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Marion Peyinghaus von CC PMRE
„Blockchain stellt die Geschäftsmodelle auf den
Kopf“
Blockchain - eine neue Erfindung, ein neues Mysterium hält die Finanzwelt in Atem und macht
auch vor der Immobilienwirtschaft keinen Halt. Marion Peyinghaus vom Competence Center
Process Management Real Estate (CC PMRE) erklärt in ihrem Gastbeitrag, was genau hinter
dieser Technologie steckt und wie sie die Immobilienwirtschaft verändern wird.
Die zu Deutsch genannte ‚Blockkette‘ scheint magisch zu sein, wird als innovativste Entwicklung
seit Erfindung des Internets bezeichnet und stellt bestehende Geschäftsmodelle auf den Kopf. Doch
was steckt genau hinter dieser Technologie und wie wird es die Immobilienwirtschaft verändern?
Wenn wir von einem Mysterium sprechen, beginnen wir damit, Mythen aufzuräumen: Blockchain
ist nicht Bitcoin. Es ist die Technologie, die Digitalwährungen wie beispielsweise Bitcoin überhaupt
erst möglich macht. Es gibt auch nicht die eine Blockchain. Auf diesem Technologie-Ansatz haben
sich unterschiedliche Blockchains herausgebildet, wobei die bekannteste sicherlich Bitcoin ist.
Andere Blockchains sind bspw. Ethereum. Diese Blockchain wurde von einem der
Technologie-Väter namens Vitalik Buterin entwickelt und wird heute von einer schweizerischen
Non-profit-Stiftung geführt. Rund um die Stadt Zug hat sich ein zweites Silicon Valley mit
Blockchain-Experten etabliert.
Trotz der magischen Aura von Blockchain ist das Prinzip hinter der Technologie einfach. Die
Technologie möchte eine Vielzahl von Akteuren direkt vernetzen, ohne auf einen Vermittler
zurückzugreifen. Die beteiligten Akteure tauschen Werte, in diesem Sinne auch Geldmittel aus und
dieser Transfer wird in einem virtuellen Buchhaltungssystem festgeschrieben. Diese Werte können
neben monetären Mitteln auch Grundbuchrechte, Wählerstimmen, Copyright-Rechte oder jegliche
Vertragskonditionen enthalten. Diese Werte oder auch Fakten, über die sich die beteiligten Parteien
einig sind, werden in einen sogenannten Block geschrieben. Der Block ist Teil des übergeordneten
Buchhaltungssystems, der Blockchain. Zur Verifikation der Blocks existieren Wächter im System,
die prüfen, ob Fakten nachträglich verändert wurden und eine Manipulation vorliegt.
So einfach wie das Prinzip Idee klingt, macht die Technologie komplexe, dezentrale Vorgänge erst
möglich. Blockchain eignet sich insbesondere dann, wenn erstens mehrere Parteien miteinander
Daten austauschen möchten, zweitens diese Daten verifiziert werden sollen und drittens dieser
Austausch zur Abwicklung eines Transaktionsgeschäfts dient. Bisher musste bei diesen
Geschäftsvorfällen auf einen Mittelsmann zugegriffen werden oder die beteiligten Parteien laufen
im direkten Austausch Gefahr, dass ihr Gegenüber die Daten absichtlich oder unabsichtlich
manipuliert. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass diese Mittelsmänner zukünftig eingespart und
Kosten gesenkt werden können. Genau da setzen Kryptowährungen wie Bitcoin an. Sie verfolgen
das Ziel, Mittelsmänner wie Kreditkartenanbieter oder Banken zu ersetzen und ein neues
unabhängiges Währungssystem zu schaffen.
Doch es gibt weitere Vorteile über die Eliminierung von Mittelsmännern hinaus: der dezentrale
Austausch von Werten und deren Festschreibung in internetbasiertes Buchhaltungssystem
ermöglicht die volle Transparenz aller Buchungen. Insbesondere wenn große Massen an Beteiligten
auf ein zentrales Wertesystem, wie beispielsweise das Grundbuch zurückgreifen, ist das von Vorteil.
Darüber hinaus können die in der Blockchain vereinbarten vertraglichen Konditionen automatisierte
Funktionen enthalten. Die digitalen Verträge werden zu sogenannten Smart Contracts, die nach
einem Software-Protokoll Konditionen prüfen und Abrechnungsmodalitäten festsetzen. Und nicht
zuletzt hat Blockchain auch in punkto Sicherheit einiges zu bieten. Durch die Verteilung der
Speicherkapazität auf eine Vielzahl von Rechnern aller Beteiligten ist die Technologie quasi
fälschungssicher. Denn jeder Knoten zwischen den Blocks - der oben genannte Wächter - prüft die
Unversehrtheit der Datensätze und garantiert, dass die Integrität des kompletten Systems gesichert
ist. Bei einer beabsichtigten Manipulation oder einer nachträglichen Anpassung, müsste eine
Veränderung der Datensätze auf jedem beteiligten Rechner erfolgen.
Seit aufkommen der Technologie ist die Finanzbranche in Aufruhr. Großbanken haben sich zu
Arbeitsgruppen zusammengeschlossen oder setzen bereits eigene Kryptowährungen ein. Auch die
EZB prüft derzeit, wie sie die Technologie für eigene Zwecke nutzen kann. Doch nicht nur die
Finanzwelt ist von der neuen Technologie herausgefordert. Durch den Fokus der Technologie auf
Transaktionen und vertragliche Beziehungen ist auch die Immobilienwirtschaft im Visier der neuen
Geschäftsmodelle. Die Immobilienwirtschaft ist wie kaum eine andere Industrie durch eine Vielzahl
von Mittelsmännern, vertraglichen Beziehungen und kleinteiligen Buchungen geprägt. Das haben
auch erste Start-Up-Firmen wie Chroma Way, REX oder Ubitquity erkannt und entwickeln
Lösungen auf Blockchain-Basis.
Chroma Way (www.chromaway.com), ein Blockchain-Entwickler aus Schweden, formiert die
Abwicklung von An- und Verkaufsprozesses neu. Deren Demo-Version zeigt anschaulich, wie sich
der Prozessablauf für die einzelnen Akteure digital vollzieht. Dabei agieren Käufer und Verkäufer
direkt in der Blockkette, ohne die Zwischenschaltung eines Intermediärs (beispielsweise Makler).
Statt die Informationen über den Mittelsmann zu transportieren, lässt sich die Transaktion bis zum
Grundbucheintrag über die Blockchain für alle Parteien transparent nachvollziehen.
Weitere Anwendungsbeispiele formieren sich in den USA: So ist unter der Firmierung REX
(www.rexmls.com) eine dezentrale Immobilien-Plattform entstanden, die auf dem
Ethereum-Protokoll basiert und somit auf der Technologie der Schweizer Non-profit-Stiftung
aufsetzt. Global steht die Plattform Maklern, Eigentümern und Investoren zur Darstellung und zur
Identifikation von Transaktionsimmobilien zur Verfügung. Die Plattform Ubitquity
(www.ubitquity.io) beschäftigt sich insbesondere mit der Verwaltung und Aktualisierung von
Grundbucheinträgen. Bei diesen beiden Blockchain-Anwendungen steht der Peer-to-Peer-Gedanke
im Vordergrund und Verknüpfung einer Vielzahl von Parteien ohne Zusatzkosten.
Diese beiden Anwendungen zeigen auch, dass mehr hinter der Technologie steckt als ein Austausch
von Werten. Über das Transaktionsgeschäft hinaus, sichern Blockchain-Ansätze die Transparenz
von Immobilienmärkten. Gerade für Investoren, die in neuen Regionen Fußfassen möchten, ist die
Informationsverfügbarkeit entscheidend. Mit dem Ziel Informationen für alle Parteien dezentral und
in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, wurden erste Plattformen für die Immobilienmärkte in
Schweden entwickelt. Die bereits oben genannten Programmierer von ChromaWay arbeiten
gemeinsam mit weiteren Technologiepartnern an einem Blockchain-gestützten Katasteramt.
Neben aufstrebenden Unternehmen widmen sich auch erste Verbände und Brancheninstitutionen der
Themenstellung Blockchain. Bereits 2013 wurde der Branchenverband ‚The International
Blockchain Real Estate Association’ (www.ibtcrea.org) in Kalifornien gegründet. Dieser Verband
hat in wenigen Jahren über 1‘000 Mitglieder gewonnen und vereinigt das Knowhow von
Branchenexperten aus über 17 Ländern. Mit Blick auf die deutschen Immobilienwirtschaft hat
Achim Jedelsky, Head of Processes/IT bei Daimler Real Estate den Berlin Chapter Chair
übernommen und schlägt damit die Brücke zwischen globalen Technologieinnovationen und
regionalem Prozess-Knowhow.
Auch wenn derzeit der primäre Fokus auf der Unterstützung des Transaktionsgeschäfts liegt, ist das
Anwendungsfeld der Technologie in der Immobilienwirtschaft weitaus größer. Dazu tragen
insbesondere die Peer-to-Peer-Struktur und die Möglichkeiten von Smart Contracts bei. In der
Musikindustrie zeigen sich erste Anwendungsmöglichkeiten bei der Bereitstellung von
Musikstücken im Internet. Durch die integrierte Einbindung der Vertragskonditionen errechnen sich
Zahlungsmodalitäten automatisch je nach Käufergruppe oder Nutzungsart. Wird dieser Ansatz in die
Immobilienwelt übertragen, lassen sich Lösungen für unzählige Wohnungs- oder
Parkplatzvermietungen, kleinteilige Vertragsstrukturen oder Abrechnungsmodalitäten entwickeln.
Insbesondere das aktuell stark prosperierende Feld der Business Center und der Vermietung von
temporären Arbeitsplätzen bekommen durch Blockchain neue Vermarktungsmöglichkeiten.
Auch andere Technologien treiben die Immobilienwirtschaft derzeit um. Mit der Zielvision Internet
of Things verfügen Bauteile einer Immobilie und technische Anlagen über einen Internet-Zugang
und eine eigene IP-Adresse, können eigenständig Informationen abgeben oder aufnehmen. Die
Kombination beider Technologien, Internet of Things und Blockchain verschafft einen Zugang zu
völlig neuen Ansätzen. Zusammen mit der Blockchain-Technologie ist eine direkte vertragliche
Verbindung zwischen einem Leuchtmittel und einem Stromanbieter möglich. Diese Verbindung
umfasst die Auftragsvereinbarung als auch Abrechnung ohne auf den Intermediär des
Objektverwalters - also einer kostenintensiven Personalressource - zuzugreifen. Im Konzeptbeziehungsweise Pilotprojekt-Stadium sind erste Blockchain-Entwicklungen für die
Versorgungsbranche (beispielsweise POWR). Erfolgreich umgesetzt wurde bereits ein Pilotprojekt
in Brooklyn, wo seit Anfang des Jahres erstmalig der direkte Verkauf dezentral erzeugter Energie an
die Nachbarschaft über eine Blockchain-Applikation erfolgt.
Das Competence Center Process Management Real Estate (CC PMRE) untersucht daher neben dem
Transaktionsgeschäft weitere Ansatzpunkte. Dabei stehen kleinteilige Geschäftsfälle im Property
und Facility Management im Vordergrund. Eine Technologie bietet die meisten Vorteile, wenn
Geschäftsfälle durch eine hohe Prozessfrequenz, einen hohen Standardisierungsgrad und eine
geringe Marge gekennzeichnet sind. Bei Immobilientransaktionen ist der Aufwand für die
vertragliche Abwicklung im Vergleich zum Geschäftsvolumen gering. Bei der Beschaffung von
Versorgungsmedien, der Abrechnung kleinteiliger FM-Leistungen oder der Bewirtschaftung von
Wohnungs- oder Parkplatzmietverträgen zählt hingegen Effizienz mehr denn je. Im Rahmen eines
gemeinsamen Technologie-Screenings ist sich auch Dirk Zoergiebel, Division Information Officer
APLEONA Real Estate (ehemals Bilfinger Real Estate) sicher, dass Blockchain nicht nur für das
Investment und Asset Management Potenziale birgt.
Bei all den Chancen, die mit der Blockchain-Technologie verbunden sind, darf nicht vergessen
werden, dass es sich dabei nur um eine Technologie, also das Rahmenwerk handelt. Die Inhalte
werden weiterhin durch die Akteure der Immobilienwirtschaft in Form von Daten bereitgestellt.
Eine aktuelle Studie des CC PMRE zeigt, dass gerade die mangelnde Datenqualität eine Ursache für
das Scheitern von IT-Projekten ist. Auch der globale Transparenzgedanke erfordert Lösungen über
die technologische Komponente hinaus: die Kompatibilität der Datenmodelle muss sichergestellt
sein. Neben der Beobachtung der aktuellen Start-Up-Landschaft sind daher noch eigene
Hausaufgaben zu erledigen: die Bereinigung der eigenen Datenlandschaft und die Standardisierung
von internationalen Datenmodellen.
Durch die noch junge und komplexe Technologie bestehen auch generelle Hindernisse, die nicht nur
die Akteure der Immobilienwirtschaft vor Herausforderungen stellt. Trotz der kryptographischen
Sicherheitskomponenten, wurden im August dieses Jahres nach eigenen Angaben der Hongkonger
Bitcoin-Börse Bitfinex 120.000 Bitcoins gestohlen, was in etwa 58 Millionen Euro entspricht.
Erschwerend zu diesem massiven Vertrauenseinbruch kommt die Tatsache, dass Bitcoins bisher in
keinem Land als offizielles Zahlungsmittel bestätigt wurden und somit eine eindeutige
Rechtsgrundlage fehlt. Um erste Abhilfe zu schaffen, bezeichnet das Bundesfinanzministerium die
Digitalwährung als Rechnungseinheit und die EU-Kommission arbeitet an Lösungen zur Schaffung
von Rechtssicherheit.
Neben diesen finanziellen Risiken fehlt es in den Unternehmen heute an Fachkräften, die
Erfahrungen mit dieser jungen Technologie aufweisen und innovative Entwicklungen vorantreiben.
Die aktuellen Blockchain-Anwendungen sind mehrheitlich im Pilotstatus und weit entfernt von
Standardanwendungen mit breitem Erfahrungsschatz. Durch den Mangel an entsprechenden
Programmierern bleibt die Barriere zur mystischen Technologie bestehen und eine Verankerung des
Gedankenguts in die Immobilienköpfe wird erschwert. Doch gerade bei innovativen Technologien
ist es wichtig, eine Vertrauensbasis zu schaffen, Experimente durchzuführen und auch
Fehlentwicklungen zuzulassen. Diese Lerneffekte sind notwendige Zwischenschritte für
strukturverändernde Geschäftsmodelle.
Marion Peyinghaus
studierte an der TU Berlin, der EAPB Paris und an der ETH Zürich Architektur. Im Anschluss
wechselte sie 2001 an die Universität St. Gallen, um ihre Dissertation zu verfassen, die sie im
Rahmen eines SNF-Stipendiums 2004 am INSEAD, Fontainebleau, abschloss. Im Herbst 2004 trat
sie bei der Pom+Consulting ein und übernahm 2007 die Geschäftsführung von Pom+International.
2009 gründete sie in Kooperation mit der HTW Berlin die Forschungsplattform Competence Center
Process Management Real Estate, welche 2015 mit dem Beratungsgeschäft von pom+International
GmbH zur CC PMRE GmbH verschmolzen wurde. Parallel zur Leitung des Beratungsgeschäfts
wurde Marion Peyinghaus im Frühjahr 2016 als Professsorin für Immobilienmanagement und
Projektentwicklung an der Hochschule 21 berufen. Schwerpunkte in der Lehre sind das
Portfoliomanagement und die Digitalisierung immobilienwirtschaftlicher Prozesse.
Dieser Artikel erschien am 30.10.2016 unter folgendem Link:
http://www.dieimmobilie.de/-blockchain-stellt-geschaeftsmodelle-auf-den-1477833845/
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