
Berechnung der Tangentensteigung als Grenzwert
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.5
Ableitung als
lokale Änderungsrate
Beschreibungsebene
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3
Schritt 4
𝑓 ′ 𝑥0
𝑓 𝑥 − 𝑓 𝑥0
𝑓 𝑥 − 𝑓 𝑥0
𝑥 − 𝑥0
inhaltlich
Bestand
zum
Zeitpunkt 𝑥0
absoluter
Zuwachs
in der Zeit
von 𝑥0 bis 𝑥
relativer
Zuwachs
im Zeitintervall [𝑥0 , 𝑥]
(mittlere
Änderungsrate)
momentane
(lokale)
Änderungsrate
zum Zeitpunkt 𝑥0
terminologisch
Funktionswert
Differenz der
Funktionswerte
Differenzenquotient
Ableitung
𝑓 𝑥0
formal
𝑓 𝑥 − 𝑓 𝑥0
= lim
𝑥→𝑥0
𝑥 − 𝑥0
algebraisch analytisch
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.6
Ableitung als
Verstärkungsfaktor
Die Ableitung gibt an, wie
stark sich die Änderung der
unabhängigen Variable auf die
abhängige Variable auswirkt
Hohe Werte der Ableitung
bedeuten schnelle/starke
Änderung der Funktionswerte.
Für kleine Änderungen Δ𝑥 gilt:
Δ𝑦 ≈ 𝑓 ′ 𝑥 ⋅ Δ𝑥
= 2𝑥 ⋅ ℎ
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.7
Ableitung als
lokale lineare Approximation
Danckwerts/Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, S. 68-91
www.funktionenlupe.de • http://tube.geogebra.org/student/b411373
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.8
Welche Grundvorstellung
wählen Sie zur Einführung?
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.9
Inhalte
Kapitel 3: Ableitungsbegriff
3.1 Ableitung als Tangentensteigung
3.2 Ableitung als lokale Änderungsrate
3.3 Ableitung als Verstärkungsfaktor
3.4 Ableitung als lokale lineare Approximation
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.10
Kapitel 3: Ableitungsbegriff
3.1 Ableitung als
Tangentensteigung
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.11
Tangentensteigung
Schritte bei diesem Zugang
1. Schritt:
Definition der Steigung einer
Kurve im Punkt 𝑃 über die
Steigung der Tangente in 𝑃
Zu beachten ist:
1. Schritt:
Paradigmenwechsel vom geometrischen zum analytischen
Tangentenbegriff
2. Schritt:
Tangente als Grenzlage
von Sekanten
3. Schritt:
Berechnung der Tangentensteigung als Grenzwert
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.12
Was ist eine Tangente?
Geometrische
Sichtweise:
Tangente als
globale
Stützgerade
Analytische
Sichtweise:
Tangente als
lokale
Schmieggerade
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.13
Tangentensteigung
Schritte bei diesem Zugang
Zu beachten ist:
1. Schritt:
Definition der Steigung einer
Kurve im Punkt 𝑃 über die
Steigung der Tangente in 𝑃
1. Schritt:
Paradigmenwechsel vom geometrischen zum analytischen
Tangentenbegriff
2. Schritt:
Tangente als Grenzlage
von Sekanten
2. Schritt:
Liegt quer zur Schmiegvorstellung der Tangente
3. Schritt:
Berechnung der Tangentensteigung als Grenzwert
3. Schritt:
Gibt es überhaupt einen
Grenzfall von Sekanten? Eine
Gerade durch einen Punkt ist
gar nicht eindeutig festgelegt.
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.14
Tangente als Grenzlage
von Sekanten
Die Sekantensteigung kommt
der Zahl 2 beliebig nahe,
wenn 𝑥 gegen 𝑥0 = 1 strebt.
2
Beispiel: 𝑓: ℝ → ℝ+
0,𝑥 ↦ 𝑥
𝑃 1,1 ; 𝑄 𝑥, 𝑓 𝑥
Sekantensteigung:
Tangentensteigung:
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
𝑥≠1
𝑓 𝑥 − 1 𝑥2 − 1
𝑥 + 1 ⋅ (𝑥 − 1)
=
= 𝑥+1
=
𝑥−1
𝑥−1
𝑥−1
𝑓 𝑥 −1
𝑥2 − 1
lim
= lim
= lim (𝑥 + 1) = 2
𝑥→1 𝑥 − 1
𝑥→1 𝑥 − 1
𝑥→1
3.15
Kapitel 3: Ableitungsbegriff
3.2 Ableitung als
lokale Änderungsrate
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.16
Lokale Änderungsrate
Kontext Geschwindigkeiten
„Heute bin ich mit dem Auto von Landau
nach Würzburg gefahren und habe für
die 200 km genau 2 Stunden gebraucht.“
„Dann waren Sie aber mit 100 km
nicht besonders schnell.“
h
„Wie man‘s nimmt, manchmal bin ich über 150 km
gefahren.“
h
Bewegungen
Die Weg-Zeit-Funktion 𝑡 ↦ 𝑥(𝑡) ordnet jedem Zeitpunkt 𝑡
den bis dahin zurückgelegten Weg 𝑥 zu.
Anfahrvorgang (konstante Beschleunigung 𝑎 = 2 sm2)
1
1
𝑡 ↦ 𝑥 𝑡 = 𝑎 ⋅ 𝑡 2 = 2 ⋅ 2 sm2 ⋅ 𝑡 2 = 1 sm2 ⋅ 𝑡 2
2
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.17
Lokale Änderungsrate
Absolute Änderung (Zurückgelegter Weg 𝑥 𝑡 = 1 sm2 ⋅ 𝑡 2 )
Erste Sekunde
𝑥 1s −𝑥 0s
= 1 sm2 ⋅ 1 s 2 − 1 sm2 ⋅ 0 s
=1m−0m=1m
Zweite Sekunde
𝑥 2s −𝑥 1s
= 1 sm2 ⋅ [ 2 s
2
2
0m 1m
1s
2s
1m
4m
− 1 s 2]
= 1 sm2 ⋅ 3 s 2 = 3 m
Dritte Sekunde
𝑥 3s −𝑥 2s
= 1 sm2 ⋅ [ 2 s 2 − 1 s 2 ]
= 1 sm2 ⋅ 5 s 2 = 5 m
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
0s 1s
2s
3s
4m
9m
3.18
Lokale Änderungsrate
Absolute Änderung (Zurückgelegter Weg 𝑥 𝑡 = 1 sm2 ⋅ 𝑡 2 )
In den 2 Sekunden von 𝑡0 = 1 s bis 𝑡1 = 3 s zurückgelegter Weg:
1s
3s
𝑥 𝑡1 − 𝑥 𝑡0 = 𝑥 3 s − 𝑥 1 s
= 1 sm2 ⋅ 3 s
2
− 1 sm2 ⋅ 1 s
2
1m
= 9m −1m=8m
Zeitpunkt 𝒕
zurückgelegter
Weg 𝑥
0s
0m
Zeitänderung Δ𝑡 = 1 s
Wegänderung Δ𝑥 = 1 m
1s
Zeitänderung Δ𝑡 = 1 s
Zeitänderung Δ𝑡 = 2 s
2s
1m
4m
Zeitänderung Δ𝑡 = 1 s
Wegänderung Δ𝑥 = 3 m
Wegänderung Δ𝑥 = 8 m
Wegänderung Δ𝑥 = 5 m
3s
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
9m
9m
3.19
𝑥 𝑡 = 1 sm2 ⋅ 𝑡 2
Lokale Änderungsrate
Relative Änderung / Änderungsrate (Durchschnittsgeschwindigkeit)
Um die mittleren Geschwindigkeiten in unterschiedlich
langen Zeitintervallen [𝑡1 , 𝑡2 ] und 𝑡3 , 𝑡4 vergleichen zu
können, muss man die Wegdifferenz 𝑥 𝑡2 − 𝑥 𝑡1 auf
die zugehörige Zeitdifferenz 𝑡2 − 𝑡1 beziehen:
Im Zeitintervall [1 s, 2 s] werden im Mittel
also 3 m pro Sekunde zurückgelegt.
Im Zeitintervall [1 s, 3 s] werden im Mittel
also 4 m pro Sekunde zurückgelegt.
𝑥 𝑡2 − 𝑥 𝑡1
𝑡2 − 𝑡1
22 m − 12 m
2s−1s
=
3m
1s
=3 ,
32 m − 12 m
3s−1s
=
8m
2s
= 4 s,
m
s
m
Im Zeitintervall [1 s, 3 s] ist die mittlere Geschwindigkeit
m
(Durchschnittsgeschwindigkeit) mit 4 also höher als im
Zeitintervall [1 s, 2 s] mit
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
m
3 .
s
s
3.20
𝑥 𝑡 = 1 sm2 ⋅ 𝑡 2
Lokale Änderungsrate
Lokale Änderungsrate (Momentangeschwindigkeit)
Wie groß ist die Momentangeschwindigkeit (lokale Änderungsrate)
zu einem Zeitpunkt 𝑡0 = 1s?
Idee
Mittlere Geschwindigkeiten in Zeitintervallen betrachten,
die 𝑡0 = 1s als Intervallgrenze besitzen.
Zeitintervall
[𝒕𝟎 , 𝒕]
[1 s; 2 s]
[1 s; 1,1 s]
[1 s; 1,01 s]
[1 s; 1,001 s]
Mittlere Geschw.
𝒙 𝒕 −𝒙(𝒕𝟎 )
𝒕−𝒕𝟎
im Zeitintervall [𝒕𝟎 , 𝒕]
22 m − 12 m
2s−1s
1,12 m − 12 m
1,1 s − 1 s
1,012 m − 12 m
1,01 s −1 s
1,0012 m − 12 m
1,001 s −1 s
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
=3
m
s
[0 s; 1 s]
=
m
2,1 s
=
m
2,01 s
= 2,001
Zeitintervall
[𝒕, 𝒕𝟎 ]
[0,9 s; 1 s]
m
s
[0,99 s; 1 s]
[0,999 s; 1 s]
Mittlere Geschw.
𝒙 𝒕𝟎 −𝒙(𝒕)
𝒕𝟎 −𝒕
im Zeitintervall [𝒕, 𝒕𝟎 ]
12 m − 02 m
1s−0s
12 m − 0,92 m
1 s − 0,9 s
12 m − 0,992 m
1 s − 0,99 s
12 m − 0,9992 m
1 s − 0,999 s
=1
m
s
= 1,9
m
s
= 1,99
m
s
= 1,999
m
s
3.21
Lokale Änderungsrate
m
𝑥 𝑡 = 1 s2 ⋅ 𝑡
Momentangeschwindigkeit
Je kleiner das Intervall [𝑡0 , 𝑡] wird, je näher also 𝑡 an 𝑡0 = 1 s
heranrückt, desto näher kommt die mittlere Geschwindigkeit dem
Wert 2 ms. Sie kommt ihm beliebig nahe.
Jede andere Annäherung an den Zeitpunkt
𝑡0 = 1 führt zur selben Momentangeschwindigkeit.
2
Lokale
Änderungsrate
Ist 𝑡 ein benachbarter Zeitpunkt von 𝑡0 = 1 s, dann ergibt sich
für die mittlere Geschwindigkeit im Intervall 1 s, t der Wert:
𝑥 𝑡 −𝑥(1 s)
𝑡−1 s
=
m
1 2 ⋅ 𝑡2− 1 s 2
s
𝑡−1 s
= 1 sm2 ⋅
𝑡+1 s ⋅ 𝑡−1 s
𝑡−1 s
= 1 sm2 ⋅ 𝑡 + 1 s
1 sm2 ⋅ 1 s + 𝑡 kommt dem Wert 2 ms beliebig nahe,
wenn 𝑡 genügend nahe bei 1 s liegt.
Damit ist die Momentangeschwindigkeit (lokale Änderungsrate)
zum Zeitpunkt 𝑡0 = 1 s bestimmt. Sie beträgt hier 2 ms.
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.22
Lokale Änderungsrate
Vorteile des Zugangs zum Ableitungsbegriff als Übergang
von der mittleren zur lokalen Änderungsrate:
Kinematischer Kontext ist Teil der
Alltagserfahrungen von Jugendlichen.
(Straßenverkehr, Computerspiele, Sport, …)
zeitliche Änderung von Geschwindigkeiten
→ Zugang zum Begriff Momentanbeschleunigung
Das Beispiel ist als universelles Modell überall
tragfähig, wo ein Änderungsverhalten
punktuell beschrieben werden soll.
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.23
Zusammenfassung: Ableitung
als lokale Änderungsrate
Formale Darstellung
𝑓 𝑥0
Bestand
Bis zum Zeitpunkt 𝑥0
zurückgelegter Weg.
𝑓 𝑥 − 𝑓 𝑥0
absolute Änderung
In der Zeit von 𝑥0 bis 𝑥
zurückgelegter Weg.
relative Änderung /
(mittlere)
Änderungsrate
In der Zeit von 𝑥0 bis 𝑥 zurückgelegter Weg bezogen auf die
Zeitspanne 𝑥 − 𝑥0.
(Durchschnittsgeschwindigkeit
im Zeitintervall [𝑥0 , 𝑥])
momentane /
lokale
Änderungsrate
Momentangeschwindigkeit
zum Zeitpunkt 𝑥0 .
𝑓 𝑥 − 𝑓 𝑥0
𝑥 − 𝑥0
𝑓′ 𝑥0
Inhaltliche Erläuterung
𝑓 𝑥 − 𝑓 𝑥0
= lim
𝑥→𝑥0
𝑥 − 𝑥0
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.24
Historische Quelle
Cauchy (1836): Vorlesungen über die Differenzialrechnung. Braunschweig
Cauchy in seiner ersten Vorlesung "Differenzialrechnung" im
Jahre 1815 zur Ableitung:
„Um die Begriffe zu fixieren, nehmen wir an, daß man bloß zwei Veränderliche
betrachte; nämlich eine unabhängige Veränderliche 𝑥 und eine durch 𝑦 = 𝑓(𝑥)
bezeichnete Function von 𝑥. Wenn die Function 𝑓(𝑥) zwischen zwei gegebenen
Grenzen der Veränderlichen 𝑥 continuierlich bleibt, und wenn man der
Veränderlichen einen zwischen diesen Grenzen liegenden Werth beilegt; so wird
ein der Veränderlichen ertheiltes unendlich kleines Increment auch eine
unendlich kleine Veränderung der Function zur Folge haben. Also werden, wenn
man Δ𝑥 = 𝑖 setzt, die beiden Glieder des Differenzenverhältnisses:
Δ𝑦 𝑓 𝑥 + 𝑖 − 𝑓(𝑥)
=
Δ𝑥
𝑖
unendlich kleine Größen sein. Aber während sich diese beiden Glieder
unbestimmt und gleichzeitig der Grenze Null nähern, wird ihr Verhältniß selbst
gegen eine andere Grenze, sie sei positiv oder negativ, convergiren können,
welche das letzte Verhältniß der unendlich kleinen Differenzen
Δ𝑦, Δ𝑥 sein wird. Diese Grenze, oder dieses letzte Verhältniß, hat, wenn es
existirt, für jeden particulären Werth von 𝑥 einen bestimmten Werth; aber es
variirt mit 𝑥.“
Danckwerts/Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akad. Verlag, S. 66ff
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.25
Kapitel 3: Ableitungsbegriff
3.3 Ableitung als
Verstärkungsfaktor
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.26
Inhaltlicher Zugang zur
𝟐 ′
Ableitungsregel 𝒙 = 𝟐𝒙
𝟐 ′
𝒙
Analog für
′
𝑥 3 = 3𝑥 2
= 𝟐𝒙 wird oft rein syntaktisch verstanden.
Inhaltlich
„Warum ist die lokale Änderungsrate des Flächeninhalts eines
Quadrats der Kantenlänge 𝑥 gleich seinem halben Umfang?“
𝒙
Absolute Änderung des Flächeninhalts
Für kleine ℎ im Wesentlichen
die schattierten Rechtecke.
Relative Änderung des Flächeninhalts
(mittlere Änderungsrate):
Folgende Näherung ist beliebig
gut, wenn ℎ hinreichend klein ist:
2 −𝑥 2
𝑥+ℎ
ℎ
=
2𝑥ℎ+ℎ2
ℎ
𝒙
𝒉
= 2𝑥 + ℎ ≈ 2𝑥
Das ist im Wesentlichen der
halbe Umfang des Quadrats.
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
𝒉
Für kleine Änderungen Δ𝑥 gilt:
Δ𝑦 ≈ 𝑓 ′ 𝑥 ⋅ Δ𝑥 = 2𝑥 ⋅ ℎ
3.27
Kapitel 3: Ableitungsbegriff
3.4 Ableitung als
lokale lineare Approximation
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.28
Ableitung als
lokale lineare Approximation
Danckwerts/Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, S. 68-91
Parabel 𝒙 ↦ 𝒙𝟐 mit Tangente
im Punkt 𝑃(1,1)
Hineingezoomt
www.funktionenlupe.de • http://tube.geogebra.org/student/b411373
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.29
Welche Gerade ist beste lokale
Approximation des Graphen?
Schmiegeffekt der Tangente
Unterschied von Parabel 𝑥 ↦ 𝑥 2
und Tangente im Punkt 𝑃(1,1)
in der Nachbarschaft von 𝑃(1,1)
Wie groß ist die Abweichung 𝒓(𝒉)?
Funktionsgleichung:
𝑓 𝑥 = 𝑥2
Tangentengleichung:
𝑡 𝑥 = 𝑓 𝑥0 + 𝑚 ⋅ 𝑥 − 𝑥0
𝑡 𝑥 =1+2⋅ 𝑥−1
𝑓 1+ℎ
𝑡 1+ℎ
Abweichung
𝒓 𝒉 = 𝑓 1+ℎ −𝑡 1+ℎ
𝑓 1 =1
𝑃
= 1+ℎ
2
− (1 + 2ℎ)
= 1 + 2ℎ + ℎ2 − 1 − 2ℎ
= ℎ2
(*)
𝒓 𝒉 = 𝒉𝟐
→ 𝟎 für 𝒉 → 𝟎
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.30
Welche Gerade ist beste lokale
Approximation des Graphen?
Schmiegeffekt anderer Geraden bzgl. 𝒙 ↦ 𝒙𝟐 durch 𝑷(𝟏, 𝟏)
Wie groß ist die Abweichung 𝒓(𝒉)?
𝑓 𝑥 = 𝑥2
𝑓 1+ℎ
Funktionsgleichung:
𝑔(1 + ℎ)
Geradengleichung:
𝑔 𝑥 = 𝑓 𝑥0 + 𝑚 ⋅ 𝑥 − 𝑥0
𝑔 𝑥 =1+𝑚⋅ 𝑥−1
𝑓 1 =1
𝑃
𝑚≠2
𝑚≠2
Abweichung
𝒓 𝒉 = 𝑓 1+ℎ −𝑔 1+ℎ
= 1+ℎ
2
− (1 + 𝑚ℎ)
= 1 + 2ℎ + ℎ2 − 1 − 𝑚ℎ
= ℎ2 + 2 − 𝑚 ⋅ ℎ
(**)
𝒓 𝒉 = 𝒉𝟐 + 𝟐 − 𝒎 ⋅ 𝒉
→ 𝟎 für 𝒉 → 𝟎
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.31
Grundverständnis:
Schmiegeffekt
Absolute Abweichung
Tangente in 𝑃
𝒓 𝒉 = ℎ2
(*)
𝑟 ℎ → 0 für ℎ → 0
Andere Gerade durch 𝑃
𝒓 𝒉 = ℎ2 + 2 − 𝑚 ⋅ ℎ
Offensichtlich ist die Bedingung
𝑟 ℎ
→ 0 für ℎ → 0
ℎ
ein analytischer Ausdruck für
die Schmiegeigenschaft der
Tangente.
Tangente
(**)
𝑟(ℎ) → 0 für ℎ → 0
Relative Abweichung
Tangente in 𝑃
𝒓 𝒉
𝒉
= ℎ → 0 für ℎ → 0
Andere Gerade durch 𝑃
𝒓 𝒉
𝒉
𝒓 𝒉
𝒉
= ℎ + 2 − 𝑚 mit 𝑚 ≠ 2
→ 2 − 𝑚 ≠ 0 für ℎ → 0
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
Die verschärfte Restbedingung
𝑟 ℎ
ℎ→0 ℎ
lim
=0
(gegenüber lim 𝑟 ℎ = 0)
ℎ→0
charakterisiert die Tangente als
bestapproximierende Gerade.
3.32
Zusammenfassung: Ableitung
als lokale lineare Approximation
𝑦
Ableitung als lokale
lineare Approximation
Der Graph von 𝑓 lässt sich
in der Nähe von 𝑥0 durch die
Tangente in 𝑥0 so annähern,
dass der Fehler 𝒓(𝒉) der Approximation besonders gut, nämlich
schneller als ℎ, gegen null geht:
𝑓 𝑥0 + ℎ
= 𝑡 𝑥0 + ℎ + 𝑟 ℎ
= 𝑓 𝑥0 + 𝑓 ′ 𝑥𝑚
0 ⋅ℎ+𝑟 ℎ
mit
𝑟 ℎ
ℎ
→ 0 für ℎ → 0
Tangentengleichung
𝑡 𝑥 = 𝑓 𝑥0 + 𝑓 ′ 𝑥𝑚
0 ⋅ (𝑥 − 𝑥0 )
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
𝑥
Anwendungen: Num. Näherungen; Fehlerrechnung;
Taylor-Abschätzung; Leibniz‘sche Differenziale;
Newton-Verfahren; Beweis von Ableitungsregeln;
Verallgemeinerbar in höhere Dimensionen
3.33
Zusammenfassung: Ableitung
als lokale Linearisierung
Danckwerts/Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, S. 68-91
Werte
werden
der Funktion genähert
durch
nahe 𝑥0
𝑓 𝑥0 + ℎ
≈
Zuwächse werden
der Funktion genähert
durch
nahe 𝑥0
𝑓 𝑥0 + ℎ − 𝑓 𝑥0
≈
(Differenz Δ𝑦)
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
Werte
der Tangente
nahe 𝑥0
Fehler
der
Näherung
Güte der
Näherung
für ℎ → 0
𝑡 𝑥0 + ℎ
= 𝑓 𝑥0 + 𝑓 ′ 𝑥0 ⋅ ℎ
𝑟 ℎ = 𝑓 𝑥0 + ℎ − 𝑡 𝑥0 + ℎ
= 𝑓 𝑥0 + ℎ − 𝑓 𝑥0 − 𝑓 ′ 𝑥0 ⋅ ℎ
𝑟 ℎ
→0
ℎ
Zuwächse
der Tangente
nahe 𝑥0
Fehler
der
Näherung
Güte der
Näherung
für ℎ → 0
𝑓 ′ 𝑥0 ⋅ ℎ
𝑟(ℎ)
𝑟 ℎ
→0
ℎ
(Differenzial 𝑑𝑦)
3.34
Zusammenfassung: Ableitung
als lokale Linearisierung
Danckwerts/Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, S. 68-91
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.35
Welche Grundvorstellung
wählen Sie zur Einführung?
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.36
Analytische Definitionen
der Ableitung
Danckwerts/Vogel (2006): Analysis verständlich unterrichten. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, S. 68-91
Definition über die
lokale Änderungsrate
Definition über die
lokale lineare Approximation
Eine Funktion 𝑓: 𝔻 → ℝ, 𝔻 ⊆ ℝ heißt
an der Stelle 𝑥0 ∈ 𝔻 differenzierbar,
Eine Funktion 𝑓: 𝔻 → ℝ, 𝔻 ⊆ ℝ heißt
an der Stelle 𝑥0 ∈ 𝔻 differenzierbar,
wenn es eine Gerade 𝑡𝑥0 durch den
Punkt 𝑥0 , 𝑓 𝑥0 gibt, so dass der
Approximationsfehler
wenn der Grenzwert
𝑓 𝑥0 + ℎ − 𝑓 𝑥0
ℎ→0
ℎ
lim
existiert. Er heißt Ableitung von 𝑓
an der Stelle 𝑥0 und wird mit 𝑓′(𝑥0 )
bezeichnet.
𝑟 ℎ ≔ 𝑓 𝑥0 + ℎ − 𝑡𝑥0 𝑥0 + ℎ
𝑥0 + ℎ ∈ 𝔻 der Bedingung
𝑟 ℎ
lim
=0
ℎ→0 ℎ
genügt. Die Steigung von 𝑡𝑥0 heißt
Ableitung von 𝑓 an der Stelle 𝑥0 und
wird mit 𝑓′(𝑥0 ) bezeichnet.
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
3.37
Exkurs: Tangentengleichung im
Punkt 𝑷 𝒙𝟎 , 𝒇 𝒙𝟎 an 𝑮𝒇
Berechnung der Tangentengleichung
Funktionsgleichung einer Geraden:
𝑚 ist die Steigung der Geraden. Für
eine Tangente, die sich im Punkt
𝑃 𝑥0 , 𝑓 𝑥0 an 𝐺𝑓 anschmiegt, gilt:
Da die Tangente durch 𝑃 𝑥0 , 𝑓 𝑥0
verläuft, erfüllen dessen Koordinaten
die Funktionsgleichung. Es gilt also:
Im Beispiel: 𝒇 𝒙 = 𝒙𝟐
Mit 𝑓 ′ 𝑥 = 2𝑥 folgt:
Mit 𝑃 𝑥0 , 𝑓 𝑥0
= 𝑥0 , 𝑥02 ergibt sich:
Damit ergibt sich die Tangentengleichung
im Punkt 𝑃 𝑥0 , 𝑓 𝑥0 zu:
Jürgen Roth • Didaktik der Analysis
𝑦=𝑚⋅𝑥+𝑡
𝑚 = 𝑓′ 𝑥0
𝑓 𝑥0 = 𝑚 ⋅ 𝑥0 + 𝑡
𝑚 = 2 ⋅ 𝑥0
𝑥02 = 2𝑥0 ⋅ 𝑥0 + 𝑡
⇒ 𝑡 = −𝑥02
𝑦 = 2𝑥0 ⋅ 𝑥 − 𝑥02
3.38