Impulspapier „Strom 2030“

Stellungnahme zum
Impulspapier „Strom 2030“
bne-Position zum Impulspapier des
Bundesministeriums für Wirtschaft und
Energie (BMWi) vom 16. September 2016
Berlin, 31. Oktober 2016. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne)
begrüßt das Impulspapier Strom 2030, über den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Diskussionsprozess über absehbare bzw. erwartete Trends im Strommarkt und die sich daraus ergebenden Aufgaben anstößt. Im
Einzelnen schlägt der bne u.a. vor, den widersprüchlichen Mix von Flexibilisi erungsanreizen aus Netzentgelten und sonstigen Signalen aufzulösen und die besonderen Netzentgelte für Flexibilität zu öffnen. Um Flexibilität im Verteilnetz
tatsächlich nutzbar machen zu können, muss ein Zusammenschluss der Betriebsführung von Verteilnetzen angestrebt werden – Netzcluster ab einer Größe von
etwa 1 Mio. Anschlussnutzern wären in der Lage, die nötige Steuerungsinfrastruktur wirtschaftlich zu betreiben.
Seitens der Politik sind kluge politische Vorgaben für Modernisierung des Kraftwerksparks nötig - insbesondere eine klare Antwort auf die Frage, wann wir aus
der Kohleverstromung aussteigen und wie wir CO2-ärmere, flexible Gaskraftwerke einsetzen. Die Chance, die Versorgung auch im EU-Elektrizitätsbinnenmarkt
abzusichern, sollte ergriffen und technische Standards und Regelungen zur Versorgungssicherheit an die Veränderungen des Energiesystems angepasst werden.
In einem System, das bis zu 100% aus erneuerbaren Energien gespeist werden
soll, ist zudem Flexibilität viel wichtiger als einfache Stromeinsparung. Der bne
schlägt daher eine Orientierung an der Systemeffizienz vor – bei der Ausgestaltung der politischen Instrumente sollte die Gesamteffizienz der Maßnahmen im
Energiesystem als Maßstab genommen werden. Denn Stromverbrauch zum richtigen Zeitpunkt ist besser als ein Nichtverbrauch zum falschen Zeitpunkt. Schlie ßlich werden sich mit der Sektorkopplung die Rollen und Funktionen einzelner
Elemente im Energiesystem deutlich ändern – wir werden Energie zum Teil anders produzieren und anders einsetzen als bisher. Für die Übertragung der Energiewende auf den Wärme- und Verkehrssektor und die Verzahnung der einzelnen
Systeme in der Sektorkopplung, ist ein signifikanter CO2-Preis als verbindendes
Element nötig, der über den Verbrauch auf alle Sektoren und Energieträger wirkt.
Als Diskussionsbeitrag zu diesem Teil der Sektorkopplung veröffentlichte der
bne am 10. Oktober die von ihm beauftragte Kurzstudie des IÖW mit Vorschlägen
bne | Stellungnahme | Seite 2
zur Änderung der EEG-Umlagebasis. Außerdem sollte darauf reagiert werden,
dass in unserem Energiesystem mit zunehmender Eigenstromerzeugung die bisher verbrauchsorientierte Netznutzungsabrechnung in der Niederspannung zum
Problem wird. Als Lösung hierfür schlägt der bne eine Reform der Netzentgeltsystematik mit der Einführung eines Netzanschlussentgelts vor. Die Punkte im
Einzelnen haben wir im Rahmen der Thesen und der ergänzenden Leitfragen dargelegt.
Der bne begreift die Energiewende und den damit einhergehenden Transformationsprozess zu einer treibhausgasneutralen Industrienation als große Chance. Für
Investitionsentscheidungen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sind klar
formulierte Ziele und ein konsistentes Maßnahmenpaket nötig, sowohl innerhalb
des Impulspapiers Strom 2030 sowie des Grünbuches Energieeffizienz, aber auch
ressortübergreifend bezüglich des Klimaschutzplans 2050 innerhalb der Bundesregierung.
Während das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 nach den Beschlüssen
des Klimagipfels in Paris unbestritten steht, finden sich in den Entwürfen aus dem
BMWi (Grünbuch Energieeffizienz, Impulspapier Strom 2030)und dem Klimaschutzplan 2050 des BMUB unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Einzelziele und dem Pfad dahin. In Deutschland fallen insbesondere die Erwartungen zur
Entwicklung des Strommarktes auseinander: Das Grünbuch Energieeffizienz unterstellt trotz Sektorkopplung einen sich verändernden aber in der Größe nicht wachsenden Strombedarf. Das BMUB prognostiziert einen Anstieg des Stromverbrauchs
um 200 – 250 TWh bis 2050. Verschiedene Studien prognostizieren trotz Steigerung
der Energieeffizienz einen viel höheren Anstieg des Stromverbrauchs, um auch die
zusätzliche Stromnachfrage für die Wärmeversorgung und den Verkehr bereit zu
stellen. Welches der Szenarien der zukünftigen Entwicklung am nächsten kommt,
ist heute kaum belastbar zu sagen. Verschiedene Parameter sprechen allerdings dafür, dass der Stromverbrauch mit dem Strombedarf für Wärme und Verkehr wächst.
Zwar ist es auch mit dieser Annahme kaum möglich, feste Ausbauziele für die
Stromerzeugung aus Wind und Sonne zu formulieren. Wir möchten jedoch anregen, bereits jetzt im aktuellen Diskussionsprozess die Zieldefinition und zugrundeliegende Annahmen und Szenarien für alle drei Konzepte eng abzustimmen.
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Zu den im Impulspapier beschriebenen 12 Trends und 12 Aufgaben nimmt der
bne im Einzelnen wie folgt Stellung:
Impulspapier - Strom 2030
Trend 1: Die fluktuierende Stromerzeugung aus Wind und Sonne prägt das
System.
Aufgabe 1: Stromsystem weiter flexibilisieren
Leitfragen des BMWi:
1. Das Strommarktgesetz sieht vor, dass die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Mindesterze ugung in einem Bericht evaluiert. Zudem hat die BNetzA im Jahr 2015 ein Festlegungsverfahren zu den Ausschreibungsbedingungen für die Regelleistung eröffnet. Welche Ansätze zur
Flexibilisierung der Erzeugung sollten darüber hinaus verfolgt werden? Welche Möglichkeiten
bestehen, um Eigenerzeugung und Strommarkt besser aufeinander abzustimmen?
2. Das Weißbuch zum Strommarktdesign sieht vor, besondere Netzentgelte für mehr Lastflexibilität zu öffnen. Zudem hat die BNetzA im März 2016 eine Diskussion zu einheitlichen und fairen
Regeln für Aggregatoren bei der Erbringung von Regelleistung initiiert. Welche Ansätze zur Flexibilisierung der Nachfrage sollten dabei und darüber hinaus verfolgt werden? Insbesondere, wie
könnten einzelne Preisbestandteile sinnvoll weiterentwickelt werden?
Das richtige Maß an Flexibilität zu finden, ist eine zentrale Herausforderung. Dabei
sollte man sich vor Augen halten, dass die Flexibilität aus zwei Gründen benötigt
wird:
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Erstens, um die Ausgeglichenheit zwischen Erzeugung und Verbrauch in jedem
Moment sicherstellen zu können – umso mehr, wenn hohe Anteile volatiler Erzeugung im Elektrizitätssystem vorhanden sind. Diese Flexibilitäten müssen
sich an den Kosten der Erzeugung messen lassen. Aus diesem Grund sind zusätzliche, anderweitig festgelegte Hebel in den Netzentgelten oder Umlagen
problematisch. Sie könnten zwar zusätzliche Anreize zur Flexibilisierung geben,
allerdings stellt sich die Frage, wer den Hebel festlegt und wie oft das passiert.
Auch muss die Frage beantwortet werden, ob dies zentral oder nicht in jedem
Netzgebiet erfolgen müsste, solange der Netzausbau nicht so erfolgreich war,
dass die Netze das angereizte Parallelverhalten der Kunden auch technisch
aushalten können. Erschwerend kommt hinzu, dass gehebelte Netzentgelte
auch mit einem großen Abrechnungsaufwand verbunden sind. Anstatt solcher
staatlicher Zusatzanreize ist es daher klüger, die bestehenden Hemmnisse zu
beseitigen, so dass die Flexibilisierungsanreize aus den volatilen, kurzfristigen
Großhandelspreisen auch voll zur Geltung kommen.
bne | Stellungnahme | Seite 4
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Zweitens werden Flexibilitäten auch für die Bewirtschaftung von Engpässen im
Netz benötigt. Diese Engpässe sind allerdings regional verteilt und nicht im gesamten Netz vorhanden. Sie verändern sich zudem stetig mit dem Prozess des
Netzausbaus. Hier führt eine Hebelung von Netzentgelten oder Umlagen ebenfalls nicht weiter, da die Anreize nicht regional ausgestaltet werden können. Für
Anreize zu netzdienlichem flexiblen Verhalten müssen darum andere regional
abgrenzbare Lösungen gefunden werden.
Widersprüchlicher Mix von Flexibilisierungsanreizen aus Netzentgelten und sonstigen Signalen muss aufgelöst werden
Derzeit sind Kunden verschiedensten Signalen für ihr Abnahmeverhalten ausgesetzt – marktbasierten wie Börsen- und Regelenergiepreisen sowie Anreizen aus
den Netzentgelten. Insbesondere letztere sind marktfern starr und in ihrer Ausrichtung auf völlig überholten Versorgungsstrukturen basierend. Aus der Vergangenheit gibt es immer noch Regelungen, die seinerzeit als netzdienlich erachtete Abnahmestrukturen mit verminderten NNE belohnen. Diese bestehen unter Umgehung der Vertriebe direkt zwischen Netzbetreibern und bestimmten Abnehmergruppen.
So sind vor allem drei Bestimmungen, auf deren Basis derzeit Abnehmerverhalten über die Netzentgelte beeinflusst wird, mittlerweile völlig verfehlt:
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§ 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV – pauschaler Entlastungstatbestand für Großverbraucher ab 10 GWh Jahresstromverbrauch
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§ 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV – Entlastungstatbestand für atypische Netznutzer, die
vom üblichen Verbrauchsverhalten vorhersehbar und erheblich abweichen. Die
BNetzA hat hierzu Schwellenwerte für die Inanspruchnahme von 100 kW und
eine Mindestentlastung von 500 Euro per Festlegungsverfahren 3 vorgegeben
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§ 14a EnWG – Entlastungstatbestand für vollständig unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung (wird durch Digitalisierungsgesetz novelliert), der als solcher eine bisher nicht umgesetzte Verordnungsermächtigung beinhaltet. In der Praxis wird dieser Entlastungstatbestand bisher
vor allem für etwa 2,1 Mio. Heizstromkunden in Deutschland angewendet. Diese Vorschrift soll allerdings auch für Elektromobile greifen.
Durch die Öffnung im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wird der Anwendungsbereich der Vorschrift künftig zwar auf alle steuerbaren Verbrauchseinrichtungen erweitert. Alle drei Regelungen werden allerdings den Anforderungen
nach mehr systemdienlicher Flexibilität nicht gerecht bzw. wirken aus ihrer ursprünglichen Motivation heraus heute geradezu kontraproduktiv. Sie müssen daher angepasst sowie in ein einheitliches Flexibilitätsmarktkonstrukt überführt werden.
bne | Stellungnahme | Seite 5
Im Übrigen hat sich inzwischen systematisch längst gezeigt, dass die NNE allein ein untaugliches Vehikel der Flexibilisierung sind, denn viele Marktrollen wie
z. B. Aggregatoren und Erzeuger zahlen überhaupt keine NNE.
Lösungsansatz: Flexmarkt
Grundsätzlich muss der direkte Zugriff von Netzbetreibern auf Kunden in Zukunft
unzulässig sein, es sei denn, es geht um reine Versorgungsicherheitsaspekte. Ein
technologieoffener liquider Flexibilitätsmarkt kann nur geschaffen werden, wenn
auch der Netzbetreiber die benötigte Flexibilität durch Beschaffung am Markt besorgt und nicht weiter direkt störende Signale aus einer marktfreien Parallelstruktur
sendet. Der Netzbetreiber soll Flexibilität oder sonstigen Bedarf in einem technologieoffenen Markt nachfragen, auf dem dann alle Marktrollen, die helfen können, im
Wettbewerb ihre Angebote platzieren: Erzeuger, Aggregatoren, Speicherbetreiber,
Händler und wer sonst noch alles Flexibilität anbieten wird. Auf jeden Fall muss
verhindert werden, dass integrierte Geschäftsmodelle entstehen, bei denen integrierte Versorger mittels ihres Netzes vorrangig in die Flexibilitätsnachfrage eingebunden werden, so dass das Geschäft allein der verbundene Vertrieb, Dienstleister
etc. machen kann.
Flexibilitätsquellen gehen über Strommarkt hinaus
Ein weiterer wesentlicher Teil der Flexibilisierung muss aus der Sektorkoppelung
und von Speichern kommen. Die Sektorkoppelung im Sinne von vollständigem oder unterstützendem Einsatz erneuerbaren Stromes bei der Wärmebereitstellung
schafft durch Lastsenken ein enormes dezentrales Lastsenkungspotential mit großer Robustheit. Ebenso kann durch Abschalten dieser Verbraucher Strommangel
ausgeglichen werden. Im Speichersektor sind hier vorrangig kleine dezentrale und
privat finanzierte Stromspeicher gemeint, die es sowohl ermöglichen den Ertrag
des Solardaches besser für die individuelle Nachfrage zu verwenden als auch durch
die „Privatfinanziertheit“ als günstiges flächendeckendes dezentrales Flexibilitätsinstrument zur Verfügung zu stellen. Hierzu muss untersucht werden, was den
Einbau dieser Anlagen behindert. Nicht gemeint ist dabei eine gesonderte Unterstützung finanzieller oder sonstiger Art.
Börsenpreis und EEG-Mechanismus - Weiterentwicklung nötig?
Es ist sicherzustellen, dass der Börsenpreis geeignet ist, auch zukünftig die richtigen
Signale für die Steuerung der Flexibilisierung zu setzen. Abgesehen von dem o. g.
Problem der regionalen Flexibilisierung ist mehr als fraglich, ob der bestehende
EEG-Mechanismus langfristig geeignet ist, wenn die Preise an der Börse durch eine
zunehmende Menge von Erneuerbaren Energien geprägt wird und das Preisniveau
entsprechend niedrig ist. Kurz gesagt: Ist der grenzkostenorientierte Börsenpreisbildungsmechanismus bei weiter anwachsenden EE-Mengen zu Grenzkosten null
mittel- und langfristig zukunftsfähig? Und selbst wenn er es für Deutschland sein
bne | Stellungnahme | Seite 6
könnte, ist er es EU weit, wenn die anderen Mitglieder andere Mechanismen zum
EE-Ausbau favorisieren?
BNetzA-Festlegungsverfahren zu Ausschreibungsbedingungen für Regelleistung
Nach Einschätzung des bne gehen die Eckpunkte der Bundesnetzagentur im Rahmen des Festlegungsverfahrens zur Weiterentwicklung der Ausschreibungsbedingungen und Veröffentlichungspflichten für Sekundärregelung und Minutenreserve
insgesamt in die richtige Richtung. Der bne spricht sich jedoch dafür aus, noch weitere Schritte zu unternehmen und damit die Angebotsseite für die Regelenergiemärkte noch weiter zu stärken. Siehe hierzu die bne-Stellungnahme vom 12. Februar 2016.
Entwicklung von Regeln für Einbindung von Aggregatoren in den Energiemarkt
Es ist zu begrüßen, dass das BMWi und die BNetzA das Verfahren zu fairen und
standardisierten Prozessen zur Integration von Aggregatoren in den Markt initiiert
hat. Aus Sicht des bne ist es für die Flexibilisierung der Nachfrage wichtig, dass es
neben dem integrierten Flexibilitätsvermarkter (Lieferant der ebenfalls Flexibilitätsdienstleistungen anbietet) auch die Möglichkeit gibt, Flexibilität unabhängig
von der Strombelieferung zu vermarkten (durch einen unabhängigen Aggregator).
Dazu braucht es das Aggregatoren-Modell. Dieses wird aktuell im Zusammenhang
mit der Regelleistung erarbeitet. Eine Ausdehnung des Modells auf andere Märkte
(Intraday / lokale Flex-Märkte z.B. im Verteilnetz) ist eine absehbar sinnvolle Weiterentwicklung.
Öffnung der besonderen Netzentgelte für Lastflexibilität
In Hinblick auf die Öffnung der besonderen Netzentgelte für Lastflexibilität ist leider festzustellen, dass die Maßnahme 8 des Weißbuches bis heute nicht umgesetzt
wurde. Insbesondere für die Vermarktung von Regelleistung stellt der mögliche
Verlust der besonderen Netzentgelte eine erhebliche Hürde dar. Diese ließe sich
z.B. durch die Herausnahme der im Bereich der Regelleistungsmärkte vermarkteten
Stunden bei der Berechnung der Leistung und den Benutzungsstunden ohne größeren Aufwand und ohne sonstige Nachteile relativ einfach beseitigen.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 2: Der Einsatz fossiler Brennstoffe im Kraftwerkspark geht deutlich
zurück.
Aufgabe 2: CO2-Emissionen verlässlich verringern, Strukturwandel gestalten
Stromsystem weiter flexibilisieren
bne | Stellungnahme | Seite 7
Leitfragen des BMWi:
1. Besteht – neben der Weiterentwicklung des ETS – Handlungsbedarf, um die bis 2030 und 2050
erforderlichen Reduktionen von CO2-Emissionen zu erzielen? Über welche Handlungsoptionen
verfügen wir? Wie lassen sich Fehlinvestitionen in fossile Strukturen vermeiden?
2. In welchen Bereichen können neue Investitionen und Wertschöpfung in den Regionen und Unternehmen entwickelt werden?
3. Welche Maßnahmen auf regionaler, bundesweiter und europäischer Ebene können den Strukturwandel in den Regionen begleiten?
Der Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugung verringert die Strommenge in
Deutschland, die durch Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen gedeckt werden
muss. Diese Feststellung im Impulspapier 2030 verdrängt jedoch die Tatsache, dass
der deutsche Kraftwerkspark dadurch nicht weniger Strom aus fossilen Brennstoffen erzeugt, sondern stattdessen insbesondere sehr viel mit Kohle erzeugten Strom
1
exportiert .
Das verbessert zwar im Moment die deutsche Klimabilanz, aber die Situation
ist weder nachhaltig, noch trägt sie zur Erreichung der globalen Klimaziele bei. Leider ist der europäische Emissionshandel noch immer (strukturell) geschwächt,
weshalb wir in naher Zeit vom ETS noch keine Preissignale erwarten, die bewirken,
dass der rückläufige Einsatz fossiler Brennstoffe im Kraftwerkspark sich tatsächlich
zum Trend auswächst.
Kluge politische Vorgaben für Modernisierung des Kraftwerksparks nötig Flexibilisierung, CO2-Senkung & Strukturwandel sind miteinander vereinbar
Das Impulspapier Strom 2030 des BMWi und der Klimaschutzplan 2050 des BMUB
verstehen sich jeweils als Entwurf für eine Modernisierungsstrategie des Energiesystems. Damit die Erneuerung aber auch im Kraftwerkspark ankommt, bedarf es
bereits heute klug gesetzte Rahmenbedingungen, die klare Signale für Investitionen
sowie geeignete Konzepte und Vorgaben für unvermeidliche Anpassungen liefern.
Dabei sollten folgende Aspekte Berücksichtigung finden:

1
Die Flexibilisierung des Energiesystems benötigt ein breites Portfolio um Erzeugung und Verbrauch sicher, kosteneffizient und umweltverträglich zu synchronisieren. Mit den bestehenden Must-Run Kapazitäten, wird die derzeitige
Integration von EE-Strom in bestehende Strukturen erschwert. Es gilt daher
diese eingehend zu analysieren und entsprechend des aktuellen CO2-Ausstoßes
Siehe auch: Agora-News vom 17.7.2015 - Neuer Rekord beim Stromexport, Zahlen der Arbeitsgemeinschaft (AG) Energiebilanzen, neue energie vom 7.1.2016 – Exportrekord mit
Kohlestrom
bne | Stellungnahme | Seite 8
sowie ihres Beitrages zur Erreichung der Klimaziele priorisiert zu reduzieren.
Dies eröffnet zudem die Möglichkeit, Technologien der Sektorkopplung wirtschaftlich zu integrieren und den deutschen Energieverbrauch weitgehend zu
dekarbonisieren.
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Wir möchten an dieser Stelle zudem auf den Klimaschutzplan 2050 des BMUB
als guten Ansatz mit Maßnahmenvorschlägen zur Gestaltung des Transformationspfades bis 2030 verweisen. Grundsätzlich bedarf es aber auch dort sowie
in der Diskussion zum Strommarkt 2030 Klarheit bei diesen ganz zentralen Fragen: Wie lange soll an der Kohleverstromung festgehalten werden? Wann soll
das enorme CO2-Senkungspotential gehoben werden, dass sich mit dem Ersatz
von Kohlekraftwerken durch hochflexible und CO2-ärmere Gaskraftwerke ergeben würde, die mittelfristig die Versorgung neben dem weiteren Ausbau der
erneuerbaren Energieerzeugung sicherstellen können?

Eine langfristige Perspektive haben weder Braun- noch Steinkohle. Aus Klimaschutzgesichtspunkten hat die baldige Abschaltung der Braunkohlekraftwerke
den größten Effekt; die Steinkohlekraftwerke durch Gaskraftwerke zu ersetzen
würde zusätzliche erhebliche CO2_Einsparung bringen. Für beide Energieträger muss deshalb ein konkreter Fahrplan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeitet werden. Erst auf Basis eines solchen Ausstiegsfahrplans können sinnvolle Begleitmaßnahmen für die Dämpfung strukturellen Probleme vor
Ort entwickelt werden. Ein ähnliches Modell wurde mit dem Steinkohlebergbau
2
bereits praktiziert .
Impulspapier - Strom 2030
Trend 3: Die Strommärkte werden europäischer.
Aufgabe 2: Europäische Strommärkte weiter integrieren und flexibilisieren
Leitfragen des BMWi:
1. In welchen Bereichen sollte die Integration der Strommärkte voranschreiten, um die Potenziale
des Binnenmarktes für die Energiewende zu heben? Welche politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind dazu erforderlich?
2. Welche konkreten Hemmnisse zur Flexibilisierung der europäischen Strommärkte bestehen?
Wie können diese abgebaut werden?
3. In welchen Bereichen sollen auf europäischer Ebene die Rahmenbedingungen weiter vertieft
und angeglichen werden, wo sind regionale Ansätze vielversprechender? Wie können solche regionalen Ansätze zur Zusammenarbeit aussehen?
2
Die letzten Steinkohlebergwerke werden 2018 geschlossen (http://www.ragstiftung.de/presse/news-detail/news/glueckauf-zukunft-wuerdige-verabschiedung-desdeutschen-steinkohlenbergbaus-und-zukunftsgerichtete/)
bne | Stellungnahme | Seite 9
Auf EU-Ebene sind derzeit viele Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen in Arbeit – vor allem die Netzkodizes sind ein wichtiges Element, um
die Integration der Strommärkte voran zu bringen. Hauptproblem ist jedoch, dass
die Fortentwicklung dieser Spielregeln sehr langsam voranschreitet. Darum sollte
immer auch die Möglichkeit erhalten bleiben, regionale Ansätze zu verfolgen. Dabei ist vor allem eine verbesserte Bewirtschaftung der Kuppelstellen, die Vereinheitlichung der Bilanzierungsregeln und die weitere Verkürzung der Vorlaufzeiten
für den Handel anzustreben.
Europäische Netzkodizes sind wichtiges Instrument zur Vereinheitlichung der
Netzzugangsregelungen im europäischen Energiebinnenmarkt
Ein Haupthindernis im europäischen Strombinnenmarkt ist die bisher uneinheitliche nationale Regelung der Bilanzierungszeiträume. Für die Zukunft wird hier eine
einheitliche ¼-Stunden Bilanzierung notwendig sein. Da die Anpassung an den
wichtigen Netzkodex-Standard in einigen Mitgliedsländern mit großem Umsetzungsaufwand verbunden sein wird, muss mit erheblichen Verzögerungen in der
Umsetzung gerechnet werden. Der Anpassungsaufwand in einzelnen Ländern darf
jedoch nicht dazu führen, dass die angestrebten Standardisierungen im politischen
Prozess verwässert werden.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 4: Versorgungssicherheit wird im Rahmen des europäischen Strombinnenmarktes gewährleistet.
Aufgabe 4: Versorgungssicherheit europäisch bewerten und gemeinsame Instrumente entwickeln
Leitfragen des BMWi:
1. In den letzten Jahren wurden neue Berechnungsverfahren entwickelt, die bei der Bewertung
von Versorgungssicherheit insbesondere die Effekte des grenzüberschreitenden Stromaustauschs
berücksichtigen (u.a. Consentec, r2b [2015]), regionaler Versorgungssicherheitsbericht 2015 im
Auftrag des Pentalateralen Energieforums). An welchen Stellen sollten diese Berechnungsverfahren ergänzt bzw. weiterentwickelt werden? Insbesondere: Welche Indikatoren und Schwellenwerte
für Versorgungssicherheit sind sinnvoll?
2. Wie könnten mögliche Hemmnisse für ein gemeinsames, europäisches Monitoring der Versorgungssicherheit abgebaut werden? Wo sollte ein solches Monitoring institutionell verankert werden (beispielsweise ENTSO-E, ACER oder regionale Kooperationen wie das Pentalaterale
Energieforum)?
bne | Stellungnahme | Seite 10
3. Könnten Reserven gemeinsam mit Nachbarstaaten entwickelt werden? Welche Chancen, zum
Beispiel welche Kostensenkungspotenziale, und welche Risiken würden bei einer gemeinsamen
Reserve bestehen?
Definition ist zu überprüfen und technische Regeln sind anzupassen
Wenn der Trend bei privaten Letztverbrauchern und im Sektor Gewerbe, Handel
und Dienstleistungen sich weiter in Richtung Eigenversorgung mit Speichern entwickelt, dann muss Versorgungssicherheit neu definiert werden. So sind z.B. Insellösungen für die Schwarzstartfähigkeit des Stromsystems ein Problem, weil es heute keine Regeln für diesen Fall mit dieser Struktur gibt. Zugleich eröffnen dezentrale
Lösungen neue Möglichkeiten, das Energiesystem besser gegen Störungen abzusichern. Auf diese Entwicklungen sind unbedingt auch die Synchronisationsregeln
für die Systemwiederherstellung nach einer Versorgungsstörung abzustimmen –
diese Regeln müssen noch definiert und technisch automatisiert umgesetzt werden.
Grundsätzlich sollte aber ein Berechnungsverfahren für die Versorgungssicherheit nicht nur Erzeugungsanlagen sondern auch die Nachfrageseite sowie Flexibilität aus Speichern berücksichtigen. Fest kontrahierte Lastkapazitäten in Reservemärkten stellen eine adäquate Alternative zu Erzeugungskapazitäten dar, und
sollten in den Berechnungsverfahren entsprechend berücksichtigt werden. Dies
3
wurde auch von der EU-Kommission in Aussicht gestellt .
Versorgung im Elektrizitätsbinnenmarkt absichern
Obwohl die Stromnetze und Stromflüsse in Europa länderübergreifend technisch
verbunden sind (Verbundnetze: UCTE, NORDEL, Baltic States), Strom in zum Teil
länderübergreifenden Preiszonen gehandelt, der Stromnetzausbau europäisch geplant (ENTSO-E European 10-Year-Network-Plan) und die Netznutzungsregeln für
die Übertragungsnetze europaweit mit den Netzkodizes harmonisiert werden, existiert bislang keine (anerkannte) einheitliche Definition von Versorgungssicherheit
im Strommarkt der EU.
Für den Gasmarkt hat die EU-Kommission mit dem Gas-Winterpaket zur
Überarbeitung der Versorgungsicherheitsverordnung (ErdgasSOS-VO) die Einführung eines Solidaritätsmechanismus vorgeschlagen. Damit soll die Versorgung einer EU-weit definierten Kundengruppe in einer Krisensituation sichergestellt werden – notfalls mit Solidaritätsmaßnahmen der Nachbarländer. Jeder Mitgliedstaat
darf weiterhin aber entscheiden, wie er die geschützten Kunden definiert; zugleich
3
European Commission Communication „A Framework Strategy for a Resilient Energy Union with a Forward-Looking Climate Change Policy“, February 2015, p. 6: „(...) the Commission will establish a range of acceptable risk levels for supply interruptions, and an objective,
EU-wide, fact-based security of supply assessment addressing the situation in Member States.
This will take into account cross-border flows, variable renewable production, demand response and storage possibilities.”
bne | Stellungnahme | Seite 11
werden aber alle Staaten verpflichtet, technische Maßnahmen zu ergreifen, um
Gasversorgungsunterbrechungen zu vermeiden. Auch wenn die Anforderungen
und Maßnahmen zur Versorgungssicherheit im Strommarkt nicht identisch sind,
sollte ein entsprechendes Modell für den EU-Strommarkt zumindest geprüft werden.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 5: Strom wird deutlich effizienter genutzt.
Aufgabe 5: Anreize für einen effizienten Einsatz von Strom stärken
Leitfragen des BMWi:
1. Wie kann sichergestellt werden, dass Stromeffizienz bei energiepolitischen Entscheidungen
berücksichtigt wird?
2. Wo ergeben sich positive und negative Wechselwirkungen zwischen Flexibilität und Stromeffizienz? Wie können die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Strom so gestaltet werden, dass
eine kosteneffiziente Balance zwischen Energieeffizienzsteigerungen und der Bereitstellung
von Flexibilität erreicht wird?
Gesamteffizienz im Energiesystem als Maßstab setzen
Die Energieeffizienzziele und die zugrunde liegenden Erwartungen, in welcher Höhe Effizienzsteigerungen noch erreicht werden können, erscheinen uns in dieser
sowie anderen Debatten in Berlin (z.B. Grünbuch Energieeffizienz des BMWi) und
Brüssel zum Teil sehr hoch gesteckt. Als Beispiel sei hier die Vorgabe aus der EUGebäuderichtlinie (2010/31/EU) genannt, nach der Neubauten ab 2021 immer den
Niedrigstenergie-Gebäudestandard erfüllen müssen. Niedrigstenergie-Gebäude
zeichnen sich durch einen „bei Null liegenden oder sehr geringen Energiebedarf
aus, der [gemäß Richtlinie] zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen - einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am
Standort oder in der Nähe erzeugt wird - gedeckt werden soll“. Zur Erhöhung des
Anteils der Niedrigstenergie-Gebäude, sollen die Mitgliedstaaten auch entsprechende Anreize für die Sanierung entwickeln.
In einem System, das bis zu 100% aus erneuerbaren Energien gespeist werden
soll, ist Flexibilität viel wichtiger als einfache Stromeinsparung.
Es ist zwar zutreffend, dass Energieeinsparung auch den Ausstoß der mit dem
Energieverbrauch einhergehenden klimaschädlichen Emissionen senkt. Ein Leitbild, nach dem die Energieeinsparung über alle anderen Energieziele gehoben
bne | Stellungnahme | Seite 12
wird, stellt jedoch eher auf eine fossile-nukleare und zentrale Energieversorgung
ab. Doch die Energiewelt hat sich gewandelt: Wir erleben die Entwicklung zu einem
Energiesystem aus vielen Millionen dezentralen und CO2-neutralen Erzeugungsanlagen, die untereinander, aber auch mit Speichern sowie Wärme- und Mobilitätsanwendungen vernetzt sind. Zunehmende Privatinitiativ wird diese Entwicklung
weiter vorantreiben. Der ganze Sinn der Förderung des Ausbaus erneuerbarer
Energien der vergangenen 20 Jahre bestand ja gerade darin, dies zu ermöglichen.
Erreichtes darf nun nicht durch eine missverständliche Botschaft gefährdet werden, die dem Einzelnen das Gefühl gibt, sein Engagement sei nicht mehr gefragt
und die Transformation könne allein durch Sparmaßnahmen erreicht werden. Daher muss auch das bisherige Effizienzleitbild in der zukünftigen Energiewelt durch
ein neues Leitbild der Systemeffizienz ersetzt werden.
bne schlägt Orientierung an der Systemeffizienz vor
Systemeffizienz zielt auf eine Gesamteffizienz im Energiesystem ab. Diese muss die
Sektoren Strom, Wärme und Verkehr intelligent verzahnen, Flexibilität, Investitionsentscheidungen und Energienutzung unter realistischen Bedingungen ermöglichen, lokale Unterschiede und regionale Standortfaktoren berücksichtigen und neben Energieeinsparung Raum und Impulse für den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie weitere Dekarbonisierungsoptionen schaffen. Wir haben heute das
Problem, dass immer größere Mengen an Grünstrom abgeregelt werden. Das ist
weder effizient noch klimafreundlich. Effizient ist es, Sonnen- und Windstrom intelligent einzusetzen. Effizienz im Sinne von Suffizienz ist dabei ebenfalls wichtig,
weil nicht unendliche Flächen für Erzeugungsanlagen zu Verfügung stehen.
Politik sollte lenken, aber nicht Investitionen und Verbrauch steuern
Jede erzeugte Kilowattstunde und jede Investition muss optimal im Sinne des Gesamtsystems und nach den Nutzungspräferenzen des Energieverbrauchers eingesetzt werden – dabei spielen digitale Anwendungen zum Messen und Steuern eine
zentrale Rolle. Die Politik hat diesen Umbau zu einem dezentralen, klimaneutralen
und digitalen Energiesystem mit Entscheidungen zum Strommarkt, zum Erneuerbare-Energien-Gesetz oder zur Digitalisierung der Energiewende gestärkt. Die Unternehmen arbeiten bereits an vielen Lösungen, die etwa erneuerbare Erzeugung
mit Speicherung verbinden und intelligent mit dem Wärme- und Verkehrssektor
vernetzen. Diese Entwicklung steht am Beginn und darf nicht durch eine zu einseitige Fokussierung auf bestimmte reine Einsparmaßnahmen gebremst werden.
Politik kann und soll energie- und klimapolitische Entscheidungen lenken,
nicht aber abstrakt die gesamt- und betriebswirtschaftliche Kosteneffizienz privater
und privatwirtschaftlicher Investitionsentscheidungen beurteilen. Allerdings hat
der Staat bei öffentlichen Investitionen die Möglichkeit und eigentlich auch die
Aufgabe, mit effizienten Beispielen voranzugehen und private Investitionen entsprechend zu inspirieren.
bne | Stellungnahme | Seite 13
Investitionen anreizen: Kaufprämie für klimaneutrale Wärmeerzeugung einführen
Die Transformation der Wärmebereitstellung in Gebäuden hin zur Klimaneutralität
hat noch einen langen Weg vor sich. Angesichts des großen CO2-Minderungspotentials und insbesondere vor dem Hintergrund der niedrigen Sanierungsquote
bei Bestandsgebäuden stellt sich jedoch die Frage, ob hier die Anreize zur Zielerreichung richtig gesetzt werden. Statt klarer, eindeutig nachvollziehbarer Anreize sehen wir hier zwei Probleme:

Über die regelmäßige Verschärfung der Vorgaben der Energieeinsparverordnung erfolgt versteckt eine indirekte Ausphasung bestimmter Technologien
und Energieträger. Je nach Maßnahmenmix und Umfang der Investition in den
Neubau oder die Sanierung, können ganz unterschiedliche Wärmekonzepte realisiert werden, um den geforderten Effizienzstandard oder die noch höheren
Anforderungen für Fördermittel zu erreichen. Abhängig von der Wahl der Maßnahmen fällt die CO2-Minderung jedoch unterschiedlich groß aus. Eine Vorgabe, ab wann welche Energieträger bei neu zu bauenden Gebäuden für die
Wärmeversorgung nicht mehr genutzt werden können, wäre ehrlich und hilfreich um falsche Lock-in-Effekte durch Einbau von kurzfristig günstig erscheinenden Heiztechniken zu vermeiden.
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Besser als Verbote sollte den Endkunden jedoch endlich eine Orientierung gegeben werden, welche Lösungen zur signifikanten CO2-Einsparung oder gar
klimaneutralen Wärmebereitstellung zur Verfügung stehen und sinnvoll genutzt werden können. Eine Dekarbonisierung erfolgt in diesem Sektor von unten, also aus der Sicht des Einzelnen, der bereit ist, in neue effizientere Technik
zu investieren der aber ein zunehmendes diesbezügliches Informationsbedürfnis hat. Jede Fehlinformation würde das Flexibilisierungs-, Einspar- und Eigenerzeugungspotential des Verbrauchers für 20 – 30 Jahre für eine Beteiligung an
der Energiewende verloren gehen lassen. Das Informationsangebot ist jedoch
widersprüchlich, da Gerätehersteller, Energieberater, Architekten, Elektromonteure und Heizungsinstallateure sowie Schornsteinfeger ganz unterschiedliche
Interessen, Kompetenzen und Wissen über solche Lösungen haben. Die angebotenen Fördermittel wie z.B. von der KfW sowie die verschiedensten Programme auf Länder- oder kommunaler Ebene sind inzwischen ein Dschungel,
in dem sich höchstens Spezialisten zurechtfinden, der aber bei der Investition
in den Neubau und die Gebäudesanierung keine Orientierung mehr bietet.
Zur Überwindung dieser Probleme schlägt der bne ergänzend die Einführung einer
Kaufprämie für nichtfossile Wärmeerzeugung vor. Eine solche Prämie, welche die
Bundesregierung bereits für den Kauf von Elektrofahrzeugen eingeführt hat, würde
einen klaren Anreiz für CO2-Senkungen im Wärmebereich setzen und Hersteller,
Planer, Berater und das Handwerk zwingen, sich am Angebot von klimaneutralen
Wärmeversorgungslösungen zu beteiligen, statt ihre individuellen Interessen abzusichern. Statt der Kommunikation von Beschränkungen würde den Verbrauchern auf diese Art und Weise klar die Richtung bei der Entwicklung der Wärmever-
bne | Stellungnahme | Seite 14
sorgung aufgezeigt und ein entsprechendes Angebot von Alternativen sichergestellt. Im Interesse einer konsistenten Förderstrategie sollten Anreize, die nicht mit
den Klimazielen im Einklang stehen (z.B. steuerliche Förderung von Heizöl), abgeschafft werden. Ebenso kann eine herstellerbezogene Mindestquote für nichtfossile
Heizsysteme die richtigen Signale und Anreize setzen.
Zu weiteren Aspekten der Energieeffizienzdiskussion möchten wir auf die parallel
zu dieser Stellungnahme eingereichte bne-Position zum Grünbuch Energieeffizienz
verweisen.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 6 - Sektorkopplung: Heizungen, Autos und Industrie nutzen immer mehr
erneuerbaren Strom statt fossiler Brennstoffe.
Aufgabe 6: Wettbewerbsbedingungen für erneuerbaren Strom im Wärme- und
Verkehrssektor verbessern
Leitfragen des BMWi:
1. Wie können wir die Wettbewerbsbedingungen für erneuerbaren Strom in Wärme und Ve rkehr verbessern und Strom eine faire Chance gegenüber Brennstoffen in Verkehr und Wärme
geben? Wie kann eine sinnvolle Kostenanlastung für erneuerbaren Strom in den anderen
Sektoren erreicht werden?
2. Wie erleichtern wir Lastzuschaltung bei niedrigen Strompreisen?
Sektorkopplung steht zum einen für einen Energieträgerwechsel (Fuel-Switch) und
zum anderen für eine Umgestaltung, praktisch eine neue Zusammensetzung von
Energiebereitstellung und Nutzung im Energiesystem. Dabei ist Sektorkopplung
kein Selbstzweck sondern soll neue Wege zur Erreichung der Klimaziele eröffnen
und die vorhandene, erzeugte Energie besser im Sinne des Gesamtsystems ausnutzen. Unter dem Leitgedanken der Systemeffizienz sind daher Lösungen gefragt, die
mindestens eine der Aufgaben im Energiesystem erfüllen. Das bedeutet aber auch,
dass ein Stromverbrauch zum richtigen Zeitpunkt besser ist als ein Nichtverbrauch zum falschen Zeitpunkt. Flexibilität – bereitgestellt aus Demand-ResponseMaßnahmen, Strom-, Wärme- und anderen Speichertechnologien sowie zuschaltbaren Lasten – hat die Aufgabe, genau diesen Systemausgleich zu bewerkstelligen.
Insbesondere bei den Überlegungen zur Sektorkopplung ist es elementar, nicht bestimmte Technologien, Lösungen oder Entwicklungspfade von vornherein auszuschließen oder einzelne Technologien über zu bewerten.
bne | Stellungnahme | Seite 15
Sektorkopplung ist – Rollen und Funktionen im Energiesystem ändern sich.
Die Input-Output-Darstellung zum Vergleich des Strombedarfs verschiedener
Technologien zur Wärmebereitstellung in Abb. 6a des Impulspapiers vermittelt ein
falsches Bild, da Verhalten und Rolle dieser Technologien im Energiesystem nicht
berücksichtigt wurden:

Die Einordnung der Wärmepumpe erfolgte anhand von Jahresarbeitszahlen –
das ist eine reine Durchschnittsbetrachtung. Eine heute installierte LuftWasser-Wärmepumpe erreicht unter optimalen Bedingungen eine Jahresarbeitszahl von 6, im Winter – also der Saison mit dem größten Wärmebedarf vom
ganzen Jahr – aber nur eine Jahresarbeitszahl von 1. Jahresarbeitszahl von 1
heißt, die Wärmepumpe arbeitet im Winter genauso gut oder schlecht wie ein
elektrischer Heizstab oder Elektrokessel. Umgekehrt, in Zeiten, wo saisonal
mehr Stromerzeugung aus Wind und Sonne im System ansteht, haben Wärmepumpen nur einen relativ geringen Strombedarf.

Es geht nicht wie in Abb. 6a des Impulspapiers dargestellt darum, den Erdgasverbrauch von Gasheizungen durch klimaneutralen Brennstoff aus Power-toGas zu ersetzen. Die Nutzung von Umwandlungstechnologien wie die Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff oder in einem weiteren Schritt synthetisches Methan, eröffnet wichtige saisonale Speicherlösungen. Dadurch kann
zudem der von Wind und Sonne abhängig produzierte Strom vollständig genutzt werden – das ist system- und kosteneffizient. Power-to-Gas sollte daher
mit anderen Technologien (Stromspeicher, Wärmespeicher) im Hinblick auf
die saisonale Wärmebereitstellung verglichen werden (technische Eignung, system- und ökonomische Effizienz).
Gleiches gilt für Abb. 6b zum Verkehrsbereich: Power-to-Gas und Power-to-Liquid
mögen beim Einsatz in Verbrennungsmotoren im Individualverkehr in der Energiebilanz schlechter als Elektrofahrzeuge abschneiden. Wenn man allerdings die
Nutzung von Power-to-Gas und Power-to-Liquid dort zuordnet, wo Lade- und Leitungsinfrastruktur nicht verfügbar ist (Autarkiegedanke z.B. auch im militärischen
Bereich verbreitet), diese kostenmäßig nicht (annähernd) darstellbar oder die Batterienutzung technisch problematisch ist (Flugzeuge/Luftverkehr), dann sähe die
Investitionsrechnung vollkommen anders aus.
Sektorkopplung ist - Energie anders zu produzieren und anders einzusetzen.
Zwischenfazit: Je stärker durch die Sektorkopplung Wärme und Mobilität in den
Strommarkt eingebunden werden, um mehr verändern sich auch die Anforderungen an das Stromsystem, die sich aus der Energienutzung im Wärme- und Verkehrssektor ergeben. Nur in Teilen und bis zu einem gewissen Grad lässt sich die
Energienutzung an das Energieangebot anpassen. Wenn Strom zunehmend im
Wärmemarkt abgesetzt werden soll, dann muss im Stromsystem auch eine Antwort
auf den ausgeprägten saisonalen Charakter der Wärme gefunden werden. Bisher ist
bne | Stellungnahme | Seite 16
die Saisonalität über einen anderen Teil des Energiesystems abgesichert (leitungsgebunden im Gasmarkt). Energieeffizienzmaßnahmen können an der Saisonalität
des Wärmebedarfs nichts ändern – diese verschwindet dadurch nicht.
Da das Stromangebot aus erneuerbaren Energien in einigen Regionen fast vollständig den dortigen Strombedarf abdeckt oder in Spitzenzeiten darüber hinaus
geht, wegen eines schleppenden Netzausbaus diese Strommengen nicht zu anderen Verbrauchsregionen abtransportiert werden können, sollte man bereits heute
dort die Umwandlungstechnologien weiter entwickeln und als (saisonalen) Speicher mit dem Energiesystem verzahnen.
Es gilt, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Unter dem Aspekt der Systemeffizienz ist es der richtige Schritt, bereits heute die Weiterentwicklung von
Power-to-Liquid und Power-to-Gas voranzubringen. Die im Klimaschutzplan 2050
des BMUB vorgeschlagenen Maßnahmen zum „Einstieg in die Sektorkopplung“
werden daher vom bne unterstützt. Zugleich möchten wir jedoch dafür werben,
nicht nur den Einstieg zu erleichtern, sondern solche Lösungen deutlich stärker voranzubringen. Power-to-Gas ermöglicht die Transformation von Erdgas zu erneuerbarem Gas und die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur des Gassystems einschließlich der Speicherkapazitäten. Mit dieser Lösung kann die saisonale Speicherung für die erneuerbaren Energien ermöglicht werden.
Sektorkopplung ist - Fuel-Switch durch weitreichende Elektrifizierung.
Die Sektorkopplung bedeutet im Endeffekt eine weitgehende Elektrifizierung der
Bereiche Heizen und Fahren, da erneuerbare Energien weithin Strom erzeugen. Eine Zunahme des Strombedarfs von 600 TWh auf 1.000 TWh bis 1.300 TWh (für
Wärme und Verkehr) ist in jedem Falle mindestens zu erwarten (z. B. Fraunhofer
IWES; Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin). Zum Vergleich: Die derzeit
installierte Gesamtleistung EE liegt in Deutschland bei 94 GW und erzeugt mit ca.
200 TWh rd. 1/3 des aktuellen Stromverbrauchs von ca. 600 TWh. Dagegen steht
das Potential für gebäudeintegrierte PV mit mindestens 150 GW Aufdach und mindestens 150 bis 300 GW integriert in Fassaden.
Lösungsansatz: Dieser enorme Zubau kann nicht allein durch EEG-basierte Finanzierung von Großanlagen erreicht werden. Es bedarf der unzähligen kleineren
privat finanzierten, dezentralen EE-Anlagen in der Fläche. Diese werden aber nicht
allein aus altruistischen Klimaschutzgründen, sondern vorrangig für die Selbstversorgung gebaut. Auch aus diesen Gründen müssen die an anderer Stelle genannten
Lösungen zur Umgestaltung der Umlagen und Netzentgeltstrukturen angegangen
werden.
IÖW-Studie: Vorschläge zur Änderung der EEG-Umlagebasis
Als ergänzenden Bestandteil unserer Stellungnahme senden wir Ihnen im Anhang
die IÖW-Kurzstudie zur Umgestaltung der EEG-Umlagebasis. In der vom bne beauftragten Kurzstudie berechnete das Team von Prof. Dr. Bernd Hirschl (IÖW) verschiedene Möglichkeiten, die Basis der EEG-Umlage auf den Endenergieverbrauch
bne | Stellungnahme | Seite 17
im Wärme- und Verkehrssektor auszudehnen. Damit würden auch CO2-intensive
Energieträger wie Heizöl, Benzin und Diesel oder Erdgas in die Finanzierung der
Energiewende miteinbezogen, die derzeit nicht nur keine derartigen Umlagen tragen, sondern zum Teil sogar steuervergünstigt sind. Bitte betrachten Sie diese Studie als bne-Diskussionsbeitrag zur Bewältigung der Aufgabe 6. Wenn die Basis der
EEG-Umlage verbreitert wird, kann davon ein deutlicher Impuls für die Sektorkopplung und damit für das Gelingen der Energiewende ausgehen.
Zur Einordnung des Vorschlags: Die hohe Belastung allein des Strompreises mit
Abgaben und Umlagen ist heute ein wesentliches Hemmnis für die Ausweitung der
Energiewende auf den Wärme- und Verkehrssektor. Sinnvolle Wärmestromanwendungen auf Basis Erneuerbarer haben aufgrund der hohen Umlage einen Nachteil gegenüber fossilen Anwendungen und an vielen Stellen reichen die Anreize für Investi-
tionen in emisssionsarme und klimaneutrale Produkte und Lösungen nicht aus.
Neben einer Weiterentwicklung der Investitionsanreize, fehlen entsprechende zielgerichtete Verbrauchsanreize.
Klare Zielvorgaben sollten idealerweise mit Hilfe gut steuerbarer Instrumente
umgesetzt werden. Weitere Schritte zur Stärkung des europäischen Emissionshandelssystems sind daher wichtig und richtig. Das Emissionshandelssystem umfasst
jedoch nur einen Teil der Energieverbraucher und die Sektoren Wärme und Verkehr sind ebenfalls nicht eingebunden. Für die Übertragung der Energiewende auf
den Wärme- und Verkehrssektor und die Verzahnung der einzelnen Systeme in
der Sektorkopplung, wäre ein signifikanter CO2-Preis als verbindendes Element
nötig, der über den Verbrauch auf alle Sektoren und Energieträger wirkt.
In Fachkreisen werden Überlegungen für eine ökologische Steuerreform diskutiert
– Lösungen, die mit einer komplexen Reihe von Ausgestaltungsparametern verknüpft sind und hinsichtlich der politischen Durchsetzbarkeit zur Zeit sehr anspruchsvoll wären.
Die Finanzierung von energiewendebedingten Ausgaben bedarf einer stabilen
Grundlage. Über die Verteilung der Kostenbelastung auf den Verbrauch in allen
Sektoren und unter Berücksichtigung der Emissionsfaktoren der einzelnen Energieträger, kann zudem die Verminderung von CO2-Emissionen stärker angereizt werden. Ein solches verbrauchsbasiertes Instrument funktioniert energieträger- und
technologieübergreifend. Der Emissionsfaktor stellt sicher, dass der CO2intensivere Verbrauch stärker belastet wird als CO2-ärmere Energieträger. Auf diese
Weise könnte der Energieträger Erdgas endlich den Vorteil seiner geringeren CO2Belastung im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern ausspielen und seinen
Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten.
Für Lastzuschaltung Maßnahme 8 des Weißbuchs zum Strommarkt umsetzen
Lastzuschaltung bei niedrigen Strompreisen kann erleichtert werden, indem vermieden wird, dass Verbraucher durch die Lasterhöhung höhere Netzentgelte entstehen. In Maßnahme 8 des Weißbuches war dies bereits vorgedacht – dies sollte
umgesetzt werden. In der aktuellen Netzentgeltsystematik kann insbesondere im
bne | Stellungnahme | Seite 18
industriellen Umfeld eine Lasterhöhung zu einer Lastspitze führen, die eine Erhöhung der Netzentgelte zur Folge hat. Des Weiteren verhindern die fixen Preisbestandteile (EEG-Umlage, etc.) ein effizientes Preissignal, so dass ein niedriger Börsenpreis sich wenig auf den Strompreis, der beim Kunden ankommt, auswirkt.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 7: Moderne KWK-Anlagen produzieren den residualen Strom und tragen
zur Wärmewende bei.
Aufgabe 7: Anreize für moderne Strom-Wärme-Systeme setzen
Leitfragen des BMWi:
1. Welche Rolle spielen unterschiedliche Typen von KWK-Anlagen für einen effizienten Entwicklungspfad der KWK? Welche Rolle spielen jeweils zentrale Anlagen in der öffentlichen
Versorgung und dezentrale Anlagen? Wie entwickelt sich die Rolle der industriellen KWKAnlagen bei der zunehmenden Dekarbonisierung des Industriesektors? Welche Abwärmepotenziale können wie genutzt werden?
2. Wie sieht eine zukunftsfähige Infrastruktur aus?
3. Bereits heute unterliegen KWK-Anlagen dem ETS. Wie können wir darüber hinaus Investitionsanreize für eine flexible, emissionsarme und energieeffiziente KWK erhalten? Wie können
wir sicherstellen, dass diese Anlagen auch effizient eingesetzt werden? Wie können wir den
Ausbau einer zukunftsfähigen Infrastruktur sicherstellen?
4. Wie können wir sicherstellen, dass die heutigen Investitionen zur langfristigen Entwicklung passen? Welche KWK-Anlagen mit welchen Lebensdauern können wir bis wann bauen?
Welche Eigenschaften müssen Wärmenetze langfristig haben?
Sowohl im Klimaschutzplan als auch im Impulspapier Strom steckt die Einordnung
und Strategie zur KWK voller Widersprüche. Laut Klimaschutzplan soll beispielsweise die Kraftwärmekopplung bis 2030 ausgebaut, aber erst nach 2030 begonnen
werden, die heute überwiegend auf Gas, Kohle und Öl basierende KWK-Erzeugung
klimaneutral zu machen. Auch im Impulspapier wird über eine wichtige Rolle der
KWK nach 2030 im Energiesystem geschrieben, ohne genau zu definieren wie diese
KWK dann aussehen soll. Leider vermischen sich die der KWK zugeordneten Attribute, die stark vom Einsatz der KWK im Energiesystem abhängen
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KWK ist dann eine effiziente Technologie, wenn die Anlage wärmegeführt gesteuert wird. Gibt es keinen echten Bedarf für die Wärme im Sommer, muss die
Effizienz hinterfragt werden.
bne | Stellungnahme | Seite 19
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Die Energieeffizienz nimmt bei einer stromgeführten KWK-Anlage ebenfalls ab
– erst recht, wenn die Anlage nur noch – wie im Impulspapier beschrieben – zur
Reststrombereitstellung eingesetzt wird.
Die Installation neuer Wärmespeicher ermöglicht zwar eine flexiblere Wärmeerzeugung bei KWK-Anlagen. Allerdings reicht dies oft gerade dazu, die durch
Wind und Sonne volatilen Strompreise ausgleichen zu können.
Power-to-Heat-Lösungen in Heizkraftwerken können dennoch durch Nutzung
günstigen Überschussstroms aus Wind und Sonne den Verbrauch fossiler
Brennstoffe senken und ermöglichen dem KWK-Anlagenbetreiber Zusatzerlöse
im Regelenergiemarkt.
Die oben genannten Beispiele sind wichtig und energiewirtschaftlich sinnvoll, um
z.B. Fernwärme möglichst effizient zu erzeugen und ihren wirtschaftlichen Betrieb
auch im sich veränderten Energiemarkt sicherzustellen. Die Umstellung von Kohle
oder Öl auf Gas oder Biomasse kann die CO2-Bilanz der Anlagen kurzfristig senken.
Die Verfügbarkeit von Biomasse ist allerdings begrenzt und die Integration direkt
erneuerbarer Wärmerzeugung z.B. aus von Solarthermie ins Fernwärmenetz bewegt sich bisher eher auf einem Projektniveau. Dabei hat Solarthermie gegenüber
Photovoltaik den Nachteil, dass ihre Wärme im Sommer nicht vollständig gebraucht wird und im Winter nicht genug davon zur Verfügung steht. PV-Strom
kann wenigstens anders im System genutzt werden.
Im Hinblick auf die Klimaziele 2050 wird jedoch entscheidend sein, ob die
Fernwärme mit KWK-Anlagen CO2-frei erzeugt werden kann und in einem effizienten Gesamtsystem (inkl. Wärmenetz und angeschlossene Verbraucher) funktioniert. Wahrscheinlich sollte bereits jetzt begonnen werden, neue Anlagen nur noch
in Nahwärmenetzen zu planen. Wenn es für die KWK heute schon klimaneutrale
oder wenigstens CO2-arme Optionen gibt, dann sollte sichergestellt werden, dass
der politisch gewünschte KWK-Ausbau wenigstens mit so geringen CO2Emissionen verbunden ist, wie möglich. Sich dabei auf entsprechende Anreize aus
dem Emissionshandelssystem zu verlassen, ist nicht ausreichend.
Grundsätzlich macht KWK im weiteren Verlauf der Energiewende dann Sinn, wenn
sie hochflexibel und stromgeführt ist, damit sie das Stromaufkommen der erneuerbaren Stromerzeuger sinnvoll ausgleicht und nicht verschärfend kumuliert.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 8: Biomasse wird zunehmend für Verkehr und Industrie genutzt.
Aufgabe 8: Anreize so setzen, dass Biomasse zunehmend für Verkehr und Industrie genutzt wird
bne | Stellungnahme | Seite 20
Leitfragen des BMWi:
1. In welchen Bereichen und Sektoren sollte Biomasse in begrenztem Umfang langfristig zur
energetischen Verwendung eingesetzt werden, damit sie eine kostenoptimale Erreichung der
Energie- und Klimaziele unterstützt?
2. Wie können Lock-in-Effekte hinsichtlich einer langfristig kostenoptimalen Biomassenutzung vermieden werden und wie kann ein stärkerer, effizienter Einsatz von Biomasse
in Industrie, Luft- und Schiffsverkehr angereizt werden?
3. Wie kann sichergestellt werden, dass bei einem Einsatz von Biomasse in der KraftWärme-Kopplung die Anlagen flexibel betrieben werden? Welche Chancen ergeben sich
zukünftig im Strommarkt 2.0 für Flexibilität, die durch Biomasse bereitgestellt wird?
Die Potentiale sind begrenzt, wenn die Nutzung der Biomasse nicht mit anderen
Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen kollidieren soll. Es wäre daher wichtig zu überlegen, die Nutzung der Bioenergie insbesondere dorthin zu lenken, wo entweder
eine leitungsunabhängige Energiebereitstellung nicht möglich ist oder der Kohlenstoff als Rohstoff benötigt wird.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 9: Gut ausgebaute Netze schaffen kostengünstig Flexibilität.
Aufgabe 9: Netzausbau rechtzeitig, bedarfsgerecht und kosteneffizient realisieren
Leitfragen des BMWi:
1. Wie können wir erreichen, dass der beschlossene und energiewirtschaftlich notwendige
Netzausbau tatsächlich und auch schneller verwirklicht wird als in der Vergangenheit?
Welche Veränderungen oder zusätzlichen Ressourcen braucht es insoweit beim Bund, bei den
Ländern oder den Vorhabenträgern?
2. Inwieweit kann über die beschlossenen Netzausbauvorhaben hinaus umfangreicher weiterer Netzausbau gesellschaftlich akzeptiert und realisiert werden? Was wären Alternativen
hierzu?
3. Im Zuge der Energiewende werden die Verteilernetze künftig noch stärker Strom aus dezentralen Anlagen aufnehmen, auch werden Verbraucher bzw. Kunden zunehmend flexibler.
Welche Rahmenbedingungen gewährleisten einen effizienten Netzausbau auch auf Verteilernetzebene?
bne | Stellungnahme | Seite 21
Netzausbau ist essentiell und sollte deutlich forciert werden, da auch die zusätzlichen Strommengen für Wärme und Verkehr in jeden Fall zusätzliche Transportkapazität in den Süden bedingen. Allerdings sind die Zeiträume für die Errichtung
neuer Stromleitungen sehr lang. Dies ist auch der Grund dafür, dass der Netzausbau systematisch dem Ausbau der erneuerbaren Erzeugung hinterherläuft. Die bisherigen Instrumente zur Netzentwicklung haben einen zu kurzen zeitlichen Horizont, um die benötigten Netzkapazitäten rechtzeitig fertig zu stellen.
Zudem haben Netzbetreiber keine Anreize, die Abschaltung von Einspeisern
zu minimieren. Kosten, die durch Einspeisemanagementmaßnahmen entstehen,
können von den Netzbetreibern direkt an die Verbraucher weiter gewälzt werden.
Aus Perspektive der Netzbetreiber, insbesondere in den Verteilnetzen, sind damit
Abschaltungen sogar betriebswirtschaftlich attraktiver als Netzausbau oder gar eine
aktive Netzsteuerung.
Auch mit der jüngsten Novelle der Anreizregulierung wurden noch nicht die
richtigen Instrumente eingeführt, um diese Situation nachhaltig zu verbessern.
Noch immer haben die Netzbetreiber keinen wirtschaftlichen Nachteil, wenn sie
ihr Netz nicht rechtzeitig ausbauen.
Für die Akzeptanz bei den Bürgern ist auch entscheidend, dass die Netzbetreiber alle Maßnahmen nutzen, die einen Netzausbau auf das unbedingt notwendige
Maß begrenzen. Dafür müssen die Netzbetreiber ein aktives Netzmanagement betreiben und moderne Netzbetriebsmittel installieren. Aber auch hier sind die Vorgaben in der Anreizregulierung bisher nicht befriedigend. Investitionen in Leitungen sind betriebswirtschaftlich günstiger, als Investitionen in moderne Betriebsmittel und Kooperationen zwischen den Netzbetreibern oder die Einbindung von
Dienstleistern werden benachteiligt.
Im Sinne eines kosteneffizienten Gesamtsystems sollte bei der Bewertung des
Netzausbaus im Vergleich mit anderen Maßnahmen jedoch darauf geachtet werden, dass Zeitverzögerungen und steigende Kosten für die Neuplanung von Trassen
und Erdverkabelung adäquat berücksichtigt werden.
Netze ermöglichen Flexibilität, aber Demand-Side-Management und Speicher
stellen Flexibilität bereit
Eine Alternative zum Netzausbau wäre eine stärkere Einbindung nachfrageseitiger
Flexibilitäten zur Netzengpassbewirtschaftung. Verbraucher könnten wirtschaftlich
angereizt werden, ihren Verbrauch zu verlagern, um damit Netzengpässe aufzulösen. Dies gilt sowohl für Verteil- als auch für Übertragungsnetze.
Auch die Netzentgelte können von den Netzbetreibern so ausgestaltet werden,
dass sie den Verbrauchern Anreize zu netzdienlichem, flexiblem Verhalten geben
können. Der bne hat mit dem Flexmarkt hierzu einen konkreten Vorschlag vorgelegt – siehe hierzu das bne-Positionspapier Flexibilitätsverordnung vom 4. 7. 2016.
bne | Stellungnahme | Seite 22
Impulspapier - Strom 2030
Trend 10: Die Systemstabilität bleibt bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien gewährleistet.
Aufgabe 10: Maßnahmen und Prozesse zur Systemstabilisierung weiterentwickeln und koordinieren
Leitfragen des BMWi:
1. Ein System mit einem immer höheren Anteil erneuerbarer Energien stellt erhebliche Anforderungen an die Gewährleistung der Systemstabilität. Welche Maßnahmen sind erforderlich, um die Systemsicherheit weiterhin sicherzustellen?
2. Wie kann Systemstabilität gewährleistet bleiben, wenn die als notwendig identifizierten
und auch gesetzlich beschlossenen Netzausbauvorhaben nicht zeitgerecht realisiert werden?
3. Welche konkreten Anpassungen des regulatorischen Rahmens sind notwendig, um die
gewünschte Entwicklung der Systemdienstleistungen bis 2030 rechtzeitig zu initiieren?
Netze ermöglichen Flexibilität erschaffen sie jedoch nicht
Der zügige Netzausbau, auch der Netzausbau zu den Nachbarländern, ist entscheidend für die langfristige Systemsicherheit. Daneben müssen die Instrumente der
Netzbetreiber zur netzdienlichen Flexibilität verbessert werden, dazu hat der bne
einen Vorschlag eingebracht (s.o.).
Darüber hinaus sind vor allem operative Verbesserungen notwendig. Mit der
Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes und der Einführung des Messstellenbetriebsgesetzes sind die wichtigsten Maßnahmen bereits in die Wege geleitet worden. Vor allem die bessere Einbindung der erneuerbaren Erzeugung in die Bereitstellung von Systemdienstleistungen wurde verbessert. Durch die Digitalisierung
der Energiewende werden immer mehr Anlagen in die Lage versetzt, solche Dienstleistungen wirtschaftlich anzubieten.
Regeln für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen sind an veränderte Anbieterstruktur anzupassen
Für die Zukunft werden schrittweise Verbesserungen in den durch die BNetzA festgelegten Regularien, z.B. zur Ausschreibung von Regelenergie, zur Präqualifikation
von Anlagen für die Regelenergie, durchgeführt werden müssen. Diese Verbesserungen müssen einhergehen mit einer besseren Kommunikation der Verteilnetzbetreiber mit den Übertragungsnetzbetreibern und einer Weiterentwicklung des
Energieinformationsnetzes.
bne | Stellungnahme | Seite 23
Mit dem Wegfall einer großen Anzahl konventioneller Erzeugungsanlagen bis
2030 müssen Systemdienstleistungen zunehmend von anderen Anbietern bereitgestellt werden. Dies werden insbesondere dezentrale Flexibilitäten sein, die von Verbrauchern, Speichertechnologien und Erneuerbaren geliefert werden. Die Integration dieser neuartigen Anbieter in den regulatorischen Rahmen wird eine wichtige
Aufgabe sein. Dies muss beim Design der Systemdienstleistungsanforderungen Berücksichtigung finden – diese sind heute noch zum großen Teil auf große Erzeugungsanlagen und deren Fähigkeiten ausgelegt.
Neue Anbieter werden zunehmend kleinteiligere Anlagen für die Erbringung
von Systemdienstleistungen verwenden (Verbrauchsanlagen, Elektroautos, etc).
Eine wichtige Thematik ist dabei das Thema Pooling: es wird nicht mehr praktikabel sein, jede Anlage einzeln zu präqualifizieren (wie es heute der Fall ist). Stattdessen wird es notwendig werden, Anlagentypen oder ganze Anbieter-Pools zu
präqualifizieren. Dies ist in einigen europäischen Nachbarländern bereits heutige
Praxis.
Ebenfalls wird es wichtig sein, einen Mechanismus zu entwickeln, durch den
Flexibilitäten effizient verschiedenen Flexibilitäts-Nachfragern in verschiedenen
Märkten angeboten werden können. Zu den Flexibilitäts-Nachfragern werden dabei sicher sowohl die ÜNB als auch die VNB zählen. Dabei wird es wichtig sein, dass
in einem möglichst transparenten Koordinationsverfahren die Flexibilität dort zum
Einsatz kommt, wo sie die höchste Wertigkeit hat.
Engpassbewirtschaftung im Verteilnetz erfordert Einrichtung von Netzclustern
Es ist absehbar, dass die Notwendigkeit zur Bewirtschaftung von Engpässen im Verteilernetz ansteigt. Dies betrifft nicht nur das bereits bekannte Phänomen von erzeugungsseitigen Überschüssen, sondern perspektivisch mit zunehmender Automatisierung auch die Nachfrageseite. Es ist aufgrund von Skaleneffekten volkswirtschaftlich unsinnig, von der Annahme auszugehen, dass alle 900 aktuell existierenden Stromverteilernetzbetreiber eine eigene Steuerungsinfrastruktur zu diesem
Zweck wirtschaftlich betreiben können. Wenn Flexibilität im Verteilernetz tatsächlich nutzbar gemacht werden soll, muss dementsprechend ein Zusammenschluss
der Betriebsführung von Verteilernetzen angestrebt werden. Dies kann ohne Eingriff in die Eigentümerstruktur erfolgen, indem beispielsweise eine vorgeschriebene Mindestnetznutzerzahl von beispielsweise einer 1 Mio. Nutzer für die Betriebsführung vorgeschrieben wird. Die Auswahl des Netzclusterbetreibers könnte dann
dem jeweiligen Verteilernetzbetreiber überlassen werden. Da es sich bei Netzen
ohnehin um eine Monopolstruktur handelt, wäre diese Maßnahme zugleich wettbewerbsförderlich, da dies einer Diskriminierung von unabhängigen Vertrieben gerade in den nicht entflochtenen Netzgebieten entgegenwirken würde.
bne | Stellungnahme | Seite 24
Impulspapier - Strom 2030
Trend 11: Die Netzfinanzierung erfolgt fair und systemdienlich.
Aufgabe 11: Netzentgeltregulierung weiterentwickeln
Leitfragen des BMWi:
1. Wie kann die Netzentgeltsystematik weiterentwickelt werden, um die Kosten für Bau und
Betrieb der Netze fair und transparent unter den Netznutzern zu verteilen?
2. Welche Rolle spielt die Kosteneffizienz des gesamten Energiesystems bei der Ausgestaltung der Netzentgeltsystematik? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen der Finanzierung der Netze und der Sektorkopplung?
3. Wie können energiewirtschaftlich sinnvolle Flexibilitätspotenziale von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern optimal gehoben werden? Was bedeutet das für die weitere Entwicklung der Netzentgelte? Wie können Anreize für einen stabilen Betrieb der Stromnetze
gesetzt werden und anhand welcher Kriterien sind Maßnahmen zur Flexibilisierung von Last
und Erzeugung aus Netzsicht sinnvoll zu bewerten?
Verbrauchsorientierte Netznutzungsabrechnung in der Niederspannung wird zum
Problem im Energiesystem mit zunehmender Eigenstromerzeugung
Die Netznutzungsentgelte (NNE) werden in Deutschland auf der Niederspannungsebene derzeit weitgehend über Arbeitspreise abgerechnet. D. h. der ganz
überwiegende Teil der NNE wird über die Menge der bezogenen kWh abgerechnet.
Damit sinkt das Aufkommen in dem Maße, in dem der Kunde Strom spart oder für
den Eigenverbrauch selbst erzeugt. Die Netzkosten sind aber zu einem ganz überwiegenden Teil Fixkosten, die dann über eine Erhöhung der NNE der verbleibenden Verbraucher weitergegeben werden müssen. Die so steigenden NNE treiben
wieder vermehrt Verbraucher in die Eigenerzeugung und so fort.
Diskutiert werden Ansätze, dieses Problem über leistungsbezogene Entgelte
oder eine Berechnung ganz überwiegend über den Grundpreis und wenn überhaupt nur sehr gering über den Arbeitspreis der gelieferten kWh zu lösen. Die Bezugsgröße für derartige Entgelte muss aber klug gewählt werden. Denkbar wäre ein
leistungsbezogenes NNE nach der Höhe der Jahreshöchstleistung, die sich mit
Smart Metern leicht feststellen ließe. Das führt dann dazu, dass die Kunden versuchen würden, Leistungsspitzen zu vermeiden. Das ist allerdings kontraproduktiv,
wenn der Kunde entsprechend den Vorgaben der fluktuierenden Einspeisung zu
flexiblem Bezug angeregt werden soll. Wenn er dann viel billigen Strom bei hoher
EE-Einspeisung beziehen will, würde er sich durch einen hohen Leistungsbezug
über die dann erhöhten NNE selbst schädigen. Daneben sind niedrigverbrauchende Haushalte mit nur gelegentlichen Leistungsspitzen - wie Durchlauferhitzern -
bne | Stellungnahme | Seite 25
dann von vergleichsweise hohen NNE betroffen, was hier zumindest die Frage nach
der politischen Zumutbarkeit aufwirft. Nicht zuletzt verändert sich auch der Hebel
der durch Stromsparen erzielbaren monetären Einsparungen, da zumindest der
leistungsbezogene NNE-Anteil des Strompreises sich durch Einsparung von KWh
nicht mehr beeinflussen ließe. Zwar konnte man Netzkosten und Konzessionsabgaben noch nie wirklich sparen, aber der Kunde hat sich an die politisch gewollte
Verteuerung der gelieferten kWh gewöhnt, die ja seinerzeit gerade deshalb erfunden wurde, um den schlichten Sparanreiz zu hebeln. Eine rein leistungsbezogene
Struktur scheidet damit aus.
Netzanschlussentgelt als Lösungsansatz
Eine Möglichkeit ist die Ablösung der Leistungspreise und Arbeitspreise durch ein
Netzanschlussentgelt. Bei dem Netzanschlussentgelt wird ein fester jährlicher Betrag für die Nutzungsmöglichkeit des Netzes erhoben. Das Netzanschlussentgelt
soll sich an der technischen Leistungsfähigkeit des Anschlusses orientieren und je
Netzebene erhoben werden. Innerhalb einer Netzebene werden mehrere Kapazitäts-Klassen für Anschlüsse gebildet und dafür je das Entgelt festgelegt. Das Entgelt
ermöglicht die Nutzung für Entnahmen und Einspeisungen in unbegrenzter Anzahl. Damit entfällt das netzseitige Arbeitsentgelt, dieses existiert dann nur noch im
Stromlieferungsbereich. Das hat den Vorteil, dass dieses Marktpreissignal dann unverfälscht beim Kunden ankommt.
Durch eine Herausnahme von reinen Abnehmern mit einer Entnahmemenge
von unter 6.000 kWh ließe sich auch das Problem der Kleinverbraucher mit nur gelegentlichen Leistungsspitzen von resultierenden Preissteigerungen lösen. Diese
Grenze ist nicht willkürlich, sondern resultiert aus gutachterlichen Untersuchungen zu Smart Meter-Rollouts. Danach hat sich ergeben, dass diese Kundengruppe
kaum Reaktionsmöglichkeiten in relevanter Menge hat und demzufolge für die Anregung von Flexibilität bis auf weiteres nicht in Frage kommt. Abnehmer mit Eigenerzeugungs- und Speichersystemen wären dagegen stets in der vorgeschlagenen
Netzanschlussentgeltstruktur, um deren Flexibilitätspotentiale zugänglich zu machen. Eine „Entsolidarisierung“ fände dann nicht mehr statt.
Da das Netzanschlussentgelt die Verbindung mit dem Netz zum Zwecke der
Ein- und Ausspeisung abgilt, würden systematisch auch reine Einspeiser - wie
Kraftwerke - dieses zahlen müssen. Das brächte den Vorteil, dass sich auch diese
Gruppe an den Kosten des Netzes beteiligen würde. Es hätte allerdings ähnliche
Auswirkungen wie die einer G-Komponente, würde also mindestens eine Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten ausländischer Kraftwerke darstellen, wenn dort eine
solche nicht fällig wäre. Vorbehaltlich EU rechtlicher Erwägungen ließe sich überlegen, die Grenzkuppelstellen ins deutsche Netz ebenfalls als Einspeiser zu betrachten und ebenso zu bepreisen.
bne | Stellungnahme | Seite 26
Versteckte Förderung durch vermiedene NNE ist abzuschaffen
Eine Auswirkung derartiger Netzanschlussentgelt-Strukturen wäre auch der Entfall
des Tatbestandes der „vermiedenen Netzentgelte“. Deren Existenz ist in Zeiten der
Abpufferung flukturierender EE-Einspeisung nicht mehr begründet und ihr Ende
ist daher im Strommarkt-Gesetz (in Verbindung mit der Stromnetzentgeltverordnung und dem EEG) ohnehin für 2021 vorgesehen. Dennoch muss man sich klarmachen, dass die nicht unerheblichen vermiedenen NNE neben der KWK-Umlage
und der Energiesteuerbefreiung die dritte verborgene Subvention der KWK darstellen, deren Wegfall diese Anlagen weiter unter Druck bringt. Wegen dieser Altlasten
die notwendigen Reformen zu unterlassen, verbietet sich allerdings von selbst.
Vielmehr muss bei entsprechendem politischem Willen eine alternative transparente Unterstützung für diese Anlagen gefunden werden, solange sie noch gebraucht werden und eine Unterstützung benötigen.
bne-Vorschlag zur Flexibilitätsverordnung und Anpassung von § 19 StromNEV
Wie bereits in der Antwort zu Trend 1 dargelegt, ist die Hebung von Flexibilitätspotentialen von dezentralen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern eng mit der
Netzentgeltsystematik verbunden. Diese muss dahingehend überarbeitet werden,
dass sie keine flexibilitätshemmende Wirkung mehr ausüben kann. Hierzu hat der
bne im bne-Positionspapier Flexibilitätsverordnung vom 4. Juli 2016 einen Umsetzungsvorschlag für die Ausgestaltung eines dezentralen Flexibilitätsmechanismus vorgelegt. Dies umfasst die Konkretisierung des durch das Digitalisierungsgesetz geänderten § 14a EnWG sowie Neuausrichtung der § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV
(atypische Netznutzung) und § 19 Abs. 2 S. 2 StromNEV.
Impulspapier - Strom 2030
Trend 12: Die Energiewirtschaft nutzt die Chancen der Digitalisierung.
Aufgabe 12: 12 Intelligente Messsysteme einführen, Kommunikationsplattformen
Leitfragen des BMWi:
1. Das im Bundestag beschlossene „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ ist ein
wichtiger Schritt zur Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Digitalisierung
im Stromsektor. Welche weiteren regulatorischen Weichenstellungen sind notwendig?
2. Die Digitalisierung ist eine große Chance für die Energiewende. Zugleich ist die Entwicklung – gerade aufgrund der hohen Dynamik – schwer vorhersehbar, da sie in hohem Maße
durch neue Anwendungen bei den Endkunden getrieben und durch Technologiesprünge geprägt ist. Wie kann der Rahmen gestaltet werden, dass einerseits durch verlässliche Stan-
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dards Planbarkeit geschaffen wird, andererseits die Digitalisierung die notwendigen Freiräume erhält, um die Kernziele der Energiewende zu erreichen?
3. Die Digitalisierung im Energiebereich ist mit erheblichen Investitionen verbunden. Inwieweit ist die Digitalisierung der Energiewirtschaft (Erzeugung, Übertragung, Verbrauch) Teil
der öffentlichen Infrastruktur und welche Rolle haben die Marktakteure in diesem Prozess?
Mit der Digitalisierung werden in zunehmendem Maße Akteure auf den Plan treten, die sich
vorrangig mit der Erfassung und Verarbeitung von Daten befassen. Zeichnen sich neue Geschäftsmodelle ab und was bedeutet das für die Struktur der Energiewirtschaft?
Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende ist gerade in Kraft getreten und im
Augenblick konzentrieren sich alle stark auf die Umsetzung des Gesetzes einschließlich der Entwicklung und Anpassung der notwendigen Geschäftsprozesse
und Vertragsbeziehungen. Es ist daher zu früh, um diese Fragen unter Berücksichtigung der neuen Rahmenbedingungen angemessen beantworten zu können.
Vielleicht – noch - kein Trend aber jedenfalls eine weitere Aufgabe: Reform EEGUmlagesystem
Das Problem: Auch das EEG-Umlagesystem, dessen Abrechnung über die verbrauchte Kilowattstunde Strom erfolgt, ist am Ende. Die EEG-Umlage wird durch
sparende Energieverbraucher oder selbsterzeugende Prosumer ihrer breiten Basis
beraubt und muss auf immer weniger gelieferten kWh für immer weniger Kunden
verteilt werden. Auch hier entsteht wie bei den NNE ein aus Klimaschutzgründen
gewünschter wachsender Druck, in die Eigenversorgung zu gehen. Nichts dient der
Energiewende mehr, als wenn sich die Verbraucher zum Prosumer wandeln und
die Energieversorgung dezentral aus CO2-freien Quellen mit eigenen Mitteln selbst
in die Hand nehmen. Der ganze Aufwand der EEG-Einspeisevergütungen, diente
und dient ja gerade dazu, die Kosten der EE-Technologien soweit herunter zu senken, dass sie für den Normalfall der Stromversorgung wettbewerbsfähig werden.
Nun, wo es soweit ist, bedroht die Umlagesystemkonzeption die privat getragene
Energiewende, indem sie möglichst viele Schultern braucht. Demnach kann der Effekt von immer höheren EEG Umlagen auf immer weniger Schultern nicht ignoriert
werden.
Lösungsansatz:
Neben Fondsmodellen bietet sich hier zunächst die Verbreiterung der Basis der
Umlagen tragenden Energien an. Ohnehin ist es nicht wirklich zielführend, die einzige CO2 freie Energie, nämlich EE-Strom mit unzähligen Umlagen für alle Proble-
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me der Energiewende zu belasten, während Kunden, die mit Erdgas heizen, viel
niedrigere Umlagen ertragen müssen und Heizölkunden darüber hinaus noch von
einer Steuersenkung auf ihren fossilen Brennstoff profitieren. Auch der Verkehrssektor kann über eine Verteilung auf die dortigen Treibstoffe einbezogen werden.
Das derzeitige Niedrigpreisniveau bietet ein politisch gut nutzbares Zeitfenster für
solche Umstellungen. Auch ist eine solche Konstruktion nicht ohne Vorbild. Die
EEG-Umlage hätte so eine Art substituierende Wirkung analog dem nicht wirkenden Emissionszertifikatehandel.
Eine solche Lösung würde die EEG-Umlagekonzentration auf den Stromkunden lindern, nicht aber das Problem der „Entsolidarisierung“ der Eigenerzeuger
angehen. Denkbar wäre dafür, die Umlage im Strom nicht mehr an gelieferte kWh
anzuhängen, sondern auf die oben geschilderte Netzanschlussentgeltsystematik
aufzuschlagen. Der dort gezeigte Mechanismus der „entsolidarisierungsfesten“
NNE würde auf die EE-Umlage genauso wirken. Die Umrechnung der EEG-Umlage
auf ein solches System ist auch nicht anspruchsvoller als die jährliche Umrechnung
auf den prognostizierten Stromabsatz. Es hat aber den Vorteil, dass die relativ fixen
Netzanschlussentgelte nicht durch Eigenverbrauch gemindert werden können,
mithin auch nicht die an diesen hängende EEG-Umlage.
Allerdings rückt die „Netzparität“ dieser Anlagen dadurch wieder etwas weiter
weg, denn der Strompreis, den die PV Anlage vom Dach liefert, würde sich nicht
mehr mit dem Bruttostrompreis inklusive aller Auflagen und Umlagen vergleichen
lassen, sondern mit einem um die NNE und die EEG-Umlage geminderten Bezugspreis. Diese werden ja in der angedachten neuen Struktur auf jeden Fall fällig, auch
bei hoher Eigenerzeugung und Verbrauch. Dem wirken allerdings die absehbar
weiter sinkenden Preise für Module und Speicher entgegen
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft
Der bne ist die schlagkräftige Interessenvertretung für die wettbewerbliche neue
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