bz Basel, vom: Freitag, 4. November 2016

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FREITAG, 4. NOVEMBER 2016
Alain Berset
Der Innenminister läutet Jubiläumsjahr in der Calvinstadt Genf ein
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Er muss zu IT-Projekten
Antworten liefern
INLAND 5
THEMA 2/3
Sabine Pegoraro soll sich von
Wirtschaftskammer distanzieren
Energiesteuer Abstimmungsbeschwerde bringt zuständige Regierungsrätin in Bedrängnis
VON HANS-MARTIN JERMANN
Am 27. November entscheidet das Baselbieter Stimmvolk über die Einführung einer kantonalen Energieabgabe
auf Heizöl und Gas. Bis vor kurzem sah
es nach einem klaren Ja aus. Mit Ausnahme der SVP befürworten alle relevanten politischen Kräfte im Landkanton die Abgabe. Doch nun herrscht bei
den Befürwortern Alarmstimmung.
SP-Präsident Adil Koller fordert unmissverständlich: «Wenn Regierungsrätin
Sabine Pegoraro die Abstimmung gewinnen will, dann muss sie sich von
der Wirtschaftskammer distanzieren.»
Zu dieser wird ihr eine grosse Nähe
nachgesagt. Die Abstimmung hat deshalb Schicksalscharakter für die umstrittene Bau- und Umweltdirektorin.
Die Gründe für die Eskalation: In der
FDP, die Ende September deutlich die
Ja-Parole beschlossen hat, melden sich
immer mehr Dissidenten zu Wort, die
Front bröckelt. Zudem ist wegen der
Abstimmung eine Beschwerde eingereicht worden: Die 24-seitige, gemeinsam von der Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) und der Wirtschaftskammer herausgegebene Broschüre
verstosse gegen das Propagandaverbot,
argumentiert der Laufner Stadtpräsident Alexander Imhof.
Kritik äussert auch Grünen-Fraktionschef Klaus Kirchmayr: Das Publikationsdatum der Broschüre, die der
bz beilag, kurz vor der Abstimmung sei
ungeschickt. «Dafür trägt die BUD die
Verantwortung», findet er.
KOMMENTAR
Alarmstufe Rot
für grüne Vorlage
S
abine Pegoraro ist nicht zu beneiden. Der Regierungsrätin droht
nun auch noch der Absturz ihres
selbsterklärten Prestigeprojekts,
der Energiesteuer. Ohnmächtig muss sie
zuschauen, wie ihre eigene Partei, die
FDP, in dieser Frage zerfällt. Da nützen
weder die präsidialen Durchhalteparolen von Christine Frey (bz vom Samstag)
noch die Beschwichtigungen von Wirt-
von David Sieber
KOMMENTAR RECHTS, SEITE 19
schaftskammer-Chef Christoph Buser.
Im Gegenteil. Letztere signalisiert, wie
nahe sich Wirtschaftskammer und Regierung stehen, was für Pegoraro zunehmend zum Problem wird. Und dann
hat die glücklose Bau- und Umweltschutzdirektorin auch noch eine Abstimmungsbeschwerde am Hals, weil
der Kanton in zumindest diskutabler
Weise für die Vorlage geworben hat.
Der Prado zu
Gast in Basel 26
Meisterwerke aus
dem Museo del Prado sind ab April
rund fünf Monate zu
Gast im Kunstmuseum Basel. Das
gleicht einer kleinen
Sensation. Potenziert werden die
Gastbilder mit solchen aus der eigenen Sammlung – fast
jedes Madrider Werk
wird gepaart mit einem weiteren aus
Basel. So gesellt sich
etwa dieses spanische Lamm Gottes
von Zurbarán zu
Holbeins Christus im
Grab. SEITE 36
Die Folge: Die Verbündeten von RotGrün, welche in seltener Eintracht mit
der Wirtschaftskammer diesen energiepolitischen Beschluss ausgehandelt haben, gehen ebenfalls auf Distanz. Nicht
zur Energiesteuer, aber zu Pegoraro.
Geht die aus ökologischer und ökonomischer Sicht eigentlich sinnvolle Vorlage am 27. November bachab, ist unschwer zu erraten, wer dafür verantwortlich gemacht werden wird.
Keine Frage, Pegoraro hat keinen guten
Lauf. Nach Elba, der Entwicklungsplanung Leimental, Birseck, Allschwil,
droht ihr in dieser Legislatur die zweite
grosse Niederlage. Doch noch hat sie die
Zeit, zu reagieren und die Zügel in die
Hand zu nehmen. Dazu bedarf es keiner
aus Steuergeldern finanzierten Behördenpropaganda, sondern einer eigenständigen Kommunikation, die diesen
Namen verdient.
FOTO: ZVG
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Aus für Hauptpost
Basler Universität
Wirtschaft
Post sorgt in Basel
für Ärger
Baselbieter Alt-Regierungsrat
Schmid äussert harsche Kritik
Grossbanken kosten Bussen
jährlich 500 Millionen Franken
Dass die Basler Universität als direkte
Folge der Querelen um den Univertrag
mit dem Baselbiet bis 2017 keine
Professuren vergeben will, schlägt weiter hohe Wellen. Auf die Enthüllungen
der bz äussern sich mehrere Vertreter
aus Wirtschaft und Politik. Unter den
schärfsten Kritikern der Baselbieter
Sparübungen: Peter Schmid. Der
Sozialdemokrat hat in seiner Amtszeit
die partnerschaftlichen Beziehungen,
die später zu den Univerträgen führten,
aufgegleist. Nun sieht er sein Werk angeschlagen, wie er im bz-Interview erklärt.
Derweil rechnet Ökonom Reiner Eichenberger nicht damit, dass die Universität mit dem Einstellungsstopp viel
Geld spart. Er sieht hinter den neusten
Entwicklungen die Strategie, dass sich
die Uni mittelfristig auf ein deutlich
kleineres Budget einstellt.
Die Credit Suisse (CS) erhöhte ihre
Rückstellungen für Rechtshändel im
dritten Quartal erneut um 357 Millionen Franken, wie sie gestern bekannt
gab. Erwartet wird unter anderem
noch eine Busse in Milliardenhöhe wegen des Geschäfts mit US-Ramschhypotheken. Dabei gab die CS seit 2006 bereits mehr als 5,5 Milliarden Franken
für Bussgelder und Zahlungen für
Schadenersatz aus, wie eine Liste der
bz zeigt. Sie zahlte also seit 2006 jährlich mehr als 500 Millionen Franken.
Dies gilt auch für die UBS. Die Schätzung ist konservativ: Der Bankenexperte Andreas Venditti, Finanzanalyst der
Bank Vontobel, beziffert die Ausgaben
für Rechtshändel der CS zwischen
2009 und 2015 auf 7,2 und bei der UBS
sogar auf 9,1 Milliarden Franken. Mit
2,5 Milliarden am meisten zahlte die CS
Die Empörung in Basel ist gross. Selbst
Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin verschaffte gestern Abend seinem
Unwillen Luft, nachdem die Post bekannt gegeben hatte, auf Ende 2018 die
Hauptpost in der Innenstadt schliessen
zu wollen. Begründet wird die Absicht
mit schwindender Nutzung und hohem
Defizit der Filiale. Auch würden die zunehmend hohen Mietkosten im historischen Sandstein-Gebäude stark ins Gewicht fallen.
Die Basler Regierung ist mit diesem
Entscheid gar nicht zufrieden: «Die
Hauptpost ist ein Wahrzeichen von Basel mit grossem emotionalem Wert und
für die Innenstadt wichtigen Funktionen.» Dieses gelte es mit seiner aktuellen Funktion zu erhalten. Aus diesem
Grund werde der Kanton bei der Postkommission den Entscheid zur Überprüfung anmelden. SEITE 22
Die Uni-Leitung selber will nicht von
einem Sparbeschluss sprechen, sondern
von einer «Vorsichtsmassnahme, die
den Handlungsspielraum in Zukunft vergrössert». Während die Basler Regierung weiter keine detaillierte Stellung
dazu beziehen will, äussert sich der Baselbieter Wirtschaftsdirektor Thomas
Weber zur Bedeutung für die Standortqualität – und kommt zu ganz anderen
Schlüssen als der ehemalige Bildungsdirektor Schmid. In den Massnahmen
erkennt er kein Problem: «Es ist ein gutes Signal, wenn auch Bildungsinstitutionen die finanziellen Rahmenbedingungen respektieren und kostenbewusst
entscheiden», findet Weber. Es gelte,
das laufend wachsende Baselbieter Bildungsbudget zu überprüfen. «Ich erachte den bestehenden Rahmen als nach
wie vor komfortabel.» SEITE 20/21
für die 2014 erfolgte Beilegung des
Steuerstreits mit den USA.
Ein Ende ist nicht in Sicht. Venditti
schätzt, dass dies die CS bis 2018 weitere 4, und die UBS weitere 5,7 Milliarden
Franken kosten wird. Weil die dafür gebildeten Rückstellungen nicht ausreichen, dürften diese Aufwendungen die
Erfolgsrechnung der CS bis Ende 2018
zusätzlich mit 2,4 Milliarden belasten.
Bei der UBS dürften es gar 3 Milliarden
sein. Was die Grossbanken nicht ausweisen, sind weitere exorbitante Kosten wie die Honorare von Anwälten.
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bz Basel