„Unternehmen, die nicht ins Internet gehen, werden verschwinden“

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„Unternehmen, die nicht
ins Internet gehen,
werden verschwinden“
Im vergangenen Jahr haben die Deutschen laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) für fast 53 Milliarden Euro online eingekauft. Für das kommende Jahr prognostiziert der Verband 73 Milliarden Euro Umsatz. Doch es
sind die großen Online-Versandhändler, die den Markt bestimmen. Kleine Läden an der Ecke finden sich bisher selten im
Web. Ursula Katthöfer fragte Heiko Oberlies, ITK-Berater der
IHK Bonn/Rhein-Sieg, wie sich das ändern kann.
Einige Händler haben noch keine E-Mail-Adresse,
geschweige denn eine Homepage. Was macht den
Handel angesichts der Digitalisierung so zaghaft?
Die Vielfalt verwirrt. Viele Händler sind verunsichert, weil sie nicht wissen, was zu ihrer Grundausstattung gehören sollte: Homepage, Social
Media, eigene App, mobiles Payment – die Möglichkeiten sind zahlreich. Eine E-Mail-Adresse ist
nur ein einziger Mosaikstein, allerdings ein sehr
wichtiger.
Welche Möglichkeiten stecken in der Digitalisierung,
um den stationären Handel attraktiver zu machen?
Die „digitale Transformation des Handels“ betrifft Services, Erreichbarkeit, Kommunikation
und Interaktion. Es muss nicht gleich ein kompletter Online-Shop sein. Zwischenstufen wie „Click
and Collect“ sind möglich. Dabei schaut sich der
Kunde das Produkt im Web an, reserviert es und
kauft es schließlich im Laden. Wichtig ist, dass der
stationäre Handel seine Vorteile klar signalisiert:
Digital und kundennah
Gemeinsam verleihen die Wirtschaftsförderung der Stadt Siegburg und die
Weiterbildungsgesellschaft der IHK Bonn/Rhein-Sieg ein Zertifikat an Einzelhändler, die erfolgreich in die Digitalisierung eingestiegen sind. „Digital
und kundennah“ heißt der Zertifikatslehrgang, der Inhaber und Geschäftsführer von Einzelhandelsfachgeschäften fit für die Online-Präsenz macht.
„Die Begriffe digital und kundennah zeigen, dass Händler auch über das
Web vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Stammkunden aufbauen und neue
Kunden gewinnen können“, sagt Otto Brandenburg, Geschäftsführer der IHKWeiterbildungsgesellschaft. „Eine gute Kommunikation gehört zu den Stärken
des Einzelhandels. Sie kann auch online stattfinden.“
Der Lehrgang richtet sich auch an diejenigen, die bisher keine Erfahrung mit
dem Online-Geschäft haben. Best-Practice-Beispiele zeigen, dass Händler
bereits mit geringen Mitteln online erfolgreich sein können. Teilnehmen können Händler aus ganz Bonn/Rhein-Sieg.
www.digital-kundennah.de
Ihr Ansprechpartner:
Otto Brandenburg
Tel.: 0228 97574-13
E-Mail: [email protected]
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Die Wirtschaft Oktober 2016
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‚Wir beraten. Bei uns kann der Kunde die Produkte
sehen und anfassen.’
Inzwischen gibt es viele Portale als virtuelle Schaufenster. Wo sollten Händler sich eintragen?
Regional stark vernetzte Portale sind gut. Überregionale Einkaufsführer sind weniger sinnvoll, denn es
nutzt dem Wachtberger Einzelhändler nichts, wenn
er Klicks aus Asien hat. Hilfreich sind auch regionalisierbare Apps wie Trip-Advisor oder kaufDA.
Bei beiden gibt man eine Postleitzahl oder einen
Städtenamen ein, um Hotels, Restaurants oder Geschäfte an einem bestimmten Ort zu finden.
Ich würde die stärksten Anbieter mit den meisten Klicks nehmen. Die Klickraten gehen aus den
Mediadaten hervor.
Lassen sich die Vorteile des digitalen Auftritts auch
an den Einnahmen des Händlers ablesen?
Das ist schwer zu sagen. Denn nicht jeder Kunde
erzählt, dass er das Geschäft über das Internet gefunden hat. Andererseits können Social MediaAuftritte mit der richtigen Kernbotschaft sehr wirkungsvoll sein.
Bei einem Internet-Auftritt ist das Controlling deutlich einfacher als bei einer Zeitungsanzeige
oder einem Kunden-Stopper vor der Ladentür. Denn
der Händler kann an den Klicks deutlich sehen, für
welche Produkte sich die Kunden interessieren. Eine
gute Analyse ist eine Basis, die Homepage zu verbessern, also z.B. interessante Produkte auf die Startseite stellen.
Stichwort Social Media. Was bringt es?
Facebook ist nicht für jeden Einzelhändler die richtige Wahl. Man muss interessant, witzig, authentisch sein.
Wie vielseitig sich Social Media nutzen lässt,
hat das Unternehmen MyMüsli aus Passau vorgemacht. Es betrieb Marktforschung, indem es die
User nach ihren Lieblingszutaten für ein Müsli fragte. Es folgte die Produktentwicklung: User konnten
ihr eigenes Müsli aus den angebotenen Zutaten zusammenstellen. Auch die Personalgewinnung läuft
über Social Media.
Für wen lohnt es sich, eine eigene App entwickeln zu
lassen?
Wer eine App möchte, sollte zuvor mit einer erfolgreichen App Erfahrungen gesammelt haben. Das lässt
sich auch kommunizieren: ‚Übrigens finden Sie uns
auch bei kaufDa.’ Bei der eigenen App geht es anfangs
Digitales Aushängeschild
Viele Kunden nutzen mehrere Kanäle, um sich über ein Produkt, das sie kaufen möchten, zu informieren.
Sie schauen es im Laden an, fragen Familie und Freunde und recherchieren im Internet. Scannt ein Kunde
mit seinem Smartphone den QR-Code eines Produkts, das in einem Katalog abgedruckt ist, mischt er unterschiedliche Kanäle. Ob er das Produkt letztlich im Laden oder im Internet kauft, hängt von mehreren Faktoren ab: Preis, Beratung, Erreichbarkeit und persönlichen Vorlieben. Wer als Händler mehrere Kanäle in seine
Vertriebsstrategie (Multichannel-Strategie) einbindet, hat größere Chancen, den Kunden zu erreichen. Ob
Online-Shop oder kleine Homepage als Visitenkarte im Netz – der digitale Kanal ist für viele Unternehmen
ein wichtiges Aushängeschild. „Die Wirtschaft“ stellt unterschiedliche Möglichkeiten vor, um den Kunden
online auf sich aufmerksam zu machen.
Der Eintrag ins Stadtportal ...
... ist für alle, die nicht gleich eine eigene Homepage
möchten, der erste Weg ins Internet. Firmen können
sich meist kostenlos mit ihren Kontaktdaten und
Öffnungszeiten eintragen (s. Artikel Mehr als Sonderangebote). Stadtportale leben von ihren Teilnehmern.
Jeder hat Anteil daran, ob ein Stadtportal informativ
und attraktiv ist.
Die eigene Homepage ...
... gehört inzwischen wie selbstverständlich zur
Grundausstattung eines Einzelhändlers. Für alle, die
wenig investieren möchten, bieten Internet-Provider
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Homepage-Baukästen mit zahlreichen Vorlagen an.
Mit ein bisschen Geduld kann jeder Händler sich dort
eine individuelle Seite aufbauen. Zahlreiche WebAgenturen bieten die Dienstleistung ebenfalls an.
Social Media-Plattformen ...
... funktionieren nach ihren eigenen Gesetzen.
Facebook-Nutzer mögen witzige Aktionen. Für reine
Produktvorstellungen interessieren sie sich nicht.
Über einen eigenen Youtube-Kanal können Händler
zeigen, wie ihre Produkte angewendet werden. Laut
einer Studie des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) geben sechs von zehn Unternehmen
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darum, vieles auszuprobieren. Ist Traffic für mich da?
Bekomme ich Kundendaten?
Wie weit ist die Entwicklung des Mobile Payment,
also des Bezahlens per Smartphone im Laden?
Das Smartphone wandelt sich zur mobilen Geldbörse. Inzwischen gibt es mit Paydirekt auch ein OnlineBezahlsystem der deutschen Banken und Sparkassen.
Der Händler mit einem Online-Shop hat darüber ein
System, das der deutschen Bankenaufsicht unterliegt,
die heimischen Zahlungsinstitute stärkt und die Kundendaten in Deutschland belässt.
Was ist mit den Händlern, die nicht ins Internet
gehen? Werden sie vom Markt verschwinden?
Der Konsument erwartet, im Web etwas über den Einzelhandel zu finden, und seien es nur die Öffnungszeiten. Die Generation, die jetzt aufwächst, kauft in der
Mittagspause per Smartphone ein. Sie ist beim Einkauf zeitlich und örtlich ungebunden. Unternehmen,
die nicht auf diese Entwicklung reagieren, wird es in
einigen Jahren nicht mehr geben.
Ihr Ansprechpartner: Heiko Oberlies
Tel.: 0228 2284 138 | E-Mail: [email protected]
Lesetipp
E-Commerce-Leitfaden
Die Gesellschaft ibi research, die eng mit
der Universität Regensburg verbunden ist,
hat einen kostenlosen Ratgeber E-Commerce-Leitfaden entwickelt. Auf über 400
Seiten geht es um E-Commerce, Shop-Systeme und Warenwirtschaft, die Bedeutung
einer intelligenten Suchfunktion, neue Zahlungsverfahren und die Internationalisierung über das Internet.
www.ecommerce-leitfaden.de
Büro- und Gewerbebau
an, dass ihre bisherigen Social-MediaAktivitäten sinnvoll waren, um das Image
zu verbessern und die Zielgruppe besser
zu erreichen.
Der Online-Marktplatz ...
... ähnelt dem Markt in der Innenstadt: Zahlreiche Händler bieten unterschiedliche Produkte an. Die bekanntesten
Internet-Marktplätze sind Amazon und
Ebay. Vorteil für den Händler: Der Marktplatzbetreiber bietet gegen Gebühr viele
Services an: automatische Bestellabwicklung, Zahlungsabwicklung, Ratenzahlung,
Mahnung, etc. Einige Online-Marktplätze sind branchenspezifisch. Equippo vertreibt z.B. Baumaschinen.
Der Local-CommerceMarktplatz ...
... ist eine lokale Verkaufsplattform. Zu
den ersten gehörte das von der Landesre-
gierung NRW geförderte Projekt Atalanta in Wuppertal. Die Strategie der lokalen
Anbieter ist, die eigene Innenstadt zu beleben. Atalanta kostet den Händler 20 Euro
pro Monat. Hinzu kommen 8 Prozent des
Warennettowertes beim Online-Verkauf.
Bonn hat bisher noch keinen Marktplatz
dieser Art.
Die Basis
für Ihren Erfolg.
Der eigene Online-Shop ...
... erfordert ein ausgereiftes Konzept und will täglich gepflegt werden.
Das Investment liegt bei mehreren tausend Euro. Hinzu kommen laufende
Kosten für das Hosting und ein SSL-Zertifikat, damit Kunden sicher zahlen können. Auch Updates und Werbung kosten
Geld. Der Online-Shop sollte daher von
Händlern betrieben werden, die entweder bereits sehr gut über andere Marktplätze verkaufen oder die Nischenprodukte anbieten.
Börsting Büro- und Gewerbebau GmbH
E-mail: [email protected]
www.boersting-gewerbebau.de