Manuskript Park Hunting mit Pückler

Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur
Das Feature
"Vielfach thöricht, muthwillig und schwärmerisch..."
Park Hunting mit Pückler
Von Kai-Uwe Kohlschmidt
Produktion: DLF 2016
Redaktion: Ulrike Bajohr
Erstsendung: Freitag, 11.11.2016 , 20:10-21:00 Uhr
Regie: der Autor
Sprecher:
Wolfgang Wagner, Momo Kohlschmidt und der Autor
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©
BRANITZ
vögelzwitschern, vater und sohn laufen durch den branitzer park
MOMO
(flüsternd)
Cottbus, im Park von Branitz.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Und auf dem Baumstamm, schau mal, links eine Eiche,
rechts eine Linde, die sind historisch, die sind von
Pückler gepflanzt worden, und auf diesem Stumpf hast
du mal gestanden und das Orchester dirigiert, dass dort
zum Sonntagnachmittag spielte. Alle Leute haben
natürlich nur zu dir geschaut und nicht auf den
Dirigenten. Das ist vierzig Jahre her.
ein chor hebt in der ferne an zu singen
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Da gab es so Estradenkonzerte, kann ich mich erinnern.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Genau, Ballett manchmal auch.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Verrückt.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Da hätte der Fürst auch nichts dagegen gehabt. Zu
seinen Lebzeiten gab es mal hier ein Sängertreffen,
Berliner Gesangsvereine, wo angeblich zweitausend
Leute im Park gesungen haben, drei Jahre vor dem Tod
des
Fürsten.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Er hatte ein Faible für Spektakel.
die parkatmo blendet sich aus
Ansage
Vielfach thöricht, muthwillig und schwärmerisch.
Parkhunting mit Fürst Pückler.
Ein Feature von Kai-Uwe Kohlschmidt.
Atmo zurück im park
AUTOR
Jeder Winkel des Parkes ist mir vertraut. Die Esskastanie
am Kavalierhaus, die Wolfsschlucht, die Pyramiden. Als
Kind habe ich hier oft Wochen meiner langen SommerFerien verbracht. Mein Vater war Historiker und Kurator
im Schloss. Ich streifte durch den Park, als Seeräuber
oder Admiral, entdeckte ferne Länder. Oder dirigierte
eben Orchester.
ein reiher meckert und fliegt davon
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
...ah das ist der Alte. Der Geist des Fürsten.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Ein schöner, stolzer Reiher.
auf Musik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
(flüsternd)
Den rothen Faden sollen Sie schon erkennen, und Sie
werden ihn am besten mit dem Worte Kindlichkeit eben
bezeichnen können. Und würde ich
hundert Jahre alt, dies wird immer das Wesentliche
meines Charakters bleiben, vielfach thöricht,
niemals weltklug, Sklave der Stimmung. Muthwillig
und schwärmerisch.
Musik weg
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Das ist auch ein Pücklersches Prinzip, dass man
Gebäude nie komplett sieht, sondern immer nur ein Teil
davon. Wenn man jetzt weitergeht, erschließt sich
einem das und dann gibt es fünfzig Meter weiter einen
anderen Durchblick. Da sieht das ganz anders aus das
Bild.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Das ist so ein Versteckspiel.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Nicht alles mit einem Mal zeigen.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Das ist Raffinesse.
auf Musik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
(flüsternd)
Heute sinnlich, morgen innerlich, vor allem aber immer
mit Welt und Leben spielend, das Spielwerk mit
Leidenschaft verfolgend, und es eben wieder so leicht
wegwerfend, um ein neues mit gleicher Hitze zu
ergreifen, weinend, wenn es unversehens zerbrochen
wird, und den anderen Tag über die vergossenen
Thränen lachend.
Musik weg
IEGFRIED KOHLSCHMIDT
Der Park ist ja in drei Etappen angelegt. Jetzt sind wir hier
im letzten Parkteil, der Pyramidenebene. Und wie der
Name es sagt, das ist eine Ebene. Es ist keine
Erdbewegung mehr, außer bei den Pyramiden.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Gewollt?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
In Ägypten stehen die Pyramiden auch auf einer Ebene.
Das ist der Ort des Todes. Da ist Ruhe. Da ist nichts
mehr bewegt. Da ist die große Ruhe eingekehrt. Das
sieht man sehr schon hier drüben…
chormusik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
(geflüstert)
Dort ruhen mein und meiner Lucie Herzen. Wie es wohl
um Branitz steht? Il y a que la vérité qui blesse.
MOMO
(geflüstert)
Nur die Wahrheit schmerzt? Seien Sie unbesorgt. Alles
dürfte zu Ihrer Zufriedenheit sein. Die verschlungenen
Wege sind gepflegt. Die Baumgruppen und Solitäre
ausgereift. Selbst die Pyramide im Tumulus wurde
gerade restauriert. Ihr Park steht in prächtiger Blüte.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
(geflüstert)
On récolte ce qu’on a semé. – Wie die Saat, so die Ernte.
Musik weg/ schritte im park
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ich habe ja Mitte der neunziger Jahre definieren
müssen, was ist Branitz eigentlich und bin dann zu
dem Schluss gekommen, Branitz ist der Garten der
Erinnerungen. Das ist der Lebensatlas. Das sind die
großen Wiesen, die an England und Irland erinnern.
Das sind immer wieder Anklänge an den Orient, bis hin
zu den Pyramiden natürlich.
auf Musik
AUTOR
Fürst Hermann von Pückler-Muskau ist seit 1871 tot,
doch sein Esprit ist mir allgegenwärtig. Mein Vater, der
Experte, gab mir sein Wissen über den weitgereisten
Exzentriker und Gartenkünstler wie beiläufig, doch
nachhaltig mit auf meinem Lebensweg. Vatermilch.
Musik weg/Parkatmo
MOMO
(geflüstert)
In Schlossnähe, hinterm Rosenhügel, das Haus des
Inspektors. Sie erinnern sich? Heute wohnt Ihr
Urgroßneffe hier. Hermann Graf von Pückler.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
(geflüstert)
Aussi agréable. Ich bin entzückt.
MOMO
(geflüstert)
Heute wohnt Ihr Urgroßneffe hier. Hermann Graf von
Pückler.
schritte in das haus hinein
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Ah der Senior!
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Graf Pückler, guten Morgen.
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Grüßt Euch.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Mein Sohn, Kai-Uwe.
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Setzt Euch. Ich habe gerade eine tolle Ausstellung miteröffnet in
Bonn.
man setzt sich, die gräfin pückler schenkt tee ein, im hintergrund musik
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Oh ja. Da wurde auch nicht gespart. Da wurde geklotzt.
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Ja Bundesgelder. Aber ich sage Ihnen, das ist von einer solchen
Ästhetik!
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Was ist der Anlass der Ausstellung?
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Nichts... Pückler.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Pückler. Pückler ist immer ein Anlass.
allgemeine heiterkeit in der runde
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Gestern hat ja eine ganze Familie hier im
Pleasureground gesessen und hat da gefeiert. Das fand
ich dufte
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ja, wir waren das.
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Ach ihr wart das! Das fand ich toll! Pückler hätte gelacht.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Das ist Tradition, immer Pfingstmontag.
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Hätte ich das gewusst, wäre ich vorbeigekommen.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Haben Sie hier im Park Vorlieben? Orte, an denen sie besonders
gerne sind?
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Ja komischerweise, die Dinge, die ich noch genau
erinnere. Es gibt so Sachen, wo wir als Kinder immer
rumgelaufen sind. Die haben bei mir
eingeprägt. Das ist vor allem hier um den Teich,
westlich vom Haus. Einzelne Bäume, auf denen
wir rumgeklettert sind.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Wann waren Sie das erste Mal wieder in Branitz?
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Ich bin mit meiner Frau 1982 dagewesen. 1982 lernte
Franz Joseph Strauß den Schalck-Golodkowski kennen
und da hat er gesagt, wenn du jetzt mal in die DDR
einreisen willst, das kann ich mit einem Telefonanruf
regeln. Da sind wir abends um fünf hier angekommen. Da
komme ich hier ans Schloss, da haben Sie aufgemacht und
haben gesagt, es ist schon zu hier.
Da sind wir hier rumgelaufen, aber es hat mich
überhaupt nicht interessiert. Weil alles in fremder
Hand war. Also ich habe Anfang neunzig gespürt, dass
hier etwas zu verteidigen ist und da muss man sich
einbringen. Und einen Nagel haben Sie eingeschlagen,
als Sie mir sagten, dieses Haus könnte verkauft
werden, aber ich solle schnell
machen.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Hat sich das eingelöst für Sie?
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Ja doch, doch, doch. Das muss man wirklich sagen. Der
Engländer würde sagen “rewarding”. Ich habe mich
gefreut, mit der Vergangenheit arbeiten zu können.
DIE GRANDE TOUR
montage auf musik, eine kutsche setzt sich in bewegung
AUTOR
Rewarding. Sich belohnen.
MOMO
Auf der Grande Tour.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Das Reisen hat einen großen Wert an sich, einen noch
größeren in der Erinnerung; es ist sehr angenehm zu
reisen, aber vielleicht noch angenehmer, gereist zu
haben. Wenn ich überdenke, wie viel länger man lebt,
wenn man viel erlebt hat, möchte ich fast wünschen,
bis an meinen Tod dieses nomadische Leben zu
führen.
AUTOR
Wie ein Nomade. Der wandert und mäandert, doch nicht
frei von Sinn. Seit Jahren schon treibt es auch mich
hinaus. Mein Vater wollte in jungen Jahren zur See
fahren, denn er ist Pommer. Doch die Stasi fand, dass
er an Land der Republik verlässlicher diene. Mein Vater
flüchtete sich in die Geschichte. Die Lust am Reisen
verlor er nie und er vererbte sie mir. Gemeinsam
träumten wir davon, eines Tages Fürst Pückler hinterher
zu reisen. Nach England, Wales und Irland. Vater und
Sohn.
Atmo reisen/Zug
MOMO
Werter Fürst, ich bin die Schwiegertochter des
Historikers. Ihre Briefe von der Grande Tour sind
Familienschatz - Briefe an Lucie, Ihre Frau. Eine
erstaunliche Frau. Emanzipiert, Sie ahnen, was ich
meine.
Heutzutage gehen Frauen mit auf Reisen. Aber als dritte
im Bunde auf dieser ganz speziellen Tour… Oder gar als
vierte: nach Vater und Sohn und Ihnen, Fürst Pückler?
Ich werde beobachten und schreibe Ihnen von mir – und
Lucie.
die musik läuft aus, meeresrauschen
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Brighton, den 7ten. Teuerste. Ich habe gestern die 60
Meilen hierher sehr schnell, und in der angenehmsten
Trägheit, ohne nur aufzublicken, zurückgelegt, denn
man muss auch manchmal wie ein vornehmer Engländer
reisen. Es scheint hier eine bessere Temperatur als in
dem übrigen Nebellande zu herrschen.
auf der seebrücke in brighton
MOMO
„Der Engländer“ drängt in großer Masse in diese schöne
Stadt und tummelt sich an der pittoresken
Uferpromenade. Ein Rummelstrand. Ein Riesenrad. It
tastetd salty, it must be british.
auf der seebrücke
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Was hat er hier gesucht? Hier begann ja das erste Kapitel.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Die mondäne Gesellschaft, wer was auf sich hielt, fuhr
nach Brighton. Hier war die hohe Gesellschaft und
erholte sich. Natürlich gab es ein Spielkasino. Natürlich
gab es Bälle und Empfänge und weiß der Kuckuck was.
Ab und zu hörte man Geschichten: ja, der hat eine mit
hunderttausend Pfund geheiratet. Das wurde breit und
breiter erzählt. Alle dachten, da liegen die Witwen nur so
am Strand.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Auch las ich, dass die Heirat mit Lucie vom Geld
motiviert war. Hat sich das dann später gewandelt. Hat
er sie geliebt?
MOMO: Haben Sie sie geliebt?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Die zwei haben sich ohne Zweifel geliebt. Natürlich auf
Pücklersche Art. Natürlich hat er von Anfang an gesagt,
Heiraten wunderbar, Hintergedanke: der
Schwiegervater, der zweite Mann im Staate hat genug
Knete, das wird schon werden. Aber der war auch
dreimal verheiratet und zweimal geschieden und es
wurde immer weniger. Lucies Erbe war dann auch
irgendwann aufgebraucht, aber er hat sich von
vornherein jegliche Freiheit ausbedungen. Das war also
Liebe auf Pücklersche Art.
meeresbrandung
MOMO
Herzensschnucke, beste Frau vom Haus oder Julie
nannten Sie Ihre Lucie und sich selbst den ennuyierten
oder treuen Lou. Auch Tyrann oder wohlaffektionierter
Fürst. Nun, es klafft doch eine große Differenz zwischen
den Poesien unserer Zeiten. Nothing is older than
yesterday. Hier in Brighton wohnt ein Sänger, er nennt
sich selbst einen Drifter. Doch hören Sie selbst.
momo singt den nick cave song “far from me”, ein auto rollt über den
motorway
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Vor der Abreise machte ich heut früh noch eine lange
einsame Promenade, und diesmal doch nicht ganz
allein, sondern mit einer jener vielen artigen jungen
Damen, die ich hier kennengelernt. In dieser Hinsicht
gewährt man den Unverheirateten in England, wenn sie
einmal in die Welt lanciert sind, ungemein viel Freiheit.
Das junge Mädchen quaestionis war erst 17 Jahre alt,
aber schon in Paris poliert. Dein treues Louchen.
die belebte szenerie des heutigen warwick
MOMO
Ach, Sie treues Louchen… waren 42. Und Ihre Lucie war 9 Jahre
älter, und Kinder gab es keine.
trompeten in warwick
Wir sind jetzt im Schlossgarten von Warwick.
touristen in Warwick
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Wie hat er sich denn die Reise zusammengestellt?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Weshalb ist er überhaupt nach England gereist? Er ist
doch nicht gereist um Warwick zu sehen. Sondern er ist
gefahren, weil es mit Muskau nicht mehr weiterging, weil
kein Geld mehr da war. Er hat zu Lucie gesagt, wir beiden
können prima leben, wenn wir uns einschränken würden,
aber zum Einschränken sind wir nicht in der
Lage. Wir sind geborene Verschwender. Da hatte Lucie
diesen famosen Plan…
MOMO
Ist das wahr, dass Lucie Ihnen vorschlug, sich scheiden
zu lassen und Sie 1827 auf die Grande Tour schickte,
mit dem Ziel, sich eine neue Frau mit Vermögen zu
suchen?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Schön muss sie nicht sein, reich muss sie sein. Aber er
wollte natürlich auch noch eine schöne, junge haben.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Wie hat man ihn hier genannt? Es gab ja auch so Glossen.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Klar bis hin zu Charles Darwin, der ihn Prince Pickle
nannte. Pickle ist Gurke. Das ist natürlich eine heftige
Beleidigung. Da such mal eine Frau, wenn du Prinz Gurke
bist.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Hat er da Satisfaction gefordert?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Nein, das ging in England nicht. Aber er betrieb das Geschäft auch
sehr
halbherzig. Einerseits fand er immer was auszusetzen an
der jungen Frau und eine richtig reiche Witwe war auch
nicht in Reichweite.
MOMO
Prince Pickle…Wusste Lucie das? In Ihren Briefen findet
sich nichts davon.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Das war der Hauptgrund der Reise, die Mitgiftjagd. Dazu
entwickelte sich die Gartenjagd.
BLENHEIM
Musik/ kutsche/ schritte durch den park
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Nachdem wir zwei Tage lang die Parkomanie ruhen
gelassen haben, brachten wir heute das Verlorne wieder
ein, indem wir nicht weniger als vier große Parks
besuchten, wovon der letzte, das berühmte Blenheim
war. Doch in der Ordnung – exécutez-vous.
MOMO
Park von Blenheim. Sitz der Herzöge von Marlborough.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Das Wetter war ungefähr wie heute, etwas nebeliger
noch und er ist bewusst im Januar gefahren, denn wenn
Bäume nicht belaubt sind, dann erkennt man am besten
die Konstruktion eines Parkes.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Man muss Browns großartiges Genie bewundern, wenn man diese
Anlagen
durchwandert. Es ist der Garten-Shakespeare Englands.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
An der Stelle hier sieht man sehr schön, was der
Pückler studiert hat, nicht nur das Setzen von Bäumen,
die Modellierung des Geländes. Das war hier sicher ein
abschüssiger Hang, da hinein hat man das Gelände hier
modelliert. Oder die Setzung des Baumes dort. Der Weg
wird nicht einfach geschlängelt, sondern er windet sich
um gewisse Hindernisse herum. Sei es eine Senke, um
einen Stein, um einen Baum, um was auch immer.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Dabei sind seine Pflanzungen so wunderbar groß
geworden, daß wir, unter andern, einen einzigen
Strauch portugiesischen Lorbeers auf dem Rasen
fanden, der mit seiner dichten Masse 200 Fuß im
Umfang erreichte!
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Und jetzt sieht es so aus, als würde es unmerklich auch ein Kennzeichen eines Landschaftsparks, der
unmerkliche Übergang in die gewachsene
Landschaft. Hier kommt ein Maisfeld schon …. und
auch ein kleines Wäldchen.
MOMO
Langsam haben wir uns akklimatisiert. Das diffuse Fremde strapaziert
uns nun nicht mehr. Hier in Blenheim geht uns zum ersten Mal das
Herz auf. Als ein Gewitter heranzieht, suchen wir Schutz in einer
Kirche. Ein “friendly pope” lädt uns zum Tee.
in der kirche, draussen ein starkes gewitter
ADRIAN DUFFON
I walk through the Park nearly every day. My house is on the edge
of the
park. It is so beautyful, because you can see the natural
beauty from the trees and the lake and the menmade
beauty from the bridge and the palace. The Park is an
extraordinairy place, because it is so big. Capability Brown
had the great idea of fludding a part of the park to make
the lake which including coffering up the base of the
bridge. An doing that, it mades a wonderful symetry
beetween the water, the green banks of the lake, a
wonderful canapee of trees, all of which of course situatet
around the majestic and the enourmes Blenheim Palace,
which chimes with a wonderful golden light of a summers
evening with a thundered lightning, like there is right
around us now.
Autor
Adrian Duffon wohnt direkt am Rande des Parks und
durchquert ihn beinahe täglich auf dem Weg zur Kirche.
Capebility Brown - der berühmteste englische
Parkgestalter des 18. Jahrhundert, Pücklers Vorbild im
Erschaffen von scheinbar natürlichen „Möglichkeiten“,
capabilities - hatte die grandiose Idee, Teile der
Landschaft zu fluten und anzulegen, um Symmetrien zu
erzeugen, die aussehen, wie natürlich gewachsen. So
schmiegt sich alles um den großen Palast und gibt
diesem Würde und Glanz, wie das große Gewitter, das
gerade um uns tobt.
atmowechsel, der fürst schreibt in einem kleinen zimmer, draußen regen
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Der höchste Grad der landschaftlichen Gartenkunst ist
nur da erreicht, wo sie wieder freie Natur, jedoch in ihrer
edelsten Form, zu sein scheint. Indem er, der
Gartenkünstler, die rohen ungeregelten Naturstoffe und
Bilder zu einer poetischen Landschaft vereinigt.
MOMO
„Liebe? befriedigt zuweilen, Wissenschaft beruhigt, aber
Kunst kann erfreuen.“ - schrieben Sie das nicht auch an
Lucie? Ihr Studium verriet Leidenschaft. Über fünfzig
Parkanlagen haben Sie in England inspiziert. Dann hatten
Sie genug gesehen. Doch nach Hause wollten Sie noch
nicht. Dort wartete der Schuldenberg und Lucie wäre
auch nicht so recht froh gewesen, alle Probleme waren ja
noch ungelöst.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Wenn ich die Ehre hätte der ewige Jude zu sein, und Geld
muß dieser doch wenigstens ad libitum haben, so würde
ich ohne Zweifel einen großen Teil meiner Unsterblichkeit
auf der Landstraße zubringen, und dies namentlich in
England. It is so delightful für jemand, der fühlt und denkt wie ich.
MOMO
Ihre Passion trieb Sie dem Golfstrom zu. Die Reise ging ins zweite
Jahr. Und was schrieben Sie Ihrer Lucie?
MOMO/FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Laß unsere Geister Hand in Hand über Land und Meer gleiten.
WALES
montage auf musik
MOMO
Cheltenham. Verehrter Fürst, die von Ihnen
beschriebenen sieben Quellen der später so stolzen
Themse konnten wir nicht finden. Ob es sie wirklich
gibt? Doch die famose View am Lakintonhill teilte ich,
gleich Ihren Zeilen.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Im Schutz einer Rosenlaube geborgen, schweifte mein
Blick siebzig englische Meilen weit in das Land hinein,
eine reiche Ebene mit mehreren Städten
und Dörfern überschauend, unter denen die Kathedrale
von Gloucester den stattlichsten Aussichtspunkt bildet.
Hinter ihr türmen sich zwei Bergreihen übereinander, die
von Malvern und von Wales.
landschaft
MOMO
Die Landstraße gleichen den von Ihnen beschriebenen
Alleen. Allein man muss immer noch ein Verschwender
sein, will man hier reisen. Die Preise sind extraordinair. In
Shrewsbury waren wir hübsch einquartiert. Ein betagtes
Hotel ganz nach Ihrem Geschmack. Das ehrwürdige
Haus hatte auch seine surprises. Zu später Stunde
begann es aus einer Lampe zu regnen. Stellen Sie sich
vor, Wasser kam durch die Decke geschossen, dann gab
es ein kleine Explosion und das Licht erlosch. Der Vater
vom Sohn eilte zur schlafenden Wirtin. “Water coming
thrue the lamp! Water coming thrue the lamp!”
momo und der fürst lachen herzhaft
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Die schönste Wirklichkeit erwartete mich heute früh in
Wales. Der Traum der Wolken schien mir im Voraus die
Herrlichkeit des Tales von Llangollen verkünden haben
zu wollen, eine Gegend, die nach meinem Urteil alle
Schönheiten der Rheinländer weit übertrifft, und dabei
eine ganz besondere Originalität in den ungewöhnlich
geformten Spitzen und jähen Abhängen der Berge
ausspricht.
ende der musik, eine straßenatmo in llangollen.
MOMO
Und endlich: Llangollen. Der Waliser faucht in der
Sprache. Nicht umsonst ist das Wappentier der
Drache.
schritte im haus der ladies
MOMO
Dort, lieber Fürst, waren wir erfreut, einen Ihrer Briefe
an Lucie an einer Wand eines Museums zu entdecken.
Sie erinnern sich? Die kleine, formidable Cottage, die
frühere Wohnstatt zweier bemerkenswerter Damen:
“The most celebrated virgines in Europe” – keine
Heiratskandidatinnen.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Die zwei berühmtesten Jungfrauen Englands, welche in
diesen Bergen nun bereits über ein halbes Jahrhundert
hausen, von denen ich schon einst als Kind viel erzählen
hörte. Du hast gewiß auch durch deinen Vater Kunde von
ihnen vernommen. Si non, voilà leur histoire.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Die zwei Ladies lebten hier zusammen, trugen
Männerkleider und waren ein permanenter Skandal.
Gewöhnlich durfte man die Damen nur besuchen, wenn
man Empfehlungsschreiben hatte, aber Pückler hatte
vergessen, sich ein entsprechendes Papier zu besorgen
und so schrieb er ein kurzes Billet, wie er dann vermerkt,
Rang und Titel öffnen auch hier alle Türen.
pizzicato-musik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Und ich erhielt sofort eine graziöse Einladung zu einem
zweiten Frühstück. Nun denke dir auch beide Damen
wieder mit der angenehmen aisance, und dem Tone der
großen Welt de l'ancien régime, verbindlich und
unterhaltend ohne alle affectation. Auch konnte ich nicht
ohne lebhafte Teilnahme die ununterbrochene und doch
so ganz natürlich erscheinende zarte Rücksicht
bemerken, mit der die Jüngere ihre schon etwas
infirmere ältere Freundin behandelte, und jedem ihrer
kleinen Bedürfnisse sorgsam zuvorkam.
MOMO
(lesend)
Ich debütierte damit, ihnen zu sagen, daß ich mich
glücklich schätzte, ein Kompliment an sie ausrichten
zu können, das mein Großvater, der vor
50 Jahren ihnen aufzuwarten die Ehre gehabt hätte,
mir an die schönen Einsiedlerinnen aufgetragen habe.
Diese hatten nun zwar seitdem ihre Schönheit, aber
keineswegs ihr gutes Gedächtnis verloren, erinnerten
sich des Großvaters sehr wohl, brachten sogar ein altes
Andenken von ihm hervor, und wunderten sich nur, daß
ein so junger Mann bereits gestorben sei!
draußen vor dem haus
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Auch heute noch ein Pilgerort für Homosexuelle. Soeben
brachte eine der Angestellten, die hier das kleine Museum
unterhalten, eine Papierblume aus dem Haus, die wohl
dort niedergelegt worden war, in Respekt und
Verehrung. Sie nahm sie und schmiss sie in einen Papierkorb.
bewegtere musik, eine kutsche setzt sich in bewegung
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Unter unbändigem Regen hatte ich die guten alten
Damen besucht, und unter demselben Platzregen ging
jetzt die Reise weiter. Zuerst bei der Ruine einer alten
Abtei vorüber.
MOMO
Die alte Abtei war leider mit stattlichen Kühen
umstellt und für uns nicht recht betretbar.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Und dann bei dem einstigen Palast Owen Glendowers,
dessen Du Dich aus Shakespeare erinnerst. “ Ich rufe
Geister aus der wüsten Tiefe!”
MOMO
“Wenn er erzählt vom Träumer Merlin, was der
prophezeit, vom Drachen und vom Fische ohne Flossen.”
beide müssen lachen, die musik läuft aus, ein bergwind weht
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Nachdem man hinter dem erwähnten Wasserfall, eine
halbe Stunde lang in nur durch wenige Hügel
unterbrochene Ebene gefahren ist, tritt man nicht weit
von Cernioge Mawr Inn mit einem Mal in das
Allerheiligste – ein mächtig ergreifender Anblick!
Ungeheure schwarze Felsen bilden rund umher das
erhabenste Amphitheater, dessen gezackte und
zerrissene Zinnen in den Wolken zu schwimmen
scheinen.
an einem sprudelndem bergbach
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Soll ich mal vorlesen?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Aber gerne doch.
MOMO:
Sie wissen es: Ihre Reisebriefe haben Sohn und Vater immer
dabei.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Hier: „Hinter diesem schließt Merlins, ganz isoliert
dastehender, Wunderfelsen scheinbar das Tal. Doppelt
unvergeßlich bleibt mir Dinas Emrys, einmal wegen
seiner romantischen Schönheit, und zweitens, weil ich
auf ihm wörtlich zwischen Leben und Tod hing. Ich
hatte einen kleinen Knaben als Führer mitgenommen,
der aber seiner Sache nicht recht sicher schien. Der
Weg, den er durch das Eichengestrüpp nahm, schien
mir gleich vom Anfang an, wegen seiner ungemeinen
Steilheit verdächtig.“
merlins berg wird von allen bestiegen, keuchen und schnaufen
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Merlin schien uns zu zürnen, es hatte sich ein heftiger
Wind erhoben, und die Sonne, die uns einen
Augenblick angeglänzt, lagerte sich hinter schwarze
Wolken, das lange nasse Gras aber, welches über die
Steinblöcke hing, machte das Klettern sehr gefährlich.
MOMO
Mich wundert es nicht, dass Sie ausgerechnet Merlins Felsen
erklimmen
wollten. Wird Merlin doch auch der Verrückte genannt.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Was war die Natur für Pückler?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Etwas Göttliches. Etwas, dem man sich unterordnen
muß. Etwas dem man keinen Zwang antun darf.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Das Formen der Landschaft ist ja zu einem ein
Kunstwerk, das Arbeiten mit Natur ist ja eine sehr
schöpferische Tätigkeit…
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Eine Schöpfung?
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Ein Schöpfungsvorgang.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Jede Kunst ist ein Schöpfungsvorgang und die
Gartenkunst schöpft natürlich auch etwas. Wenn sie gut
ist auch etwas Großartiges.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Je höher wir uns empor arbeiteten, je steiler wurden die
Felsen, oft war es nur, mit Hilfe der aus den Spalten
wachsenden Sträucher möglich, sich
hinaufzuschwingen. Der Anblick war entmutigend, das
Kind fing an zu weinen, und ich überlegte mit
klopfendem Herzen, was zu tun sei. Vor uns war keine
Aussicht weiter zu gelangen, als die Mauer auf gut Glück
zu
eskaladieren.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Man kann durchaus sagen, Pückler war ein Anhänger des
Pantheismus. Gott in der Natur. Die göttliche Natur. Das
war ihm sehr nahe.
auf dem gipfel, der wind pfeift
MOMO
Ist Merlins Felsen geschrumpft - oder hat Sie Ihr
kleiner Führer in die Irre geleitet? In einer flotten
Stunde sind wir oben angelangt. Wo bleiben Sie nur?
The slow horse reaches the mill.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Es ist ja unbeschreiblich so ein Gipfelgefühl. Du stehst da oben und
unten das alles.. nichts geht dir da mehr über die Hutschnur. Wie der
da am Big Sur sagte, Henry Miller, ich pisse auf euch alle, aus ganz
beträchtlicher Höhe herab. Man fühlt sich dem Herrgott ein Schritt
näher.
musik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Ich war gänzlich erschöpft, als ich oben ankam,
und fast ohnmächtig. Als ich nun, tiefatmend, auf
dem Rasen lag, erblickte ich eine große
schwarze Eidechse, mir gegenüber gelagert, die mich
höhnisch anzublinzeln schien – als sei sie der boshafte
Zauberer selbst im Morgennegligé.
MOMO
Mit größter Phantasie, Verehrtester, kann ich hier nicht erkennen,
was Sie
beschreiben, ein schönes Drama haben Sie Ihrer Lucie da
nach Hause geschrieben.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
C'est la fin de ma gloire. Bleibe dies unser kleines Geheimnis.
DINAS DINLLE
meeresrauschen und sehr starker wind
MOMO
Dinas Dinlle.
parallelmontage vom o-ton des inders und momos overvoice
RAM
This place is allways windy. It can go nonstop about 180
miles per hour for days and days and days. If you see
the plants, they are staying in an angle, because they
get plankted by the wind. It make you feel very
depressed. When is blowing the wind, the weather is
very dark. The wind and the rain, combined with the
darkness. So you dont want to live here, but we live
here. If you dont have an expirience like this, you
would never think, that such a wind exist on the
planet.
MOMO
Vielgereister Fürst, nun stellen Sie sich vor, wie
wundervoll wir untergekommen sind. Bei einem Inder
aus Papua. Er führt hier am Strand ein kleines
Gasthaus. Jeder Strauch und jeder Baum verbeugt sich
landeinwärts. Der stramme Wind geht tagein und
tagaus und macht den armen Mann ganz depressiv,
besonders im Winter. Er konnte sich einen solchen Ort
auf der Erde beileibe nicht vorstellen. Doch nun lebt er
hier.
landschaft
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Geliebte Schnucke! Ich habe vortrefflich ausgeschlafen,
und sitze nun im Gasthof am Meere. Nach der Landseite
zu ragt eine Burg, von schwarzem Marmor aufgebaut,
aus den uralten Eichenkronen hervor. Dieses
merkwürdige Gebäude ist von einem in jeder Hinsicht
steinreichen Manne aufgeführt; denn seine Steinbrüche,
bringen ihm jährlich 40 000 L. St. Er hat an einer der
vorteilhaftesten Stellen, am Ufer des Meeres, einen
weitläufigen Park angelegt.
schritte durch den park, vögel, grillen
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ja, das ist schon eine herrliche Lage hier oben. Kuckst du
auf der einen Seite auf das Gebirge, auf der anderen auf
die See.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Also hier besuchte ein Verrückter den anderen. Oder der
eine wusste nicht wohin mit seinem Geld und setzte sich
hier einen normannischen Neotraum auf den idyllischen
Hügel.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Euer ist das Geld, hat er gesagt. Lasst dem armen Adel wenigstens
seine Poesie.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Was damals nur ein großer Monarch ausführen konnte,
realisiert jetzt als Spielwerk, nur noch größer, schöner
und kostbarer, ein simpler Landgentleman, dessen
Vater vielleicht mit Käsehandel anfing. So ändern sich
die Zeiten!
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
War der Pückler ein Künstler?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Pückler war ohne Zweifel war ein Künstler. Sein
einziger Schüler nannte ihn mal einen Künstler von
Gottes Gnaden und Gaben.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Sah er sich selbst auch so?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ja, natürlich. Selbstverständlich sah er sich als
Künstler. Er war ja eine Doppelbegabung, die nun
wieder nicht so häufig ist. Er war
Landschaftskünstler und er war Schriftsteller.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Gab es einen Rahmen, wo er seinen Schönheitsbegriff herleitete,
worauf basierte das?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Das basierte auf der natürlich gewachsenen Landschaft.
Das ist sein Lehrer. Er sagt immer wieder, studiert die
Natur, dann seht ihr, wie man es machen
muss.
IRISCHE SEE
musik
MOMO
Die irische See empfängt uns mit Tosen. Wir nehmen Platz
am Bug der Fähre und genießen die starken Winde.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Eine widerwärtigere Seefahrt kann man nicht bestehen!
Zehn Stunden ward ich, zum Sterben krank,
umhergeworfen. Die Hitze, der ekelhafte Geruch des
Dampfkessels, die Krankheit aller Übrigen, es war eine
affröse Nacht, ein wahres Carl von Carlsbergsches Bild
menschlichen Elends. Bei einer längeren Seereise
aguerriert man sich zuletzt, und vielfacher Genuß wiegt
dann die Entbehrungen auf, aber die kurzen
Überfahrten, welche nur die Schattenseiten zeigen, sind
meine wahre Antipathie.
MOMO
Dann tauchten die grünen Gestade Irlands aus
den schnell ziehenden Wolken auf. Wir sahen die
Klippen von Dalkey, dort wo Ihr Urgroßneffe
Hermann, der heute Ihren Nachlass hütet, seine
Kindheit verbrachte. Kindlich auch ist unsere
Stimmung. Vielfach thöricht, muthwillig und
schwärmerisch.
CONAMARA
pückler schreibt, nebenan ein pub mit irischer musik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Der Badeort Athenry gehört zu den Originalitäten Irlands.
Ich habe dir schon gesagt, daß kein Dorf in Polen von
elenderem Ansehen gedacht werden
kann. Ich besuchte die Ruinen in sehr zahlreicher
Begleitung. Ich sage nicht zu viel, wenn ich dir
versichere, daß aus der ganzen Gegend wenigstens über
200 halbnackte Individuen unter Vivatgeschrei mich alle
bettelnd
umringten. Einige riefen sogar: »Es lebe der König!« Als
ich bei der Zurückkunft ein paar Hände voll Kupfer unter
sie warf, lag bald, von alt und jung, die Hälfte im
Straßenkot, sich blutig schlagend, während die andern
schnell in die Branntweinschenke liefen, um das
Gewonnene sogleich zu
vertrinken.
MOMO
Erstaunlich Fürst, wie Sie zu beschreiben wissen! Und
gar zu urteilen!
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Das ist Irland! Vom Gouvernement vernachlässigt oder
bedrückt, von der stupiden Intoleranz des englischen
Priestertums erniedrigt, von seinen reichen Landbesitzern
verlassen, und von Armut und Whiskeygift
zum Aufenthalt nackter Elenden gestempelt!
musik
MOMO
Dennoch: Die Region ist von betörender Schönheit. Sie haben
Conamara geliebt, es hat Sie gefesselt. Wie auch die einsame
Afrikanerin Mistress L., die Frau des alten englischen Gutsherrn, der
Sie hier den Hof gemacht haben. “Vous avez de tres beaux yeux!”
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Que dites-vous de cela? Eine solche Person, die mit
Temper begabt ist, gewährt uns beständigen Genuß,
ohne je unsern Neid zu erregen, noch andere zu
heftige Empfindungen zu erwecken. Wir stärken uns
an ihrer Ruhe, beleben uns an ihrer stets gleichen
Heiterkeit, trösten uns an ihrer Resignation, fühlen
den Zorn schwinden vor ihrer liebenden Geduld, und
werden am Ende besser und froher am GeisterKlange ihrer Harmonie.
MOMO
So, so, Sie Charmeur! Oder was muss Lucie noch in Ihren
Zeilen lesen: “Als wir zu Hause kamen, waren unserm
hübschen Gast beinahe die Hände, mitten im Sommer,
erfroren. Sie waren wirklich völlig weiß, und gefühllos
geworden, und wir mußten sie mehr als eine
Viertelstunde reiben, ehe wieder Blut und Leben in sie
zurückkam. C'est le sang africain.”
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Sie scheint es wirklich ein wenig auf mich abgesehn zu
haben, und diesen lieblichen Neckereien ist schwer zu
widerstehen. Wenn sie ihre raben- schwarzen Haare
voneinander scheitelt, und mit den dunkelblauen
Feueraugen so durchdringend blickt, als könnte sie einem
in der Seele lesen; so ist es nicht immer leicht, seine
Fassung zu behalten.
MOMO
Hier wüsste ich zu gerne Lucies Antwort! Teurer
Freund, so haben wir nicht gewettet?! Zwei Jahre fast
treibt der Kerl schon seine Grande Tour, und dann
das!! Pick your poison.
schritte am lake corrib, wind, vögel
MOMO
Picknick am Lake Corrib. Die Landschaft gleicht einer
prächtigen Szenerie. Die mäandernden Ufer, die
dreihundertfünfzig Inseln, das Anschmiegen der weich
gezeichneten Berge an den majestätischen See.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ein normaler Landschaftspark ist ja eigentlich nichts fürs Volk.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Warum nicht?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Du gehst manchmal mit Leuten durch den Park und
die sagen, ja wo ist denn nun der Park? Und meinen
dann irgendwelche Tempelchen und Grotten sehen
zu wollen.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Ist das also eine elitäre Kunst?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ja natürlich immer in der Hoffnung, den Geschmack des Volkes zu
verbessern.
chormusik
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Einzelne, flockige Rosenwölkchen zogen langsam in
dieser Licht- und Feuerszene über die Berge hin,
während dichter Regen, in der Ferne sichtbar,
herabströmte und wie einen Vorhang bildete, der
rundum jeden Blick in die übrige Welt verschloß. Dies
ist die Pracht, welche sich die Natur allein vorbehalten
hat.
es beginnt zu regnen
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Scheiße, jetzt haben wir Wetterpech. Pückler hatte hier auch Nebel.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Ist das Elitäre etwas, was seinerzeit nicht so schlechten Beiklang hatte wie
heute?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Elitär war genauso wenig ein Wort mit üblem
Beigeschmack wie meinetwegen Amateur. Selbst der
Dilettant war kein Schimpfwort. Es war einer, der die
Kunst als Laie ausübte. Man sagte, er dilettierte in
Prosa, er dilettierte als Maler. Das war achtungsvoll.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Hatte der Pückler in irgendeiner Weise sein Handwerk gelernt?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Nein, in dem Sinne war er auch Dilettant. Es war ihm auch
bewusst. Manchmal liebäugelte er sogar damit, dass er
sich Dilettant nannte. Das war natürlich eine gewisse
Eitelkeit auch. Er war sich schon bewusst, dass er ein
Vollblutkünstler war.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Gab es eigentlich einen Anfang, wo er sich dessen
bewusst wurde, dass er ein Landschaftskünstler wird?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Ja, dieses Coming out hatte er sicher auf den
Jugendwanderungen. Das war 1807, 1808/09, als er zu
Fuß über die Alpen wanderte, wo er im Vorland der
Alpen natürlich auch Parkanlagen sah, aber es waren die
Naturparke, die ihn dazu kommen ließen, zu sagen,
mein Muskau werde ich auch mit einem riesigen
Landschaftsgarten verschönern.
musik
MOMO
Lieber Fürst, ich bin mir nun gewiss. Conamara hat
nicht nur Ihr Herz erobert, sondern auch Ihrem
Gedächtnis Formen eingepflanzt. Die Schwünge und
Linien Westirlands, in denen es nichts Abruptes und
Willkürliches zu geben scheint, haben Sie auch mit nach
Branitz gebracht, haben sie dort gespiegelt, am
Schlangensee, am Tumulus und am Hermannsberg.
park
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Hat er das aus der Hand entworfen oder hat er alles aufgemalt?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Er hat ja diese Gartenarchitekten mit etwas Nachsicht
und Verachtung betrachtet, die wie Ingenieure Pläne
zeichnen mussten. Er hat das probiert und wenn es ihm
nicht gefallen hat, hat er durchaus einen großen Baum
wieder versetzt. Er war ja nun viel auf Reisen und dann
schrieb er, macht das mal so und so, und wenn er
wiederkam und es gefiel ihm nicht, dann wurde der
Hügel eben ein Stück beiseitegeschoben. Er hat wie ein
Maler an der Palette gearbeitet.
DRIFTEN DURCH IRLAND
montage auf musik, die texte im flotten cutup
AUTOR
Wir reisen und kreisen. Reisen und kreisen.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Glen of the Downs.
MOMO
Der Filmfriedhof von Lettermore.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Pavillon und Tiger.
MOMO
Verfahren in Galway.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Ländliches Mahl in Rossana.
MOMO
Der verwunschene Coole Lake.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Avondale. Ein Eden im Mondschein
MOMO
Die verborgenen Klippen von Moher.
HERMANN VON PÜCKLER
Avoca Inn.
MOMO
Das nichtssagende Holy Cross. Eine Milchfabrik im
Pleasureground.
HERMANN VON PÜCKLER
Park von Bally Arthur.
MOMO
No Beauty in Mitchelstown.
HERMANN VON PÜCKLER
Mein Pferd als blinde Kuh
MOMO
The Spanish Point.
HERMANN VON PÜCKLER
Der Neger-Portier.
MOMO
Die Robbe von Loophead.
HERMANN VON PÜCKLER
Verlust meines Taschenbuchs.
MOMO
Der alte Daniel Craig in dirty old town.
HERMANN VON PÜCKLER
Das Aha.
MOMO
Der Wunderglaube der Iren.
Musik weg, park
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Oh, das ist ein Lebensbaum. Ooh. Solche habe ich auch
noch nicht gesehen und daneben eine mordsdicke Eiche.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Wie alt mag die Eiche sein?
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Manchmal neigen die ja zur Fettleibigkeit sozusagen.
Aber sie ist bestimmt dreihundert Jahre alt.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Stell dir mal vor, das ist ein Lebewesen.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Natürlich, natürlich. Das denke ich manchmal, wenn man eine
Dorflinde sieht, da ist Napoleon vorbeigezogen, da sind Völker
vorbeigezogen und jetzt geh ich da vorbei und sie steht immer noch,
wenn ich nicht mehr bin….
auf musik
AUTOR
Wir reisen und kreisen. Wandern, verweilen. Sekunden
und Stunden und Wunder erwarten.
MOMO
Über enge Straßen und bumperstones.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Meine Postpferde wünschen da zu bleiben.
MOMO
Der Druide am Wasserfall.
HERMANN VON PÜCKLER
Das irische Postwesen überhaupt.
MOMO
Nasse Füße am Hungry Hill.
HERMANN VON PÜCKLER
Herrlicher Jude von Rembrandt.
MOMO
Die Falle von Innesfallen Island.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Cross roads
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER / MOMO
Von nun an das Chaos. Schauervolle Küste. Der Weg endet im Meer.
Guter Rat teuer. Ein Schmuggler hilft aus der Not. Udolphos
Geheimnisse. Derrinane Abbey.
Licht. Ein Mann im Schlafrock. O'Conner. Der große chieftain.
AUTOR
Wir reisen und kreisen. Das Atmen des Ganzen. Und immer auch
Lösen und
Lassen. Und kommen wir an, dann kommen wir
an.
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER / MOMO / AUTOR
Am See von Killarney. Genannt Lough Leane. Weder zu
rasch, noch zu furchtsam.
alle drei lachen
KILLARNEY
eine kutsche holpert durch den park von muckross house,
der alte kutscher spricht breitesten irischen akzent und
treibt sein pferd an
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
How is the name of the horse?
KUTSCHER
The name is Rachor.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Is it a girl or a men?
KUTSCHER
Rachor is a men.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
And he knows the way?
KUTSCHER
He knows the way. Exactly.
MOMO
Wir haben eine Kutsche bestiegen und erkunden den
Park von Muckross House. Unser Kutscher ist in seiner
Aufmachung
Ihrem Jahrhundert treu geblieben. Ein einziger Zahn
schmückt seinen Mund und Rachor, der alte Rappe, mag
heute gar nicht die ihm vertraute Runde ziehen.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Hier auf dem See hat der Pückler eine tolle Kahnpartie
unternommen.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
2
8
.
Soll ich mal ins Buch schauen?
MOMO: Nur zu.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
“Wir erkundigten uns sogleich nach Booten, erhielten
aber zur Antwort, daß es bei diesem Sturme unmöglich
sei, ihn zu beschiffen; kein Boot könnte heute auf dem
See `leben´, wie sich die Schiffer ausdrückten. Ein
englischer Dandy indessen, ridikülisierte diese
Beteuerungen, und da ich, wie Du weißt, auch nicht sehr
an Unmöglichkeiten glaube, so überstimmten wir den
Fabrikanten und embarkierten uns bei Ross Castle, einer
alten Ruine, nicht weit von Killarney.”
atmowechsel, ein ruderboot kämpft sich durch die brandung
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Wir hatten ein exzellentes Fahrzeug, einen alten,
eisgrauen Steuermann, und vier tüchtige Ruderer. Der
Himmel aber war wie zerrissen, und Wolken aller
Formen tummelten sich darin umher. Die hohen Berge
dämmerten kaum durch die trüben Schleier, auf dem
See aber war alles Nacht. Die schwarzen Wellen
wühlten geschäftig unter sich, hie und da nur kräuselte
sich blendend weißer Schaum auf ihrem Rücken.
wieder auf der kutsche
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
(lesend)
“Unser Schiff war voll Viktualien zu einem
brillanten dîner (Engländer pflegen so etwas nicht
leicht zu vergessen), und als wir eine höchst
romantisch gelegene cottage unter hohen Kastanien
erspähten, beschlossen wir, hier zu landen.”
KUTSCHER
So you get a nice picture here. The lake and the mountains. Lough
Leane…
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
How many islands?
KUTSCHER
You have 32 islands.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Frag ihn doch noch mal nach der Insel Julie.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Is there one island, called Julie?
3
0
.
KUTSCHER
Yeah. That island is on the other lake, over there.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Das glaube ich jetzt nicht.
MOMO
Wirklich Fürst!
Eine Insel namens Julie? Das war doch Ihr Kosename für Lucie!
szenenwechsel, stimmengemurmel, ein schiff schaukelt an einem felsen
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Die Bootsleute baten um Erlaubnis, an einer kleinen
Insel anlegen, und diese nach mir taufen zu dürfen,
welches nur bei Mondenschein stattfinden
könne. Ich mußte mich hierauf auf einen vorragenden
Felsen stellen, die sechs Bootsmänner auf ihre Ruder
gestützt, bildeten einen Zirkel um mich, und der Alte
sagte feierlich eine Beschwörungsformel. Dann brach S.
einen großen Arbutuszweig und fragte nun ehrerbietig
und ernst, welchen Namen die Insel künftig führen solle?
»Julie«, sagte ich mit lauter Stimme, worauf mit
donnerndem Hurra dieser Name, obgleich nicht allzu
korrekt ausgesprochen, dreimal wiederholt wurde.
kutsche
KUTSCHER
Thats the old boat-house down there. If you want a
boattrip. They give you a boattrip through the lake.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Do you know, the island julie, where is it on the lake?
KUTSCHER
You have to take a boat to see that. It`s along there.
ein motorboot fährt über den see
MOMO
(liest)
“Nun ergriff ein Dritter eine mit Wasser gefüllte Flasche,
und hielt eine kurze Anrede, worauf er mit aller Gewalt
die Flasche gegen einen aus dem Wasser stehenden Stein
warf, daß sie in tausend Atome zerschellte. Zuletzt wurde
eine zweite Flasche, aber mit Whiskey gefüllt, auf meine
Gesundheit ausgetrunken, und der Insel Julie nochmals
ein dreifaches Hurra gebracht. Die Bootsleute hielten
diesen fremdklingenden Namen für den meinigen und
nannten mich seitdem nicht anders als Master Julie, was
ich ganz wehmütig mit anhörte.“
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
Deine Domänen haben sich also um eine Insel auf den
romantischen Seen zu Killarney vermehrt – schade nur,
daß die nächste Gesellschaft, die an demselben Flecke
landet, sie Dir wieder entziehen wird, denn wahrscheinlich
tauft man hier, so oft Paten sich einfinden, da das
eigentliche Kind, die
Whiskey-Bouteille, immer bei der Hand ist.
atmo/musik
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Kuck mal. Das könnte sie sein.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Der Kutscher erzählt doch jedem, was er hören will.
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Das ist sie, glaub mir.
das boot landet an, man steigt aus, sanfte musik
MOMO
Verehrtester, ein dunkler, buckliger Felsen ist die Insel,
die Sie Julie tauften. Ihn hat die letzte Sonne des Tages
gestreichelt und er ist noch ganz warm. Sind Sie gar
noch hier?
momo beginnt “far from me” zu singen
FÜRST HERMANN VON PÜCKLER
(flüsternd)
Teuerste Freundin… weil du nur mich immer
verstandest, und niemand sonst! Dies allein wäre
hinreichend, mich auf immer an dich zu fesseln, denn ich
lebe, mitten in der Welt, doch nur mit dir – so einsam als
auf einer wüsten Insel.
momo und pückler singen
AUTOR
Pücklers Grand Tour endete 1829. Als er zurückkehrte,
hatte die weitsichtige Lucie das Buchprojekt längst
vorbereitet. 1831 erschienen “Die Briefe eines
Verstorbenen”.
MOMO:
Ein seltsamer Titel – sollte es heißen: Eines
Verschollenen? Ein Druckfehler, ein makabrer
Scherz? Oder hatte Lucie, praktisch, wie sie war,
an Ihren Nachruhm gedacht?
AUTOR
Goethe, einer der ersten Rezensenten, lobte es in
den höchsten Tönen. Es wurde ein Bestseller und
löste vorübergehend alle
Probleme.
kneipenlärm
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Die Briefe, die ja nicht als Reisebuch geplant waren,
sondern es war ein ganz persönlicher, intimer
Briefwechsel mit seiner zu Hause gebliebenen Frau und
dadurch dass er sowohl im Hochadel verkehrte bis
hinunter in Bergwerke oder mit der Taucherglocke in den
im Bau befindlichen Themsetunnel stieg und neben
Hunderennen, Gefängnisse, Krankenhäuser alles
Mögliche seiner Frau schrieb, dadurch war das
hochinteressant für Leser.
musik
MOMO
Man muss sich nur auf den Weg machen, so scheint es.
Auch wir sind zurück und besuchen noch einmal Ihren
Urgroßneffen in Branitz.
beim grafen pückler im haus
KAI-UWE KOHLSCHMIDT
Was glauben Sie, warum der Fürst Pückler heute noch so populär
ist?
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Die Vielseitigkeit. Bei ihm war ja nichts verkrustet. Er
wollte eine konstitutionelle Monarchie haben. Hat sich
für ein Parlament eingesetzt. Er hat gesagt, diese
ganzen kleinen Adligen, die hier rumsitzen auf ihren
Cotten, die gehören alle enteignet. Die können nix, die hauen das
alles in die
Wicken. Hier müssen tüchtige Leute hin.
SIEGFRIED KOHLSCHMIDT
Die Weltoffenheit.
HERMANN GRAF VON PÜCKLER
Er war… hat sehr europäisch gedacht. Er kannte keine
Grenzen. Gab es für ihn nicht.
ABSAGE
Vielfach thöricht, muthwillig und schwärmerisch.
Parkhunting mit Fürst Pückler.
Sie hörten ein Feature von Kai-Uwe Kohlschmidt
Es sprachen: Wolfgang Wagner, Momo Kohlschmidt und der Autor
Musik und Regie: Kai-Uwe Kohlschmidt
Redaktion: Ulrike Bajohr
Eine Produktion im Auftrag des Deutschlandfunks 2016