Agile Skalierung Laut einer Umfrage von GULP werden in Zukunft Projekte zum größten Teil agil oder zumindest hybrid durchgeführt. Methoden wie Scrum und Kanban haben längst bewiesen, dass sie die Effektivität von Projekten deutlich steigern. Agile Methoden sind jedoch per Definition für kleine Teams ausgelegt und haben den Ruf nur in kleinem Rahmen zum Erfolg zu führen. Sobald die Aufgabenlast steigt oder die Anzahl der Teams wächst, stehen Unternehmen aber vor einer neuen Herausforderung: Die Arbeit trotz steigender Komplexität nach wie vor so effizient wie möglich zu gestalten. Unterschiedliche Vorgehensmodelle bieten Lösungsansätze für eine agile Skalierung. Im diesem Paper werden die vier bekanntesten Modelle „Scrum of Scrums“ (SoS), „Nexus“, „Large Scaled Scrum“ (LeSS) und „Scaled Agile Framework“ (SAFe) erläutert und verglichen. Bevor mit der Skalierung von agilen Methoden begonnen werden kann, empfehlen wir, dass das Unternehmen zunächst einen Kulturwandel hin zur Agilität bereits vollzogen und nachhaltig gezeigt hat, dass es auch in einem kleinen Rahmen agil arbeiten kann. Die agile Kultur der Offenheit, Kundenorientierung und Kooperation kann durch Referenzprojekten ausgebreitet werden. 1. WIE SIEHT EINE SKALIERUNG THEORETISCH AUS? Hat ein Unternehmen erste Erfahrungen und Erfolge mit agilen Methoden wie Scrum gemacht, gilt es das Erlernte im Unternehmen weiter auszurollen und das Arbeiten an Projekten mit mehr als nur einem Team zu ermöglichen. Dies kann auf zwei Skalierungsarten erfolgen: vertikal und horizontal. Die horizontale Skalierung beschreibt die Zusammensetzung der Teams in Bezug zur Wertschöpfungskette. Bei einer horizontalen Skalierung werden also Teams aus Mitarbeitern unterschiedlicher Fachbereiche geformt um interdisziplinär an Produkten zu arbeiten. Ein Entwicklerteam könnte durch einen Spezialisten aus der Marketingabteilung ergänzt werden, damit sichergestellt ist, dass das Softwareprojekt stets mit der aktuellen Marketingstrategie konform ist. Je mehr Spezialisten aus unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen ein Team bilden, desto komplexer wird das zielgerichtete Management. Einerseits könnten interdisziplinäre Teams verantwortlich für die Erstellung und Wartung von Software sein, andererseits könnten durch solche Teams Aufgabenbereiche wie Marktforschung, der Entwurf von Produkten und der Vertrieb dieser zusammengebracht, effizienter geregelt und aufeinander abgestimmt werden. Die vertikale Skalierung beschreibt die Anzahl der Teams mit denselben Aufgabenbereichen bzw. Verantwortlichkeiten (z.B. Erstellung oder Wartung von Software). Wenn von einem für die Erstellung von Software verantwortlichen Team auf fünf Teams erhöht wird, hat eine vertikale Skalierung stattgefunden. 2. AGILE SKALIERUNGSARTEN Die beiden Skalierungsarten bergen Chancen und Risiken für ein Unternehmen. Besonders bei der horizontalen Skalierung ist zu beachten, dass es nicht immer sinnvoll ist, alle Mitarbeiter in agilen Teams arbeiten zu lassen. Standardisierte Prozesse, bzw. Regelprozesse die keine Unsicherheiten bergen, profitieren von der Agilität tendenziell nicht, da kein Wissenstransfer notwendig ist und keine neuen Produkte entstehen. Die Skalierung sollte stufenweise zu- gleich vertikal als auch horizontal vorgenommen werden (siehe Abbildung 1), damit die Mitarbeiter sich an die neue Arbeitsform gewöhnen können. Steigt die Anzahl der Teams zu schnell, sind Redundanzen in den Ergebnissen auf der Unternehmensebene unvermeidbar. Wenn die Teams ohne zureichendes Coaching Mitglieder aller Teile der Wertschöpfungskette zugewiesen bekommen, wird die Selbstorganisation nicht funktionieren. Als Unterstützung und Leitfaden für den Weg zum skalierten agilen Unternehmen gibt es mehrere Frameworks, von denen im Folgenden vier vorgestellt werden. Die Detailinformationen zu den Frameworks sind den offiziellen Seiten der Frameworks zu entnehmen (siehe Quellenverzeichnis). Abbildung 1: Horizontale und vertikale Skalierung Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Straße 16 | D-82031 Grünwald T: 089/ 62 00 95-70 | www.project-partners.de 3. AGILE SKALIERUNGSFRAMEWORKS 3.1. SCRUM OF SCRUMS (SOS) Scrum of Scrums ist eins der bekanntesten und vom Ansatz her einfachsten Frameworks für die agile Skalierung. Es wurde 2001 zum ersten Mal von einem der Gründerväter von Scrum Jeff Sutherland vorgestellt und stellt ein Pendant zum klassischen ProgrammManagement dar. Wenn die typische Scrum-Teamgröße von sieben +/- zwei Mitgliedern überschritten wird, so wird das ursprüngliche Team auf zwei neue Scrum-Teams aufgeteilt. Das neue Team bekommt im Idealfall einen eigenen Scrum-Master und Product-Owner. Diese zwei Teams arbeiten weiterhin an demselben Produkt, haben ein gemeinsames Product Backlog und führen wie gewohnt Daily Scrums durch. Das Prinzip von SoS sieht vor, dass nach den Daily Scrums der Teams ein „Scrum of Scrums Meeting“ stattfindet. In diesem Meeting treffen sich ausgewählte Vertreter der einzelnen Teams. Die Vertreter sind in der Regel Scrum-Master, können aber auch reguläre Teammitglieder sein und abwechseln. Besprochen werden das Product Backlog, der Fortschritt und die Hindernisse der jeweiligen Teams. Das Ziel ist ein Erfahrungsaustausch, eine gemeinsame Lösungsfindung und Abbildung 2: Scrum of Scrums somit die Verhinderung von redundanter Arbeit. Entschlüsse und Einigungen werden in einem gemeinsamen Backlog festgehalten. Die gewonnenen Erkenntnisse und Neuigkeiten werden anschließend in die Teams getragen. SoS ist in der Hinsicht skalierbar, als dass bei einer größeren Anzahl an Teams die SoS Meetings mehrstufig stattfinden können. Vertreter von SoSMeetings treffen sich mit Vertretern anderer SoS-Meetings in „Scrum of Scrums of Scrums Meetings“ (siehe Abbildung 2). Zwar bietet diese Vorgehensweise wenig Overhead, die Koordination und Übersichtlichkeit geht mit zunehmen- der Anzahl an Teams bzw. SoS-Hierarchieebenen jedoch verloren. 3.2. NEXUS Das Nexus Framework (siehe Abbildung 3) wurde vom Miterfinder des Scrum Frameworks Ken Schwaber erstellt und im Jahr 2015 veröffentlicht. Es beschreibt einen Lösungsansatz für die Produktentwicklung mit drei bis neun Scrum-Teams. Die Besonderheit von Nexus ist das „Nexus Integration Team“, welches aus einem Scrum Master, einem Product Owner und ausgewählten Scrum-Team Mitgliedern besteht. Dieses ist dafür verantwortlich, die funktionalen Abhängigkeiten innerhalb des Product Backlogs für jedes Abbildung 3: Das Nexus Framework (https://www.scrum.org/Resources/The-Nexus-Guide) Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Straße 16 | D-82031 Grünwald T: 089/ 62 00 95-70 | www.project-partners.de Scrum-Team zu identifizieren und zu differenzieren, damit die Entwicklung vollständig und ohne Redundanzen erfolgt. Das Nexus Integration Team fokussiert sich darauf, die Scrum-Teams zu orchestrieren und diesen coachend zur Seite zu stehen. Der Prozessablauf beginnt mit der Zerlegung der Product Backlog Inhalte auf möglichst granulare Teile mit einem Fokus auf die Minimierung von Abhängigkeiten unter diesen (eine Service Oriented Architecture ist an der Stelle sinnvoll). Dabei wird vorab geplant, welche Scrum-Teams welche Inhalte in welcher Reihenfolge liefern könnten. Danach werden im Nexus Sprint Planning die Aktivitäten aller Scrum-Teams koordiniert. Dazu gehört die Zieldefinition, die Aufteilung der Aufgaben auf die einzelnen Teams abhängig von ihrer Beschaffenheit und ein gesondertes Sprint Planning mit einem jeden Scrum-Team. Im Nexus Sprint Backlog werden die Sprint Backlogs der einzelnen Teams kombiniert und mit dem Fokus auf gegebene Abhängigkeiten visualisiert. Im Nexus Daily Scrum werden Umsetzungsschwierigkeiten und Abhängigkeiten von Vertretern der einzelnen Scrum-Teams besprochen und identifiziert. Neu entstandene Aufgaben werden den Backlogs der einzelnen Scrum-Teams zugewiesen. An Stelle eines Scrum-typischen Sprint Review innerhalb einzelner Teams findet das Review in einem „Nexus Sprint Review“ teamübergreifend statt. In der „Nexus Sprint Retrospective“ werden zunächst teamübergreifende Probleme aufgedeckt, diese in den einzelnen Teams besprochen und anschließend Lösungsvorschläge auf Teamebene vorgestellt. Das Nexus Framework ist mit der starken Anlehnung an Scrum und der Beschränkung auf drei bis neun Teams für kleine skalierte Projekte geeignet. Abbildung 4: Prozessablauf von LeSS 2005 erschaffen und stetig weiterentwickelt wurde um Scrum um Funktionen für die Skalierung zu erweitern. Das Framework bietet einen Ansatz für kleinere skalierte Projekte mit bis zu zehn Scrum Teams zu je sieben Team-Mitgliedern und einen Ansatz für eine beliebige Anzahl an Leuten, die an einem Produkt arbeiten (LeSS Huge). LeSS baut auf eigenen Prinzipien, Regeln und Richtlinien auf und versucht Scrum zu bleiben, womit zum einen die Einfachheit (More with LeSS) und der geringe Overhead thematisiert werden, als auch die Annahme, dass man für das Skalieren von Scrum weiterhin auf Scrum setzen sollte. Dieser Ansatz bietet eine einfache Struktur (siehe Abbildung 4), die aus Scrum-Teams und einer Hierarchie aus Product Ownern (PO) besteht, wobei der Verantwortungsbereich eines PO auf tieferen Hierachie-Ebenen kleiner wird. Im kleinen Rahmen haben Product Owner somit mehrere Scrum-Teams die an dessen Backlog arbeiten. Für den Skalierungseffekt im großen Rahmen (LeSS Huge) werden Area Product Owner (APO) eingeführt. APOs sind einem regulären PO zugeordnet und verantworten Backlogelemente die spezifisch für deren Themengebiet sind (Area). Teams werden durch Sprint Planning Meetings koordiniert, wobei die Anzahl derartiger Meetings mit der Hierarchietiefe skaliert. Abstimmungen zwischen zwei Teams können der beiden zuständigen APO und dem PO bedürfen. LeSS ist ein leichtgewichtiges und flexibles Framework, welches besonders dafür geeignet ist die Anzahl an ScrumTeams im Unternehmen zu steigern. LeSS kann mit einer beliebigen Unternehmensgröße praktiziert werden. 3.4. SCALED (SAFE) AGILE FRAMEWORK Das SAFe-Rahmenwerk besteht aus drei Ebenen: Portfolio, Programm und Team (siehe Abbildung 5). Die Portfolio-Ebene entscheidet über strategische Themen, an denen gearbeitet werden sollte, erstellt daraus Portfolio Epics 3.3. LARGE-SCALE SCRUM (LESS) LeSS ist ein Framework, welches von Bas Vodde und Craig Larman im Jahr Abbildung 5: Aufbau von SAFe Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Straße 16 | D-82031 Grünwald T: 089/ 62 00 95-70 | www.project-partners.de (Zielvorgaben) und überträgt diese an die Programm-Ebene. Auf der Programm-Ebene werden die Epics des Portfolios weiter verfeinert und in einzelne Features aufgeteilt. Diese werden Teams zugewiesen um Iterationenübergreifend Agile Release Trains zu liefern. Release Trains umfassen alle umgesetzte Funktionalitäten. SAFe bringt ausformulierte Lösungsansätze auf prozessualer Ebene und eine skalierungsfähige Aufbauorganisation mit, die durch definierte Rollen eine hohe Zahl an Teams koordinieren kann und verschiedene Stakeholder und klassische Unternehmensbereiche einbindet. Auf der Team-Ebene unterscheidet sich SAFe kaum vom Scrum-Ansatz, welcher durch Extreme Programming Methoden wie zum Beispiel Pair Programming erweitert wird. Durch die feste Definition von Rollen und Prozessen büßt SAFe an Flexibilität und somit Agilität ein. Jedoch macht diese feste Strukturvorgabe des Frameworks die Transition zur Agilität für Unternehmen einfacher. Die Strukturvorgabe stellt mit ihrer Vielzahl an Rollen eine Hürde für kleinere Unternehmen dar und macht das Framework hauptsächlich für größere Projekte attraktiv. 4. Abbildung 7 geht auf die zwei Dimensionen ein und stellt die vier vorgestellten Frameworks gegenüber. Die ermittelten Kriterien führen zu der Matrix in Abbildung 6. 5. FAZIT Es gibt viele verschiedene Ansätze und Frameworks für die agile Skalierung. Die vier vorgestellten Frameworks basieren zwar alle auf Scrum, greifen den Skalierungsgedanken jedoch auf unterschiedliche Art und Weisen auf. SoS ist der leichtgewichtigste Ansatz, mit hoher Flexibilität, jedoch mit einer beschränkten Skalierungsgröße. Nexus konzentriert sich darauf, dass Abhängigkeiten zwischen den Teams und im Backlog stets transparent sind. LeSS ist der Ansatz mit dem größtem Skalierungspotential für Unternehmen jeder Größe und bietet einen besonderen Fokus auf die produzierten Produkte. SAFe ist das vielseitigste der Skalierungsframeworks und eignet sich besonders für Großunternehmen. Durch klare Organisations- und Prozessstrukturen wird die Transition zur skalierten Agilität erleichtert. Dennoch sind Frameworks wie der Name bereits sagt nur Rahmen für Vorgehensweisen. Kein Unternehmen wird sich eins zu eins an alle Regeln eines Frameworks halten können. Frameworks liefern eine Vielzahl an tollen einzigartigen Methoden und Lösungsansätzen für potentielle Skalierungsprobleme. Wie bei der ersten ScrumEinführung gibt es bei der Skalierung für die Unternehmen viele Hürden zu meistern und an diesen zu wachsen. Aus diesem Grund folgt die Schlussfolgerung, dass Unternehmen aufgrund ihrer Individualität mit einem Standard anfangen und diesen dann Schritt für Schritt an sich anpassen sollten. Es empfiehlt sich auf externe Expertise zurückzugreifen um die Auswahl und Implementierung eines Frameworks mit dem nötigen Know-How vornehmen zu können. 6. WEITERFÜHRENDE LEKTÜRE Falls Sie an näheren Informationen zum Wandel hin zur Agilität interessiert sind, empfehlen wir Ihnen einen Blick in unsere Publikationen und folgende Artikel in unserem Blog: Agile Transition Klassisch oder Agil? Der Agile Projektleiter Agiler Festpreis VERGLEICH VON SOS, NEXUS, LESS UND SAFE Zwei Dimensionen sind für die Auswahl eines der vier Frameworks für ein Unternehmen besonders geeignet: einerseits ist dies die Größe der Entwicklungsorganisation und andererseits die Komplexität von Produkt und Markt. Diese beiden Dimensionen sind Ausschlaggebend dafür, welchen Bedarf an Steuerungs- und Kontrollmechanismen es in der Aufbau- und Ablauforganisation gibt. Insbesondere gilt es auf die Unterschiede in der Komplexität der Frameworks zu achten. Dazu gehören der Detailgrad der definierten Strukturen, der Umgang mit Komplexität und die teamübergreifenden Koordinationsmechanismen. Abbildung 6: Skalierungsframeworks Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Straße 16 | D-82031 Grünwald T: 089/ 62 00 95-70 | www.project-partners.de Abbildung 7: Vergleich von Skalierungsframeworks Mittlerweile gibt es eine Vielzahl ähnlicher und dennoch unterschiedlicher Rahmenwerke für die agile Skalierung. Dazu gehören „Discipled Agile Delivery (DAD)”, „Spotify model“, „Drive Strategy Deliver Mode (DSDM)”, „Recipes for Agile Governance (RAGE)”, „Scrum at Scale“, „EBM Agility Path“, „Comparative Agility“ und viele mehr. Wollen auch Sie von den zahlreichen Methoden profitieren und ihre Agilität auf das nächste Level bringen? Sprechen Sie uns an! Von der Wahl der richtigen Herangehensweise für Ihr Unternehmen bis hin zur Durchführung eines agilen Pilot-Projektes unterstützen Sie gerne die Project Partners. Ein Artikel von: Alexander Zuchtmann, Marc Kordes, Steffen Langer, Hendrik Schmitz, Christoph Strauß GREENPAPERS sind Expertenpapiere von Project Partners, in denen wir unsere Erfahrung speziell für IT Entscheider zusammenfassen. Gerne stehen wir auch Ihnen bei ITProjekten mit Rat und Tat zur Seite. www.project-partners.de QUELLEN https://www.agilealliance.org/glossary/scrum-of-scrums/ https://www.scrum.org/Resources/The-Nexus-Guide https://less.works/ http://www.scaledagileframework.com/ https://www.it-agile.de/wissen/agileskalierung-ueber-die-prinzipien/ http://www.agilescaling.org/ http://www.computerwoche.de/a/scrum-und-co-auch-agilemethoden-lassen-sich-skalieren,3219768 https://www.gulp.de/knowledgebase/markt-und-trends/managementvon-it-engineering-projekten-die-zukunft-ist-hybrid.html Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Straße 16 | D-82031 Grünwald T: 089/ 62 00 95-70 | www.project-partners.de
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