Sperrfrist: Redebeginn. Es gilt das gesprochene Wort. Grußwort Nicola Beer, MdL Generalsekretärin der Freien Demokratischen Partei Verleihung des Freiheitspreises 2016 an Kaspar Villiger Samstag, 12. November 2016, 11.00 Uhr Paulskirche Frankfurt 1 Freiheit – Verantwortung – Gleichheit Von Ludwig Börne, dem bekannten Sohn dieser Stadt, zu dessen Gedenken hier in der Paulskirche alljährlich ein Preis an bedeutende Publizisten vergeben wird, ist das Zitat überliefert: „Man kann eine Idee durch eine andere verdrängen, nur die der Freiheit nicht.“ Was für ihn, den Kritiker der Politik Metternichs und dem glühendem Anhänger von Demokratie und Freiheit so bedeutend war, ist es heute nicht minder. Er setzte in Zusammenhang, was untrennbar miteinander verbunden gehört, damals aber alles andere als selbstverständlich war: Für ihn galt die Demokratie als Voraussetzung der Freiheit. Das mag damit zusammengehangen haben, dass er, der sich 1830 in Paris niederließ, eine besondere Affinität zu den Maximen der französischen Revolution hatte. Die Französische Revolution mit ihrem Dreiklang der „liberté, egalité, fraternité“ hat die Freiheit auf eine Stufe gestellt mit Gleichheit und Brüderlichkeit. Heute kann man den Eindruck gewinnen, dass Freiheit und Gleichheit gegeneinander ausgespielt werden. Das John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung erhebt seit sechs Jahren den sogenannten Freiheitsindex. Gefragt wird vor allem nach der Wertschätzung der Freiheit im Wettbewerb mit Gleichheit, Sicherheit oder Gerechtigkeit. In diesem Jahr zeigt der Index, dass die Freiheit für die Deutschen immer noch einen hohen Stellenwert hat. Sie gelangt in der Studie noch vor Gleichheit, Gerechtigkeit und Sicherheit. Zugleich lässt sich aber eine steigende Sehnsucht nach Gerechtigkeit und sogar 2 eine zunehmende Forderung nach Verboten feststellen. Diese Tendenz ist irritierend, ja erschreckend. Die Idee der Freiheit, die Ludwig Börne für nicht austauschbar, für nicht ersetzbar hielt, wird heute in Abwägung zu Bevormundung gestellt. Ein Gegensatz, der größer nicht sein könnte. Freiheit stellt sich immer gegen Bevormundung, egal, ob sie als wohlgemeinter Paternalismus oder ob sie mit moralinem Zeigefinger daherkommt. Freiheit setzt auf Bildung, sie setzt auf Anstand und Verstand des Einzelnen, auf Vertrauen in die Fähigkeiten jedes Einzelnen. Aber alleine ist sie wertlos, ja gefährlich. Freiheit bedarf eines ebenso wirkungsmächtigen und unverzichtbaren Pendants: der Verantwortung. Ist es die Scheu oder gar Furcht, selbst Verantwortung für eigenes Tun und Handeln zu übernehmen, die den Wunsch nach Fürsorge oder gar Verboten beseelt? „Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit“ bemerkte schon Bismarck. Es scheint, die Zeit ist stehen geblieben. Verantwortung ist mehr als nur eine Handlungsrichtlinie, sie ist innere Einstellung. Eine Frage der Haltung. Freiheit und Verantwortung sind Grundvoraussetzungen einer offenen Bürgergesellschaft. Einer Gesellschaft, in der sich der Einzelne einbringt – für die Allgemeinheit. Indem der Einzelne frei ist, übernimmt er Verantwortung. Nicht nur für sich selbst, sondern für seine Mitmenschen, für die Gesellschaft als Ganzes. Der Einzelne bringt sich ein, er tut dies freiwillig unter Ausnutzung des Rahmens, den ihm seine Freiheit gibt. Indem er sich für die Gesellschaft einbringt, übernimmt er Verantwortung. Hier treffen sich Verantwortung - Eigenverantwortung 3 mit Solidarität, denn Verantwortung übernehmen bedeutet eben auch Solidarität. Freiheit ohne Verantwortung ist keine Freiheit, jedenfalls nicht im Sinne Kants. Verantwortung ohne Freiheit führt zu bloßem Befehl und Gehorsam, der uns schaudern macht. Wer Verantwortung übernimmt, begibt sich eines Teils seiner Freiheit, aber freiwillig. Das ist der Kern auch der Luther´schen Freiheit des Christenmenschen, die sich in diesen Zeiten vielfältige und wohlfeile Verwässerungen gefallen lassen muss. Verantwortung gilt nicht nur für das hier und jetzt, sondern umfasst Verantwortung für nachfolgende Generationen. Sie besteht darin, die Freiheit nachgeborener Generationen nicht einzuschränken oder gar zu verbrauchen. Und das gilt nicht nur in den ach so beliebten Umweltfragen, das gilt heute auch für die Tragfähigkeit der Renten und vor allem für das Abtragen der Schuldenberge. Ein Vorbild für die Bewahrung der Freiheit nachfolgender Generationen ist der diesjährige Preisträger des Freiheitspreises: Kaspar Villiger. Als „Vater“ der Schuldenbremse, die er 2003 in einer Volksabstimmung durchsetzte, hat er Maßstäbe für verantwortungsvolles Handeln gesetzt. Stets forderte er eine Rückkehr zu einem Sinn für Verantwortung. Sie, sehr verehrter Herr Villiger, haben 2011 treffend und treffsicher Verantwortung in der ZEIT wie folgt umschrieben: „Wenn sich schon Odysseus an den Mast binden ließ, um nicht den Gesängen der Sirenen zu erliegen, so ist es gewiss nicht schlecht, wenn sich auch die Politik gegen Verführungen wappnet“ 4 Ach hätten Sie, werter Preisträger, mit der Schuldenbremse doch auch unseren Großen Koalitionären die Ohren mit Wachs verstopft, damit ihre in Wahlkampfzeiten wieder Fahrt aufnehmende Spendierfreudigkeit nicht zu einem Scheitern der Gemeinschaft führt; damit Nachhaltigkeit nicht nur beliebig und sinnentleert, sondern verantwortlich gebraucht wird; damit endlich die Balance zwischen Staat und Privat wieder hergestellt werden kann. Thomas Jefferson schrieb über die Generationengerechtigkeit: „Wäre die erste Generation in der Lage, die zweite und dritte mit Schulden zu belasten, dann würde die Erde der toten und nicht der lebenden Generation gehören. Daher kann keine Generation mehr Schulden aufnehmen, als während der Zeit ihres Bestehens abbezahlt werden kann.“ Zur politischen Verantwortung gehört, Ideen für die Gestaltung der Zukunft zu entwickeln. Gute Politik muss sich daran messen lassen, ob sie ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft gerecht wird. Wenn das Wohl der Gesellschaft Leitfaden und Richtschnur für politisches Handeln, für good governance ist, dann verbietet sich die Entmündigung durch die Reglementierung nahezu jeden Lebensbereiches. Denn der Einzelne kann in der Gesellschaft Verantwortung nur übernehmen, wenn er mündig, wenn er frei ist. Der Einzelne darf nicht glauben, keine Verantwortung mehr übernehmen zu müssen, weil staatliches Handeln dies ersetzt. 5 Freie Demokraten setzen dem entgegen, dass die Idee der Freiheit ein Auftrag zur Verantwortung ist. Die Karlsruher Freiheitsthesen beschreiben es treffend: Weil Menschen miteinander leben, sich eine Welt teilen, weil sie Kinder und Enkel haben – darum wollen wir die verantwortete Freiheit. Der Preisträger hat sie wahrgenommen, die verantwortete Freiheit, wofür wir ihm zu Dank verpflichtet sind. Politische Analysen, liberale Argumente und Neues aus der Stiftungswelt: 6
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