Kraft- und temperaturmodulierte TMA-Messungen von Fasern Dr. R. Riesen aus zwei Teilen zusammengesetzt werden: ν= (αe* · βmean + αe · β)· L0 (3) βmean: Mittlere Heizrate. Analog zu Gleichung 1 kann αe aus der Amplitude der Längenänderungsrate νA und der Amplitude der momentanen HeizDer E-Modul wird aus der Längenänderung rate βA bestimmt werden: bei zyklischer Änderung der Zugkraft bestimmt. Ist die Frequenz dieser Modulation αe = νA / (βA · L0) (4) wesentlich höher als die der Temperaturmodulation, können beide Anregungen Die Amplitude νA wird mittels Fourieranagleichzeitig eingesetzt werden. Zur Berech- lyse aus der gemessenen ν-Kurve bestimmt. nung von E, αe und αs aus den TMA-Mes- Wenn die Probentemperatur der Modulatiskurve wird die Fourieranalyse verwendet. on folgt, ist βA gleich der programmierten Amplitude. Ist dies nicht der Fall, z. B. bei Grundgleichungen niedrigen Temperaturen, kann die Heizrate und deren Amplitude aus der sehr nahe bei Bei verstreckten Fasern wird die Ausdehder Probe gemessenen Temperatur wiedernung beim Aufheizen durch das Schrump- Linearer Ausdehnungskoeffizient und Schrumpfkoeffizient um mittels Fourieranalyse berechnet werfen überdeckt und kann durch TMA nicht Beim Aufheizen einer gestreckten Faser beden. direkt gemessen werden. Ausdehnung und wirken strukturelle Änderungen grosse Län- Der scheinbare Ausdehnungskoeffizient Schrumpfen sind über die Struktur physiαe* wird gemäss Gleichung 5 aus den mitkalisch gekoppelte Prozesse. Bei Strukturre- genänderungen. Aus den Messungen wird * der scheinbare Ausdehnungskoeffizient α tels Fourieanalyse erhaltenen Mittelwerten laxationen ändern sich somit beide Eigene nach Gleichung 1 bestimmt: νmean und βmean berechnet: schaften, aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, da sie durch unterschiedαe* = (dL/dT) / L0 = ν/(β · L0) (1) αe* =νmean / (βmean · L0) (5) liche Effekte kontrolliert werden, wie z. B. freies Volumen und Kristallperfektion. Zusätzlich wird das Schrumpfen durch irrever- L: Länge, T: Temperatur, L0: ursprüngliche Der Schrumpfkoeffizient (αs ist die Differenz zwischen scheinbarem Ausdehnungssible Änderungen der inneren Spannungen Probenlänge, t: Zeit, ν = dL/dt Längenänderungsrate, koeffizienten und effektiven thermischem beeinflusst. Folglich ändert sich αe beim β = dT/dt Heizrate. Koeffizienten αe (Gleichung 2). Schrumpfen und der ursprüngliche thermische Ausdehnungskoeffizient von gestreckten Fasern kann somit nicht beim zweiten Die gemessene scheinbare Ausdehnung von E-Modul Fasern beim Aufheizen kann in einen rever- Der E-Modul E wird aus dem Verhältnis von Aufheizen bestimmt werden. siblen und einen irreversiblen Teil separiert Zugspannung und Dehnung bestimmt werden, d. h. die scheinbare Ausdehnung (Gleichung 6). Aus der Modulation der Um das Ausdehnungs- und Schrumpfverist die Summe der eigentlichen thermiZugspannung beim Aufheizen kann E halten gleichzeitig bestimmen zu können, schen Ausdehnung und des Schrumpfens auch während des Schrumpfens gemeswird von uns eine spezielle Technik, die und somit: sen werden. temperaturmodulierte TMA verwendet. In Analogie zur temperaturmodulierten DSC (2) E = (∆F/A) / (∆L/L0) (6) (ADSC) wird die mittlere Heizgeschwindig- αe* = αe + αs keit mit einer modulierten Heizrate überla∆F: Änderung der Zugkraft (Laständerung gert. Infolgedessen oszilliert die Tempera- αe: thermischer Ausdehnungskoeffizient α : Schrumpfkoeffizient im TMA-Experiment), A: Querschnittsfläche s tur sinusförmig z. B. bei einer mittleren der Faser, ∆L: korrespondierende LängenRate von 1 K/min mit maximal 5 K/min Der Relaxationsprozess beim Schrumpfen änderung, L0: Länge der Faser. und minimal -4 K/min innerhalb von ist normalerweise langsam und vorwiegend Es wird darauf geachtet, dass ∆L im Ver3 min einmal auf und ab. Aufgrund der zeitkontrolliert. Hingegen folgt die thermigleich zur Faserlänge sehr klein ist. ∆L Erhöhung der mittleren Temperatur schrumpft die Probe langsam und irreversi- sche Ausdehnung der Temperaturmodulati- wird wiederum aus der Fourieranalyse der TMA-Kurve bestimmt. bel. Das normale reversible Ausdehnen folgt on. Somit kann die Längenänderungsrate Einleitung Thermisches Schrumpfen ist eine wichtige Eigenschaft von Fasern, die von ihrer Struktur abhängt und durch den Verarbeitungsprozess bestimmt wird [1]. Das Schrumpfen wird mittels klassischer thermomechanische Analyse (TMA) bei konstanter Heizrate und kleiner konstanter Zugkraft gemessen. Auf die gleiche Weise wird der lineare Ausdehnungskoeffizient αe einer nicht-schrumpfenden Probe bestimmt. Mit der TMA wird auch der Elastizitäts- oder Speichermodul (E-Modul) gemessen, wobei während des Aufheizens die Zugkraft zyklisch gewechselt wird [2]. aber den kleinen Temperaturschwankungen. Somit kann αe aus den durch die Temperaturmodulation induzierten zyklischen Längenänderungen unabhängig vom Schrumpfkoeffizienten αs bestimmt werden [3]. 11 UserCom 2/2000 Folgendes Messprogramm wurde verwendet: Aufheizen von 30 auf 230 °C mit einer mittleren Rate von 1 K/min und einer Modulationsamplitude von 2 K mit einer Periode von 3 min. Die Zugkraft wurde rechteckförmig zwischen 0.05 und 0.07 N mit einer Periode von 10 s moduliert. Die relativ grosse Temperaturmodulation war notwendig, um auch kleine Ausdehnungskoeffizienten bestimmen zu können. Falls andere Bedingungen verwendet wurden, sind sie bei der Diskussion der Resultate erwähnt. Abbildung 1: Konventionelle TMA- und DSC-Kurven aus einem ersten Aufheizen bis 220 °C (1) und einem zweiten bis 270 °C (2) mit ungeregeltem Abkühlen dazwischen. DSC: 2.51 mg Faser im 20 µl Aluminiumtiegel; TMA: 13 mm Faser bei einer Zugkraft von 0.1 N. Spülgas: 50 ml/min Stickstoff. Heizrate: 10 K/min. DSC: exotherme Richtung nach oben; TMA: Ausdehnung nach oben dargestellt. Resultate Das thermische Verhalten der PET-Faser beim ersten und zweiten linearen Heizen ist in Abbildung 1 dargestellt. Das Schrumpfen beginnt gleich nach der Glasumwandlung bei 79 °C und beträgt 8.1 %. Die Kaltkristallisation beginnt ebenfalls nach der Glasumwandlung. Mit der DSC wurde eine Kristallisationswärme von 13.8 J/g gemessen. Die Schmelzwärme beträgt 52.4 J/g. Beim zweiten Aufheizen beginnt die eigentliche Ausdehnung erst bei 106 °C, gefolgt von einem kleinen Schrumpfen kurz vor dem Schmelzen. Dabei wurde keine weitere Kaltkristallisation beobachtet. Zur Trennung der Ausdehnungs- und Schrumpfeffekte wurde die PET-Faser im temperaturmodulierten TMA vermessen. Ein Teil des Messprogramms ist in Abbildung 2 graphisch dargestellt. Kraft- und Temperaturmodulation sind auf der TMAKurve deutlich sichtbar. Die stetig nach unten laufende TMA-Kurve zeigt, dass das Schrumpfen während den kurzen Kühlphasen nicht aufhört. Der Gleichgewichtszustand würde erst nach langer isothermer Zeit bei der entsprechenden Temperatur erreicht [3]. Die durch die Kraftmodulation bedingte Längenänderungen (Abb. 2) wurden gemäss Gleichung 6 ausgewertet und so der E-Modul als Funktion der Temperatur beExperimentelles 108 dtex, 0.10 mm Durchmesser) durchge- stimmt. Abbildung 3 zeigt die TMA-Kurven Die Messungen erfolgten im METTLER führt, die mit Kupferklammern so in die und die E-Module für das erste und zweite TOLEDO STARe System mit TMA/SDTA840, Halterung eingesetzt wurden, dass die Pro- Aufheizen. DSC821e und den notwendigen Softwareop- be beim Start 13 mm lang war. Die Ausdeh- Nach dem ersten Heizen ist die Probe retionen (ADSC für die Fourieranalyse und nung der Klammern und der Halterung aus laxiert und die Kristalle sind perfektioniert. TMA für die Modulberechnung sowie MaQuarzglas wird bei der Auswertung durch Die E-Module sind für gestreckte (originathematik für die Kurvendivisionen). Die die Software kompensiert. Die Temperatur- le) und relaxierte Fasern ungefähr gleich, Messungen wurden an Fasern aus Polyethy- kalibrierung und -justierung erfolgte mit die Temperaturabhängigkeit ist aber wählenterephthalat (PET, Viscosuisse Typ 260, der in [3] und [4] beschriebenen Technik. rend des Schrumpfens ausgeprägter als Abbildung 2: TMA-Kurve der PET-Faser bei Kraft- und Temperaturmodulation während des ersten Aufheizens. Zur Verdeutlichung der Modulationseffekte ist nur der Bereich von 105 bis 115 °C gezeigt. 12 UserCom 2/2000 Abbildung 3: TMA-Kurven der PET-Faser (Mittelwert der kraftmodulierten Kurve aus Abb. 2). Die Kurven des EModuls wurden mittels Fourieranalyse aus den kraftmodulierten TMA-Kurven berechnet und in Funktion der Zeit im selben Temperaturbereich wie die TMA-Kurven dargestellt. a: erstes Heizen, b: zweites Aufheizen der gleichen Probe. Abbildung 4: Unteres Koordinatensystem: Ableitung der Probentemperatur der PET-Faser während des ersten Aufheizens. Oberes Koordinatensystem: Ableitung der TMA-Messkurve ν, bei der die Änderungen der Kraftmodulation vorher ausgefiltert wurden. Durch Fourieranalyse wurden die entsprechenden Mittelwert- (βmean, νmean) und Amplituden-Kurven (βA, νA) berechnet. Die ursprüngliche TMA-Kurve ist in Abbildung 3 gezeigt. Als Abszisse wurde die aus der mittleren Heizrate berechneten Temperatur aufgetragen. beim zweiten Heizen. Aufgrund der restlichen amorphen Teile findet in der Faser eine Glasumwandlung statt. Im Bereich der Glasumwandlung folgt E der Temperaturmodulation mit einer relativ grossen Amplitude und der Mittelwert fällt stark ab. Die Ableitung der Probentemperatur (β sowie βmean, und βA) und die Ableitung der entsprechenden TMA-Kurve ( ν sowie νmean und νA) sind in Abbildung 4 dargestellt. Diese Kurven bilden die Basis, um gemäss den Gleichungen (4), (5) und (2) die Ausdehnungs- und Schrumpfkoeffizienten zu berechnen. Der Ausdehnungskoeffizient αe wurde aus den Amplituden gemäss Gleichung 4 berechnet und der scheinbare Ausdehnungskoeffizient αe* aus den Mittelwerten (Glei- chung 5). Die resultierenden Kurven als Funktion der Temperatur sind jeweils für erstes und zweites Heizen der gleichen Faser in Abbildung 5 dargestellt. Abbildung 6 zeigt die entsprechenden Schrumpfkoeffizienten (αs = αe* - αe) berechnet aus den Kurven in Abbildung 5. Während des ersten Heizens dominiert das Schrumpfen. Dennoch nimmt dabei αe zu, da das freie Volumen der amorphen Anteile grösser wird. An diesem Verhalten sind zwei Prozesse beteiligt: die Glasumwandlung und eine zusätzliche Strukturrelaxation. Oberhalb von 100 °C beginnt die Kaltkristallisation (siehe Abb. 1), die den amorphen Anteil reduziert und somit den Ausdehnungskoeffizienten verkleinert. Bei höheren Temperaturen rekristallisiert die Faser, wodurch sich αe weiter ändert. Das erste Aufheizen wurde nur bis 230 °C durchgeführt, um einen hinreichenden Abstand zur Schmelztemperatur einzuhalten. Dadurch konnte die Probe noch für die zweite Messung verwendet werden. Zu Beginn des zweiten Aufheizens ist αe sehr klein, nimmt aber im Bereich der Glasumwandlung zu. Oberhalb von 210 °C beginnen die Kristalle zu schmelzen, die sich nach dem ersten Aufheizen gebildet hatten. Dadurch wird αe beeinflusst. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass αe immer den Koeffizienten in Faserrichtung beschreibt und Änderungen des totalen Volumens nicht berücksichtigt. Der Vergleich der Werte von αe aus modulierten und nicht modulierten TMA-Messungen (je zweites Aufheizen, Abb. 1 und 5) zeigt in beiden Fällen praktisch gleiches Verhalten. Bei 50 °C sind beide Koeffizienten sehr klein und die Werte steigen auf 20·10-6 °C-1 bei 130 °C. Da beim zweiten Aufheizen kein Schrumpfen erfolgt, wird erwartet, dass αe* und αe gleich gross sind. Wie in Abbildung 5 ersichtlich ist, gilt dies innerhalb der Messtoleranz bis zu der Temperatur, bei der das PET zu fliessen beginnt (oberhalb 210 °C). Der Schrumpfkoeffizient αs (Abbildung 6) zeigt das irreversible Schrumpfen mit dem Beginn der Glasumwandlung. Im Bereich des Schmelzens wird diser Koeffizient positiv und zeigt das irreversible Dehnen der Faser durch das beginnende Fliessen der Probe. 13 UserCom 2/2000 Abbildung 5: Ausdehnungskoeffizienten einer PET-Faser, berechnet aus den Kurven in Abbildung 4; 1 und 2 bezieht sich auf das erste und zweite Aufheizen. Die Skalierung der Ordinate ist °C-1, die Koeffizienten αe und αe* (e, und e*) sind aber in µm/(m °C) zu lesen. Fazit Mit temperaturmodulierter TMA wird es möglich, bei einer verstreckten Faser die thermische Ausdehnung und das Schrumpfen während des Relaxationsprozesse separat zu bestimmen. Da aus Gründen der Wärmeübertragung die Modulationsfrequenz der Temperatur klein gewählt werden muss, kann gleichzeitig auch die Zugspannung mit höherer Frequenz moduliert werden. So lässt sich simultan auch der E-Modul bestimmen. Diese Eigenschaften können auch als Funktion der Temperatur ermittelt werden. Somit ermöglicht eine einzige, doppelt modulierte TMA-Messung drei wichtige Eigenschaften von Fasern zu untersuchen und dadurch die Einflüsse von Streckverhältnissen und anderen Bearbeitungsprozessen zu studieren. Die vorgestellte Methode kann natürlich auch auf ähnliche Vorgänge bei anderen Materialien (z. B. Folien) für Penetrations-, Expansions-, Biege- und Quellmessungen angewendet werden. Literatur Abbildung 6: Schrumpfkoeffizient αs beim ersten (s1) und zweiten (s2) Aufheizen der PET-Faser, berechnet aus den Kurven in Abbildung 5. Die Skalierung der Ordinate ist °C-1, die Koeffizienten αs sind aber in µm/ (m °C) zu lesen. 14 UserCom 2/2000 [1] M. Jaffe, Thermal Characterization of Polymeric Materials, 2nd Edition, E.A. Turi Ed., Academic Press, New York 1997, 1767. [2] H. G. Wiedemann, R. Riesen, A. Boller, ASTM STP 1136, American Society for Testing and Materials, Philadelphia (1991) 84. [3] R. Riesen, J. E. K. Schawe, J Thermal Anal. 59 (2000) 337-350. [4] Ausdehnung und Schrumpfverhalten von Fasern, USER COM 11, 1/2000, Seite 21
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