Weinanbau seit 400 Jahren ohne Chemie Ein Kleinod in Bordeaux Ein Weingut, das auch ein Eldorado für Naturkundler ist – und das mitten in Bordeaux? Recht ungewöhnlich, aber doch gibt es ein derartiges Kleinod in der südwestfranzösischen Weinbau-Region Saint-Émilion. Zwar ist das Image des Bordeaux nicht gerade dem einer Hochburg für Biowinzer zuzuordnen, ganz im Gegenteil, aber entgegen vieler Meinungen gibt es dort einige Winzer, die sich dem naturnahen Weinbau widmen. Ein ganz besonderes Juwel ist dabei das Château Coutet. Hier findet man Tierarten und Pflanzen, die auf dem Rest der Welt keine Lebensgrundlage mehr haben. Ihre Lebensräume wurden durch das Eingreifen des Menschen in die Natur und durch den Einsatz von Chemie zerstört. Nicht so bei Familie David Beaulieu, in deren Besitz sich dieses wunderschön zwischen Rosenbüschen, Ententeich und Weingärten gelegene Anwesen befindet. Seit 1599 besteht das Château, und durchgehend in Familienbesitz. Keine der inzwischen 14 Generationen ließ sich jemals – entgegen der weltweiten Trends zur Ertragsmaximierung – hinreißen, auch nur ein Gramm Chemie an ihre Böden oder Reben zu lassen oder in ihrem Weinkeller einzusetzen. Im Weinberg wird zwischenzeitlich auch wieder wie früher mit dem Pferd gearbeitet, um den Boden zu schonen und Verdichtungen aufgrund von schweren Traktorenrädern zu vermeiden. Somit gelang es über all die Jahre, die Einzigartigkeit des Terroirs und einen Großteil der ursprünglichen Artenvielfalt bis heute zu bewahren. Eigenwillig in guter Nachbarschaft Inzwischen ist das 16 Hektar umfassende Areal, welches sich auf dem ersten Hügel von Saint-Émilion und nur einen Kilometer von der Stadt selbst entfernt befindet, sogar ein magischer Anziehungspunkt für Naturkundler und Wissenschaftler geworden. Nicht nur, dass die gesamte Region um Saint-Émilion zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, auf Coutet selber blieben andernorts ausgestorbene Iris-Arten, noch von den Römern kultivierte Tulpen, Orchideen, Schmetterlinge, Salamander und vieles mehr erhalten. In direkter Nachbarschaft zu Coutet befinden sich bekannte, angesehene Châteaux wie Angelus, Bellevue, Beauséjour Becot, Beauséjour Dufau-Lagarosse. Einige von ihnen sorgten schon bei Anhängern von Weinkritiker Robert Parker mit 100 Parker-Punkten für Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Aufsehen – dies ist aber ein ganz eigenes, diskussionswürdiges Thema. Seit 400 Jahren ohne Chemie Auf Château Coutet läuft sowieso alles anders. Ich habe mich mit Adrien David Beaulieu verabredet. Er gehört zu der jüngsten mitarbeitenden Generation des Hauses und kümmert sich seit Beendigung seines Studiums um den Vertrieb. Einiges hat er ummodeln lassen, um ein wenig Schwung in die fast verschlafene Oase zu bringen. „Aber auch nicht zu viel“, erklärt der 30-Jährige. Er hat die Ruhe weg, merkt man, während er uns durch den wunderschönen, naturbelassenen Garten entlang der alten Familienkapelle zu den Weinbergen führt. Dabei berichtet er von der Einigkeit in seiner Familie bezüglich der Weinbau-Philosophie. Nie gab es Zweifel an ihrem biologisch-organischen Vorgehen oder der Geradlinigkeit entgegen von Trends und Zwängen, die „da draußen“ vor sich gingen. „Beispielsweise waren wir bis 1985 ein Grand Cru Classé Château von Saint-Émilion“, erklärt Adrien. Diese Klassifizierung benennt die besten Weingüter dieser Region. „Dann aber gab es steuerliche und erbrechtliche Probleme“, führt Adrien fort. „Wir sollten praktisch gezwungen werden, hohe Steuern zu zahlen, um diesen Status zu halten.“ Die Böden in Saint-Émilion sind im Laufe der Jahre sehr teuer geworden. „Das wollten wir uns nicht gefallen lassen.“ Hier leben 25 Menschen, die Familie inklusive Cousins, und dies möglichst so, wie wir es uns vorstellen: Genießen ohne Zwänge und im Einklang mit der Natur. Es ist hier wie in einem lebendigen Museum und einfach einzigartig, das wollen wir uns bewahren." Man muss seinen Weg gehen Schließlich schalteten die David Beaulieus einen Anwalt ein. Dieser riet zu einer Finte gegenüber dem Fiskus: Die Großeltern mussten nochmal heiraten, mit einem verbesserten Ehevertrag. Was für eine katastrophale Vorstellung für den Großvater, war er doch schließlich all die Jahre über jegliche ehelichen Zweifel erhaben. Zu guter Letzt fand sich eine weniger emotionale Lösung: Es reichte, eine Erneuerung des 50 Jahre bestehenden Hochzeitsvertrages und eine Übertragung der Besitzverhältnisse auf die Enkelkinder. Dennoch verzichteten die David Beaulieus später freiwillig auf ihren Grand Cru Classé-Status. „Es war irgendwann für uns nicht mehr tragbar angesichts der steigenden Steuern und rechtlicher Auflagen“, kommentiert Adrien diese Entscheidung. „Grand Cru Classé ist eh nur fürs Ego. Wir vertrauen darauf, dass die Leute unsere Weine auch so zu schätzen wissen. Wir sind einfach wir selbst. Unsere Weine, ebenso wie das Terroir und Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH unsere Geschichte stehen für sich.“ Man nimmt ihm diese Art geradlinige Unbekümmertheit ab und freut sich dabei insgeheim, dass es solche Menschen und Weingüter noch gibt. Die Böden des Château Coutet kommen seit 400 Jahren ohne Chemie aus, Quelle: Daniela Stubbe „Ist Kunst…“ Auf unserem Weg zu den Weingärten gehen wir an merkwürdigen Skulpturen vorbei, die mehr oder minder verloren zwischen den Bäumen oder am Ententeich platziert sind. Die eine sieht aus wie eine in die Jahre gekommene Vogelscheuche, die nächste eher wie ein selbstgebastelter Roboter. Ganz hinten zwischen den Reben bricht eine knallrote, kubische Gestalt mit Engelsflügeln die pittoreske Weingartenatmosphäre. „Ist Kunst...“, sagt Adrian grinsend und meinen verwirrten Blick deutend. „Wir unterstützen derartige Projekte und so ist unser Weingut auch noch ein Ausstellungsort für junge Künstler geworden.“ Dies könnte sich jetzt wie ein ausgeklügeltes Marketing-Konzept anhören. Ist es aber nicht, vielmehr ist hier alles authentisch. Sogar die etwas schrägen und mitten im Gestrüpp auftauchenden Skulpturen passen sich der Natürlichkeit der Umgebung an. Roboter im Dienste der Nachhaltigkeit Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Wenn man nicht aufpasst, kann einem zwischen den Reben die neueste Erfindung von Adriens Vater in die Quere kommen. Denn dieser verfügt über einen ausgeprägten Erfindergeist und tüftelt gerne hinsichtlich naturschonender Hilfsmittel für seine Weingärten. Und so hat er schließlich eine Art Roboter-Rasenmäher erfunden, der die Begrünung zwischen den Reben kürzt ohne die Böden zu beeinträchtigen. Ein Patent ist bereits angemeldet und auch das Rheingauer Weingut Balthasar Ress testet inzwischen in Deutschland diese Erfindung in ihren Weingärten. Apropos Böden: diese sind hier rund um Château Coutet erstklassig und bestehen – je nach Lage – aus Kalksteinplateau, Lehm oder sandigem Kies. Unter diesen perfekten Voraussetzungen haben die David Beaulieus vier verschiedene Traubenarten angebaut, welche sie für ihre Cuvées oder auch für den Rosé verwenden. Zu 60 Prozent wächst hier Merlot. Das Besondere dabei ist, dass es sich hier um eine kleinbeerige, heute eigentlich nicht mehr existierende Ursprungsart der Merlot-Traube handelt, welche es so nur noch hier gibt. Diese ergibt einen ganz eigenständigen, intensiven Geschmack. Daneben werden Bouchet (ein lokaler Cabernet Franc), Pressac (lokaler Malbec) und Cabernet Sauvignon angebaut. 25 Prozent der Gesamtfläche dienen jedoch dem bewussten Erhalt des Lebensraums für Fauna und Flora in Form von Parks, Gärten, Wald und Gehölzen. Antiker Zufallsfund „Ich möchte ihnen von etwas Ungewöhnlichem und vielleicht auch Romantischem erzählen“, sagt Adrien auf dem Weg in den Weinkeller. „Wir haben bei Umbauarbeiten eine uralte Flasche gefunden.“ Bei besagtem Fundstück handelte es sich um eine antike Besonderheit, die unversehrt über Dekaden im Fundament vergraben vor sich hinschlummerte. Erst vor kurzem wurde sie entdeckt und versetzte die Finder in pures Entzücken – und dies nicht nur ob ihres hohen Alters. Denn sie war nicht mit einem Korken versehen, stattdessen verschloss das antike Stück ein kunsthandwerklich gearbeiteter Glasverschluss in Form eines Herzens. Das spätere Rekapitulieren der Familiengeschichte sowie Analysen des Fundes ergaben, dass die Flasche aus dem Jahre 1750 stammt und möglicherweise ein verliebter Vorfahre Adriens eine Sonderanfertigung für seine Herzensdame herstellen ließ. „Dies darf nicht in Vergessenheit geraten, wir wollen an diese Geschichte anknüpfen“, sagt Adrien, und so hat Coutet inzwischen die „Cuvée Emeri“ im Sortiment, abgefüllt in einer detailgetreuen Replik der antiken Flasche. Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Einblick in den Weinkeller des Château Coutet, Quelle: Daniela Stubbe Verkostung im Kaminzimmer Zurück geht es vorbei an der Weinpresse aus dem letzten Jahrhundert – diese ist selbstverständlich noch in Betrieb – in den Verkostungsraum. Naja, es ist eher ein gemütliches Zimmer mit Ahnenbildern, Weinflaschen und Kamin. Eine gute Gelegenheit für etwas Entspannung in den alten Holzsesseln, den Blick auf den leicht qualmenden Grill im Garten gerichtet. Während draußen über einem alten, zu Feuerholz verarbeiteten Rebstock das Mittagessen gart, schenkt Adrien von seinem 2012er Coutet ein. „Unsere Weine reifen über 18 Monate, davon zwölf in Barriques. Von diesen sind wiederum 75 Prozent gebraucht, damit der Holzton nicht zu dominant für den Wein wird. Das finale Blending der einzelnen Rebsorten erfolgt schließlich im Stahltank, davon versprechen wir uns eine gewisse Frische“, erklärt er. Die Cuvée besteht aus 60 Prozent Merlot, 30 Prozent Cabernet Franc, 5 Prozent Malbec sowie 5 Prozent Cabernet Sauvignon. „2012 war zwar letztendlich ein recht guter Jahrgang, aber wir hatten 30 Prozent weniger Ertrag“, fügt Adrien hinzu. 27.000 Flaschen wurden 2012 von dieser Cuvée erzeugt. Die jährliche Gesamtproduktion liegt derzeit bei zirka 40.000 Flaschen. Weine mit eigenem Stil, Kraft und Eleganz Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Nach all den bisherigen Eindrücken ist die Neugierde groß. Was also findet sich nun im Weinglas? Rote Früchte, feine Würze, Frische, Struktur, eine gewisse Schärfe, Tiefe, Eigenständigkeit. Wunderbar, denn diese Cuvée ist dabei nicht zu dicht und verfügt über eine angenehme Säure und Lebendigkeit. Ein sehr animierender Wein, der große Lust auf ein weiteres Glas macht. Und den man zu einem Preis von knapp über 20 Euro so im Bordeaux nicht oft finden kann. Ebenso begeistert der 2010er mit Geschmeidigkeit, Intensität der Aromen, Trinkfluss und Finesse. Alles ist da – aber von nichts zu viel. Dabei hat der Coutet eine wunderbare Selbstverständlichkeit und Intensität. Man spürt, dass hier nichts Gemachtes im Spiel ist, sondern vielmehr eine ehrliche Wiedergabe des so besonderen Terroirs im Fokus ist. Wer es noch etwas eigenwilliger mag, greift zum 2011er. Dieser Jahrgang hat etwas mehr Kanten in den Wein gebracht, was ihm ungemein gut zu Gesicht steht. Dunkelrote Früchte, Würze, Ausdruck, Kraft gepaart mit Eleganz. Eine schöne Säure, präsente, gut eingebundene Tannine und Mineralität animieren den Gaumen und hallen angenehm nach. Der 2011er hat einen regelrecht eigenen Charakter, fordert ein bisschen mehr. Ein hervorragender Essensbegleiter für unser Mittagessen, das uns Adriens Familie gezaubert hat. Wir sind begeistert, denn bei den Weinen schließt sich der Kreis dessen, was wir vorher gesehen und erfahren haben: Sie sind ein wahres Stück Natur, eigenständig wie ihre Umgebung und die Menschen, die sie erschaffen haben. Ein bleibender Eindruck Als ich mich schließlich von Adrien verabschiede und die kleine Straße Richtung Saint-Émilion fahre, bin ich noch ganz beseelt von dem Erlebten, als hätte ich gerade eine Art Zeitreise unternommen. Der bleibende Eindruck ist ganz klar: bei Château Coutet hat man es mit einer Art Unikat zu tun. Und auch die Weine haben dementsprechend ihren ganz individuellen Stil. Auf einem derartigen Niveau, dazu noch in Bio-Qualität, findet sich zu diesem Preis-Leistungs-Verhältnis selten etwas Vergleichbares. Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Das nahegelegene Städtchen Saint-Émilion, Quelle: Daniela Stubbe Möchte man sich einen persönlichen Eindruck von diesem besonderen Ort oder den Weinen machen, lässt sich das über Kontaktaufnahme mit Adrien einrichten. Gerne organisiert er Führungen auf dem Château. Im nahe gelegenen wunderschönen Städtchen Saint-Émilion kann man im Anschluss durch die bezaubernden Gassen schlendern, den atemberaubenden Blick vom Marktplatz herab auf die gesamte Umgebung genießen oder den Tag in einem der einladenden Restaurants ausklingen lassen. Inspirierender und genießerischer geht es kaum. Weitere Infos finden Sie unter www.chateau-coutet.com oder www.saint-emilion-tourisme.com Dieser Artikel erschien am 26.10.2016 unter folgendem Link: https://www.private-banking-magazin.de/weinanbau-seit-400-jahren-ohne-chemie-ein-kleinod-in-bordeaux-1477474632/ Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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