Mundgesundheit bei Diabetes – Risikofaktor Parodontitis? Petra-Maria Schumm-Draeger Städtisches Klinikum München GmbH Klinikum München Bogenhausen Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie E-Mail: [email protected] Berlin, 16.11.2012 Fallbeispiel • 57-jähriger Patient: Manfred D. Vater/Großmutter: Koronare Herzerkrankung (KHK), Hypertonie und Typ 2 Diabetes mellitus • Juni 2007: – Akuter Vorderwandinfarkt bei 2-Gefäß-KHK, „Nebendiagnose“: Typ 2 Diabetes mellitus! (HbA1c 9,4%), Adipositas Grad 2, arterielle Hypertonie, Dyslipoproteinämie – Coronarangiographie (PTCA: LAD und M2) – Beginn mit Aspirin, ß-Blocker, Statin, Metformin • Oktober 2009: – Medikation unverändert, HbA1c noch immer 8,1%! – Hinterwandinfarkt bei nun 3-Gefäß-KHK – Kardiochirurgie (4-fach ACVB) 2 Prevalence of abnormal Glucose-Metabolism in CAD Ab re no gu rm lat al ion glu 71 cos % e se o luc n g al latio rm gu o N re 29% Konsequenz ? 31% NGT IFG IGT DM (new) 3% 12% 25% DM (known) Bartnik et al Eur Heart J 2004; 25:1880-90 „Idealer“ und „tatsächlicher“ Verlauf des Typ-2Diabetes Aufbau eines “schlechten” Stoffwechsel- (metabolischen) Gedächtnisses 9,5 HbA1c (%) 9,0 (Erstes) z.B. kardiovaskuläres Ereignis: Myokardinfarkt Neuer Therapieversuch Tatsächlicher Verlauf Idealer Verlauf 8,5 Erhöhtes Risiko für mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Zeit (Jahre nach Diagnosestellung) 12 13 14 15 Del Prato, Diabetologia (2009) 52(7),1219- 1226 16 4 Kardiovaskuläres Kontinuum Kardiometabolische Risikofaktoren Störungen des Glukosemetabolismus und Diabetes Keine Anzeichen oder Symptome Frühe Intervention kann Progression der Erkrankung Progression verhindern Hochdruck Parodontitis Adipositas Dislipidämie Kardiovaskuläres Remodeling Endotheliale Dysfunktion Fibrose Rauchen Inflammation Subklinische Organschäden Manifestation der Erkrankung Reduzierte GFR Vorhofflimmern HF-PEF Frühe Intervention kann Manifestationd er Erkrankung verhindern Frühe klinische Manifestationen Fortgeschrittene klinische Manifestationen Endstadien mod. Volpe M et al. Blood Pressure 2010 5 Bedeutende Komplikationen und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus Mikrovaskulär Makrovaskulär Oral Retinopathie Myokardinfarkt Gingivitis Nephropathie pAVK Parodontitis Neuropathie Apoplexie Candidiasis Neuroischämisches Diabetisches Fußsyndrom Leukoplakie Lichen planus Beziehungen zwischen akuter Erkrankung und Hyperglykämie Stresshormon ↑ Epinephrin ↑ Cortisol ↑ Steroidtherapie kontinuierliche enterale Ernährung Parenterale Ernährung Reduzierte körperliche Aktivität Akute Erkrankung Hyperglykämie z.B. Parodontitis Immunabwehr ↓ Wundheilung ↓ Oxidativer Stress ↑ Endotheliale Dysfunktion Entzündungsfaktoren ↑ Prokoagulatorischer Status Flüssigkeitsverschiebungen Elektrolytverschiebungen Möglichkeit der Exazerbation myokardialer oder cerebraler Ischämie Modif. nach Inzucchi SE. N Engl J Med 2006;355:1903-11. Typ 2 Diabetes assoziierte Faktoren tragen zur endothelialen Dysfunktion bei Hyperglykämie Insulinresistenz Adipositas Endotheliale Dysfunktion Parodontitis Hypertonie Dyslipidämie Entzündung (Zytokine, PAI-1, TNFα) PAI-1: Plasminogenaktivatorinhibitor-1; TNF-α : Tumornekrosefaktor-α Jansson. J Intern Med 2007;262:173–83. 8 Verstärkung der bakteriell induzierten Entzündung des Parodonts durch Advanced Glycation End Products (AGE) Zahnmed Up2date 5, 2011 Signifikante HbA1c-Senkung (0,4%) bei nicht-chirurgischer Parodontitistherapie (Metaanalyse) Teeuw et al, Diab Care, 2010 Erhöhte Mortalität bei Menschen mit Diabetes und schwerer Parodontitis gegenüber parodontal Gesunden/leicht erkrankten Personen Saremi et al, Diab Care, 2005 Attachmentlevel und Sondierungstiefe bei Menschen mit und ohne Typ 2 Diabetes (Metanalyse) Chavarry et al, Oral Health Prev Dent, 2009 Generalisierte fortgeschrittene Parodontitis bei neu manifestiertem Typ 2 Diabetes mellitus: IntraoralStatus Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Meyle, Gießen Generalisierte fortgeschrittene Parodontitis bei neu manifestiertem Typ 2 Diabetes mellitus: Röntgenbefund Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Meyle, Gießen Generalisierte fortgeschrittene Parodontitis bei neu manifestiertem Typ 2 Diabetes mellitus: Parodontalstatus Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Meyle, Gießen Sehr oft erfolgen Diagnose „Diabetes“ und Therapie (zu) spät! „Praxisnahe“ Früherkennung - wie? Parodontitis: „Risikomarker“ zur Früherkennung und Therapieverbesserung bei Diabetes? Medizinisch/zahnmedizinische Betreuung in der täglichen Praxis • Eine „optimale“ Therapie von Menschen mit Diabetes erfordert einen ganzheitlichen interdisziplinären Ansatz! • Ärztliches Team: „Mundgesundheit“ muss einbezogen werden! – Eine Aufnahme und Kontrolle des Zahnstatus muss in Anamnese – und bei der Routineuntersuchung erfolgen (standardisierter Fragebogen!) Bei schlechtem Zahnstatus (Zahnfleischbluten, Zahnlockerung, CRP-Erhöhung) muss eine zeitnahe Überweisung zum Zahnmediziner erfolgen • Zahnärztliches Team: An Diabetes muss gedacht werden! – Diabetesdauer, -therapie, -komplikationen, -Einstellungsqualität – Blutzuckermessgerät in der Zahnarztpraxis! – Screening für Diabetes (standardisierter Fragebogen)? Risiko leicht erhöht: 2 – 9 Punkte oder HbA1c kleiner 7% Risiko erhöht: 10 – 20 Punkte oder HbA1c größer 7% Hohes Risiko: Mehr als 20 Punkte Anamnese-Fragebogen aus ärztlicher (nichtzahnärztlicher) Sicht • Wurde in den letzten 2 Jahren beim Zahnarzt ein parodontaler Screening-Index (PSI) erhoben? • Ist Ihr Zahnfleisch gerötet, sieht es geschwollen aus oder blutet es gelegentlich? • Tritt an Ihrem Zahnfleisch gelegentlich Eiter aus oder haben Sie anhaltend schlechten Atem trotz Zähneputzen? • Haben Sie bei sich Zahnlockerungen festgestellt oder haben Sie das Gefühl, dass sich die Zahnstellung verändert? • Wurde bei Ihnen jemals ein bleibender Zahn auf Grund von Zahnfleischerkrankungen oder einer Vereiterung an der Zahnwurzel gezogen? Interdisziplinärer Untersuchungsalgorithmus: Parodontitis als Risikofaktor bei Diabetes Deschner et al, Der Internist 4, 466-477 2011 Fallbeispiel • 57-jähriger Patient Manfred D. Vater/Großmutter: Koronare Herzerkrankung (KHK), Bluthochdruck und Typ 2 Diabetes mellitus • Juni 2007: – Akuter Vorderwandinfarkt bei 2-Gefäß-KHK, „Nebendiagnose“: Typ 2 Diabetes mellitus! (HbA1c 9,4%), starkes Übergewicht (Adipositas), Auch hatte dieser Patient eine ausgeprägte Bluthochdruck, krankhaft veränderte Blutfette Parodontitis seit Jahren! – Herzkatheteruntersuchung (PTCA: LAD und M2) – Beginn mit Aspirin, ß-Blocker, Statin, Metformin • Oktober 2009: – Medikation unverändert, HbA1c noch immer 8,1%! – Hinterwandinfarkt bei nun 3-Gefäß-KHK – Herzoperation (4-fach ACVB) Diabetes „Frühprävention“: Optimale Kooperation zwischen Zahnärzten und Diabetologen Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit Fragen 27 Anamnese-Fragebogen aus ärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus ärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus ärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus zahnärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus zahnärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus zahnärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus zahnärztlicher Sicht Risiko leicht erhöht: 2 – 9 Punkte oder HbA1c kleiner 7% Risiko erhöht: 10 – 20 Punkte oder HbA1c größer 7% Hohes Risiko: Mehr als 20 Punkte Anamnese-Fragebogen aus zahnärztlicher Sicht Anamnese-Fragebogen aus zahnärztlicher Sicht kardiovaskuläre Ereignisse (%) Steno-2-Studie: ~55% Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch intensivierte Therapie strengere Einstellung von: - Blutdruck - HbA1c konventionelle Therapie - Lipiden Cave: Parodontitis! intensive Therapie Jahre HbA1c (%) Int. : 8,4…………………………………….7,9…………………………………7,7 Conv.: 8,8…………………………………….9,0…………………………………8,0 Gaede et al. NEJM 2008; 358:580 Mikround makrovaskuläre Endpunkte Bei Typ 2 Diabetes verschlechtert sich die korrelieren mit dem HbA Stoffwechseleinstellung zeitabhängig 1c - Wert Myokard-Infarkt Mikrovaskuläre Endpunkte UKPDS 9 Adjustierte* Inzidenz per 1000 Personen-Jahre (%) Konventionell* Glibenclamid Metformin Insulin Median HbA1c (%) 8.5 8 7.5 7 ADA empfohlenes Behandlungsziel <7.0% 6.5 6 6.2% = Obergrenze Normalbereich 0 2 4 6 8 10 Jahre seit der Randomisierung *Zunächst Diät dann Sulfonylharnstoff, Insulin und/oder Metformin wenn FPG>15 mmol/L UKPDS 34; Lancet 1998:352:854–65; 80 60 40 20 (Mittelwerte, 95% CI) 0 5 6 7 8 9 10 11 Mittlere HbA1c Konzentration (%) *Adjustiert für Alter, Geschlecht und ethnische Gruppe. Weiße, Alter 50–54 Jahre bei Diagnose “Legacy Effect” frühzeitiger Glukosekontrolle und Optimierung der Stoffwechselsituation UKPDS 80, N Engl J Med 2008, 359 Folgeuntersuchungen 8.5 Jahre (Median) nach UKPDS Kombinierter Endpunkt 1997 2007 Alle Diabetes-Endpunkte zusammen RRR: P: 12% 0.029 9% 0.040 Mikroangiopathie RRR: P: 25% 0.0099 24% 0.001 Myokardinfarkt RRR: P: 16% 0.052 15% 0.014 Gesamtmortalität RRR: P: 6% 0.44 13% 0.007 RRR = Relative Risiko Reduktion, P = Log Rank 39 Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei T2DM Versorgungsmangel in Deutschland?! Anteil Patienten mit leitliniengemäßer Stoffwechseleinstellung (%) Nüchternglukose < 110 mg/dl 17,3 HbA1c < 7% 45,9 HbA1c < 6,5% 26,7 Anteil Patienten mit leitliniengemäßem Lipidstatus (%) LDL < 100 mg/dl (< 70 mg/dl bei CV-Erkrankungen) HDL > 40 mg/dl Männer; > 50 mg/dl Frauen Triglyceride < 150 mg/dl 15,8 69,9 / 48,4 36,6 Anteil Patienten mit leitliniengemäßem Blutdruck (%) Systolisch < 130 mmHg und diastolisch < 80 mm Hg 7,5 Berthold et al., Deutsches Ärzteblatt 13, 861-866, 2007 (DUTY-Register) 40
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