4 kanarische inseln FOREIGN LANGUAGE NEWS 048 Teneriffa I Bebenreicher Sonntag Wer in den vergangenen Tagen an einem mehrsprachigen Kiosk auf Teneriffa vorbeigekommen ist, mag sich gewundert haben: über dicke Schlagzeilen nämlich, die den baldigen Ausbruch des Teide zum Inhalt hatten. Was steckt dahinter? Im Laufe des ersten Oktobersonntags hatten sich auf Teneriffa 98 kleine Beben ereignet. Die Aktivitäten bewegten sich auf der Richterskala in einem Bereich von 1,5 und waren deshalb kaum zu spüren. Die Erschütterungen vollzogen sich in einer Tiefe von sechs bis elf Kilometern, einige auch näher, bis circa ein Kilometer, unter der Erdoberfläche. Sie begannen gegen 6 Uhr morgens und hörten zwölf Stunden später abrupt auf. Auf einer vulkanisch aktiven Insel sind Erdstöße dieser Art nicht ungewöhnlich, sondern geschehen im Grunde ständig und werden von der Bevölkerung überhaupt nicht bemerkt. Ungewöhnlich war die Häufigkeit der seismischen Bewegungen. Das Epizentrum lag auf einer Linie zwischen Adeje, Vilaflor, La Guancha, Icod de los Vinos und Arico. Das Gebiet befindet sich im unmittelbaren Einflussbereich des Pico Viejo, einer der vielen „Nasen“ (Nebenvulkane) des Teide. Vulkanologen beobachteten das Geschehen und analysierten die Daten, die von den Sonden im Inneren der Insel gesendet werden. Ihre Schlussfolgerung war, dass die Beben Foto: IGN Kein Grund zur Panik José Blanco. Zuletzt gab es 2004 eine erhöhte vulkanische Tätigkeit auf Teneriffa. Monatelang stand die Insel unter Alarmstufe Gelb oder Orange. Danach hat sich das „Grummeln“ des Teide wieder gelegt. Der letzte Ausbruch auf Teneriffa ereignete sich im Jahr 1909, als der Vulkan Chinyero zehn Tage lang Lava spuckte. Dabei kam niemand zu Schaden. Panikmache in der englischen Presse Entlang dieses Gebirgszugs wurden die Bewegungen erfasst. Panikmache in der englischen Presse Der Teide steht unter ständiger, intensiver, wissenschaftlicher Überwachung durch sensible Messgeräte. keinen vulkanischen, sondern tektonischen Ursprung hatten. „Die Art der Wellen, ihre Charakteristika sind typisch für tektonische Beben. Wenn sie mit Vulkanismus in Zusammenhang stünden, wären sie anders gewe- sen. Es hätte mehr flüssige und gasförmige Bewegungen gegeben und auch die Grafiken hätten anders ausgesehen. Deshalb sind wir sicher, dass sie einen natürlichen, tektonischen Ursprung hatten“, resümierte der Direktor des nationalen seismischen Netzes, Emilio Carreño. Er unterstrich, dass derartige kleine Bewegungen nicht besonders beunruhigend wären. Am Anfang hätten die Wissenschaftler sogar geglaubt, die Beben seien durch einen menschlichen Einfluss zu Land oder Wasser ausgelöst worden. „Wir sind weit von einer vulkanischen Re-Aktivität entfernt. Die Geschehnisse bewegen sich alle in einem völlig normalen Bereich“, beschwichtigte auch die Direktorin des Nationalen Geografischen Instituts (IGN) auf den Kanaren, María Die englische Tageszeitung „The Sun“ hat die Bebenserie zu einer großen Sache aufgebauscht. „Eruptionswarnung, Teneriffa hat 100 Mini-Erdbeben, die fürchten lassen, der gigantische Vulkan Teide könnte ausbrechen“, titelten die Redakteure. Sie sprachen von einer fragilen Formation und dem letzten Ausbruch 1909. Sie bezeichneten den Teide als höchst instabil. Außerdem zitierten sie beunruhigte britische Residente, die besorgt über die Lage seien und einen Evakuierungsplan forderten. „Wir wohnen auf einem Vulkan und die Menschen sind nicht informiert darüber, was sie im Falle eines Ausbruchs tun sollen“, wird bei „The Sun“ zitiert. Der Artikel wurde von einer Fotomontage des Teide begleitet, der einen Lava speienden Teidekrater zeigt. Eine Eruption würde niemals in dieser Form stattfinden. Selbst als in weiteren Artikeln eingestanden werden musste, dass es keine vulkanischen, sondern tektonischen Beben gewesen sind und Tourismusrat Alberto Bernabé mit den Worten, „Es gibt überhaupt keinen Grund zur Panik. Der Teide schläft und die Touristen sind sicherer als je zuvor“, zitiert wurde, griffen die Engländer das Thema immer wieder auf. Auch alte Geschichten, wie die vor vielen Jahren völlig aus dem Kontext gerissene Behauptung, dass bei einer Eruption auf La Palma ein Teil der Insel abbrechen und eine gigantische Tsunami-Welle an die amerikanische Ostküste schicken könnte, wurden wieder ausgegraben. Seit der damaligen Veröffentlichung hält sich diese These hartnäckig, obwohl sie schon mehrfach in den richtigen Kontext gerückt und relativiert wurde. Selbst Tipps, welche Rechte, Urlauber bei einem Teide-Ausbruch haben, wurden bei „The Sun“ schon veröffentlicht. Alles im Griff Ganz abgesehen davon, dass es wirklich keinen Grund zur Beunruhigung gibt, sollte jeder wissen, dass die Behörden sehr wohl auf einen Ernstfall vorbereitet sind. Es existieren Evakuierungs- und Notfallpläne, in denen die Einsätze von Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz und Rotem Kreuz sowie die Kooperation mit den Behörden koordiniert sind. Selbst 2004 wussten die Bewohner möglicherweise gefährdeter Gebiete, wohin sie sich im Ernstfall wenden sollten und was in einem Notfallkoffer sein sollte. Ganz abgesehen davon würde sich ein Ausbruch des Teide voraussichtlich wenig spektakulär ereignen, sondern eher in Form eines trägen Lavaflusses. Die vulkanischen Aktivitäten werden auf den Kanaren von einem weitverzweigten Überwachungsnetz beobachtet. Die Daten werden permanent an die zuständigen wissenschaftlichen Stellen weitergeleitet und ausgewertet. Es gibt mehr Grund, sich vor Panikmachern zu fürchten, als vor einer nicht bestehenden Gefahr. n
© Copyright 2024 ExpyDoc