Moscheen: Von radikal bis integrierend

30.10.2016
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Islamismus-Debatte
Moscheen: Von radikal bis integrierend
von Susana Santina
In Deutschland gibt es schätzungsweise 2.600 Moscheegemeinden. Nach Ansicht des Bundesverfassungsschutzes
gelten mehr als 100 Moscheen und islamische Vereine als islamistisch. ZDFzoom hat einige dieser Moscheen genauer
angeschaut.
Sie sollen einen Islam predigen, der radikales Gedankengut propagiert: ZDFzoom hat auch mit den Leitern dieser
Moscheen gesprochen. Zum Beispiel mit dem der Al-Nur-Moschee in Berlin. Die Al-Nur-Moschee wird seit Jahren vom
Verfassungsschutz beobachtet, steht angeblich immer wieder kurz vor der Schließung, passiert ist aber bislang nichts.
Und das, obwohl hier mehrfach sogenannte Hassprediger eingeladen wurden und sich nachweislich einige Besucher der
Moschee später dem IS angeschlossen haben.
"Allah, vernichte die Juden"
ZDFzoom hat den Imam der Moschee, Sheikh Nasser El-Issa, damit konfrontiert. Ihn etwa nach der Judenhetze gefragt.
Vor zwei Jahren wurde nämlich ein Prediger aus Dänemark eingeladen, der den Besuchern der Moschee zurief: "Allah,
vernichte die zionistischen Juden. Sie sind keine Herausforderung für dich. Zähle sie und töte sie bis auf den Letzten."
Sheikh Nasser El-Issa gibt ZDFzoom ein Interview, in dem er den Verdacht aufkommen lässt, dass er antisemitisch ist.
Angesprochen auf die Judenhetze in seiner Moschee sagt er: "Das ist eine Meinung und jeder hat das Recht auf seine
eigene Meinung. Außerdem hat der Imam nicht die ganze Predigt gegen Juden gepredigt. Und er meint ja nicht alle
Juden." Ein ähnliches Bild in Essen: Hier will der Leiter der Moscheegemeinden, Mohammet Balaban, für islamistische
Hassprediger in einer Essener Moschee nicht verantwortlich sein. Balaban macht den Sicherheitsbehörden dagegen
einen großen Vorwurf. Die Moscheen würden beobachtet "bis zum geht nicht mehr", sagt er, es würden Berichte
geschrieben, aber sonst passiere nichts.
Grundgesetz garantiert Religionsfreiheit
Tatsächlich können nur wenige islamistische Moscheen hierzulande geschlossen werden. Genau zehn waren es seit
2002. Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, sagt, dass die garantierte Religionsfreiheit
im Grundgesetz hohe rechtliche Hürden setze: „Wir können nicht ohne Weiteres eine Moschee verbieten.“ Man brauche
konkrete Beweise, dass etwa zum Dschihad aufgerufen werde - und die fehlten oftmals. So bleibe dem
Verfassungsschutz oft nur die Möglichkeit, zu beobachten und zu warnen.
Nicht im Fokus des Verfassungsschutzes sind die fast 1.000 DITIB-Moscheen in Deutschland. Die Moscheen des
türkisch-muslimischen Dachverbandes galten jahrzehntelang als Bollwerk gegen den Islamismus. Doch Zweifel sind
angebracht, ob das immer noch gilt.
Susanne Schröter vom Forschungszentrum Globaler Islam hat einige Freitagspredigten der DITIB unter die Lupe
genommen und sagt: "Da kann man gut sehen, dass nicht nur religiöses Gedankengut verbreitet wird, sondern auch
politisches. Wenn es zum Beispiel immer wieder um die Heimat Türkei geht und darum, dass man sich nicht allzu sehr
auf Deutschland einlassen soll."
Radikale Bereiche
Fakt ist auch, dass in vielen DITIB-Predigten der Märtyrerkult propagiert wird. Susanne Schröter hält das für gefährlich.
Auch dort sei die Figur des Märtyrers die, die am erstrebenswertesten erscheint. Der Märtyrer als Denkfigur, die junge
Leute befeuern soll, Anschläge zu verüben und auch selbst zu sterben. Susanne Schröter: "Da gibt es eine
verhängnisvolle Verbindung aus dem orthodoxen Islam, wie DITIB ihn vertritt, hin in radikale Bereiche."
Ein Vorwurf, den DITIB-Generalsekretär Bekir Alboga im ZDFzoom-Interview nicht gelten lässt. Wenn das mal
vorgekommen sei, so Alboga, dann sei das eine Ausnahme, wäre aber falsch. Grundsätzlich würde bei den DITIBPredigten mehrheitlich das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland thematisiert.
Genauso weist Alboga den Vorwurf zurück, es gäbe einen Einfluss der türkischen Politik. Auch wenn nachweislich alle
DITIB-Imame von der türkischen Religionsbehörde Diyanet bezahlt, geschult und in die DITIB-Moscheen nach
Deutschland entsendet werden, sagt er, agiere man völlig unabhängig von Ankara. "Die Imame werden so gut auf ihre
Arbeit in Deutschland vorbereitet, dass sie die Integration fördern und nicht behindern", so Bekir Alboga.
Politische Predigten aus Ankara
ZDFzoom hat auch mit einem ehemaligen DITIB-Imam gesprochen, der drei Wochen nach dem Putschversuch in der
Türkei von der türkischen Religionsbehörde Diyanet sein Entlassungsschreiben bekam. Ahmed, der nicht erkannt
werden will, erzählt, dass die DITIB-Predigten in Ankara verfasst werden und gerade in letzter Zeit immer politischer
wurden. "Das hat doch nichts mit dem Islam zu tun", sagt er, "wenn es zum Beispiel heißt, wir sollten unserem
Staatsführer bedingungslos folgen".
Auch dass immer öfter der Märtyrerkult in den Predigten thematisiert werde, sei ihm aufgefallen. Ahmed sagt, er sei wie
viele DITIB-Imame Opfer der Säuberungswelle geworden, die der türkische Präsident Erdogan auch in den deutschen
DITIB-Moscheen veranlasst habe. In seinem Entlassungsschreiben sei er aufgefordert worden, in die Türkei
zurückzukehren. Ahmed hat das nicht gemacht. "Ich kenne einige Imame, die zurückgegangen sind", sagt er. "Sie
wurden in der Türkei sofort verhaftet."
Wie steht es allgemein um die Moscheen in Deutschland? Tragen sie zur Integration der Muslime bei, was nach eigener
Darstellung zu ihren Aufgaben zählt? Und wie könnte man verhindern, dass Moscheen zum Schauplatz innenpolitischer
Konflikte anderer Staaten werden? Diesen Fragen geht ZDFzoom nach und wirft auch einen Blick über die Grenze nach
Österreich, wo die Auslandsfinanzierung islamischer Institutionen per Gesetz verboten wurde.
26.10.2016