Die ausführliche Erklärung des Kreises lesen sie

Windkraftanlagen
Genehmigungen häufig umstritten, rechtlich aber eindeutig
Gütersloh. Der Ärger über die geplanten Windkraftanlagen im Kreisgebiet war in den
vergangenen Monaten groß. Anwohner hielten Planungen für unzumutbar und waren
empört, nicht beteiligt gewesen zu sein. Genehmigungen wurden beklagt. Grund genug, das
Verfahren näher zu beleuchten. Wer muss beteiligt werden? Und warum entwerfen die
Kommunen überhaupt Flächennutzungspläne?
„Was vielen nicht bewusst zu sein scheint, ist die Tatsache, dass Windkraftanlagen über
Bundesrecht gesetzlich privilegiert sind“, erklärt Bernhard Bußwinkel, Leiter der Abteilung
Bauen, Wohnen, Immissionen beim Kreis Gütersloh. Das heißt: Wer eine Windkraftanlage
beantragt, hat grundsätzlich das Recht darauf, dass der Antrag geprüft und – wenn alle
Kriterien erfüllt sind – auch genehmigt wird. Gegensteuern kann eine Kommune nur mit Hilfe
eines Flächennutzungsplanes, der Vorrangzonen für Windkraftanlagen ausweist. Dank der
Potentialanalyse der Abteilung Umwelt des Kreises Gütersloh als Serviceleistung für die
Kommunen waren schon früh die Flächen sichtbar, in denen überhaupt Windkraftanlagen
möglich sind. Grundlage dafür waren schon viele rechtliche Kriterien, die Bußwinkels Team
bei den Genehmigungen vertiefend überprüft. Dass die Genehmigungen durch den Kreis
Gütersloh trotzdem in schöner Regelmäßigkeit beklagt werden, nimmt Bußwinkel mit einem
Schulterzucken: Er hat noch keinen dieser Prozesse verloren.
In Flächennutzungsplänen sind grundsätzlich alle städtebaulichen Ziele dargestellt, mit ihnen
steuert eine Kommune die Entwicklung: Wo sollen Flächen für Naherholung, wo für
Bebauung etc. bereitgehalten werden. Einfach nur minimale, kaum nutzbare Zonen für
Windkraftanlagen auszuweisen, geht nicht. Es muss erkennbar sein, dass sich die Kommune
ernsthaft darum bemüht hat, auskömmliche Vorrangflächen auszuweisen. Ist das nicht der
Fall, kann der Flächennutzungsplan vor Gericht für nichtig erklärt werden. „Wenn dies
geschieht, können Investoren wieder überall den Bau einer Windkraftanlage beantragen,
solange dies nachweislich zu keinen Umweltkonflikten führt “, gibt Bußwinkel zu bedenken.
Dann könne keine Rücksicht mehr darauf genommen werden, ob der Ort eigentlich der
Naherholung erhalten bleiben soll oder eine potentielle Erweiterungsfläche für
Neuansiedlungen ist.
Bei einer Änderung des Flächennutzungsplanes werden nicht nur alle Fachbehörden und
öffentlichen Institutionen beteiligt: Auch Bürgerinnen und Bürger sind stets aufgerufen, sich
einzubringen, um einen optimalen Interessensausgleich zu finden. Bürger erhalten die
Chance, sich einzubringen, wo Windkraftanlagen künftig stehen oder nicht stehen sollen.
Entscheiden tut es letztlich der Rat. Die vorgetragenen Bedenken und Anregungen der
Bürger werden einschließlich der Entscheidungsbegründung zwecks gerichtlicher
Überprüfbarkeit dokumentiert.
Trotzdem beklagen sich immer wieder Bürger, dass sie bei der genauen Standortplanung
einer Windkraftanlage nicht mit einbezogen werden. Dazu Bußwinkel: „Bei der Genehmigung
für bis zu 19 Windkraftanlagen – einschließlich der Bestandsanlagen im zu betrachtenden
Bereich – handelt es sich um ein nicht-öffentliches-Verfahren. Eine formale
Öffentlichkeitsbeteiligung ist dort nicht vorgesehen.“ Aber er versichert: Alles was die
Anwohner, Tiere und die sonstige Umwelt betrifft, werde ausgiebig rechtlich geprüft.
Und so läuft das Verfahren ab: Zuerst beauftragt ein Investor ein Planungsbüro, das die
Antragsunterlagen für einen konkreten Standort erstellt. Die Behörde entscheidet je nach
Anzahl der vorhandenen Windkraftanlagen darüber, ob es ein vereinfachtes oder ein
öffentliches Verfahren wird. Beide Verfahrensarten werden von der unteren
Immissionsschutzbehörde beim Kreis Gütersloh bearbeitet. Zahlreiche Fachbehörden und
natürlich die Standortkommune werden beteiligt. Unverzichtbar ist die Vorlage eines
Lärmschutzgutachtens. In dem Gutachten ist anhand der technischen Daten nachzuweisen,
dass die Lärmbelästigung für die betroffene Nachbarschaft im Rahmen des Erlaubten bleibt.
Berücksichtigt wird dabei nicht nur die Windkraftanlage, sondern das Zusammenspiel mit
anderen Lärmquellen. Einzige Ausnahme ist der Verkehrslärm. Das heißt, dass der Lärm
von Windkraftanlagen, benachbarten Gewerbebetrieben, Motoren von
Biogasanlagen, Lüftungsanlagen von Ställen und vieles mehr nachts den Richtwert von 45
dB(A) an schützenswerten Orten nicht überschreiten darf. Das ist der Grenzwert für
Wohnhäuser im Außenbereich.
Geprüft werden muss auch der Schattenwurf. Ist ein Wohnhaus länger als acht Stunden im
Jahr unmittelbar von Schattenwurf einer oder mehrerer Windkraftanlagen betroffen, müssen
die Anlagen so programmiert sein, dass sie sich bei bestimmten Sonnenständen abschalten.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die so genannte optisch bedrängende Wirkung. „Jedes
Windrad, das näher an einem Wohnhaus liegt, als die Höhe der Anlage in Metern mal drei,
ist kritisch“, erläutert Bußwinkel. Ist ein Windrad also 200 Meter hoch, so sollte es mehr als
600 Meter von Wohnhäusern entfernt sein. „Ist dies nicht der Fall, muss genauer geprüft
werden. Aber: Eine Unterschreitung des zweifachen Abstandes ist nicht
genehmigungsfähig.“ Liege ein Wohnhaus in diesem kritischen Bereich zwischen zwei- und
dreifachem Abstand fahren die Mitarbeiter grundsätzlich raus zu den Gebäuden und prüfen
eine mögliche optisch bedrängende Wirkung. Im Rahmen von Artenschutzgutachten wird
weiterhin geprüft, ob insbesondere geschützte Tiere gefährdet sind. Dabei macht der
Fachplaner gegebenenfalls Vorschläge: Es ist zum Beispiel möglich, den Nahbereich für
Tiere unattraktiv zu gestalten und als Ersatz ihnen in der weiteren Umgebung Flächen
anzubieten, die attraktiv gestaltet werden. So will man ihnen ein Umsiedeln schmackhaft
machen. Auch die Abschaltung der Anlage zu Flugzeiten kann zu den Vorschlägen zählen.
Diese Fachbeiträge münden ab einem Standort für mindestens drei Windkraftanlagen in eine
formale Umweltverträglichkeitsvorprüfung, deren Ergebnis in der örtlichen Presse zu
veröffentlichen ist. Bei der Antragsstellung für eine Windkraftanlage sind somit zahlreiche
Belange zu berücksichtigen.
Aktuell beschäftigt sich Bußwinkels Team mit fünf Windkraftanlagen: Werther (1),
Rhedaer-Forst (3) und Verl (1). Eine Anlage in Rheda-Wiedenbrück/Batenhorst ist am 12.
Oktober genehmigt worden.
Zum Thema: Ausgleich für Natur, Vorsorge für Rückbau
Bei dem Bau von Windkraftanlagen liegt immer eine visuelle Beeinträchtigung des
Landschaftsbildes vor, für die der Betreiber einen Ausgleichsbetrag an die
Landschaftsbehörde zahlen muss und der für sinnvolle Begrünungsmaßnahmen im weiteren
Umfeld eingesetzt wird. Zudem hat der Betreiber zu berücksichtigen, dass für eine
Windkraftanlage mit einem Investitionsvolumen von vier Millionen Euro zirka 250.000 Euro
als Bankbürgschaft für den späteren Rückbau zu hinterlegen sind. Betreiber von
Windkraftanlagen zahlen außerdem den Eigentümern des Baugrundstückes einen jährlichen
finanziellen Ausgleich in einem klaren fünfstelligen Bereich. Noch erhalten Betreiber einer
Windkraftanlage einen gesetzlich festgelegten Tarif für den produzierten Strom. Im Jahr
2017 ändert sich dies: Dann muss ausgeschrieben werden. Noch ist nicht abzusehen, wie
die Anbindung der Windenergie an den freien Markt die Einspeisevergütung verändert.