Predigt vom 16. Oktober - Hoffnungskirche zu Pankow

Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT im Gottesdienst am 16.10.2016 in der Hoffnungskirche
(Textgrundlage: Eph 6,10-17)
von Pfarrer Matthias Motter
Liebe Gemeinde,
vollkommen sollen wir sein – so haben wir es eben in den Worten Jesu aus der Bergpredigt
gehört: Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist (Mt 5,48),
sagt Jesus – und wir fragen uns vielleicht: Geht das?
Vollkommenheit, so schreibt es Antoine de Saint-Exupéry, ist unerreichbar. Aber er fügt hinzu:
Vollkommenheit ist Richtung und Streben auf etwas hin (A. de Saint-Exupéry in: Die Stadt der
Wüste).
Und da stehen wir nun, hören den Ruf zur Vollkommenheit und sehen uns selbst wohl kaum
als ganz vollkommen an, sehen vielleicht unsere Hilflosigkeit oder Gleichgültigkeit, wo wir
gefordert wären. Und wir sehen auch manches um uns herum, das nicht vollkommen ist,
manches, das so schrecklich, so schmerzhaft gar nicht vollkommen ist – diese Krankheit,
diesen teuflischen Krieg, diese Traurigkeit. Da stehen wir und sehen manchmal dieses ganze
Elend. Wie kann man da Trost finden? Wie kann man da weitermachen?
In der Psychologie ist seit einigen Jahren der Begriff Resilienz gebräuchlich geworden.
Resilienz, so eine Definition, ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie für Entwicklungen zu
nutzen (wikipedia).
Der Verfasser des Epheserbriefs im Neuen Testament unserer Bibel kannte den Begriff der
Resilienz gewiss noch nicht. Aber er malt uns eine Widerstandskraft vor Augen, die diesem
Begriff ganz nahe kommt. Das Bild, das der Verfasser des Epheserbriefs malt, entstammt
äußerlich seiner Zeit – es ist die Standard-Ausrüstung eines römischen Soldaten. In diesem
Bild aber, auch wenn es uns gewiss eher fremd ist, steckt doch eine große Ermutigung, steckt
die gute Botschaft unseres Glaubens.
Ich lese aus dem Epheserbrief im 6. Kapitel:
Werdet stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke!
Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr […]
an dem bösen Tag widerstehen und, wenn ihr alles ausgerichtet habt, stehen bleiben könnt!
So steht nun, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit,
bekleidet mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit
und beschuht an den Füßen mit der Bereitschaft zur Verkündigung des Evangeliums des Friedens!
Bei alledem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen
könnt!
Nehmt auch den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist Gottes Wort!
Gürtel, Brustpanzer, Schuhe, Schild, Helm und Schwert – die Ausrüstung eines römischen
Soldaten. Aber wie das prophetische Wort von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden,
wird die Ausrüstung des Soldaten in den Worten des Epheserbriefs umgeschmiedet, neu und
ganz anders gefüllt: Ein Gürtel der Wahrheit, ein Brustpanzer der Gerechtigkeit, Schuhe mit der
Bereitschaft zur Verkündigung des Evangeliums des Friedens, ein Schild des Glaubens, ein Helm
des Heils. Bis hierher keine Waffen, nur Schutz - damit ihr […] an einem bösen Tag widerstehen
und stehen bleiben könnt!
Überlebensmittel in einer Welt, die einen manchmal zum Verzweifeln bringen kann.
Überlebensmittel gegen das manchmal so schrecklich Unvollkommene. Überlebensmittel aus
einer anderen Welt. Überlebensmittel von Gott:
Ein Gürtel der Wahrheit, einer Wahrheit, die so wahr ist, dass wir sie gar nicht fassen können.
Gottes Wahrheit, die sich im Unfassbaren des Ostermorgens ahnen lässt: Keine Macht der
Welt, ja nicht einmal der Tod, kann uns von Gottes Liebe trennen.
Ein Brustpanzer der Gerechtigkeit, dieser Gerechtigkeit, die mehr ist als menschliche
Gerechtigkeit je sein kann. Es ist die Gerechtigkeit unseres Gottes, der das kann, was unser
Verstehen übersteigt, unseres Gottes, der vollkommen gerecht und vollkommen gnädig ist.
Schuhe mit der Bereitschaft zur Verkündigung des Evangeliums des Friedens, sind Teil dieser
ganz besonderen Ausrüstung. Das Evangelium – wörtlich: die gute Botschaft – des Friedens.
Wir sind es, die sie weitersagen können.
Ein Schild des Glaubens, ein Helm des Heils. Ein Heil, ein wunderbar Gutes ist es, an das wir
allem Unheilen und Unheil zu Trotz glauben dürfen – als Kinder des Lichts des Ostermorgens.
Ein Gürtel der Wahrheit, ein Brustpanzer der Gerechtigkeit, Schuhe mit der Bereitschaft zur
Verkündigung des Evangeliums des Friedens, ein Schild des Glaubens, ein Helm des Heils.
Überlebensmittel, Schutzmittel einer im Glauben begründeten Resilienz. Resilienz, so war die
Definition, ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie für Entwicklungen zu nutzen. In den
Krisen unseres Daseins ist diese Ausrüstung – davon ist der Verfasser des Epheserbriefs
überzeugt – unsere Krisenbewältigungsausstattung. Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen zu
bewältigen und sie für Entwicklungen zu nutzen. Der zweite Teil der Definition ist wichtig.
Resilienz ist eine Kraft, die nicht nur aushalten lässt, sondern verändert, voranbringt, Neues
schafft.
Nehmt auch das Schwert des Geistes, das ist Gottes Wort! schreibt der Verfasser des
Epheserbriefs. Das Schwert ist nicht nur Schutz, es ist ein offensiver Gegenstand. Vom das
Schwert des Geistes, das ist Gottes Wort! spricht der Epheserbrief. Gottes Wort muss nicht nur
unser Schutz sein. Gottes Wort kann auch verändern, Gottes Wort hat verändert. Wir müssen
nicht glauben, dass das Böse eine bleibende Kraft hätte. Wir müssen nicht glauben, dass das
Unvollkommene, das Traurige und Abgebrochene Endgültigkeit hat. Das ist uns gesagt und
diese gute Botschaft will weitergesagt und in der Tat gelebt werden, die Hoffnung geteilt an
der Seite der Traurigen und Verzweifelten, der Mut gelebt gegen Resignation und
Ungerechtigkeit. Die Schuhe mit der Bereitschaft zur Verkündigung des Evangeliums des
Friedens sollen sich in Bewegung setzen – so ruft es uns der Verfasser des Epheserbriefs zu.
Wir können mancher Unvollkommenheit nicht nur widerstehen, wir können hier und da
diese Welt verändern – im Vertrauen auf Gott, der auch aus den Bruchstücken unseres
Handelns noch viel mehr machen kann und wird.
Seid vollkommen, sagt Jesus.
Uns bleibt, in dieser Richtung weiterzugehen. Vielleicht hat ja Antoine de Saint-Exupéry
Recht, wenn er sagt, dass Vollkommenheit für uns schon Richtung und Streben auf etwas hin
sein kann.
Versuchen wir das mit den Überlebensmitteln Gottes. Ziehen wir sie an: Einen Gürtel der
Wahrheit, einen Brustpanzer der Gerechtigkeit, Schuhe mit der Bereitschaft zur Verkündigung
des Evangeliums des Friedens. Nehmen wir ein Schild des Glaubens, an dem die feurigen Pfeile des
Bösen verlöschen! Der Helm des Heils ist uns schon längst aufgesetzt. Nehmen wir das ganz
andere Schwert, nehmen wir das befreiende Wort Gottes und verändern wir damit die Welt.
Es geht, wenn wir gehen, wenn wir losgehen im Vertrauen auf Gott.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.