Gedanken zu Hubertus

Hubertusdenkmal in
der Göhrde (Niedersachen). Preußisch
gedeutet, sinkt der
Hirsch hier unter die
herrische Geste des
Menschen. Genau das
meint die Hubertuslegende nicht.
Vor solchem Hintergrund ist die waidgerechte Jagd in ihren
moralischen Kernorientierungen nicht nur modern und
zeitgemäß sondern auch zukunftsweisend. Sie beherbergt
traditionell die moralische Energie und ethische Erlebnisfähigkeit, nach der die Menschheit mittlerweile global fragt.
Denn Übernutzung durch die Herrschaft der Plünderer gibt es
überall.
Waidgerechtigkeit ist nicht zu fassen, wo wir uns damit begnügen, Normenkataloge aufzustellen und Tradition zu retten.
Sie ist vielmehr ein kulturelles Gespür, das sich aus einer
besonderen Aufmerksamkeit für die Schöpfung speist. So ist
Waidgerechtigkeit die zentrale Ordnungsressource solcher
Jägerinnen und Jäger, die (sich) nicht zu Beuteautomaten
degenerieren (lassen) wollen. Und die sich individuell und
kollektiv um jene Deutungskompetenz bemühen, durch die
der potenziellen Beute Achtung und Schonung widerfährt.
Gedanken zu Hubertus
Achtung und
Schonung der
potenziellen Beute
Am 3. November gedenken wir Jäger unseres Schutzpatrons, des Heiligen Hubertus. Anlässlich dessen
widmet Pfarrer Rolf Adler der Legende einige schonungslos offene Gedanken.
Auch in diesem Jahr wird der Legende um den Heiligen
Hubertus in vielen Hubertusmessen nachgespürt. Gut beraten sind alle, die nicht nur den romantischen Kniefall vor
dem Ernte-Hirschen zelebrieren. Die Hubertustradition ist
anspruchsvoller. Es geht um die Frage, ob wir als Jägerinnen
und Jäger eine gereifte und geläuterte Haltung zu unserer
Mitwelt entwickeln. Die namen- und zahllosen Szenarien,
mit denen der Mensch durch sein Tun natürliche Schranken
missachtet und Schaden verursacht, schreien zum Himmel.
Auch Hubertus betreibt zügelloses „grabbing“ und wird vom
Schöpfer jäh gestoppt. Zukunftsfähige Jagd schlägt sich in
ehrfurchtsvoller Praxis nieder. Waidgerechte Jäger orientieren sich an Eigenwert, Lebensrecht und Balance. Sie lassen
sich von Weisheit und Demut leiten. Sankt Hubertus hat den
beziehungslosen Verrechnungsmodus zwischen Mensch
und Mitgeschöpf gelebt und auf Gottes Geheiß hin hinter
sich gelassen. Er lebt das Lob und das Werk der Ehrfurcht.
Darin ist er Vorbild.
Jägerinnen und Jäger sollten nicht erwarten, dass die Gesellschaft sich für die jagdliche Praxis im Einzelnen interessiert.
Aber an dem Wissen, an den geistlichen Gehalten, an den
Orientierungen, die in der Jagd walten und sie formen, ist sie
sehr wohl interessiert. Und sie hat die mentale Verfassung
der Jägerschaften schon längst in ihre soziale Observanz
genommen. Die Gesellschaft hat ein Gespür für Tendenzen,
in denen Achtung und Wertschätzung umschlagen in kalte
Routine der Aneignung. Und sie straft Fehlleistungen ab,
indem sie Legitimation entzieht.
Wenn man anerkennt, dass Umweltprobleme immer mit Innenweltproblemen des Menschen zu tun haben, weil fundamentale Verhältnisse und Beziehungen nicht gewürdigt werden, dann können Jägerinnen und Jäger für sich in Anspruch
nehmen, an ihren Innenwelten zu arbeiten. Das jagdliche
Brauchtum ist dort interessant, wo es in seiner Symbolik
für geordnete Innenwelten gelesen wird. Jägerinnen und
Jäger vitalisieren Innenwelten, in denen das Mitgeschöpf
zu seinem Recht auf Lebensraum, Freiheit und Bestand und
Gesundheit kommt. Der waidgerechte Jäger setzt etwas ein,
was der Ehrfurchtslose verloren hat: Achtung und Gewissen.
Rolf Adler,
59, ist Pfarrer, Umweltbeauftragter der Evangelisch-lutherischen
Landeskirche Hannovers und der
Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig. Er ist seit
42 Jahren Jäger und Hundeführer.
11/2016
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