11-01-Entwurf Grußwort Freiheitspreis-Nb - Friedrich

Verleihung des Freiheitspreises der FriedrichNaumann- Stiftung für die Freiheit
an Kaspar Villiger,
Paulskirche zu Frankfurt, 12. November 2016
Freiheit – Verantwortung – Gleichheit
Von Ludwig Börne, dem bekannten Sohn dieser
Stadt, zu dessen Gedenken hier in der Paulskirche alljährlich ein Preis an bedeutende Publizisten vergeben wird, ist das Zitat überliefert:
„Man kann eine Idee durch eine andere verdrängen, nur die der Freiheit nicht.“
Was für ihn, den Kritiker der Politik Metternichs
und dem glühendem Anhänger von Demokratie
und Freiheit so bedeutend war, ist es heute nicht
minder. Er setzte in Zusammenhang, was untrennbar miteinander verbunden gehört, damals
aber alles andere als selbstverständlich war.
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Für ihn galt die Demokratie als Voraussetzung
der Freiheit.
Das mag damit zusammengehangen haben, dass
er, der sich 1830 in Paris niederließ, eine besondere Affinität zu den Maximen der französischen
Revolution hatte.
Die französische Revolution mit ihrem Dreiklang
der liberté, egalité, fraternité hat die Freiheit
auf eine Stufe gestellt mit Gleichheit und Brüderlichkeit. Heute kann man den Eindruck gewinnen, dass Freiheit und Gleichheit gegeneinander ausgespielt werden.
Das John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung erhebt seit sechs Jahren den sogenannten
Freiheitsindex. Gefragt wird vor allem nach der
Wertschätzung der Freiheit im Wettbewerb mit
Gleichheit, Sicherheit oder Gerechtigkeit. In diesem Jahr zeigt der Index, dass die Freiheit für
die Deutschen immer noch einen hohen Stellenwert hat. Sie gelangt in der Studie noch vor
Gleichheit, Gerechtigkeit und Sicherheit. Zu-
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gleich lässt sich aber eine steigende Sehnsucht
nach Gerechtigkeit und sogar eine zunehmende
Forderung nach Verboten feststellen. Diese Tendenz ist irritierend, ja erschreckend.
Die Idee der Freiheit, die Ludwig Börne für nicht
austauschbar, für nicht ersetzbar hielt, wird heute in Abwägung zu Bevormundung gestellt. Ein
Gegensatz, der größer nicht sein könnte. Freiheit
stellt sich immer gegen Bevormundung, egal, ob
sie als wohlgemeinter Paternalismus oder ob sie
mit moralinem Zeigefinger daherkommt.
Freiheit setzt auf Bildung, sie setzt auf Anstand
und Verstand des Einzelnen, auf Vertrauen in die
Fähigkeiten jedes Einzelnen.
Aber alleine ist sie wertlos, ja gefährlich. Freiheit bedarf eines ebenso wirkungsmächtigen und
unverzichtbaren Pendants: der Verantwortung.
Ist es die Scheu oder gar Furcht, selbst Verantwortung für eigenes Tun und Handeln zu übernehmen, die den Wunsch nach Fürsorge oder gar
Verboten beseelt?
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„Die Scheu vor der Verantwortung ist eine
Krankheit unserer Zeit“ bemerkte schon Bismarck. Es scheint, die Zeit ist stehen geblieben.
Verantwortung ist mehr als nur eine Handlungsrichtlinie, sie ist innere Einstellung. Eine Frage
der Haltung.
Freiheit und Verantwortung sind Grundvoraussetzungen einer offenen Bürgergesellschaft. Einer Gesellschaft, in der sich der Einzelne einbringt – für die Allgemeinheit. Indem der Einzelne frei ist, übernimmt er Verantwortung. Nicht
nur für sich selbst, sondern für seine Mitmenschen, für die Gesellschaft als Ganzes. Der Einzelne bringt sich ein, er tut dies freiwillig unter
Ausnutzung des Rahmens, den ihm seine Freiheit
gibt. Indem er sich für die Gesellschaft einbringt,
übernimmt er Verantwortung. Hier treffen sich
Verantwortung - Eigenverantwortung - mit Solidarität, denn Verantwortung übernehmen bedeutet eben auch Solidarität.
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Freiheit ohne Verantwortung ist keine Freiheit,
jedenfalls nicht im Sinne Kants. Verantwortung
ohne Freiheit führt zu bloßem Befehl und Gehorsam, der uns schaudern macht.
Wer Verantwortung übernimmt, begibt sich eines
Teils seiner Freiheit, aber freiwillig. Das ist der
Kern auch der Luther´schen Freiheit des Christenmenschen, die sich in diesen Zeiten vielfältige und wohlfeile Verwässerungen gefallen lassen
muss.
Verantwortung gilt nicht nur für das hier und
jetzt, sondern umfasst Verantwortung für nachfolgende Generationen. Sie besteht darin, die
Freiheit nachgeborener Generationen nicht einzuschränken oder gar zu verbrauchen. Und das
gilt nicht nur in den ach so beliebten Umweltfragen, das gilt heute auch für die Tragfähigkeit der
Renten und vor allem für das Abtragen der
Schuldenberge.
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Ein Vorbild für die Bewahrung der Freiheit nachfolgender Generationen ist der diesjährige Preisträger des Freiheitspreises: Kaspar Villiger.
Als „Vater“ der Schuldenbremse, die er 2003 in
einer Volksabstimmung durchsetzte, hat er Maßstäbe für verantwortungsvolles Handeln gesetzt.
Stets forderte er eine Rückkehr zu einem Sinn
für Verantwortung.
Sie, sehr verehrter Herr Villiger, haben 2011 treffend und treffsicher Verantwortung in der ZEIT
wie folgt umschrieben:
„Wenn sich schon Odysseus an den Mast binden ließ, um nicht den Gesängen der Sirenen
zu erliegen, so ist es gewiss nicht schlecht,
wenn sich auch die Politik gegen Verführungen
wappnet“
Ach hätte der Preisträger mit der Schuldenbremse doch auch unseren Großen Koalitionären die
Ohren mit Wachs verstopft, damit ihre in Wahlkampfzeiten wieder Fahrt aufnehmende Spendierfreudigkeit nicht zu einem Scheitern der
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Gemeinschaft führt; damit Nachhaltigkeit nicht
nur beliebig und sinnentlehrt, sondern verantwortlich gebraucht wird; damit endlich die Balance zwischen Staat und Privat wieder hergestellt
werden kann.
Thomas Jefferson schrieb über die Generationengerechtigkeit:
„Wäre die erste Generation in der Lage, die
zweite und dritte mit Schulden zu belasten,
dann würde die Erde der toten und nicht der
lebenden Generation gehören. Daher kann keine Generation mehr Schulden aufnehmen, als
während der Zeit ihres Bestehens abbezahlt
werden kann.“
Zur politischen Verantwortung gehört, Ideen für
die Gestaltung der Zukunft zu entwickeln. Gute
Politik muss sich daran messen lassen, ob sie ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft
gerecht wird.
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Wenn das Wohl der Gesellschaft Leitfaden und
Richtschnur für politisches Handeln, für good governance ist, dann verbietet sich die Entmündigung durch die Reglementierung nahezu jeden
Lebensbereiches. Denn der Einzelne kann in der
Gesellschaft Verantwortung nur übernehmen,
wenn er mündig, wenn er frei ist.
Der Einzelne darf nicht glauben, keine Verantwortung mehr übernehmen zu müssen, weil
staatliches Handeln dies ersetzt.
Freie Demokraten setzen dem entgegen, dass die
Idee der Freiheit ein Auftrag zur Verantwortung
ist. Die Karlsruher Freiheitsthesen beschreiben
es treffend: Weil Menschen miteinander leben,
sich eine Welt teilen, weil sie Kinder und Enkel
haben – darum wollen wir die verantwortete
Freiheit.
Der Preisträger hat sie wahrgenommen, die verantwortete Freiheit, wofür wir ihm zu Dank verpflichtet sind.
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