pdf-ausgabe-2016-45 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 45
18. November 2016
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Wirtschaft
Kommunale Kliniken können nicht mehr investieren
Viele Kliniken in Deutschland stehen vor der Pleite – besonders kommunale Häuser in strukturschwachen Regionen
V
bäudes und der damit verbundenen
or wenigen Wochen hat das
Unterhaltskosten zu den größten
Evangelische
Krankenhaus
Kostenfressern im Klinikbudget.“
Zweibrücken geschlossen. Grund:
Energie, Küche, textile VersorFinanzielle Probleme. „Die Invesgung, Reinigung, Medizintechnik:
titionsfähigkeit der rund 2000
Rund ein Viertel der laufenden KosKliniken in Deutschland sinkt draten, die Kliniken zu tragen haben,
matisch“, sagt Kai Hafermann, Gemüssen für die Bewirtschaftung der
schäftsführer der Ingenieurs- und
Immobilie aufgewendet werden.
Projektmanagementgesellschaft
Der Ruf nach Investitionshilfen
Curatis GmbH aus Eschborn bei
macht deutlich, wie dramatisch die
Frankfurt, die bundesweit seit mehr
Situation an vielen Standorten beals 15 Jahren die Kostenstrukturen
Viele Kliniken besitzen überteuerte Wartungsverträge für Medireits ist. Marktexperten beziffern den
zintechnik.
Foto: Flickr/Eelke/CC BY 2.0
von Krankenhäusern und PflegeInvestitionsstau der Krankenhäuser
einrichtungen untersucht. „Es sind
in Deutschland auf aktuell 27,8 Milzu wenig Eigenmittel vorhanden,
um dringend anstehende Sanierungsmaß- tung“ sei kein Grund, Kliniken schließen zu liarden Euro. Da nur jeder zweite Euro für
nahmen in den Häusern voranzutreiben. müssen. Die Ursachen für den dramatisch Investitionen aus Fördermitteln stammt
Drei von vier Kliniken in Deutschland sind wachsenden Investitionsstau seien vielmehr – die öffentliche Förderquote der Bundesin der betriebswirtschaftlichen Betrachtung länder liegt derzeit bei 2,7 Milliarden Euro
nicht ausreichend investitionsfähig.“
Die Ursachen liegen laut Hafermann der „Spezialimmobilie Krankenhaus“ zu pro Jahr –, müssen die Kliniken selbst aktiv
werden, um ihre finanziellen Möglichkeiten
nicht nur in der stetig rückläufigen öffentli- suchen.
Alle haben die Behandlungskosten zu stärken und ihre Defizite abzubauen.
chen Förderquote, mit der die Bundesländer
Curatis hat in mehr als 500 Projekten
den Häusern unter die Arme greifen sollen. auf dem Schirm, aber nur wenige denken
Stichwort: duale Finanzierung. Auch die auch an die Betriebskosten“, so Hafermann. die häufigsten Ursachen für Defizite im
häufig vorgeschobene „mangelnde Auslas- „Dabei gehört die Bewirtschaftung des Ge- Krankenhausbetrieb analysiert:
Analyse
Probleme für Flüchtlinge bei ärztlicher Versorgung
In Brüssel wurde am 15. November
2016 in einer Pressekonferenz der jährlich erscheinende Bericht von Ärzte der
Welt vorgestellt, der den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen am
Rande der Gesellschaft, etwa für Menschen
ohne Krankenversicherung, in Europa
untersucht. Die humanitäre Organisation
unterhält in Europa medizinische Anlaufstellen und wertet Daten von Patienten
in elf europäischen Ländern sowie in der
Türkei aus. Prägend für die Arbeit von
Ärzte der Welt in Europa und in Deutschland war 2016 die medizinische Hilfe für
Flüchtlinge.
2015 wurden in 31 Städten in zwölf
Ländern 9.601 Patienten befragt. Der
Bericht zeigt, dass 43,6 Prozent der
schwangeren Frauen keinen Zugang zu
Geburtsvorsorge hatten, bevor sie zu einer Praxis von Ärzte der Welt oder eine
Partnerklinik kamen. Für die werdenden
Mütter und ihre Kinder stellt dies ein
hohes Gesundheitsrisiko dar. Erschreckenderweise waren 40 Prozent der Kinder, die
in den Ambulanzen von Ärzte der Welt
behandelt wurden, nicht gegen Mumps,
Masern und Röteln geimpft und ein Drittel
(29,8 Prozent) nicht gegen Tetanus. Auch
bei anderen Krankheiten wie Hepatitis B
lag ein schlechter Impfstatus vor.
Von den Befragten hatten 12,8 Prozent
eigene Gewalterfahrungen, was Gewalt
durch die Polizei oder bewaffnete Kräfte
einschließt. 26 Prozent der Menschen
berichten von psychischer Gewalt. Von
den Menschen, die in Europa interviewt
worden waren, kamen 43,2 Prozent aus
einem Kriegsgebiet. Über ein Viertel der
Befragten (26,7 Prozent) litten an Hunger.
Der Bericht bringt die hohen Barrieren zur deutschen Gesundheitsversorgung ans Licht. Hierfür wurden alle
Patienten aus den Praxen in München und
Hamburg befragt: Von diesen verzichten
35 Prozent auf den Gang zum Arzt, weil sie
sich einen Arztbesuch, Medikamente oder
eine Krankenversicherung nicht leisten
können. Besonders besorgniserregend
ist die Situation von Schwangeren und
Minderjährigen: In München zum Beispiel
erfolgen 26 Prozent der Untersuchungen
bei Frauen aufgrund einer Schwangerschaft.
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Verschwendung in der Küche
Teure Wartungs- und Versorgungsverträge
Fehlplanungen bei Um- und Neubauten
In jeder zweiten Krankenhausküche
agiert der Einkauf unabhängig von der
Bettenbelegung. Benötigte Mengen für einen Beköstigungstag (BKT) werden falsch
kalkuliert, Speisepläne schlecht geplant;
Lebensmittel wandern in den Müll.
In fünf von zehn Fällen arbeiten Kliniken in Deutschland nach CURATIS-Analyse mit überteuerten Wartungsverträgen
für medizintechnische Geräte. Auch die
Verträge mit Energieversorgen sind oft
überteuert.
Zu wenig Betten auf der Station, zu lange
Wege im Haus: Jede fünfte Klinik macht
Fehler bei der Planung von Neu- und Umbauten. Lange Wege kosten Zeit (und Personal),
Stationen mit weniger als 30 Betten lassen
sich kaum wirtschaftlich betreiben.
Krankenkassen
Krankenversicherungen für deutsche ExPats in den USA
Der Ausgang der US-Wahlen wird Auswirkungen auf den Versicherungsschutz deutscher Unternehmen in den USA haben
N
ach der Wahl von Donald Trump
zum 45. Präsidenten der USA werden erste Punkte seiner politischen
Agenda bekannt. Demnach scheint
Trump unter anderem sein Versprechen,
die unter Obama eingeführte allgemeine
Krankenversicherungspflicht („Obamacare“ – offiziell: Patient Protection and
Affordable Care Act) abzuschaffen, nur
teilweise in die Tat umsetzen zu wollen.
So sagte er in seinem ersten Interview
nach dem Wahlsieg mit dem „Wall Street
Journal“, er habe Obama gegenüber
versichert, dass er dessen Vorschläge
überdenken werde. Im Wahlkampf hatte Trump immer wieder versprochen,
Obamas Gesundheitsreform komplett
rückabwickeln zu wollen – und genau so
steht es noch auf Trumps Homepage.
Für die Abschaffung von „Obamacare“
spricht sich auch der US-Senat aus: So teilte
etwa der Mehrheitsführer des US-Senats
Mitch McConell in seiner Gratulationsrede
an den designierten Präsidenten mit, dass
der Senat das Wahlversprechen unterstütze
und eine schnelle Rückabwicklung von
Obamacare forcieren werde.
„Unabhängig davon, welche Teile der
gesetzlichen Krankenversicherung tatsächlich bestehen bleiben, die Änderungen
werden sehr wahrscheinlich Konsequenzen
für deutsche Auswanderer und entsandte
Mitarbeiter deutscher Unternehmen in
den USA haben“, sagt Claus-Helge Groß,
Experte für Auslandsversicherungen beim
BDAE.
Erst vor kurzem mussten sich vor
allem Firmen intensiv mit dem Thema
Krankenversicherung ihrer Mitarbeiter in
den USA auseinandersetzen. Der Grund:
Ab einer bestimmten Unternehmensgröße ist ein Versicherungsschutz verpflichtend.
Foto: Affordable Care Act - Obamacare | © Karen Roach - Fotolia.com
Das Gesetz über die Krankenversicherungspflicht gilt seit 1. Januar 2014 auch
für deutsche Bürger, die in irgendeiner
Form steuerpflichtig in den USA sind. Damit wurden auch die Grundlagen für den
Auslandskrankenversicherungsschutz neu
definiert. Vor der Einführung von „Obamacare“ konnten Bundesbürger problemlos
mit einer deutschen oder ausländischen
Auslandskrankenversicherung in den Vereinigten Staaten leben und arbeiten, ohne
finanzielle Nachteile zu haben.
Derzeit sind jedoch bei weitem nicht
alle Auslandskrankenversicherungen sowohl deutscher als auch internationaler
Versicherer „Obamacare-konform“, weil
sie nicht die gesetzlich vorgeschriebenen
Anforderungen erfüllen. Das hat zur Folge,
dass die betroffenen Expats und Auswanderer zum einen nicht in den Genuss von
Steuervergünstigungen kommen und
zum anderen sogar Strafe zahlen müssen,
wenn sie keine anerkannte Krankenversicherung vorweisen können.
„In einem solchen Fall haben wir Privatpersonen und Unternehmen bislang
empfohlen, zusätzlich zur Auslandskrankenversicherung eine günstige lokale,
anerkannte Krankenversicherung abzuschließen“, so BDAE-Spezialist Groß weiter.
Ob sich die Bedingungen für die Anerkennung deutscher Auslandskrankenversicherer nach einer erneuten Reform
der Gesundheitsreform durch die TrumpRegierung wieder verbessern werden, ist
zurzeit noch nicht abzusehen. Angesichts
der von Trump während des Wahlkampfes
angekündigten Protektionismus-Bestrebungen ist aber zu vermuten, dass sich
die Bestimmungen vielmehr verschärfen
werden. „Noch können wir keine Progno-
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sen abgeben, allerdings raten wir in den
USA aktiven deutschen Unternehmen,
die Entwicklungen im Gesundheits- und
Versicherungswesen unbedingt im Blick
zu halten. Sind Mitarbeiter in den USA
betroffen, sollten sich Personaler aufgrund
der Komplexität des Themas an lokale
Fachleute wenden und weiterhin überprüfen, ob der Versicherungsschutz den
gesetzlichen Anforderungen entspricht“,
rät Claus-Helge Groß.
Seit dem 1. Oktober 2014 sind 12,7
Millionen Amerikaner erstmals krankenversichert. Kern der von Noch-Präsident
Barack Obama im Jahr 2010 auf den Weg
gebrachten Gesundheitsreform (Patient
Protection and Affordable Care Act) ist der
bezahlbare Zugang zu einer guten medizi-
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nischen Versorgung. Das als „Obamacare“
bekannt gewordene Programm stellt eine
allgemeine Krankenversicherungspflicht
dar. So müssen US-Arbeitgeber ab einer
Unternehmensgröße von mindestens 50
in Vollzeit angestellten Mitarbeitern einen
angemessenen Versicherungsschutz anbieten („Employer Mandate“) – andernfalls
drohen Bußgelder.
Wirtschaft
Pharmafirmen gehen bei Medikamentenpreisen neue Wege
Unter der US-Wahl ist der Preiswucher bei Medikamenten in den USA zu einem brisanten Thema angewachsen.
D
ie US-Präsidentschaftswahlen haben
einem Reizthema zu neuer Aktualität
verholfen: Preisexzesse bei Medikamenten eigenen sich hervorragend zur Profilierung. Den Kampf gegen den „Wucher“
im Arzneimittelsektor schrieb sich die
demokratische Kandidatin Hillary Clinton
bereits vor mehr als einem Jahr auf die
Fahnen. Auch ihr republikanischer Gegenspieler Donald Trump griff das Thema auf.
Die Branche muss nun umdenken und
sucht bei der Preisgestaltung neue Ansätze. „Der alte Weg, die Preise unserer Medikamente auf Basis von Ampullen oder
Milligramm festzulegen, ist im aktuellen
Umfeld wirklich nicht mehr passend. Wir
brauchen flexiblere Lösungen“, sagt etwa
Jens Grüger, Head of Global Pricing & Market Access beim Schweizer Pharmariesen
Roche.
Bislang sind den Pharmakonzernen bei
dem, was sie für ihre Medikamente verlangen, in den USA kaum Grenzen gesetzt. Das
führte zum Teil zu astronomisch hohen
Preisen und regelrechten Eklats – etwa als
bekannt wurde, mit welchem Aufschlag
das Medikament EpiPen zur Behandlung
allergischer Schocks von Mylan verkauft
wurde, oder das Mittel Daraprim gegen
Toxoplasmose von Turing Pharmaceuticals. Schuldengeplagte Regierungen, Krankenkassen und Patienten hinterfragen die
Preispraxis Pharmakonzerne schon länger.
Die Gesundheitssysteme stoßen an ihre
Grenzen, auch weil die Therapien immer
komplexer werden. Vor allem in der ohnehin
schon teuren Krebsbehandlung kommen oft
zwei oder mehr Medikamente gleichzeitig
zum Einsatz.
Mit Donald Trump als neuem Präsi-
denten wir der Pharmabranche bei der
Preisgestaltung künftig mehr auf die Finger
geschaut werden. Schärfere Regeln dürften
die Erlöse der Branche aber weniger üppig
sprudeln lassen. Die USA ist der mit Abstand
betrifft nicht nur das Produkt. Innovation
ist auch, wie wir unser Geschäftsmodell konzipieren, insbesondere die Preisgestaltung“,
erläutert Roche-Manager Grüger. Als einen
Weg beschreibt er die Idee der wertbasierten
Bisher konnte die Pharmabranche ungehindert die Preise bestimmen.
wichtigste Markt für die eine Billionen Dollar schwere Industrie – sie erzielt dort 40
Prozent ihrer Umsätze. Und die Konzerne
verdienen gut, im operativen Geschäft bleiben schnell einmal 30 Prozent oder mehr
vom Umsatz übrig. Das verträgt sich nur
schwer mit dem Argument, hohe Preise
seien nötig, um die teure Forschung zu
finanzieren und Reserven für Fehlschläge
vorzuhalten.
Die Pharmabranche muss sich also umstellen, neue Konzepte zur Preisfindung und
-rechtfertigung entwickeln. „Innovation
Foto:Flickr/oliver.dodd/CC BY 2.0
Preisfestlegung: „Grundsätzlich bedeutet
das: Wenn sie keinen zusätzlichen Vorteil für
den Patienten nachweisen können, sollten
sie keinen Aufpreis für das Medikament
verlangen.“
Der Chef des Pharmariesen Novartis,
Joseph Jimenez, sieht darin auch Chancen:
„Ich glaube, dass die Preisgestaltung in den
USA schwieriger wird“, sagte er jüngst. „Ich
glaube aber auch, dass die USA ein Ort sind,
an dem Innovation belohnt wird.“ Anbieter
erstklassiger Arzneien würden gut zurechtkommen. Allen anderen drohe, dass sie
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in den kommenden drei bis fünf Jahren
abgestraft würden wie nie zuvor. Jimenez
erwartet daher, dass es in der Branche zu einem Umdenken kommt und die Forschung
stärker darauf ausgerichtet wird, Therapiedurchbrüche zu erzielen statt Medikamente
schrittweise zu verbessern.
Gefragt sind also Arzneien, die das
Leben der Patienten merklich verlängern,
ihnen eine bessere Lebensqualität, ein normales Leben oder eine schnellere Rückkehr
in den Alltag versprechen. Das führt rasch
zur Frage des Wirkungsnachweises. Gute
klinische Daten alleine werden in Zukunft
wohl kein Garant mehr dafür sein, dass für
Medikamente viel Geld verlangt werden
kann. Viel mehr werden handfeste Belege
dafür erforderlich sein, was die Mittel den
Patienten im Alltag wirklich bringen. Ab-
hängig davon, werden sie dann mehr oder
weniger kosten.
Beispiele für erfolgsbasierte Preismodelle gibt es bereits. In Italien etwa zahlen
die Kassen für das Roche-Mittel Avastin
unterschiedlich, abhängig davon, gegen
welche Krebsart das Präparat eingesetzt
wird und wie gut es wirkt. Novartis hat mit
mehreren Krankenversicherungen in den
USA eine Vereinbarung für sein neues Herzmedikament Entresto abgeschlossen, die die
Höhe der Zahlung daran knüpft, wie viele
Patienten wegen Herzversagen ins Spital
müssen. „Die Latte für diesen Nachweis ist
in den letzten Jahren höher gelegt worden“,
sagte Roche-Experte Grüger.
Derzeit stoßen diese Ansätze aber
noch rasch an Grenzen. Oft sind die für
eine Bewertung nötigen Daten nicht ver-
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fügbar oder nur schwer zugänglich. Doch
die Firmen rüsten in dieser Hinsicht auf.
Roche ist Anfang dieses Jahres bei Flatiron
Health eingestiegen, einer in New York ansässigen Firma, die auf die elektronische
Dokumentation von Krebsdaten in den
USA spezialisiert ist. „Big Data kann Einblick
bringen, wenn das effektiv genutzt wird“,
sagt Hilary Thomas, Chief Medical Advisor
beim Beratungsunternehmen KPMG. „Die
Branche muss diese Daten erfassen, um die
Wirkung ihrer Medikamente in der echten
Welt zu belegen.“
Die Pharmariesen vertrauen allerdings
nicht alleine auf gute Wirkung und innovative Preismodelle, um ihre gewinnbringenden
Medikamente zu schützen. In den letzten
zehn Jahren gab die Branche 2,3 Milliarden
Dollar für Lobbyarbeit im US-Kongress aus.
Wirtschaft
Deutsche Apotheken sind wegen Online-Versand nicht bedroht
Ganz im Gegensatz zur geläufigen Meinung kommen Versandapotheken gut an – besonders im ländlichen Raum.
Versandapotheken ersetzen mancherorts die fehlende Infrastruktur.
D
ie wohnortnahe Versorgung mit Medikamenten bleibt in Deutschland abgesichert, auch wenn derzeit von manchen
Akteuren das Massensterben von Apotheken prophezeit wird. Der Versandhandel mit
verschreibungspflichtigen Medikamenten
ergänzt die guten Leistungen der niedergelassenen Apotheken. Denn schon heute ist
die Präsenzapotheke in ländlichen Gebieten
nicht immer wohnortnah vertreten, weil
Foto: ©BVDVA
Ärzte fehlen.
„Besonders im ländlichen Raum, für chronisch kranke, alte und mobil eingeschränkte
Menschen ist der Online-Versandhandel der
einfachste Weg zur Arzteimittelversorgung. Die
Menschen wollen möglichst lange autonom
zu Hause leben und gleichzeitig gut versorgt
sein“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom.
Eine repräsentative Umfrage der Bitkom zeigt,
dass das Angebot der Versandapotheken gut
angenommen wird: Bereits über 55 Prozent
der Internetnutzer kaufen Medikamente im
Netz. Besonders ältere Menschen nutzen die
Online-Apotheken: Von den über 65-Jährigen
sind es knapp zwei Drittel (62 Prozent).
Auch als vor über 12 Jahren die ersten
Apotheken eine Versandhandelserlaubnis
bekamen, riefen viele: Die Apotheken vor Ort
werden untergehen! Das ist bis heute nicht
geschehen. Doch geht die Zahl der niedergelassenen Apotheken strukturbedingt zurück:
2005 gab es 21.476 Apotheken, davon 1.228
Filialen, 2015 waren es 20.249 Apotheken,
davon 4.281 Filialen. Entsprechend nahm
die Zahl der Apothekenleiter ab und man
beklagt den fehlenden Nachwuchs: So seien
heute ein Drittel der Apotheker zwischen
50 und 60, ein weiteres Drittel noch älter
und nur ein Drittel unter 50 Jahre alt. „Versandapotheken stützen die Versorgung mit
Arzneien und tragen mit ihren Leistungen
zur Gesundheit der Bevölkerung bei. Es gilt
nun, das gute Zusammenspiel aller Apotheken
zu sichern“, sagt Christian Buse, Vorstand des
Bundesverbands deutscher Versandapotheken
(BVDVA). Dazu haben die Versandapotheken
bereits viele Arbeitsplätze geschaffen und
stützen in strukturschwachen Regionen die
Wirtschaftskraft.
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Innovation
Kurkumin wirkt wie Kortison entzündungshemmend
Forscher der Saar-Uni haben herausgefunden, dass der Inhaltsstoff des Gewürzes Kurkuma entzündungshemmend wirkt.
D
ieses Ergebnis der Grundlagenforschung könnte in Zukunft dazu betragen, neue, nebenwirkungsarme Medikamente gegen Krankheiten wie Morbus
Crohn zu entwickeln. Ihr Ergebnis veröffentlichen die Forscherinnen der SaarUniversität in der Fachzeitschrift Journal
of Biological Chemistry: DOI: 10.1074/jbc.
M116.733253
Kurkuma, auch bekannt unter den
Namen Gelber Ingwer, Safranwurz oder
Gelbwurz, ist Hauptbestandteil in jedem
Currypulver. Schon seit langem werden
dieser beliebten Gewürzmischung, die nach
unterschiedlichsten Rezepturen aus einer
Vielzahl von Zutaten hergestellt wird, auch
heilende Kräfte nachgesagt. Insbesondere
für den Kurkuma-Inhaltsstoff Kurkumin,
der verantwortlich ist für die typisch gelbe
Curry-Farbe, belegen verschiedene Studien
eine heilsame Wirkung.
„Wir konnten nachweisen, dass Kurkumin nicht nur unspezifisch wirkt, sondern
ganz gezielt antientzündliche Wirkung
entfaltet. Anhand von Versuchsreihen an
Zellmodellen können wir belegen, dass das
Gewürz wie Kortison gezielt das Protein
´Gilz` beeinflusst. Gilz steht für Glucocor-
ticoid-induzierter Leuzin Zipper“, erklärt
Alexandra K. Kiemer, Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität des
Saarlandes. Ihre Arbeitsgruppe befasst sich
gemeinsam mit Forschern der Universitäten
Frankfurt am Main und Perugia (Italien)
in mehreren Studien mit diesem Protein.
Gilz spielt für das Immunsystem des
Menschen und insbesondere auch bei Entzündungsprozessen eine zentrale Rolle.
Das Protein unterbindet normalerweise
Entzündungsreaktionen. „Kommt es im
Körper zu einer Entzündung, verschwindet
dieses Protein jedoch“, erläutert Professor
Kiemer. Gilz geht, die Entzündung kommt:
So kann man das Phänomen auf den Punkt
bringen. „Bei einer Entzündung bauen die
Immunzellen das Molekül ab“, erklärt Dr.
Jessica Hoppstädter, wissenschaftliche
Mitarbeiterin von Professor Kiemer und
Erstautorin der aktuellen Studie. KortisonPräparate wirken unter anderem dadurch,
dass sie das Protein Gilz „induzieren“, also
veranlassen, dass dieses vermehrt produziert
wird. Sie führen jedoch in vieler Hinsicht zu
Veränderungen in der Zelle und haben nicht
unerhebliche Nebenwirkungen.
Die Saarbrücker Forscherinnen konnten
Kurkuma ist die grundlegende Zutat jedes gelben Currys.
belegen, dass Kurkumin eine dem Kortison
ähnliche Wirkung hervorruft, jedoch ohne
Zellprozesse zu beeinflussen, die typischerweise mit Kortison-Nebenwirkungen verbunden sind. „Kurkumin führt ebenfalls
dazu, dass speziell Gilz induziert wird, jedoch
mit einem ganz anderen Mechanismus als
Kortison“, fasst Jessica Hoppstädter zusammen. In Zellkulturen brachten die Pharmazeutinnen hierzu Kurkumin zusammen mit
einem Stimulus unter anderem auf Zellen
auf, in denen das Protein Gilz genetisch
ausgeschaltet war. Ohne Gilz verschwand
die entzündungshemmende Wirkung von
Kurkumin fast vollständig.
Das Forschungsergebnis bedeutet
jedoch nicht, dass einfaches Currypulver
Entzündungen heilen kann. „Solche Konzentrationen an Kurkumin kann man durch
Verzehr nicht erreichen“, klärt Jessica Hoppstädter auf. Hinzu kommt, dass Kurkumin
schlecht wasserlöslich ist und schlecht vom
Körper aufgenommen werden kann. „Es
handelt sich hier um Grundlagenforschung,
aber diese könnte die Basis dafür sein, künftig Medikamente zu entwickeln, die keine
oder weniger Nebenwirkungen als Kortison
haben“, erklärt Professor Kiemer.
Foto: Flickr/sara marlowe/CC BY 2.0
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Gesundheit
Smartphones sind Nährboden für Keime und Bakterien
Besonders in der Erkältungszeit sollte Hygiene beachtet werden. Gerade auf den Smartphones tummeln sich die Erreger.
Das Smartphone wirkt als regelrechte Keimschleuder.
B
is zu zehn Mal mehr Bakterien als auf
öffentlichen Toiletten oder Türklinken
befinden sich auf unseren Smartphones.
Kein Wunder, die meisten nehmen ihr Gerät überall mit hin – zur Arbeit, ins Restaurant und sogar auf die Toilette. Der mobile
Begleiter wird damit zum perfekten Nährboden für Keime und Bakterien. Hinzu
kommt, dass sich gerade in der Erkältungszeit viele nach dem Niesen oder Naseputzen nicht die Hände waschen, bevor sie
das Smartphone wieder in die Hand nehmen. assona, ein Anbieter von Elektronikversicherungen aus Berlin, verrät, wie das
Smartphone nicht zur Keimschleuder wird
und was es bei der Reinigung zu beachten
gibt, damit das Gerät nicht kaputt geht.
1. Display reinigen: So geht‘s richtig
Wie häufig das Display des Smartphones
gereinigt werden sollte, hängt vom Ver-
Foto: obs/assona GmbH/South_agency
schmutzungsgrad ab. Als Richtwert kann
man einmal täglich zum Reinigungstuch
greifen. Das Beste fürs Display ist ein Mikrofasertuch, mit dem sich mit kreisenden
Bewegungen dem Schmutz ganz einfach
zu Leibe rücken lässt. Hartnäckigen Dreck
bekommt man mit ein bisschen Feuchtigkeit ab – zum Beispiel mit einem feuchten
Brillenputztuch. Wichtig ist, dass die Tücher
sauber sind, damit keine Kratzer auf dem
Display entstehen. Komplett keimfrei wird
es so allerdings nicht. Hierfür gibt es Desinfektionssprays und antibakterielle Reiniger
speziell für Touchscreens.
2. Finger weg von aggressiven Mitteln
Glasreiniger oder Spülmittel zur Reinigung des Displays sind absolut tabu. Sie
enthalten aggressive Seifenlaugen, die die
fettabweisende Schicht des Touchscreens
zerstören. Das kann das Gerät langfristig
unbrauchbar machen. Auch zu viel Nässe
ist tödlich für das Smartphone, denn Wasser
und flüssige Sprays gelangen schnell durch
Ritzen und Spalten ins Gehäuse. Solche
Wasserschäden sind oft irreparabel.
3. Bakterien und Keime vermeiden
Damit das Smartphone nicht zur Keimschleuder wird, sollte man es gar nicht erst
in die Nähe von gefährlichen Bakterien
lassen. So ist es ratsam, das Gerät nicht
mit auf die Toilette zu nehmen oder beim
Essen zu verwenden. Essenreste können
sich auf dem Smartphone festsetzen und
bilden so einen Nährboden für Bakterien
und Co. Grundsätzlich gilt: Wer seine Hände regelmäßig wäscht, überträgt weniger
Keime. In der Erkältungszeit ist besondere
Sorgfalt geboten: nach dem Niesen, Husten
und Naseputzen immer gründlich Hände
waschen.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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www.deutsche-gesundheits-nachrichten.de
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