- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Aktivitäten des BAMFForschungszentrums zum
Thema „Flüchtlinge“
Über die Lebenssituation von Flüchtlingen und die
längerfristigen Auswirkungen der momentan starken
Asylzuwanderung auf die gesellschaftliche Entwicklung in
Deutschland ist jenseits der Daten zum Asylverfahren bisher wenig bekannt. Mithin fehlen auch die Ansatzpunkte
für eine passgenaue Integrationsförderung noch weitgehend. Das BAMF-Forschungszentrum arbeitet aktuell im
Rahmen mehrerer empirischer Projekte daran, diese
Lücken zu schließen.
BAMF-Flüchtlingsstudie 2014
Die BAMF-Flüchtlingsstudie 2014 wurde eigeninitiativ
entwickelt und hat das Ziel, die Lebenssituation von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen ab 18 Jahren
aus sechs Herkunftsländern (Afghanistan, Eritrea, Irak,
Iran, Sri Lanka und Syrien) zu untersuchen, die ihren Status im Asylverfahren zwischen 2008 und 2012 erhielten.
Es handelt sich um die erste repräsentative Befragung der
Zielgruppe mit den genannten Merkmalen in Deutschland. Erhoben wurde in einer bundesweiten, schriftlichen
Befragung von rund 2.800 Personen im Sommer 2014
neben allgemeinen Integrationsindikatoren auch die
Inanspruchnahme von Angeboten der Integrationsförderung, wie Sprachkursen und Beratungsstellen.
Erste Resultate im Rahmen einer im Januar 2016 veröffentlichten, stark rezipierten Kurzanalyse1 zeigen u.a.
eine relativ geringe Erwerbsbeteiligung, aber eine hohe
Dankbarkeit und Motivation der befragten Flüchtlinge zur
1
Worbs, Susanne/Bund, Eva: Asylberechtigte und anerkannte
Flüchtlinge in Deutschland. Qualifikationsstruktur, Arbeitsmarktbeteiligung und Zukunftsorientierungen. Ausgabe 1/2016 der Kurzanalysen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, Online:
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/
Kurzanalysen/kurzanalyse1_qualifikationsstruktur_asylberechtigte.
pdf?__blob=publicationFile
Info
BAMF-Kurzanalyse 03|2016
1
gesellschaftlichen Teilhabe in Deutschland. Die Vorlage
des ausführlichen Forschungsberichtes erfolgt im Oktober
2016.
IAB-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchteter
Ein zweites großes, quantitativ ausgerichtetes Forschungsprojekt zur Flüchtlingszuwanderung ist die Ende 2015
gestartete IAB-BAMF-SOEP-Flüchtlingsstichprobe. Dabei
handelt es sich um ein Kooperationsprojekt des Instituts
für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), der forschungsbasierten Infrastruktureinrichtung Soziooekonomisches Panel (SOEP) am Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) und des BAMFForschungszentrums. Im Mittelpunkt steht die Lebenssituation schutzsuchender Menschen in Deutschland,
also auch von Asylbewerbern im laufenden Verfahren,
Personen mit subsidiärem Schutz, anderen Schutzformen
oder mit Duldung. Geplant ist eine zunächst auf drei Jahre
angelegte längsschnittliche Befragung von seit 2013 in
Deutschland angekommenen Schutzsuchenden. Sie soll
verallgemeinerbare Daten zur Steuerung und Förderung
der Integration von Flüchtlingen beispielsweise in den
Arbeitsmarkt und in das Bildungssystem liefern. Darüber
hinaus werden Informationen zur Sprache, zur Wohnsituation, zur familiären Situation, zur gesellschaftlichen
Partizipation und zu Kontakten zu Deutschen sowie zur
Herkunftsgruppe erhoben. Weiterhin steht die Wirksamkeit von unterschiedlichen Förderprogrammen im Fokus.
Die erste Befragungswelle mit rund 2.000 Zielpersonen
ist im zweiten Quartal 2016 ins Feld gegangen, erste
Ergebnisse werden Ende 2016 vorliegen. Darüber hinaus
wurde die Hauptstudie mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aufgestockt,
sodass im Rahmen der zunächst drei Befragungswellen
jeweils weitere rund 2.000 Zielpersonen befragt werden
können. Dabei liegt der Schwerpunkt dieser Erweiterung
Aktivitäten des BAMF-Forschungszentrums zum Thema „Flüchtlinge“
auf geflüchteten Familien und deren Lebenssituation. Die
Erweiterung ist im dritten Quartal 2016 ins Feld gegangen, mit ersten Ergebnissen wird im ersten Halbjahr 2017
gerechnet. Im Zuge dieser Erhebungen entsteht eine in
Deutschland einzigartige, umfassende Datenquelle zur
Lebenssituation von Flüchtlingen.
Im Vorfeld der Hauptstudie der IAB-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchteter wurde eine qualitative Vorstudie
durchgeführt, in deren Rahmen 123 Personen mit Fluchthintergrund und 26 Experten aus der Flüchtlingsarbeit
in eineinhalb- bis zweistündigen Interviews befragt
wurden. Auch wenn diese qualitative Vorstudie keine
quantifizier- und verallgemeinerbaren Aussagen über
die Gesamtheit der Flüchtlinge zulässt, konnte ein erster
Einblick in die Lebenslagen, Erfahrungen, Einstellungen
und Erwartungen von geflüchteten Menschen gegeben
werden. So zeigte sich, dass die Mehrheit der Befragten
sich glücklich schätzt, in Deutschland zu leben. Dabei
sind die Hoffnungen und Erwartungen an ein Leben in
Deutschland hoch. Fast alle Befragten zeichnen sich durch
eine ausgeprägte Erwerbs- und Bildungsorientierung aus,
d.h. sie möchten sich ihren Lebensunterhalt eigenständig
verdienen und eine gute Bildung wird als Voraussetzung
für ein selbstbestimmtes Leben gesehen. Insbesondere
das Erlernen der deutschen Sprache wird von allen als
zentral für Teilhabe und Integration verstanden, weshalb
die Motivation Deutsch zu lernen hoch ist. Gleichwohl ist
das Einleben für die meisten schwieriger, als sie erwartet hatten. Als schwierig werden die Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften, das relativ lange und häufig
als intransparent wahrgenommene Asylverfahren, der
schwierige Zugang zum Arbeitsmarkt und die Herausforderungen beim Erlernen der deutschen Sprache gesehen.
Die meisten Befragten sind aber dennoch optimistisch,
dass ihnen ein Einleben in die Gesellschaft und der Aufbau
einer neuen Zukunft in Deutschland gelingen werden.
Resettlement
Ein weiteres, qualitatives Begleitforschungsprojekt zu
sog. Resettlement-Flüchtlingen wird seit 2014 im Auftrag
des BMI sowie des BAMF-Referats 213 (Resettlement/
Humanitäre Aufnahme) durchgeführt. Untersucht werden mittels qualitativer Leitfadeninterviews sowohl der
Verfahrensablauf als auch der Integrationsprozess der
Flüchtlinge im Resettlement-Programm in der ersten
Zeit nach der Ankunft. Befragt werden insgesamt ca. 100
Personen, die in den Jahren 2012 und 2014 in Deutschland
aufgenommen worden sind. Erste Ergebnisse im Rahmen eines im Erscheinen befindlichen Working Papers
(u.a. zu aufenthaltsrechtlicher Situation, Wohnsituation,
berufliche Orientierung und Arbeitsmarktpartizipation,
Spracherwerb und Rolle der Integrationsförderung vor
2
Ort) liefern ein umfassendes Bild zur Lebenssituation der
Resettlement-Flüchtlinge ca. eineinhalb Jahre nach ihrer
Ankunft in Deutschland.
Ergänzend zu den zuvor beschriebenen quantitativen
Erhebungen bietet diese Studie vertiefte Erkenntnisse zu
Lebenslage und Integrationsstrategien von geflüchteten
Personen. Die darauf basierenden praktischen Empfehlungen zur frühzeitigen Integrationsförderung sind über
die untersuchte Gruppe hinaus auch für andere Flüchtlinge mit Bleibeperspektive relevant.
Erklärungsansätze für Unterschiede
beim Zweitspracherwerb
Des Weiteren wird seit Ende 2015 das quantitative
Forschungsprojekt „Erklärungsansätze für Unterschiede
beim Zweitspracherwerb“ im Auftrag des BAMF-Referats
321 (Fragen der sprachlichen und politischen Bildung)
durchgeführt. Ziel des Projekts ist es, Erkenntnisse über
Determinanten des Zweitspracherwerbs von Migranten zu
gewinnen und durch einen besonderen Fokus auf die Bedarfe von Flüchtlingen Handlungsempfehlungen für die
Anpassung der Integrationskurse an die neue Zielgruppe
abzuleiten. Dazu wird auf Grundlage einer umfangreichen
Literaturanalyse soziologischer und sprachwissenschaftlicher Literatur eine Systematik relevanter Einflussfaktoren angefertigt.
Neben allgemeinen Faktoren (wie z.B. Bildung, Alter,
Bleibeperspektive, linguistische Distanz) soll ein besonderes Augenmerk auf jene Faktoren gelegt werden, die
sich speziell auf den Fluchtkontext beziehen und sich auf
den Spracherwerb von Flüchtlingen auswirken können
(z.B. Verarbeitung von Traumata, Bewältigung von Stress,
Unterbringung in Flüchtlingscamps, Bleibeabsicht).
Darauf aufbauend sollen die als relevant befundenden
Determinanten unter Berücksichtigung der Individualund Kursebene im Rahmen von Sekundärdatenanalysen
der Daten des BAMF-Integrationspanels, in dem Integrationskursteilnehmende mehrmals befragt wurden, auf den
empirischen Prüfstand gestellt werden. Die Ergebnisse
des Projekts sollen im 2. Halbjahr 2016 in einem Working
Paper veröffentlicht werden.
Soziale Komponente
Unabhängig von den laufenden bzw. geplanten Forschungsprojekten hat das Forschungszentrum des BAMF
seit dem 1. Januar 2016 auch Zugriff auf „SoKo“ (= „Soziale
Komponente“), einen anonymisierten Teilbereich der
Befragung von erwachsenen Asylbewerbern im Rahmen
ihrer Antragstellung. Hierbei werden den Antragstellern
Aktivitäten des BAMF-Forschungszentrums zum Thema „Flüchtlinge“
über die asylrelevanten Stammdaten hinaus auf freiwilliger Basis auch Fragen zu Schulbildung, Sprachkenntnissen und letzter beruflicher Tätigkeit gestellt. Die auf
diese Weise generierten Daten bieten spezifische Vorteile,
beinhalten aber auch Nachteile, die es bei einer möglichen
Interpretation zu beachten gilt. Der größte Vorteil liegt in
dem Volumen der Befragung: Im Jahr 2015 machten über
220.000 Personen Angaben zu ihrer Schulbildung, was
rund 73 % aller erwachsenen Antragsteller entspricht. Bei
keinem anderen Forschungsprojekt lassen sich derartige
Quantitäten erreichen. Nachteile liegen vor allem im
Bereich der Validität. So lässt sich aufgrund der Freiwilligkeit der Angaben, für die keine Nachweise notwendig sind,
nicht ausschließen, dass die Befragten strategisch antworten. Außerdem lassen sich die Schulsysteme und Berufsgruppen einzelner Herkunftsländer nur eingeschränkt
mit den deutschen vergleichen, was eine Einordnung in
die vorhandenen Kategorien schwierig macht. Dennoch
liefern die aus „SoKo“ gewonnen Erkenntnisse erste Informationen über die grundlegende Qualifikationsstruktur
der Asylerstantragsteller.
3
tenbank veröffentlicht. Demnach stellte bei 18 Prozent der
befragten volljährigen Asylerstantragsteller aus dem Jahr
2015 eine Hochschule die höchste besuchte Bildungseinrichtung dar. 20 Prozent gaben an ein Gymnasium, 32 Prozent eine Mittelschule, 22 Prozent eine Grundschule besucht zu haben und sieben Prozent hatten keine formelle
Schulbildung. Spezifika einzelner Top-10-Herkunftsländer
werden in der Kurzanalyse ebenso beleuchtet wie die
Sozialstruktur, die zuletzt ausgeübten Berufe und die
Fremdsprachkenntnisse der Befragten. Eine Aktualisierung der bereits erschienen Kurzanalyse wird im Oktober
2016 veröffentlicht und legt ihren Fokus auf volljährige
Asylerstantragsteller des ersten Halbjahres 2016.
In einer im Mai 2016 erschienen Kurzanalyse wurden
erstmals umfassende Auswertungen aus der „SoKo“-Da-
Gesamtverantwortung
Renate Leistner-Rocca
Stand
Oktober 2016
Das BAMF-Forschungszentrum im Internet:
http://www.bamf.de/forschung
Kontakt
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Frankenstr. 210, 90461 Nürnberg
[email protected]
www.bamf.de
Tel. +49 911 943 - 24031
Fax +49 911 943 - 24032
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Inhalte
Es handelt sich um die deutschlandweit erste große Befragung von
Flüchtlingen, die das Asylverfahren
mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen haben und wahrscheinlich
dauerhaft in Deutschland bleiben
werden. Zahlreiche Erkenntnisse für
die praktische Integrationsarbeit
sind zu erwarten.
Forschungsbericht Oktober 2016
Ergebnisse Kurzanalyse (Januar 2016)
Migrationsbiografie
Familiäre Situation
Sprachkenntnisse
Schulbildung, Ausbildung,
Erwerbstätigkeit
• Inanspruchnahme von
Integrationsmaßnahmen
• Wahrnehmung des
Asylverfahrens
• Schriftliche, bundesweite
Befragung auf Basis einer
AZR-Stichprobe
• n = 2.805
Methode
Relevanz
IAB-BAMF-SOEP- Befragung
Geflüchteter
Migrations-, Bildungs- und
Erwerbsbiografie
Sprachkenntnisse
Arbeitsmarktsituation
Familie und soziale Netzwerke
Werte und Einstellungen
Unterbringung und Integrationsmaßnahmen
Im Rahmen der Studie entsteht
eine in Deutschland einzigartige umfassende Datenquelle zur Lebenssituation von hier Schutz suchenden
Menschen.
Hauptstudie:
Erste Ergebnisse Ende 2016
IAB-Kurzbericht 15/2016; verfasst
von Autoren von IAB, QMR, DIW
und BAMF-FZ
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• Qualitative Leitfadeninterviews;
n = 123
• Expertenbefragung; n = 26
• Computerunterstütze
Persönliche Befragung (CAPI)
Längsschnittbefragung (geplant
2016, 2017, 2018)
• n = ca. 2.000 + 2.000 (Aufstockung)
• Asylbewerber, Asylberechtigte
und anerkannte Flüchtlinge
und Geduldete
(§3 Abs. 1 AsylG) aus Afghanistan,
• Ankunft in Deutschland ab 2013
Eritrea, Irak, Iran, Sri Lanka, Syrien
• Anerkennung zwischen
2008 und 2012
Zielgruppe • Asylberechtigte (Art. 16a GG)
BAMF-Flüchtlingsstudie 2014
Die Studie bietet anhand der Untersuchung einer kleineren Gruppe vertiefte und
aktuelle Erkenntnisse zur Lebenslage und
Integrationsstrategien von geflüchteten
Personen. Die darauf basierenden praktischen Empfehlungen zur frühzeitigen
Integrationsförderung sind auch für andere
Flüchtlinge mit dauerhafter Bleibeperspektive relevant.
Kurzanalyse (April 2016)
Working Paper 2. Halbjahr 2016
• Umstände der Migration
• Individuelle Integrationserfahrungen
• Teilnehmerperspektive auf Resettlement-Programm
• Qualitative Leitfadeninterviews (mit Teilnehmern des Resettlement-Programms);
n = 100
• Expertenbefragung; n = 13
• Kontingent-Flüchtlinge aus dem
Resettlement-Programm des UNHCR
Resettlement-Flüchtlinge
Erkenntnisse über Determinanten
des Zweitspracherwerbs von
Migranten; Anpassung der
Integrationskurse an neue Zielgruppe
Working Paper 2. Halbjahr 2016
• Allg. Einflussfaktoren auf den
Erwerb der Deutschen Sprache
• Faktoren auf Individual- und
Kursebene
• Besonderer Schwerpunkt auf
den Bedarf von Flüchtlingen
• Umfangreiche Literaturanalyse
• Sekundärdatenanalyse der Daten
des Integrationspanels
• (n = ca. 2.000)
• Teilnehmer an Integrationskursen (mit besonderem Fokus auf
Flüchtlinge)
Zweitspracherwerb
Sozialstruktur
Schulbildung
Berufserfahrung
Sprachkenntnisse
Erkenntnisse über die Sozialstruktur, Schulbildung, zuletzt
ausgeübten Berufe und Fremdsprachkenntnisse der volljährigen
Antragsteller in bisher unerreichter
Größe
Kurzanalysen (Mai 2016 und
Oktober 2016)
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• Datenerhebung während der
Asylerstantragstellung durch
BAMF-Mitarbeiter mit Hilfe
eines Dolmetschers
• Auswertung der anonymisiert
hinterlegten Angaben der volljährigen Asylerstantragsteller
• n für Schulbildung 2015 = ca.
220.000 (73 % der volljährigen
Asylerstantragsteller)
• Volljährige Asylerstantragsteller
Soziale Komponente (SoKo)
Aktivitäten des BAMF-Forschungszentrums zum Thema „Flüchtlinge“
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