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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 188/2016
Bundesgerichtshof entscheidet über
Zulässigkeit eines pauschalen Entgelts für
geduldete Überziehungen
Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im
wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte
Bestimmungen über ein pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen (§ 505 BGB*)
zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.
In dem Verfahren XI ZR 9/15 (vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 156/2016) heißt es in den von der
beklagten Bank verwendeten "Bedingungen für geduldete Überziehungen" auszugsweise wie folgt:
"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung
anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen
fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.
(…)
8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen,
betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal
pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an,
soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen."
Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, ist der Ansicht, dass die Regelung unter Ziffer 8 Satz 1 der
Bedingungen Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB**
benachteiligt, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Anspruch.
Während die Klage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, hat ihr das Berufungsgericht stattgegeben.
In dem Verfahren XI ZR 387/15 (vgl. Pressemitteilung Nr. 157/2016) begehrt der klagende
Verbraucherschutzverein von der Beklagten, einer Geschäftsbank, die Unterlassung der Verwendung
folgender Klausel:
"[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten
Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 €, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete
Überziehungen übersteigen im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 €. Die angefallenen
Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im
Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 € unterschreiten."
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung von
Verbrauchern unwirksam sei. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in dem Verfahren XI ZR 9/15 die Revision der
beklagten Bank zurückgewiesen. In dem Verfahren XI ZR 387/15 hat er auf die Revision des Klägers
der Klage stattgegeben.
Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das pauschale "Mindestentgelt" für eine
geduldete Überziehung unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der gerichtlichen
Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und halten dieser nicht stand, weil sie
von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Kunden der
Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Die Klauseln sind nicht als sogenannte Preishauptrede einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3
Satz 1 BGB** entzogen. Vielmehr handelt es sich um Preisnebenabreden, die einer Inhaltskontrolle
unterliegen. Denn in den Fällen, in denen das Mindestentgelt erhoben wird, wird mit diesem
unabhängig von der Laufzeit des Darlehens ein Bearbeitungsaufwand der Bank auf den Kunden
25.10.2016 15:30
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abgewälzt. Die angegriffenen Klauseln weichen damit von wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung ab. Denn der Preis für eine geduldete Überziehung, bei der es sich um ein
Verbraucherdarlehen handelt, ist dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB*** folgend
ein Zins und damit allein eine laufzeitabhängige Vergütung der Kapitalüberlassung, in die der
Aufwand für die Bearbeitung einzupreisen ist.
Die Klauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten auch in unangemessener Weise, zumal sie
gerade bei niedrigen Überziehungsbeträgen und kurzen Laufzeiten zu unverhältnismäßigen
Belastungen führen. Denn bei einer geduldeten Überziehung von 10 € für einen Tag und dem hierfür
in Rechnung zu stellenden Betrag von 6,90 € in dem Verfahren XI ZR 9/15 bzw. von 2,95 € in dem
Verfahren XI ZR 387/15 wäre ein Zinssatz von 25.185% p.a. bzw. von 10.767,5% p.a. zwischen den
Parteien zu vereinbaren.
Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 21. Juni 2013 – 12 O 345/12
OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 4. Dezember 2014 – 1 U 170/13
und
Urteil vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 387/15
LG Düsseldorf – Urteil vom 9. April 2014 – 12 O 71/13
OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. Juli 2015 – 6 U 94/14
* § 505 BGB
Geduldete Überziehung
(1) Vereinbart ein Unternehmer in einem Vertrag mit einem Verbraucher über ein laufendes Konto
ohne eingeräumte Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt für den Fall, dass er eine Überziehung des
Kontos duldet, müssen in diesem Vertrag die Angaben nach Artikel 247 § 17 Abs. 1 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche auf einem dauerhaften Datenträger enthalten
sein und dem Verbraucher in regelmäßigen Zeitabständen auf einem dauerhaften Datenträger
mitgeteilt werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Darlehensgeber mit einem Darlehensnehmer
in einem Vertrag über ein laufendes Konto mit eingeräumter Überziehungsmöglichkeit ein Entgelt
für den Fall vereinbart, dass er eine Überziehung des Kontos über die vertraglich bestimmte Höhe
hinaus duldet.
(2) Kommt es im Fall des Absatzes 1 zu einer erheblichen Überziehung von mehr als einem Monat,
unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer unverzüglich auf einem dauerhaften
Datenträger über die sich aus Artikel 247 § 17 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
Gesetzbuche ergebenden Einzelheiten. Wenn es im Fall des Absatzes 1 zu einer ununterbrochenen
Überziehung von mehr als drei Monaten gekommen ist und der durchschnittliche
Überziehungsbetrag die Hälfte des durchschnittlichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der
letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, so gilt § 504a entsprechend. Wenn der
Rechnungsabschluss für das laufende Konto vierteljährlich erfolgt, ist der maßgebliche Zeitpunkt für
das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 der jeweilige Rechnungsabschluss.
(3) Verstößt der Unternehmer gegen Absatz 1 oder Absatz 2, kann der Darlehensgeber über die
Rückzahlung des Darlehens hinaus Kosten und Zinsen nicht verlangen.
(4) Die §§ 491a bis 496 und 499 bis 502 sind auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, die unter
den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen zustande kommen, nicht anzuwenden.
**§ 307 BGB
Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die
Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu
vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt,
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dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende
Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung
mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
*** § 488 Abs. 1 BGB
Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag
(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen
Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist
verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte
Darlehen zurückzuzahlen.
(2) (…)
(3) (…)
Karlsruhe, den 25. Oktober 2016
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
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