DIALOG MIT BIBLIOTHEKEN 2016/2 BOOKEYE® 4 Informieren Sie sich noch heute wie hervorragend Sie mit einem Buchscanner von Image Access scannen können und sparen Sie 5 % bei Ihrer ersten Bestellung! Ihr Aktions-Code: SuperScannenDmB215 Image Access GmbH [email protected] www.imageaccess.de 28. Jahrgang ISSN 0936-1138 Kontakt BESUCHEN SIE UNS! Auf der Frankfurter Buchmesse vom 19. bis 23. Oktober 2016 Dr. Elisabeth Niggemann Generaldirektorin Telefon +49-69-1525-1000 E-Mail [email protected] Michael Fernau Ständiger Vertreter der Generaldirektorin in Leipzig Telefon +49-341-2271-227 E-Mail [email protected] Ute Schwens Ständige Vertreterin der Generaldirektorin in Frankfurt Telefon +49-69-15 25-1100 E-Mail [email protected] Dr. Britta Woldering Marketing und Kommunikation Telefon +49-69-1525-1541 E-Mail [email protected] Stephan Jockel Pressesprecher Telefon +49-69-1525-1005 E-Mail [email protected] Dr. Kurt Schneider Digitale Dienste Telefon +49-69-1525-1066 E-Mail [email protected] Bibliografische Auskunft Leipzig Telefon +49-341-2271-453 E-Mail [email protected] Bibliografische Auskunft Frankfurt am Main Telefon +49-69-1525-2500 E-Mail [email protected] Deutsche Nationalbibliothek Deutscher Platz 1 04103 Leipzig Telefon +49-341-2271-0 Deutsche Nationalbibliothek Adickesallee 1 60322 Frankfurt am Main Telefon +49-69-1525-0 in Halle 4.2 am Stand K83 Wir freuen uns auf das persönliche Gespräch mit Ihnen und erwarten Sie am Stand mit Informationen zu den vielfältigen Angeboten der Deutschen Nationalbibliothek. Für Fragen | zur Gemeinsamen Normdatei (GND), | zur Ablieferung von Netzpublikationen, | zu den bibliografischen Angeboten und Diensten, | zum Lizenzierungsservice Vergriffene Werke und | zu Resource Description and Access (RDA) stehen Ihnen von Mittwoch bis Sonntag weitere Fachkolleginnen und Fachkollegen zur Verfügung, Sprechzeiten unter www.dnb.de/veranstaltung. Besuchen Sie auch die Führungen und Lesungen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse, zu denen wir Sie herzlich in die Räume der Deutschen Nationalbibliothek an der Adickesallee 1 einladen. Newsletter http://www.dnb.de/newsletter Sie finden uns auch auf Facebook und Twitter. Ihre Ansprechpartnerin: Frau Uta Ackermann, E-Mail: [email protected] www.dnb.de Impressum Dialog mit Bibliotheken ISSN 0936-1138 Herausgeberin: Deutsche Nationalbibliothek, vertreten durch die Generaldirektorin Dr. Elisabeth Niggemann Redaktion/Anzeigen: Esther Frey (verantwortlich), Telefon +49-69-1525-1006, [email protected] Anschrift der Herausgeberin, der verantwortlichen Redakteurin und der für den Anzeigenteil Verantwortlichen: Deutsche Nationalbibliothek, Adickesallee 1, 60322 Frankfurt am Main Erscheinungsweise: Zweimal jährlich. Jahresabonnement: EUR 15,00. Einzelexemplar: EUR 7,50 Satz und Druck: Druckmedienzentrum Gotha GmbH, 99867 Gotha Diese Publikation wurde auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier im Sinne ISO 9706 gedruckt. Inhalt Dr. Elisabeth Niggemann 3 EDITORIAL FORUM Renate Behrens 4 »Was mache ich mit der Haarlocke?« – RDA und Spezialbestände Mathias Manecke 8 Museum im Netz Christian Schütz 16 Projekt »ISSN-Integration« Jessica Hubrich, Hans-Jörg Lieder 22 Die Zeitschriftendatenbank und die Digitalisierung historischer Zeitungen in Deutschland Dr. Dirk Weisbrod 29 Forschungsdaten in Dissertationen Dr. Eric W. Steinhauer 31 10 Jahre Pflichtablieferung von Netzpublikationen – Eine Baustelle wird besichtigt Dr. Sören Flachowsky 37 Der gelbe Stern in der Wissenschaft Dr. Christian Rau 45 Die Deutsche Bücherei und der Fall Carl Diesch Dr. Stephanie Jacobs 50 Fellowship Internationales Museum Ida Kandler 54 Schmonzetten, Schmäh und Parodie ZEITPUNKTE Susanne Oehlschläger 57 Digitales Gedächtnis Annett Koschnick 60 Das Leipziger Bibliotheksgebäude wird 100 Julia Rinck 61 Leibnix – Das Universalgenie im Mosaik Jesko Bender 64 Was ist eigentlich Heimat? Annett Koschnick 66 Veranstaltungsvorschau Barbara Fischer 69 Nachgelesen – Ein Veranstaltungsrückblick NOTIZEN 72 Personelles 74 Neue Veröffentlichungen 76 Fachveranstaltung Dialog mit Bibliotheken 2016/2 1 GESELLSCHAFT FÜR DAS BUCH E.V. Sie fühlen sich der Deutschen Nationalbibliothek verbunden? Sie möchten die Deutsche Nationalbibliothek als ein Zentrum der Wissenschaft und Kultur fördern? Sie befinden sich gerne in anregender Gesellschaft und treffen an Kultur interessierte Menschen? Sie möchten exklusive Führungen durch die Deutsche Nationalbibliothek und deren Ausstellungen erleben und persönliche Einladungen zu den kulturellen Veranstaltungen erhalten? Werden Sie Mitglied in der Gesellschaft für das Buch e. V.! Ziel des Freundes- und Förderkreises ist es, die Deutsche Nationalbibliothek in ihren vielfältigen Aufgaben und ihrem Kulturprogramm finanziell und ideell zu fördern. Mit Ihrem Engagement unterstützen Sie die Bibliothek dabei, Ausstellungen, Lesungen, Tagungen, Publikationen und pädagogische Angebote zu realisieren. Weitere wichtige Aufgaben sind die Bewahrung der Bestände und die Erweiterung von besonderen Sammlungen. Wir freuen uns auf Sie und informieren Sie gerne über mögliche Formen der Mitgliedschaft. Gesellschaft für das Buch e. V. c/o Deutsche Nationalbibliothek Adickesallee 1 60322 Frankfurt am Main Tel: 069 1525-1026 E-Mail: [email protected] www.dnb.de/foerderer Editorial Im Herbst 2016 schaut der Dialog auf mehrere Facetten unserer Vergangenheit: Von den Medien intensiv wahrgenommen, jährte sich die Einweihung unseres Leipziger Gründungsgebäudes am 2. September zum 100sten Mal. In nur vier Jahren nach Gründung der Bibliothek wurde es am Deutschen Platz in Leipzig errichtet. Einen anderen Blick in die Vergangenheit werfen die beiden Historiker, die sich mit der Geschichte der Deutschen Nationalbibliothek befassen. In Foto: Deutsche Nationalbibliothek, einem Beitrag erlaubt ein Einzelschicksal einen Einblick in die Praxis der Stephan Jockel Bibliothekspolitik der Sowjetischen Besatzungszone. Im Beitrag über das »Erkundungsreferat« des Propagandaministeriums dagegen wird deutlich, wie sehr die bibliografische Zuarbeit der Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Deutschen Nationalbibliothek zur Ausgrenzung der Juden aus dem Kulturleben und der Vernichtung ihrer kulturellen Leistungen beitrug. Ein Kapitel, dessen Aufarbeitung uns ganz besonders wichtig ist. Zehn Jahre sind vergangen, seit der Bundestag das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG) beschlossen und damit den Sammelauftrag auf Netzpublikationen ausgeweitet hat. Regelungen zum Pflichtexemplarrecht auf Länderebene folgten in unterschiedlichen Ausprägungen – und gingen zum Teil weiter als das DNBG. Der auf Bibliotheksrecht spezialisierte Jurist und Bibliothekar Eric W. Steinhauer besichtigt für uns die »Baustelle« der Pflichtablieferung von Netzpublikationen. In einem Workshopbericht lesen Sie außerdem, was mit Repräsentanten aus Bibliotheken, Archiven und Museen, aus Verlagen und der Musikindustrie sowie mit Vertreterinnen der Beauftragten für Kultur und Medien zum Thema Sammelkriterien erarbeitet wurde. Im Bestand des Deutschen Musikarchivs finden sich eine ganze Reihe historischer Tonträger mit Kabarett- und Satireaufnahmen aus den 1900er- bis 1930er-Jahren. Sketche, Couplets, aber auch humoristische Mundartdichtung und Parodien zogen damals von den Varietébühnen in die guten Stuben einer breiten Bevölkerungsschicht ein. Mit der Online-Kollektion »Schmonzetten, Schmäh und Parodie« bringen wir diese Bestände des Deutschen Musikarchivs wieder zu Gehör. Ein wesentlicher Aspekt unserer täglichen Arbeit sind Daten. Seien es Spezialbestände und ihre Beschreibung in RDA, oder Forschungsdaten in Dissertationen, sei es die Arbeit der nationalen ISSN-Agentur, oder der Zeitschriftendatenbank. Zu diesen Themen berichten wir in der vorliegenden Ausgabe ebenso, wie über Leibniz im Comicmagazin Mosaik – und im Herbst im Deutschen Buch- und Schriftmuseum –, über das Fellowship Internationales Museum und einen Workshop des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945 mit Schülerinnen und Schülern einer 10. Klasse über die Frage »Was ist eigentlich Heimat?«. Zu Führungen und literarischen Veranstaltungen, auch im Rahmen der Frankfurter Buchmesse, laden wir Sie herzlich in unsere Häuser in Leipzig und Frankfurt am Main ein. Am Messestand (Halle 4.2 | Stand K83) bieten wir Informationen zu unseren Dienstleistungen und Projekten ebenso wie Beratungen für Ablieferungspflichtige an. Wir freuen uns auf das persönliche Gespräch mit Ihnen! Elisabeth Niggemann Dialog mit Bibliotheken 2016/2 3 Forum Renate Behrens »Was mache ich mit der Haarlocke?« – RDA und Spezialbestände RDA ist im deutschsprachigen Raum eingeführt Nach der erfolgreichen Einführung des Standards Resource Description and Access (RDA) im deutschsprachigen Raum Ende 2015 kann die Bibliotheksgemeinschaft in einen produktiven Arbeitsalltag zurückfinden. Die Ausarbeitung zahlreicher Anwendungsrichtlinien und Arbeitsanweisungen, die Durchführung umfangreicher Schulungen und weiterer Unterstützungsangebote sollten hierfür ausreichend gewesen sein. Allerdings konnten mit dem ersten Umstieg auf RDA nur die zu den Partnern des RDA-Projekts gehörenden Bibliotheken versorgt werden. Das sind in der Regel die in Bibliotheksverbünden organisierten Bibliotheken und die Nationalbibliotheken im D-A-CH-Raum. Dem gegenüber stehen Bereiche wie der der öffentlichen Bibliotheken, die erst mit der Umstellung begonnen haben sowie Institutionen und Materialarten, die beim ersten Implementierungsschritt gar nicht berücksichtigt werden konnten. Dies geschah aus praktischen Erwägungen: Die Beschäftigung mit Sondermaterialien hätte den gesetzten Zeitrahmen gesprengt und die Implementierung der RDA deutlich verzögert. Erschließung von Sondermaterialien Mit dieser pragmatischen Lösung steht der deutschsprachige Raum nicht alleine da. Alle Implementierenden sind bislang so verfahren und haben die Behandlung von Sondermaterialien hinten angestellt. Das führt zu dem berechtigten Vorwurf an die RDA Community, dass sich bislang überwiegend Bibliotheken damit beschäftigen, obwohl der Standard für Gedächtnisinstitutionen aller Varianten gedacht ist. Dies wird bei näherer Betrachtung jedoch verständlich. 4 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Eines der wichtigsten Ziele bei der Entwicklung der RDA war es, einen Standard zu schaffen, der für Bibliotheken ebenso geeignet sein sollte, wie für Museen und Archive. Noch sind die RDA stark bibliothekslastig und kommen bislang fast nur in Bibliotheken zum Einsatz. Ein weiterer grundlegender Ansatz der RDA ist es, für alle Materialarten geeignet zu sein. Auch dieser Ansatz hält in der praktischen Anwendung nicht stand, wurde aber wesentlich stringenter umgesetzt. Durch das konsequente Vermeiden von Regelwerken neben dem Regelwerk, wie es beispielsweise die Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK) kannten (RAK-Musik, RAK-NBM), konnte bislang eine Aufsplitterung des Standards vermieden werden. Im deutschsprachigen Raum fand dies nicht immer Anklang, wurde doch mit einer Tradition gebrochen. Wie dieser Ansatz durchsetzbar ist, werden die praktischen Erfahrungen zeigen.1 Neuorientierung der RDA-Gremien Die oben aufgezeigten Schwächen sind den die RDA betreuenden Gremien (RDA Board und RDA Steering Committee, RSC) nur allzu bekannt und wurden vor rund zwei Jahren erstmals auch deutlich benannt. So betonte Simon Edwards, der Vorsitzende des RDA Board bereits in seinem Aufruf zur Neuorientierung der RDA-Gremien »Reflect different communities in line with the strategic plan (e.g. cultural/heritage sector)« verbunden mit der Forderung nach »Expanding use [of RDA] by the wider cultural sector«. Dieser Aufruf wurde in den folgenden Monaten konkretisiert und hat seinen Niederschlag auch in der Organisationsstruktur der RDA-Gremien gefunden. In beiden Gremien werden in der nahen Zukunft Sitze für Mitglieder aus Kultureinrichtungen außerhalb der Bibliotheken vergeben werden. Im Gegenzug wurden die RDA sind bibliothekslastig Forum Mitgliedschaften der Bibliotheken reduziert und es gibt nur noch eine Vertretung pro Kontinent, beispielsweise die European Regional Representation. Öffnung der RDA-Gemeinschaft im deutschsprachigen Raum Ausweitung auf weitere Kultureinrichtungen Suchbarkeit der Bestände Analog zu dieser Entwicklung hat sich auch der Standardisierungsausschuss, bislang das Entscheidungsgremium für Bibliotheken im deutschsprachigen Raum, dazu entschieden, künftig Mitglieder aus weiteren Kultureinrichtungen aufzunehmen. Diese Entwicklung soll noch in diesem Jahr beschlossen und voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahres umgesetzt werden. Es mag verwundern, dass auch in diesem Zusammenhang die Bibliotheken und ihre Gremien den Anstoß geben. Dies ist dem praktischen Bedarf innerhalb vieler Bibliotheken geschuldet. In fast jeder Bibliothek gibt es Sondermaterialien. Dies mögen Fotos sein, Briefsammlungen oder auch Objekte aller Art. Mit der Umstellung auf RDA müssen auch diese Bestände regelgerecht erschlossen werden. Leider ist dies oft nicht möglich. Ist eine Haarlocke ein Werk und wer ist der geistige Schöpfer dieses Werks? Fragen, die sich alle, die mit Sondermaterialen und besonders mit den nichtpublizierten Ressourcen beschäftigen, früher oder später stellen müssen. In der Vergangenheit haben sich die Bibliotheken weltweit überwiegend dafür entschieden, solche Bestände nicht nach RDA zu erschließen. Wenn man nun aber einen weiteren sehr wichtigen Ansatz der RDA betrachtet, nämlich die Priorisierung der Suchbarkeit der Bestände, dann wird hier der Mangel sofort deutlich. Wer sich mit der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff beschäftige, will selbstverständlich ihre Werke und deren Manifestationen finden, aber vielleicht auch die im Fürstenhäusle in Meersburg aufbewahrte Haarlocke. Was möchten Archive und Museen? Der Handlungsbedarf von Seiten der Bibliotheken ist also klar. Wie aber sieht es mit den Archiven, Museen und weiteren Kultureinrichtungen aus? Hier stellt sich die Sachlage grundsätzlich anders dar. Ein dem Standardisierungsausschuss vergleichbares Gremium gibt es nicht. Manche Institutionen handeln zudem mehr individuell und ganz auf ihren konkreten Bedarf bezogen. Für die Erschließung und Erfassung von Metadaten gibt es gut ausgearbeitete Standards, die in der Praxis erfolgreich angewendet werden und die genau auf die Ressourcen in diesen Bereichen zugeschnitten sind. Darüber hinaus dient die Erschließung beispielsweise im Bereich der Unikate hauptsächlich der Inventarisierung und ein Datentausch über die eigene Institution hinaus findet in der Regel gar nicht statt. Warum nun also einen Standard wie RDA anwenden, der zu dem auf den ersten Blick ungenügend für die eigenen Bedürfnisse ist? Eine sehr berechtigte Frage. Dementsprechend war das Interesse der Archiv- und Museumsgemeinschaft zu Beginn der Implementierungsphase der RDA im deutschsprachigen Raum eher zurückhaltend. Hinzu kommt, dass auch in diesen Bereichen die Ressourcen knapp sind und auf das Wesentliche konzentriert werden müssen. Folglich war der erste Ansatz aus dem RDA-Projekt im D-A-CH-Raum nicht besonders erfolgreich. Der Versuch, Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Kultureinrichtungen an einen Tisch zu bringen und eine gemeinsame Arbeit am Standard RDA zu initiieren wurde höflich verfolgt, führte jedoch zunächst nicht zu einem Ergebnis. Das Interesse war jedoch geweckt, und im Bereich der Archive und Museen gibt es genügend Kolleginnen und Kollegen, die dem Ansatz von Sichtbarkeit und Austauschbarkeit von Metadaten der eigenen Bestände auf der internationalen Ebene sehr nahe stehen und eine Zusammenarbeit mit den Bibliotheken in diesem Bereich anstreben. Die Reduzierung auf ein konkretes Projekt brachte hier den Durchbruch. Im Bereich der Literaturarchive im deutschsprachigen Raum werden seit vielen Jahren die Regeln für Nachlässe und Autographen (RNA) als ein sehr praktikables und überschaubares Regelwerk für die Erschließung eingesetzt, welche allerdings einer Aktualisierung bedürfen und gleichzeitig mit dem Standard RDA kompatibel sein sollen. Verantwortlich für dieses Regelwerk ist die Koop Litera, ein Kompetenz-Netzwerk für Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Erste Erfolge bei der Zusammenarbeit 5 Forum Arbeitsgruppe RNA/RDA Weitere Sonderarbeitsgruppen 6 Nachlässe in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg. Gemeinsam mit der Arbeitsstelle für Standardisierung in der Deutschen Nationalbibliothek wurde von Vertreterinnen und Vertretern der Koop Litera im Jahr 2014 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die diesen Ansatz umsetzt und dem Standardisierungsausschuss zuarbeitet. Geleitet wird die Gruppe von Kolleginnen und Kollegen der Staatsbibliothek zu Berlin und des österreichischen und des schweizerischen Literaturarchivs. Kern der Arbeitsgruppe sind Expertinnen und Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Neben der Aktualisierung der RNA wird in dieser Arbeitsgruppe erstmals ein neuer Ansatz verfolgt. Bislang war es angedacht, Regelungen, die für bislang in den RDA noch nicht berücksichtigte Ressourcen benötigt werden, direkt in den Standard einzubringen. Dies erschien zunächst richtig und konsequent, sollten die RDA doch ein Regelwerk für alle Kultureinrichtungen und alle Materialien sein. In der Praxis hat sich dies allerdings als nicht zielführend erwiesen. Zum einen würde der Standard RDA aufgeschwemmt und das bereits schon jetzt sehr umfangreiche Regelwerk sehr unübersichtlich werden. Zum anderen sind viele Kultureinrichtungen nur dann bereit sich in die RDA-Anwendergemeinschaft zu begeben, wenn ihre eigenen Standards mit den RDA kompatibel gemacht werden, das heißt Regelungen, die in ihren Bereichen passen, werden aus den RDA übernommen; für Regelungen die darüber hinaus benötigt werden, bleiben ihre eigenen Standards erhalten. Im konkreten Beispiel der RNA wird dies so aussehen, dass alle bereits in den RDA geregelten Sachverhalte aus den RNA gestrichen und in die RDA Verweise auf RNA eingebracht werden für die Regelungen, die darüber hinaus benötigt werden. Mit genau diesem Ansatz hat sich auch bereits die Expertengruppe Sacherschließung, eine Arbeitsgruppe des Standardisierungsausschusses, beschäftigt. Sie wird bis Ende 2016 eine an den RDA überarbeitete Fassung der Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK) vorlegen. Nach dem erfolgreichen Start der Arbeitsgruppe RNA/RDA wurden weitere Sonderarbeitsgruppen, die dem Standardisierungsausschuss zuarbeiten, eingerichtet. Dies sind die AG Alte Drucke, die be- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 reits Arbeitsergebnisse in Form von Anwendungsrichtlinien und Schulungsunterlagen vorgelegt hat, sowie die neue AG Bild, die erst im Herbst dieses Jahres ihre Arbeit aufnimmt und sich mit der Erschließung von Bildmaterial (vom Foto bis zum Ölgemälde) beschäftigen wird. Eine weitere Arbeitsgruppe zu mittelalterlichen Handschriften ist geplant. All diese Gruppen sind mit Fachkolleginnen und Fachkollegen aus Institutionen besetzt, die über den Kreis der Bibliotheken hinausgehen. Weiterentwicklung der RDA Ein Anfang im deutschsprachigen Raum ist gemacht und die begonnenen Arbeiten werden die Expertinnen und Experten in den nächsten Jahren beschäftigen. Ziel der Arbeitsgruppen für Sondermaterialien ist es aber nicht nur, Lösungen für die konkrete Arbeit in den Institutionen zu finden. Diese kurzfristigen Lösungen werden für die praktische Arbeit gebraucht, gerade für Institutionen, die Ressourcen sowohl aus dem Bibliotheks- als auch aus dem Archivbereich sowie Objekte und nichtpublizierte Ressourcen in ihren Beständen halten und erschließen möchten. Darüber hinaus ist es den Kolleginnen und Kollegen aber ein großes Anliegen, an der Weiterentwicklung der RDA selbst mitzuarbeiten und verstärkt die Bedürfnisse der europäischen Community einzubringen. Die strategische Neuausrichtung, die das RDA Board zurzeit umsetzt, fordert auch genau dies, indem es die wirkliche Internationalisierung des Standards als eine der Prioritäten für die nächsten Jahre formuliert hat. Was aber bedeutet dieser bislang nur theoretische Ansatz in der Praxis? Eine Öffnung des Standards RDA für weitere Kultureinrichtungen kann keine Einbahnstraße sein. Die Vorreiterrolle der Bibliotheken muss in eine wirkliche Partnerschaft münden. Das bedeutet, die RDA selbst müssen flexibler werden. Es ist bereits jetzt klar, dass eine Einszu-eins-Adaption für Archive und Museen nicht infrage kommt. Die im deutschsprachigen Raum begonnene Anpassung und Verlinkung bestehender Standards aus diesen Bereichen mit dem RDA Toolkit ist beispielsweise ein Ansatz in diese Richtung. Auch die geplante Neustrukturierung des Forum Prinzipienbasierter Grundlagenstandard RDA Toolkit lässt hier auf Veränderungen hoffen und könnte eine große Chance für die Einbindung weiterer Kultureinrichtungen sein. Grundvoraussetzung ist hierfür Offenheit und ein Blick auf das Wesentliche mit gleichzeitiger Akzeptanz für Veränderungen, auch wenn diese Veränderungen mit dem Verlust von Traditionen einhergehen. Auch wird das bereits in den RDA festgelegte Prinzip des »Cataloguers Judgement« weiter ausgebaut werden müssen, und der Standard RDA muss sich noch mehr zu einem Prinzipienbasierten Grundlagenstandard entwickeln, der die Basis für Spezialregelwerke darstellt. Ein überaus wichtiger Ansatz bei der Einbeziehung von Kultureinrichtungen über den Kreis der Bibliotheken hinaus ist die Verwendung von Normdaten bei der Erschließung. Hier besteht ein allgemeiner Konsens und es gibt bereits einige Beispiele im deutschsprachigen Raum für die praktische Verwendung von Normdaten aus der Gemeinsamen Normdatei (GND). So werden beispielsweise in der Wikipedia, in der Datenbank des Bildarchiv Foto Marburg und in metagrid.ch, einer Online-Vernetzung von Materialien zur Schweizer Geschichte, Daten mittels Normdatenverlinkungen verbunden. Da der Bereich der Normdaten in den RDA gut ausgearbeitet ist und bereits über die GND in praktische Anwendungen eingeflossen ist, besteht Grund zu Optimismus für eine weitere Zusammenarbeit der Kultureinrichtungen auch im Hinblick auf die bibliografischen Daten. Die Bereitschaft zu Flexibilität und gegenseitiger Offenheit für Veränderungen bei allen Beteiligten ist hierfür jedoch die Grundvoraussetzung. Die Nutzerinnen und Nutzer unserer Kultureinrichtungen sind hier sicherlich schon einen Schritt weiter. Für sie ist es bei der Recherche zu einem Thema wichtig, dass auch eine Haarlocke, ein Briefwechsel, ein Buch oder ein Hörspiel gefunden werden. Dies sollte uns zu denken geben und uns Ansporn sein. Weitere Zusammenarbeit bei Normdaten Anmerkungen 1 Siehe auch Manecke, Mathias: Museum im Netz, Seiten 8 bis 15 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 7 Forum Mathias Manecke Museum im Netz Integration musealer Daten ins Portal der Deutschen Nationalbibliothek und erste Erfahrungen mit der RDA-nahen Erschließung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Einleitung Die Bestände des Deutschen Buch- und Schriftmuseums (DBSM) speisen sich aus dem Erbe verschiedener Vorgängerinstitutionen, dem Erwerb geschlossener Sammlungen und der laufenden Ergänzung der großen, das Gesicht des DBSM prägenden Sammlungen. Schon bei den wichtigsten Vorgängerinstitutionen1 wurde Wert auf ein möglichst breites Sammelspektrum gelegt, um die Buch-, Schrift- und Papiergeschichte in all ihren Facetten anhand von archivalischen Quellen dokumentieren, durch museale Sachzeugen veranschaulichen und durch geeignete Fachliteratur erschließen zu können. Neben den großen Buchsammlungen finden sich in den Sammlungen die verschiedensten Materialien: Archivalien, Buntpapiere, Exlibris, Grafiken, Maschinen, Plakate, Schreibgeräte, Wasserzeichen-Belege, Werkzeuge usw.2 Erschließungsregeln Vier Sparten mit ihren Erschließungstraditionen 8 Mit dieser heterogenen Gemengelage kann und muss sich das DBSM bei seiner Erschließung gleich an vier Sparten orientieren: – den Bibliotheken als Verwalter von publiziertem Wissen, – den Museen, Denkmalämtern etc. als Verwalter von musealem Kulturgut, – den Verwaltern von kommunalem, staatlichem und kirchlichem Archivgut, – den Verwaltern von Nachlässen und Autografen. Alle vier Bereiche folgen unterschiedlichen Erschließungsregeln. Wenn auch immer wieder betont und auch von den anderen Bereichen weitgehend anerkannt wird, dass das Bibliothekswesen in Hinsicht auf Erschließungsregelwerke die längsten Traditio- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 nen aufzuweisen hat, haben auch die anderen Bereiche eigene, mehr oder weniger stark ausgeprägte Systeme von Regeln, die jeweils die Vergleichbarkeit der Erschließungsleistungen und letztlich unter anderem den Austausch von Erschließungsergebnissen zum Ziel haben. Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass jeder Bereich andere Sachverhalte für regelungswürdig hält. Viele Museen folgen dem SPECTRUM UK Museum Documentation Standard3. Dieser regelt allerdings weniger, welche einzelnen Attribute bei der Erschließung wie erfasst werden sollen, sondern vielmehr, welche Arbeitsschritte bei der Museumsdokumentation durchlaufen und welche Standards dabei eingehalten werden sollen. Es ist also eher ein Regelwerk für den Prozess der Inventarisierung, Erschließung, Verwendung und Verwaltung von Kulturgut. Dabei wird jedem Prozess-Schritt eine »Liste der Informationseinheiten« zugeordnet, die am ehesten mit den Attributen zu vergleichen sind, die wir in Bibliotheksdatenbanken kennen. Auch die Definition von Entitäten und Relationen zwischen diesen Entitäten ist dem Standard nicht fremd. Der Standard ist relativ neu4. Eine alte Tradition der musealen Erschließungspraxis ist hingegen die Forderung, alle museale Erschließung an den fünf W-Fragen (wer, wann, wo, was, wie) auszurichten. So entstand bereits in den 1970er-Jahren unter der Federführung von Dr. Christof Wolters das prototypische Dokumentationssystem »Musdok«. Das zugrunde liegende Datenmodell orientierte sich bereits an den W-Fragen. »Dieses Konzept findet sich im CIDOC CRM (ISO 21127:2006)5 wieder und hat mit der Verabschiedung von Lido als internationalem Publikationsformat für Museumsdaten Einzug in die Museumspraxis gefunden.«6 Archive haben einen völlig anderen Ansatz. Aus deren Sicht sind Regelungen zu den zu erfassenden Attributen eher Nebensache. Das zentrale Erschließungsinstrument ist das Findbuch. Im Wesentlichen kennt dieses nur ganz wenige Attribute (Signatur, Betreff [Inhaltsangabe], Laufzeit, Umfang und Benutzungsbedingungen). Hauptaugenmerk der Internationale museale Erschließungsstandards Archivarische Erschließung Forum Erschließung in Literatur- und Kunstarchiven Bibliothekarische Erschließung archivarischen Erschließungsregeln ist, einheitliche Verfahren bei der Abbildung von Verwaltungsstrukturen zu schaffen. Denn Ziel jeder archivarischen Erschließung ist es, anhand der vorliegenden Dokumente einen Verwaltungsvorgang nachvollziehbar zu dokumentieren. Das Dokument an sich ist mit den wenigen genannten Attributen hinreichend erschlossen, allerdings nur, wenn es sinnvoll einer Verwaltungsstruktur zugeordnet wurde. Dabei geht das Archivwesen davon aus, dass solche Strukturen immer ähnlich aufgebaut, aber dennoch von Archiv zu Archiv verschieden sind. Die Archive haben sich deshalb mit den Encoded Archival Description (EAD)7 einen Standard zur Kodierung von Online-Findbüchern geschaffen, mit dessen Hilfe es möglich ist, beliebige Findbuch- und damit Verwaltungsstrukturen auf immer gleiche Art und Weise abzubilden. Aus Sicht des Bibliothekswesens wird hier also vor allem geregelt, wie die Teil-Ganzes-Beziehungen von Bestandsstrukturen abzubilden sind. Die Literatur- und Kunstarchive haben ein ähnliches Anliegen. Auch diese versuchen, ihre Bestände (in der Regel Nachlässe) so zu erschließen, dass deren Tektonik nachvollziehbar wird. Als eigenständige Gruppe wird sie hier lediglich deshalb erwähnt, weil sie im Gegensatz zu den Verwaltungs-Archiven davon ausgeht, dass Gliederungen von Nachlässen eben doch meist dem gleichen Schema folgen können. Dieses Schema gibt das dafür geschaffene Regelwerk, die Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA)8 vor. In den Erschließungsregeln der Bibliothekswelt spielen Anforderung zur Gliederung von Beständen und deren Abbildung in Katalogen so gut wie keine Rolle. Weder die RAK (Regeln für die alphabetische Katalogisierung) noch die RDA (Resource Description and Access) kennen Regeln, wie ein Bestand gegliedert und wie eine Signatur aufgebaut werden sollte. Die Zuordnung zu einem Bestand wird durch die Signatur ausgedrückt. Mehr ist nicht zu regeln. Zwar gibt es in bibliotheksorientierten Datenbanken diverse Felder zur Erschließung derartiger Sachverhalte (Signatur, Altsignatur, Standort, Inventarnummer etc.), aber eine Abbildung von Teil-Ganzes-Beziehungen im Sinne der EAD oder der RNA findet nicht statt. Vielmehr stehen bibliografische Hierarchien im Vordergrund: Ist eine Publikation selbstständig oder innerhalb einer anderen erschienen? Besteht sie nur aus einem oder aus mehreren Teilen? Wenn es mehrere Teile sind, haben diese einen geplanten Abschluss oder erscheinen sie fortlaufend? Mit den Functional Requirements for Bibliographic Records (FRBR)9 ist eine weitere Art von bibliografischen Beziehungen im Fokus der bibliothekarischen Regelwerke: In welchen Manifestationen ist das vorliegende Werk materialisiert worden und welche Exemplare davon stehen der Bibliothek zur Verfügung? Bisherige Erschließung im DBSM Jede, der seit der Gründung des Museums 1884 zusammengetragenen Sammlungen, betont einen Aspekt der jeweils enthaltenen Ressourcen. So dokumentiert die Sammlung der Stiftung Buchkunst Jahr für Jahr, welche der für den Wettbewerb »Schönste Bücher« eingereichten Druckwerke aus welchem Grund ausgezeichnet wurden. Aspekte wie Buch- oder Einbandgestaltung oder die Auswahl der verwendeten Schriften spielen hier die entscheidende Rolle und müssen entsprechend erschlossen werden. Auch bei der Einband- oder den Wasserzeichensammlungen stehen herstellungstechnische Fragestellungen und nicht der Inhalt der Ressource im Vordergrund. Von großem Interesse ist für das medienhistorisch und gattungsübergreifend arbeitende Museum die Verzahnung zwischen den Sammlungen. Welches Objekt hängt mit welchem wie und warum zusammen? Um den unterschiedlichsten Zugriffsanforderungen gerecht werden zu können, entwickelte sich im DBSM im Laufe der Zeit ein sehr komplexes, kaum noch zu überschauendes System von Katalogen, Findbüchern und diversen Registern. Diese Vielfalt konnte bei der Umstellung auf die datenbankgestützte Erschließung endlich zugunsten einer Standardisierung aufgegeben werden. Deshalb wurde Anfang der 1990er-Jahre ein Integriertes Erschließungssystem für das DBSM geschaffen, dessen Kern zwei allegro-Datenbanken (für die Buchbestände einerseits und für die nichtpublizierten Ressourcen andererseits) darstellten. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Integriertes Erschließungssystem im DBSM 9 Forum Integrierte Erschließung »Hybrid-System« Zwar wurden seitdem alle Sammlungen weitgehend einheitlich erschlossen, allerdings blieb die Erschließung publizierter und nichtpublizierter Ressourcen weiterhin getrennt und die oben skizzierten Querbezüge konnten nur verbal zum Ausdruck gebracht, nicht aber durch Links navigierbar gemacht werden. Seit Jahren wird die Integration der gesamten Erschließungsprozesse in das Erschließungssystem (PICA ILTIS) der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) betrieben. Aber archivalische, museologische und bibliothekarische Erschließung so unterschiedlicher Materialarten in einem einzigen System – geht das überhaupt? Das Schlüsselwort lautet »Hybrid-System«. Zunächst werden für die Erschließung eines Objektes alle Datenfelder nach den Regeln zur bibliografischen Beschreibung erfasst. Darüber hinaus werden für die museologische Erschließung notwendige Datenelemente im gleichen Metadatensatz in zusätzlichen Feldern ergänzt. Ferner wird der Exemplarsatz des Objekts in die Bestandsstruktur navigierbar eingeordnet. Dazu waren einige strukturelle Erweiterungen in PICA ILTIS notwendig. Neue Satzarten Im PICA-System sind die Satzarten an der Publikationsart orientiert (A = Printpublikationen, B = A/V-Medien, E = Elektronische Ressourcen auf Datenträgern usw.). Als für das Deutsche Exilarchiv 1933 – 1945 (DEA) ein eigener Datenbestand eingerichtet wurde, wurde dort dieses Prinzip zugunsten einer RNA-kompatiblen Datenstruktur verlassen. Die Satzarten orientieren sich im DEA-Bestand an den RNA-Bestandsgliederungsgruppen. Auf den ersten Blick erscheint das unproblematisch, da ja auch die RNA im Wesentlichen nach Materialarten gliedert. Aber schon bei der ersten Gruppe wird ein gravierendes Problem sichtbar: Eine Printpublikation im Bestand des DEA wird derzeit, wenn sie als Belegexemplar in einem Nachlass enthalten ist, der Satzart H zugeordnet. Gibt es in einer anderen Sammlung ein weiteres Exemplar, so ist hier natürlich Satzart A richtig. In einem Gesamtdaten- 10 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 bestand ist das ein unauflösbarer Konflikt. Da für das DBSM einerseits kein eigener Datenbestand eingerichtet werden sollte, andererseits für die Materialarten, die sowohl im DEA als auch im DBSM vorhanden sind, die gleichen Satzarten verwendet werden sollen, musste dieser Konflikt gelöst werden. Dies geschah zu Gunsten einer konsequenten Orientierung der Satzarten an den Publikations- beziehungsweise Materialarten. Unabhängig davon, zu welchem Bestand ein Brief gehört: Der diesen beschreibende Metadatensatz bekommt im Hauptbestand die Satzart D usw. Damit war auch die Aufteilung von mehrere Objekte umfassenden Bestandseinheiten in Nachlässe (Satzart Q) und Sammlungen (Satzart V) obsolet. Im Hauptbestand gibt es nur noch die Satzart Q. Diese ist für jede Form nichtpublizierter Zusammenstellungen (also Bestand, Nachlass, Archiv, Bestandsgruppe, Konvolut, Faszikel etc.) gleichermaßen zu verwenden. Für Materialarten, die bisher weder im Hauptnoch im DEA-Datenbestand Berücksichtigung fanden (Maschinen, Werkzeuge, Originalgrafiken, Wasserzeichenbelege, Buntpapiermuster usw.) wurden zwei neue Satzarten geschaffen: – P = Bildliche Darstellungen, Text- und Bildträger – X = Sonstige Sachzeugen Damit können alle Metadaten des DBSM eindeutig einer Satzart zugeordnet werden. Bei Konflikten (Wasserzeichenbeleg ist gleichzeitig ein Brief usw.) wird nach dem Sammlungszweck entschieden. Eine weitere Satzart wurde geschaffen, um Nachlässe und Archivbestände in ihrer Bestandstektonik abbilden und in der Bestandsstruktur navigierend recherchieren zu können. Für jede Gliederungsstufe kann ein eigener Datensatz angelegt werden, in dem die Notation und die Benennung dieses Sammlungsteiles und die ihm jeweils über- und direkt untergeordneten Sammlungsteile als Links gespeichert sind. Strukturell war für diese Anforderung am besten die Normsatz-Struktur (Satzart T) geeignet. Deshalb wurde dafür die Satzart Tq eingerichtet. Eine Anforderung der musealen Erschließung besteht darin, die Metadaten sowohl nach formalen als auch nach inhaltlichen Kriterien genormten Fachsprachen zuordnen zu können. Über die GND hinaus werden verschiedene Fachsystematiken angewendet, welche im Portal für die navigierende Integration in den Gesamtbestand Zwei neue Satzarten Bestandstektonik für Nachlässe und Archivbestände Forum Suche angeboten werden. Zu diesem Zweck wurde die Satzart Tk analog zur Tq-Struktur ausgebaut. Neue Datenfelder Strukturanpassungen Neben einigen für die Dokumentation musealer Nutzungsprozesse wichtigen Datenfeldern (RechteManagement und Dokumentation von Geschäftsgängen usw.) wurden neue Felder vor allem für folgende Inhalte benötigt: – Über den Sachtitel hinausgehende Benennung der Objekte (Felder 4019 und 6819) Die Notwendigkeit sei am Beispiel des ersten gedruckten Buches erläutert: Sein Sachtitel heißt formal »Biblia latina«. Jeder Laie kennt und sucht es allerdings als »Gutenberg-Bibel«. In InkunabelKatalogen wird meist die Zeilenzahl 42 als Unterscheidungskriterium von anderen Inkunabel-Bibeln ergänzt.10 Die Erfassung solcher zusätzlichen Benennungen ist für nichtpublizierte Ressourcen mindestens ebenso wichtig. – Bezüge zu Normdaten, die nicht durch die bibliothekarische Formal- beziehungsweise Inhaltserschließung abgedeckt werden (Felder 559X und 680X). Dabei kann es sich um Beziehungen zu allen Entitäten handeln. Zu Personen und Körperschaften: Buchbinder, (Einband-)Gestalter, (Exlibris-)Künstler, Provenienz, Hersteller, Drucker, Verleger etc.; zu Orten: Herstellungsort, Fundort, Verwendungsort usw.; zu Sachschlagworten: Material, Technik, Gestaltungsmerkmal, Objektgattung etc.; zu Werken: Sammlung, Provenienzmerkmal usw. Die Beziehungen können auch lediglich für ein einzelnes Exemplar gelten. Dann müssen sie auf Exemplarebene erfasst werden – eine Anforderung, die mit den derzeitigen Strukturen von PICA ILTIS nur rudimentär umgesetzt werden kann. So können beispielsweise in den Feldern 680X Angaben zu den Vorbesitzern erfasst und nach ihnen kann auch gesucht werden, im Portal angezeigt werden sie hingegen (noch) nicht. – Über das Erscheinungsjahr hinausgehende zeitliche Einordnung (Feld 1110) Nichtpublizierte Ressourcen haben kein Erscheinungsjahr. Für diese kann und muss aber der Zeitpunkt (Zeitraum) des Entstehens (der Herstellung) erfasst werden. Darüber hinaus können weitere zeitliche Einordnungen wichtig sein. Für diese Zwecke wurde das wiederholbare Feld 1110 geschaffen, in dem auch exakte Datumsangaben maschinenlesbar gespeichert werden können. Durch einen Code kann der jeweilige Typ der zeitlichen Einordnung (Erscheinen, Entstehung, Fund, Verwendung etc.) festgelegt werden. – Kodierung formaler und inhaltlicher Sachverhalte (Felder 1130, 1131, 1132) Eine Reihe von Metadatensätzen könnte mit gleicher Berechtigung mehreren Satzarten zugeordnet werden. Ein Brief, der als Wasserzeichen-Beleg die Satzart P (Text-/Bild-Träger) und nicht die Satzart D (Korrespondenz) erhält, soll aber dennoch als Brief gefunden werden können usw. Für diesen Zweck wurden die Felder 1131 (Kodierung von inhaltlichen Gattungen wie Brief, Fotografie, Lebensdokument usw.)11 und 1132 (formale Kodierungen wie Aufzeichnungstechnik, äußere Form, Erscheinungsweise etc.) geschaffen. Für diverse buchgeschichtliche Fragestellungen ist es hilfreich, die Metadaten danach zu filtern, welche Eigenschaften das Trägermaterial hat. Ist es Papier, Pergament oder ein anderer Stoff? Wenn es Papier ist, ist dieses handgeschöpft oder maschinell hergestellt? Zur Kodierung dieser Sachverhalte wurde Feld 1130 eingerichtet. All diese Strukturanpassungen können nicht nur für einen speziellen Bestand, sondern institutionenübergreifend fruchtbar angewendet werden. Institutionenübergreifende Anwendung Neue Sucheinstiege Wichtigstes Ziel aller Strukturanpassungen ist es, die Auffindbarkeit der Daten zu erhöhen. Zu diesem Zweck wurden die Gestaltungsmerkmale (Felder 559X und 680X) als die buchgeschichtlich zentralen Merkmale in den Gesamtstichwort-Index aufgenommen und auch in der Expertensuche Sucheinstiege über diese Felder eingerichtet. Das Feld 1110 (Zeitliche Einordnung) wird schon jetzt für den Filter nach Erscheinungs-/Entstehungsjahren genutzt. Sein ganzes Potenzial wird es erst entfalten können, wenn auch eine Bereichssuche über die zeitlichen Einordnungen (verwendet zwischen 1830 und 1870) und die Suche nach ex- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 11 Forum Erstmals Suche über Bestandsstrukturen akten Daten (entstanden am 7. März 1768) möglich wird. Die Struktur des Feldes sieht das bereits vor. Bisher fehlt es allerdings an einer geeigneten Indexierung im Portal. Den größten Gewinn dürften unsere Nutzerinnen und Nutzer aus der jetzt möglichen navigierenden Suche über unsere Bestandsstrukturen ziehen. Sind sie einmal (durch Zufall oder durch gezielte Suche) auf eine unserer Bestandsgruppen gestoßen, so können sie über die Unter- beziehungsweise Überordnungen durch unsere Bestände virtuell »spazieren gehen«. Dass sie dabei sehr viel Neues entdecken, zeigen die in letzter Zeit vermehrten Nutzeranfragen, die sich genau auf solche Recherchewege beziehen. RDA-nahe Erschließung Offene Fragen 12 Mit den FRBR stand spätestens seit Veröffentlichung der deutschen Ausgabe im Jahr 2009 ein theoretisches Konzept zur Verfügung, welches zwar an der Erschließung publizierter Ressourcen ausgerichtet ist, von Anfang an aber umfassender angelegt war. Folgerichtig war der Versuch einer Harmonisierung zwischen bibliothekarischen und museologischen Erschließungskonzepten, die in den FRBRoo (oo = object oriented)12 mündete, einer Erweiterung der FRBR auf der Basis des CIDOC CRM. Die FRBRoo betonen vor allem die Prozesse, denen die Ressourcen unterworfen sind. Die RDA wurden zwar auf Basis der FRBR entwickelt, blieben aber von dieser Weiterentwicklung bedauerlicherweise weitgehend unberührt. Dennoch erheben auch sie den Anspruch, über publizierte Ressourcen hinaus auch für Archiv- und Museumsgut anwendbar zu sein. Somit schien mit dem Umstieg auf die Erschließung nach RDA zum 1. Oktober 2015 für das DBSM endlich die einmalige Chance gekommen zu sein, die Metadaten zu allen Ressourcen nicht nur in einer einzigen Datenbank zu halten, sondern diese auch nach einem einheitlichen Regelwerk zu erschließen. Für die folgenden Aspekte war Skepsis geboten: – Ist das Konzept, Metadaten zu publizierten Ressourcen nach den Beschreibungsebenen Werk, Expression, Manifestation und Exemplar zu glie- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 dern, auf nichtpublizierte Ressourcen übertragbar? – Die RDA regeln nicht, wie Bestandsstrukturen navigierbar abgebildet werden sollen. Solche Strukturen werden aber für die Darstellung beispielsweise von Nachlässen gebraucht. – Der RDA-Umstieg erfolgt in einem weitgehend unveränderten System, in welchem ein Teil der funktionalen Anforderungen (noch) nicht umgesetzt werden kann. Insbesondere die für die museale Erschließung wichtigen Beziehungen auf Exemplarebene sind mit dem momentan eingesetzten System nicht abbildbar. Im Zuge der RDA-Einführung in der DNB haben sich die Sammlungsbetreuerinnen und Sammlungsbetreuer des DBSM im November 2015 nach der obligatorischen RDA-Schulung in einem 14-tägigen Workshop mit diesen Themen ausführlich beschäftigt. Ziel war es, die Möglichkeiten und Grenzen der RDA-Anwendung auszuloten und ein Verfahren zu entwickeln, wie die DBSM-Ressourcen zukünftig in der für die RDA optimierten PICA-ILTIS-Umgebung erschlossen werden sollen. Das Ergebnis des Workshops lässt sich unter dem Terminus »RDAnahe Erschließung« zusammenfassen: Alle Datenelemente, für die es RDA-Regelungen gibt, werden nach diesen Regeln erfasst. Für die anderen Elemente gelten weiter die bewährten Erschließungsregeln. Bei Konflikten wird danach entschieden, ob das jeweilige Element zugriffs- beziehungsweise austauschrelevant ist (dann zieht RDA vor) oder nicht (dann wird die bisherige Praxis beibehalten). Ergebnisse des Workshops13 Die Zuordnung der Beschreibungselemente zu den vier Ebenen der FRBR-Gruppe 1 kann auch für nichtpublizierte Ressourcen hilfreich sein, bedarf aber noch grundsätzlicher Überlegungen.14 Ein besonderes Problemfeld stellen die Zusammenstellungen dar. Erstaunlicherweise gibt es für den zentralen Begriff »Zusammenstellung« keinen Eintrag im RDA-Glossar. Aus den Regelwerkstexten wird aber klar, dass unter einer Zusammenstellung von Werken eine Manifestation15 zu verstehen ist, in der mehr als ein Werk materialisiert wurde. Wenn die RDA auch auf nichtpublizierte Ressourcen ange- Workshop »RDA-nahe Erschließung« Forum Zuordnung von »Zusammenstellungen« Beziehungskennzeichen wendet werden sollen, ist ein wichtiger Unterschied zu publizierten Zusammenstellungen zu beachten: Bei publizierten Zusammenstellungen sind mehrere Werke in einer Manifestation vereint worden. Bei nichtpublizierten Zusammenstellungen wurden hingegen jeweils einzelne Exemplare verschiedener Werke zu einer Sammlung zusammengetragen. Für die Erschließung hat diese Unterscheidung eine zentrale Bedeutung: Bei der Erschließung von geschlossenen Sammlungen (wie Nachlässen oder Firmen- beziehungsweise Vereinsarchiven oder auch thematischen Konvoluten) wird es niemals gelingen, jeweils die einzelne Ressource (den einzelnen Brief, die einzelne Akte, das einzelne Sammelstück etc.) zu erschließen. Die Erschließung ganzer Konvolute durch einen einzigen Datensatz ist die Regel. Bedeutende Einzelstücke werden hingegen je nach Personalressource durch eine eigene Aufnahme herausgehoben und dann mit der Beschreibung der Zusammenstellung verknüpft. Dies kann nur auf Exemplar-Ebene erfolgen. Zwar kennen die RDA solche Beziehungen auf Exemplar-Ebene, diese können aber durch die gegenwärtige Datenstruktur nicht sauber abgebildet werden. Eine Reihe von für das DBSM wichtigen Beziehungen sind nach RDA nicht geregelt: Briefe, die in einer gedruckten Zusammenstellung editiert sind, Illustrationen zu denen künstlerische Originale vorliegen etc. Wollte man solche Beziehungen den FRBR-Entitäten entsprechend strukturieren, wäre das nicht alltagstauglich. Beziehungen wie »abgebildet in«, »editiert in« oder »nachgewiesen in« müssen einfach abgebildet werden können. Betrachtet man hingegen eines der bedeutendsten Denkmale der deutschen Schriftkultur, die Manessische Liederhandschrift, so wird deutlich, dass auch komplexe Strukturen abgebildet werden müssen. Die Handschrift vereint 1.340 Texte von 140 Autoren und 138 Miniaturen von insgesamt vier Künstlern. Sowohl die Texte als auch die Bilder sind in verschiedenen Expressionen und Manifestationen immer wieder neu publiziert worden.16 Bei einer solch bedeutenden Zusammenstellung lohnt sich die hierarchische Beschreibung nach RDA, die es ermöglicht, sowohl die Texte als auch die Miniaturen in einzelnen Datensätzen zu erfassen, diese jeweils mit einzelnen Normsätzen für die Werkebene zu verknüpfen und so letztere auch für die Ver- knüpfung mit den diversen Reproduktionen nutzbar zu machen. Obwohl der Text-Anteil deutlich größer ist, bringt es einen Gewinn, die Miniaturen nicht als illustrierendes Beiwerk, sondern gleichrangig zu behandeln. Streng genommen ist jede Manifestation eine Zusammenstellung verschiedener geistiger Schöpfungen. Selbst ein Roman kommt nicht ohne Layout und ohne Gestaltung des Buchumschlags in die Welt. Wir können diese geistigen Schöpfungen vernachlässigen und ihre Schöpfer zu Mitwirkenden an der Manifestation erklären, weil klar ist, welche Schöpfung im Fokus des Interesses liegt. Allerdings hängt genau das vom Blickwinkel ab. Wurde der Roman in die Sammlung der Stiftung Buchkunst aufgenommen, dann deshalb, weil das Layout genau dieser Ausgabe im Wettbewerb ausgezeichnet wurde. Das gleiche gilt auch für alle anderen Mitwirkenden und für alle Bestandteile der Ressource (die Übersetzung, die künstlerische, eventuell originalgrafische Beigabe, den Einband, das Exlibris, die Wasserzeichen usw.). Je nach Betrachtungswinkel sind sie entweder »Beiwerk« oder gleichberechtigte Werke mit eigenen geistigen Schöpfern. Beides kann in unserem System RDA-gerecht abgebildet werden und gleichberechtigt nebeneinander stehen.17 Allerdings wechselt mit dem Perspektivwechsel auch die Art der Beziehung zu den Personen beziehungsweise Körperschaften, welche durch die im Anhang I aufgelisteten Beziehungskennzeichen ausgedrückt werden sollen. Insgesamt erweist sich der Anhang I als zu starr, um den Anforderungen aller Kultureinrichtungen gerecht werden zu können. Der »Zusammenstellende« ist beispielsweise definiert als eine Person beziehungsweise Körperschaft, »die durch … Zusammentragen … von Daten und Informationen usw. für die Schaffung eines neuen Werks … verantwortlich ist.« Ausdrücklich verwiesen wird auf den »Herausgeber«, der zu verwenden ist, wenn mehrere Werke zusammengestellt wurden. Aber ein Nachlasser ist kein Herausgeber seines Nachlasses. Hier muss entweder die Definition für »Zusammenstellender« erweitert oder eine eigene Beziehungsart »Bestandsbildner« geschaffen werden. Weitere Kandidaten für fehlende Beziehungsarten sind beispielsweise: der »Korrespondenzpartner« (wenn bei einem Briefkonvolut nicht zwischen Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Verknüpfung mit Normsätzen Fehlende Beziehungsarten 13 Forum RDA bietet Antworten 14 Adressenten und Adressaten unterschieden werden kann oder soll) und der »mutmaßliche Verfasser« (wie auch alle anderen Rollen, die eine Person oder Körperschaft nur mutmaßlich innehatte). Schon diese kleine Auflistung zeigt, dass sich die Vorgabe von abgeschlossenen Listen und der Anspruch, für alle Sparten nachnutzbar zu sein, widersprechen. RDA hat eine gute Antwort auf den Konflikt: »Wenn keiner der … aufgeführten Termini geeignet oder spezifisch genug ist, verwenden Sie einen anderen prägnanten Terminus«. Benötigt wird ein Teilfeld, in dem (noch) nicht RDA-gerechte Beziehungskennzeichen abgelegt werden können. Zum Schluss sei noch auf einige Regelwerksstellen verwiesen, für die es in den anderen Kulturbereichen (bessere) Alternativen gibt. Die Bestimmungen in den Kapiteln 2 bis 4 des Regelwerkes RDA schreiben das Übertragen eines Elements vor, wie es in der Informationsquelle erscheint. Wird das Element aus einer anderen Quelle ermittelt, kann dies durch […] oder eine Anmerkung kenntlich gemacht werden. (Beispiel fingierter Titel bei Briefen). Laut RNA §5 sollen Auslassungen und Ergänzungen ebenfalls durch eckige Klammern gekennzeichnet werden. Das bezieht sich hier aber nicht zwingend auf ein ganzes Element, sondern auf genau den Teil, der ergänzt wurde. Im Beispiel »Brief an [Hans Meier]« oder auch »Brief an H[ans] M[eier]« wird verdeutlicht, dass die Anrede Hans Meier im Brief nicht enthalten beziehungsweise abgekürzt ist. Laut RDA ist der Titel, weil er fingiert ist, entweder im Ganzen oder gar nicht mit […] zu kennzeichnen. Da Kennzeichnungen von Auslassungen bei nichtpublizierten Ressourcen sehr häufig sind und die Regeln der RNA auch in anderen Kulturbereichen etabliert sind, wäre das Ausweichen auf umständliche Anmerkungen (»Der Adressat ist im Anschreiben mit ›HM‹ abgekürzt.«) nicht akzeptabel. Hier sollten nicht die RNA an die RDA angepasst werden, sondern die RDA an die RNA. Zu detailliert sind die RDA-Regeln zur Angabe von Abmessungen. Einerseits gibt es Vorschriften zur Rundung, die beispielsweise für Werke der bilden- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 den Kunst nicht akzeptabel sind (Rundung auf den vollen Zentimeter, Angabe nur der Höhe). Andererseits sind Maßangaben in Form von Norm-Maßen ), Foolscap usw.)18 (DIN A4, Letter, Kiku-ban ( nicht vorgesehen. Bei diesen RDA-Abschnitten zeigt sich, dass die Vielfalt des Sinnvollen zu groß ist, um sie in einem Regelwerk vollständig abbilden zu können. In Anbetracht der Tatsache, dass die genannten Datenelemente keine Sucheinstiege darstellen, für den Access19 also keinen Gewinn bringen, sollten diese Regeln generell als Empfehlungen umformuliert werden, von denen auch abgewichen werden kann. Gefahr der Überregulierung bei RDA Fazit Der Workshop und die nun fast einjährige Erschließungspraxis haben gezeigt, dass wir mit der RDAnahen Erschließung auf dem richtigen Weg sind. Unsere Hybrid-Datensätze sind sehr gut nutzbar. Die Konflikte mit anderen Regelwerken und Erschließungs-Usancen sind relativ gering. Das FRBRKonzept kann zum Teil gewinnbringend auf nichtpublizierte Ressourcen angewendet werden, ist zum Teil aber auch viel zu kompliziert und nicht zielführend. Sollen die Ergebnisse museologischer, archivalischer und bibliothekarischer Erschließung in einem gemeinsamen System nebeneinanderstehen und sich gegenseitig befruchten, muss es auch angesichts der Personalressourcen unbedingt gleichermaßen möglich sein, komplexe Datenstrukturen im Sinne der FRBR zu generieren oder aber im Zuge einer summarischen Erschließung ganzer Konvolute, auf eine solche Detailliertheit zu verzichten. Mittelfristig sollten die RDA so verändert werden, dass der Ansatz der dahinter liegenden FRBR gestärkt und sie modular aufgebaut sind (und so in bestimmten Erschließungszusammenhängen einzelne Module gezielt berücksichtigt, aber auch außer Acht gelassen werden können) und flexibler auf Veränderungs- und Erweiterungsbedarf reagiert werden kann.20 Stärke der FRBR Modularer Aufbau – flexible Anwendung Forum Anmerkungen 1 Diese waren: Bibliothek und Archiv des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Königlich-Sächsische Bibliographische Sammlung, Sammlung Künstlerische Drucke der Deutschen Bücherei und Deutsches Papiermuseum 2 Diese bewusst alphabetisch sortierte Liste ließe sich fortsetzen. Auswahl und Reihenfolge sind kein Hinweis auf die Bedeutung der jeweiligen Gattung. 3 <http://www.registrars-deutschland.de/files/pdfs/spectrum-3-1-de_2013-03-26.pdf> 4 Deutsche Version 2013 erschienen. 5 Comité international pour la documentation (CIDOC) Conceptual Reference Model <http://www.cidoc-crm.org/> 6 Regine Scheffel: Nachruf auf Dr. Christof Wolters <http://www.museumsbund.de/fileadmin/fg_doku/dokumente/12/Nachruf_auf_Dr_Christof_Wolters.pdf> 7 <http://de.wikipedia.org/wiki/Encoded_Archival_Description> Die EAD kennen wesentlich mehr Attribute als die hervorgehobenen. Dabei handelt es sich aber vor allem um Attribute, die im Sinne einer DTD dem Layout eines Online-Findbuchs dienen (siehe <http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/daofind/1.pdf>). 8 <http://kalliope.staatsbibliothek-berlin.de/verbund/rna_berlin_wien_mastercopy_08_02_2010.pdf> 9 <https://de.wikipedia.org/wiki/Functional_Requirements_for_Bibliographic_Records> 10 Im INKA-Portal beispielsweise so: »Biblia <lat.>. 42zeilig« <http://www.inka.uni-tuebingen.de/?inka=44000179> 11 Dieses Feld ist inzwischen in seiner Funktion stark erweitert worden und hat die ehemals in den Felder 51XX vergebenen Formschlagworte abgelöst. 12 <http://www.ifla.org/files/assets/cataloguing/frbr/frbroo_v2.2.pdf> 13 Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse findet sich auf <https://wiki.dnb.de/pages/viewpage.action?pageId=115213188> (Anmeldung erforderlich) 14 Eine ausführliche Diskussion an konkreten Beispielen siehe unter Anmerkung 13. 15 Zu dieser gibt es dann selbstverständlich wieder eine eigene Expressions- und Werk-Ebene. 16 Man denke beispielsweise an das Bild von Walther von der Vogelweide, welches ebenso wie die anderen Miniaturen als SchulbuchIllustration, als Kunstdruck, in verschiedenen Briefmarken-Editionen usw. veröffentlicht wurde. 17 Als Beispiel für die komplexe Struktur sei auf die Beschreibung des Vorsatzpapiers zu »Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke« von Rainer Maria Rilke verwiesen (<http://d-nb.info/102106324X>). Zu diesem Vorsatzpapier haben wir die Originalvorlage in unserer Buntpapiersammlung. (<http://d-nb.info/1081431563>). 18 Siehe <https://de.wikipedia.org/wiki/Papierformat> 19 Für den Zugriff auf die Daten wäre es wichtiger generell vorzugeben, dass Maß- und Datumsangaben zusätzlich so gespeichert werden sollen, dass sie auch für Bereichssuchen, Sortierung und Filterung herangezogen werden können. 20 Zahlen zur Integration der Metadaten des DBSM: Bisher wurden in PICA folgende Metadaten des DBSM erschlossen beziehungsweise aus Altdaten integriert: Fachliteratur: 73.000 Zeitschriften-Aufsätze, 68.000 selbstständige Werke; Museale Buchbestände: 86.000 Publikationen; Nichtpublizierte Ressourcen; 20.000 Geschäftsrundschreiben; 12.800 Wasserzeichenbelege; 1.100 Grafiken; 1.000 Buntpapieren; 1.500 Archivalien; 150 Buntpapiere; 800 sonstige museale Sachzeugen; Normdaten: 28.500 Personen, 23.800 Körperschaften, 10.000 Bestandsgliederungen, 6.000 Systemstellen, 2.000 sonstige Normdaten. Noch ausstehend sind: 13.000 mehrbändige Werke; 13 Nachlässe mit insgesamt 13.000 Einzelnachweisen; 4.500 Archivalien; 3.800 Porträts; 3.700 Grafiken; 7.500 sonstige Sachzeugen. Für diese sind die Schnittstellen bereits vorbereitet. Geplant ist, die Integration in 2016 abzuschließen. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 15 Forum Christian Schütz Projekt »ISSN-Integration« Ziel des Projektes »ISSN-Integration« Pro-aktive Zuteilung einer ISSN Neuausrichtung des Nationalen ISSN-Zentrums für Deutschland ISSN: Kooperatives Arbeiten in einem internationalen Netzwerk Das Projekt »ISSN-Integration« startete im Jahr 2011 und hat zum Ziel, den derzeit noch getrennten Daten- und Objektworkflow des bei der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) angesiedelten Nationalen ISSN-Zentrums unter Nutzung des Datenbestandes der Zeitschriftendatenbank (ZDB) zu optimieren und in die Arbeitsabläufe der Abteilung »Erwerbung und Formalerschließung« zu integrieren. Damit verbunden ist eine Analyse und Optimierung der Arbeitsprozesse des Nationalen ISSN-Zentrums. Das Vorhaben wird im Herbst dieses Jahres abgeschlossen. Ab dem 1. Dezember 2016 wird in Deutschland im Zusammenhang mit der Katalogisierung für die Nationalbibliografie jeder neu erscheinenden fortlaufenden Ressource pro-aktiv eine ISSN (International Standard Serial Number) zugeteilt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Erfassungskonventionen und Regeln für die ISSNZuteilung soweit mit den nationalen Erfassungskonventionen harmonisiert wurden, dass die Zuteilung einer ISSN bei der Katalogisierung einer fortlaufenden Ressource (Zeitschriften, Schriftenreihen) nur ein weiterer Arbeitsschritt für einen Katalogisierer in der DNB darstellt. Das ISSN-Netzwerk besteht aus dem Internationalen ISSN-Zentrum in Paris und aktuell 89 nationalen Zentren, die für die ISSN-Zuteilung in ihrem jeweiligen Land verantwortlich sind.3 Die Nationalen ISSN-Zentren übermitteln die bei einer ISSN-Zuteilung erstellten bibliografischen Metadaten an das ISSN International Register4. Das ISSN International Register ist die zentrale Nachweisdatenbank für alle weltweit zugeteilten ISSN und wird vom Internationalen ISSN-Zentrum gehostet. Derzeit sind im Register die ISSN und bibliografischen Metadaten von 1,9 Millionen fortlaufenden Ressourcen nachgewiesen. Bibliografische Metadaten für das ISSN-Register müssen den Konventionen der International Standard Bibliographic Description5 (ISBD) entsprechen und im Datenformat MARC 21 vorliegen. Aussagen zu den Elementen einer bibliografischen Beschreibung nach ISBD und die Regeln für eine ISSN-Zuteilung enthält das ISSN-Manual. Die Einführung von RDA hat auch Auswirkungen auf das ISSN-Manual. So wurden RDA-Elemente optional in das ISSN-MARC-21-Datenformat für bibliografische Beschreibungen aufgenommen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass weiterhin über einen sehr langen Zeitraum im ISSN International Register sowohl RDA-konforme als auch nur ISBD-konforme bibliografische Beschreibungen ko-existieren, da nicht alle 89 Länder zeitnah auf RDA umsteigen werden. Es ist kein standardisiertes Verfahren für die Übermittlung von bibliografischen Metadaten an das ISSN International Register durch die Nationalen Zentren vorhanden. Zahlreiche Zentren nutzen einen Katalogisierungs-Client und erfassen bibliografische Metadaten direkt im Register. Andere Zentren erstellen in festen Zeitabständen Teilauszüge aus ihren Katalogisierungssystemen, um bibliografische Metadaten von fortlaufenden Ressourcen, denen das nationale Zentrum eine ISSN zugeteilt hat, Hintergrund – ISSN in Deutschland ISSN-Zuteilung bisher nur auf Antrag 16 Das Nationale ISSN-Zentrum für Deutschland1 ist seit der Gründung im Jahr 1974 eine Organisationseinheit der Deutschen Nationalbibliothek. Aufgabe des ISSN-Zentrums ist es, in Deutschland unbegrenzt fortlaufend erscheinenden Publikationen eine ISSN als international verbindliche Standardnummer nach ISO 3297 zuzuteilen. Die Zuteilung einer ISSN umfasst auch die bibliografische Beschreibung einer Ressource nach den Regeln des ISSN-Manuals2. In Deutschland erhalten fortlaufende Ressourcen bisher nur auf Antrag eine ISSN. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Auswirkungen der RDA-Einführung Forum an das Register zu melden. Einige Zentren teilen über ein Jahr so wenige ISSN zu, dass die bibliografischen Daten mit einem Excel-Sheet übermittelt werden können. Ablösung eines veralteten Katalogisierungsclients Motivation für das ISSN-Projekt Zum Zeitpunkt des Projektstartes hatte das Nationale ISSN-Zentrum für Deutschland als eigenständiges Sachgebiet innerhalb der Abteilung »Erwerbung und Formalerschließung« am Standort Frankfurt am Main neben dem Katalogisierungsgeschäftsgang für die Nationalbibliografie einen separaten Geschäftsgang für die ISSN-Zuteilung und Erstellung einer bibliografischen Beschreibung für das ISSN-Register. Für fortlaufende Ressourcen mit einer ISSN wurden in der DNB somit in zwei separaten Geschäftsgängen in zwei unterschiedlichen Katalogisierungssystemen zwei bibliografische Beschreibungen in unterschiedlichen Datenformaten nach zwei Regelwerken erstellt. Dafür wurde die Katalogisierungssoftware »OSIRIS« genutzt. OSIRIS ist ein in den 1990er-Jahren entwickelter MARC-21-Katalogisierungsclient in der Programmiersprache DOS. Bis Anfang der 2000er-Jahre wurde OSIRIS in zahlreichen ISSNZentren zur Katalogisierung genutzt. Danach erfolgte in den ISSN-Zentren eine schrittweise Ablösung von OSIRIS durch Virtua. Im Jahr 2011 nutzte nur noch das Nationale ISSN-Zentrum für Deutschland die Software OSIRIS. Eine Weiterentwicklung oder ein Support der Software war nicht Geschäftsgang Katalogisierung für Geschäftsgang Nationales Nationalbibliografie ISSN-Zentrum ▼ PARIS IC ZDBn DNB Monografien Fortlaufende Sammelwerke (DNBBestand) Fortlaufende Sammelwerke (kein DNBBestand) ISSN OSIRIS mehr gewährleistet. Zugleich sollte bis Ende 2013 die Betriebssoftware der DNB auf eine WindowsVersion umgestellt werden, die keine DOS-Programme mehr unterstützte. Es bestand daher die dringende Notwendigkeit, das veraltete Katalogisierungssystem rasch abzulösen und vorübergehend, bis zur Integration der ISSNKatalogisierung in die ZDB, im Katalogisierungssystem der Deutschen Nationalbibliothek in einem ISSN-Bestand Ressourcen nachzuweisen, denen eine ISSN zugeteilt wurde. Es wurde dabei bewusst in Kauf genommen, dass der ISSN-Sonderbestand nur für eine kurze Übergangszeit genutzt und nach der Integration der ISSN-Katalogisierung in die ZDB wieder geschlossen wird. Der Export von Daten an das zentral in Paris vom Internationalen ISSN-Zentrum (IC) gehostete ISSNRegister sollte als ein weiteres Ziel zugleich über eine OAI-Schnittstelle automatisiert werden, um die bisherigen manuellen Aufwände für einen Datenexport zu reduzieren. Mit der Einführung des ISSN-Sonderbestandes in PICA erfolgte auch ein Umstieg vom Datenformat MARC 21 zum PICA-Erfassungsformat. Damit konnten nun erstmalig Daten aus der ZDB einfach im ISSN-Sonderbestand nachgenutzt werden. Die Phase 1 wurde im November des Jahres 2014 erfolgreich abgeschlossen. Phase 1 – Ablösung eines veralteten Katalogisierungsclients Umstieg auf PICA Integration von ISSN in den laufenden Geschäftsgang – ein Thema seit 40 Jahren Nach Abschluss der Phase 1 des Projektes wurde das eigentliche Ziel, die Integration der Geschäftsgänge in den Katalogisierungsworkflow unter Nutzung des Datenbestandes der ZDB, wieder aufgenommen (Phase 2 des Projektes). Die Integration der ISSN-Geschäftsgänge in die regulären Geschäftsgänge der Katalogisierung von fortlaufenden Ressourcen in der DNB wurde bereits bei Gründung des Nationalen ISSN-Zentrums vor 40 Jahren diskutiert. In den 1970er-Jahren war das Ergebnis dieser Prüfung, dass »die partielle Inkompatibilität zwischen ›Guidelines for ISDS‹ [Anmerkung: dem Vorläu- Phase 2 – Optimierung der Workflows Geschäftsgänge für fortlaufende Sammelwerke in der DNB im Jahr 2011 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 17 Forum fer des ISSN-Manuals] und den ›Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK)‹ sowie die Unterschiede zwischen dem Erfassungsformat/ Verarbeitungsprogramm Der Deutschen Bibliothek und des International Serials Data System dazu zwangen, die Katalogisierungstätigkeit des nationalen ISDS-Zentrums sachlich und weitgehend auch organisatorisch von den entsprechenden Arbeiten für die Kataloge und Bibliografien Der Deutschen Bibliothek – wenigstens bis auf weiteres – zu trennen.«6 Vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Regelwerke stellte sich im Projekt nun die Frage, ob durch die Einführung von RDA in den 2010erJahren der Zeitpunkt für die Integration von ISSN in einen Geschäftsgang gekommen war. Ziel der Phase 2 ist somit die weitere Optimierung des Objekt- und Datenworkflows in Zusammenarbeit mit dem Internationalen ISSN-Zentrum (IC) und der ZDB. Dies umfasst – die Weiterentwicklung des Datenformates der ZDB, um zukünftig aus dem Datenbestand der ZDB heraus relevante Informationen über eine ISSN-Zuteilung an das IC zu melden, sowie – die Integration der Geschäftsgänge des Nationalen ISSN-Zentrums in die Arbeitsabläufe der Abteilung »Erwerbung und Formalerschließung« (Optimierung des Objektworkflows). Ebenso wie viele andere Bibliotheken in Deutschland katalogisiert die ZDB nicht originär im Datenformat MARC 21. Für die Erfassung von bibliografischen Metadaten wird das Datenformat PICA genutzt. Die Daten werden für den nationalen und internationalen Datenaustausch nach MARC 21 konvertiert. – neue Felder oder Unterfelder erforderlich sind, um den Anforderungen des ISSN-Registers zu entsprechen. Als gemeinsames Ziel von ZDB und DNB wurde festgelegt, dass die Anzahl neu einzuführender Felder oder Unterfelder möglichst gering bleiben sollte. Eine erste Analyse des Ergebnisses der Konversion von Daten aus der ZDB nach MARC 21 fand vor der RDA-Implementierung statt. Damals wurde festgestellt, dass grundsätzlich eine Nutzung der ZDB-Daten im Datenformat MARC 21 möglich ist, jedoch die nach MARC 21 ausgelieferten chronologischen Beziehungskennzeichnungen für das ISSN-Register zu unspezifisch waren. Ergebnis der Analyse Im Rahmen der RDA-Implementierung wurden die chronologischen Beziehungskennzeichnungen neu strukturiert. Die Abbildung in MARC 21 entspricht nun den Anforderungen des ISSN-Registers. Die Einführung neuer Felder und Unterfelder war nur für ISSN-spezifische Sachverhalte (Abbreviated Key Title7, gelöschte ISSN, National Center Code) erforderlich. Ein weiteres Ergebnis war, dass die MARC-21-Konversion der DNB und ZDB zum Teil Indikatoren benutzt, die im ISSN International Register nicht unterstützt werden. Die MARC-21-Konversion ist für alle Bestände der DNB und ZDB gültig. Für ISSN können keine Sonderregelungen abgebildet werden. Daher wurde mit dem IC beschlossen, dass die ZDB-Daten in Fällen von abweichenden Indikatoren im IC mit automatischen Skripten vor einem Import in das ISSN-Register nachbearbeitet werden. Analyse des ZDB-Datenformats und der ZDB-Daten im Datenformat MARC 21 »First«/»Latest« Analyse des Datenformats der ZDB Der erste Schritt in Phase 2 des Projektes bestand darin, in Zusammenarbeit mit der ZDB, das Datenformat der ZDB zu analysieren. Diese Analyse sollte klären, – ob das Ergebnis der Konversion von Daten aus der ZDB nach MARC 21 grundsätzlich den Anforderungen des ISSN-Registers entspricht und Eine besondere Herausforderung stellt im Projekt weiterhin das Thema »First/Latest« dar. Die Katalogisierungskonvention »Latest8«, die in der deutschsprachigen Bibliothekswelt benutzt wird, nimmt die aktuelle Ausgabe einer fortlaufenden Ressource als Grundlage für eine bibliografische Beschreibung und die Festlegung eines Hauptsachtitels 18 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 »First«/»Latest« – eine besondere Herausforderung für den Datentausch Forum Dringender Handlungsbedarf beim Daten-Mapping und einer Verlegerangabe. International dagegen wird fast ausschließlich »First« als Erfassungskonvention verwendet, das heißt die Erstellung einer bibliografischen Beschreibung und die Festlegung von Hauptsachtitel und Verlegerangabe erfolgt auf Grundlage der ersten vorliegenden Ausgabe einer fortlaufenden Ressource. Bei der Verwendung von »Latest« werden bei sogenannten geringfügigen Änderungen von Hauptsachtitel und Verlegerangabe diese Felder in der bibliografischen Beschreibung korrigiert und der vorherige Hauptsachtitel und die Verlegerangabe in ein anderes Feld kopiert. Bei einer Erfassung nach »First« bleiben Hauptsachtitel und Verlegerangabe stabil. Änderungen werden in anderen spezifischen Feldern erfasst. Erfolgt im internationalen Datenaustausch nun eine Nachnutzung von »Latest«-Datensätzen in einem Bezugssystem mit »First« als Erfassungskonvention, kommt es zu Irritationen, da das Verständnis und die Erwartungen der Feldinhalte eines Hauptsachtitels und einer Verlegerangabe unterschiedlich sind. In Deutschland liegt noch keine endgültige Entscheidung vom Standardisierungsausschuss9 vor, ob weiterhin »Latest« als Erfassungskonvention gilt oder »First« angewandt wird. Mit dem IC wurde festgelegt, dass daher die von der DNB gelieferten bibliografischen Metadaten vorübergehend mittels eines Mappings von »Latest« nach »First« konvertiert werden10. Die Mappingtabelle ist also eine Vorgabe für das IC, welche Feldinhalte im Datenformat MARC 21 in einem nach »Latest« katalogisierten Datensatz konvertiert werden müssen, um eine Sicht nach »First« zu simulieren. Der Begriff einer simulierten »First«-Sicht ist hier bewusst gewählt, da im Projekt deutlich wurde, dass ein durch das Mapping erzeugter »First«-Datensatz grundsätzlich nach einer anderen Katalogisierungsphilosophie, nämlich »Latest«, erzeugt und nicht originär nach »First« katalogisiert wurde. Daher wird anhand des Daten-Mappings11 von »Latest« nach »First« deutlich, dass in vielen Fällen über das Mapping nur Annäherungswerte erreicht werden, im Vergleich zu einer originären Erfassung nach »First«. Hier sehen sowohl die DNB als auch das IC für das Projekt noch einmal dringenden Handlungsbedarf, sobald eine Entscheidung des Standardisierungsausschusses über »Latest« oder »First« vorliegt. Spezifisches OAI-Set Die Zeitschriftendatenbank (ZDB) wird von 4.200 Bibliotheken zur Katalogisierung genutzt. Da nicht alle Publikationen in der ZDB eine ISSN haben, sind für das IC auch nicht alle Änderungen in der ZDB relevant. Zudem kann vorkommen, dass andere ZDB-Partner an einem für ISSN relevanten ZDB-Datensatz, ohne Wissen um die ISSN-Hintergründe, Änderungen vornehmen, die für ISSN entweder – nicht relevant sind (beispielsweise Update von Titelzusätzen) oder – nicht den ISSN-Regelungen entsprechen (beispielsweise Update einer Vorauszuteilung bei geändertem Hauptsachtitel ohne entsprechende Korrektur des Key Titles). Als Konsequenz würde das IC eine Vielzahl von zusätzlichen Datensätzen erhalten, die anschließend umständlich in Paris für den Import in das ISSN-Register vorbereitet werden müssten, einer Validation mit Fehlerprotokollen als Ergebnis unterzogen werden und eigentlich für das ISSN-Register nicht relevant sind. Daher wurde im Projekt beschlossen, dass ein Datensatz nur nach Paris exportiert werden soll, wenn vorher ein Katalogisierer der DNB mit entsprechenden ISSN-Kenntnissen diesen angelegt, bearbeitet und freigegeben hat. Für die Bildung eines spezifischen ISSN-OAI-Sets12 müssen daher die folgenden Bedingungen erfüllt sein: – Vorhandensein einer ISSN und eines Key Titles im PICA-Feld 2005 – Änderung oder Anlegen des Datensatzes ist in DNB erfolgt (Auslesen der Änderungskennung; ein Export erfolgt nur, wenn eine definierte DNBÄnderungskennung vorhanden ist) – Änderungs- oder Erfassungsdatum wurde nach dem letzten Harvesten geändert beziehungsweise neu erfasst – Code für den Export an das ISSN-Register vorhanden. Da die Änderungskennung als Element eines Datensatzes sehr instabil ist und bei der Korrektur des Datensatzes durch einen anderen ZDB-Partner sofort ersetzt wird, werden die Daten vom IC alle fünf Minuten automatisch geharvestet. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Gesteuerter Datenexport an das ISSN-Register 19 Forum Entwicklung neuer Geschäftsgänge Erarbeitung eines neuen Standardgeschäftsgangs 20 Bisher hat das Nationale ISSN-Zentrum eine ISSN zugeteilt, wenn – ein ISSN-Antrag auf Vorauszuteilung13 oder – eine retrospektive Zuteilung vorlag. Bei fortlaufenden Ressourcen mit ISSN wurden zusätzlich bei Änderungen (beispielsweise Verlagsänderungen, Titeländerungen) die bibliografischen Daten aktualisiert, die sogenannte Änderungsbearbeitung. Ein Teil der Titeländerungen führt anschließend auch zu der Neuvergabe einer ISSN. Innerhalb des Projektes stellte sich nun die Frage, ob durch die Integration der ISSN-Zuteilung und -Katalogisierung in die Standard-Geschäftsgänge der Abteilung »Erwerbung und Formalerschließung« innerhalb der DNB andere Modelle entwickelt werden könnten. Eine Voraussetzung dafür war, dass die Aufwände für eine ISSN-Zuteilung verhältnismäßig sein sollten. Daher wurde untersucht, wie hoch die Aufwände innerhalb der gesamten DNB gewesen wären, wenn im Jahr 2014 alle relevanten Publikationen pro-aktiv (ohne Vorlage eines Antrags) bei der Katalogisierung eine ISSN erhalten hätten. Der personelle zusätzliche Aufwand für die Zuteilung einer ISSN und die Bildung des Key Titles umfasste weit weniger als eine Vollzeitstelle. Dagegen reduziert die DNB erheblich ihre Aufwände beim Datenexport und durch die Aufgabe der Doppelerschließung. Eine weitere Erkenntnis des Projektes war, dass die ISSN-Zuteilung bei einer Integration in die Standard-Geschäftsgänge gleichmäßig drei Bereiche innerhalb der DNB betrifft. Den Bereich Periodika für Zeitschriften, den Bereich Monografien, da dort Schriftenreihen bearbeitet werden und den Bereich Netzpublikationen für Online-Publikationen von fortlaufenden Ressourcen. Vor diesem Hintergrund wurden verschiedene Modelle entwickelt und mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen in Workshops diskutiert. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Ergebnis der Workshops war das folgende Modell: Zukünftig wird die normale ISSN-Bearbeitung (Titeländerungen, Fusionen, Split, Verlagsänderungen) im laufenden Geschäftsgang von den Katalogisiererinnen und Katalogisierern der Referate Periodika, Monografien und Netzpublikationen durchgeführt. Neue Titel erhalten pro-aktiv eine ISSN bei der Katalogisierung. An jedem Standort wird es zusätzlich ISSN-Redakteurinnen und Redakteure geben, die (Voraus-) Zuteilungen von ISSN auf Antrag eines Kunden bearbeiten, intern den Katalogisiererinnen und Katalogisierern und extern den ISSN-Kunden für Fragen zur Verfügung stehen, den Datenimport in das ISSN International Register betreuen (Validationsmeldungen und Fehlerprotokolle des Internationalen ISSN-Zentrums bearbeiten) sowie die Verfahren weiterentwickeln. Die Vertretung Deutschlands auf der fachlichen Ebene im ISSN-Netzwerk sowie die Verantwortung für den Standard ISSN in Deutschland werden von einem ISSN-Referenten übernommen. Ausblick Durch die Verlagerung der ISSN-Katalogisierung in den Standardgeschäftsgang kann ohne großen Mehraufwand eine pro-aktive ISSN-Zuteilung für fortlaufende Ressourcen in Deutschland erreicht werden. Dies bedeutet, dass ab Dezember dieses Jahres neuen Publikationen ohne Vorlage eines Antrags automatisch eine ISSN zugeteilt wird. Langfristig bietet dies interessierten Verlagen und Institutionen in Deutschland, die eine ISSN nachnutzen, neue Möglichkeiten, Dienstleistungen und Web-Angebote zu etablieren14. Automatische ISSN-Zuteilung Forum Anmerkungen 1 Weiterführende Informationen zu ISSN sind auf den Homepages der DNB (<http://www.dnb.de/issn>) sowie des Internationalen ISSN-Zentrums (http://www.issn.org/) verfügbar. 2 <http://www.issn.org/understanding-the-issn/assignment-rules/issn-manual/> 3 siehe <http://www.issn.org/the-centre-and-the-network/members-countries/the-issn-network-today/> 4 <http://www.issn.org/understanding-the-issn/the-issn-international-register/> 5 <http://www.ifla.org/publications/international-standard-bibliographic-description> 6 <http://d-nb.info/840720092> 7 Bei der Zuteilung einer ISSN wird zusätzlich der Key Title einer Publikation gebildet (siehe dazu auch: <http://www.issn.org/ understanding-the-issn/assignment-rules/issn-manual/#section-4-key-title>) 8 Die Diskussion von »First/Latest« mit den Vetreterinnen der Library of Congress und der British Library im ISSN-Netzwerk haben gezeigt, dass für die deutsche Katalogisierungskonvention die Bezeichnung »Current« passender ist, da unter AACR »Latest« für eine Erfassungskonvention steht, in der eine bibliografische Beschreibung auf Grundlage der aktuellen Ausgabe upgedatet wird und alle Elemente aus vorherigen Ausgaben, die in der aktuellen Ausgabe einer fortlaufenden Ressource fehlen, entfernt werden. In diesem Artikel wird dennoch weiterhin »Latest« als Begriff verwendet, da dieser derzeit in der deutschsprachigen Bibliothekswelt in RDA Verwendung findet und dem internationalen Verständnis von »Current« entspricht. 9 <http://www.dnb.de/DE/Standardisierung/AFS/afsOrganisation.html> 10 Diese pragmatische Lösung wurde getroffen, um weiterhin ab dem 1. Dezember 2016 mit den neuen Geschäftsgängen für ISSN starten zu können. 11 Im Daten-Mapping werden in MARC 21 nach der Konvention »Latest« erfasste Datensätze nach »First« konvertiert. 12 <http://www.dnb.de/oai> 13 Verlage haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, vor Erscheinen einer Publikation eine ISSN zu beantragen, um diese bereits in die erste Ausgabe eindrucken zu können. 14 Beispielhaft sei hier das Keepers-Projekt (<http://thekeepers.org>) genannt, welches ISSN nutzt, um aus einer Metadatenbank heraus die Langzeitarchivierbarkeit von Ressourcen in verschiedenen externen Datenbankangeboten anzuzeigen. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 21 Forum Jessica Hubrich, Hans-Jörg Lieder Die Zeitschriftendatenbank und die Digitalisierung historischer Zeitungen in Deutschland Ausgangslage Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland bewahren überaus reichhaltige Bestände deutscher historischer Zeitungen1 auf. Im Rahmen der großen Digitalisierungskampagnen des deutschen Bibliothekswesens – hier sind vor allem die VD-Projekte zu erwähnen2 – wurden und werden einzelne Zeitungsbestände ausnahmsweise »mitdigitalisiert«. Entscheidend sind hierbei allerdings eher zufällige Auswahlkriterien wie Druckformate oder die Verfügbarkeit mehr oder weniger korrekter bibliografischer Angaben. Trotz bemerkenswerter Ausnahmen sind die Ergebnisse der bisherigen Bemühungen oft genug in lokalen Bibliothekskatalogen eher verborgen als leicht auffindbar. Die flächendeckende systematische Digitalisierung historischer Zeitungsbestände bleibt weiterhin ein Desiderat. Im Folgenden werden einzelne Aspekte der Rolle der Zeitschriftendatenbank (ZDB)3 im Kontext einer größer angelegten Digitalisierungsoffensive beschrieben. Zeitungskatalogisierung in Deutschland Zeitungen als besonderer Materialtyp 22 Aus bibliothekarischer Sicht sind Zeitungen ein Materialtyp, der sich in der bibliografischen Beschreibung durch ein relativ hohes Maß an Komplexität auszeichnet. Diese Komplexität ist vor allem der Periodizität und der nicht selten vorzufindenden regionalen Auffächerung von Zeitungen geschuldet. Erscheinungsverläufe sind oft – vor allem bei älteren Veröffentlichungen – komplex oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht eindeutig zu klären. Die regionale Erscheinungsweise wirft zusätzliche Fragen auf: Soll die Regionalausgabe einer Zeitung, die sich von ihren Pendants durch einen jeweils spezifischen Lokalteil unterscheidet, als eige- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 ne bibliografische Einheit beschrieben werden oder nicht? Die Änderungen, die eine Zeitung in ihrer Lebenszeit durchläuft, stellt eine weitere Herausforderung dar: Wann führt ein modifizierter Zeitungstitel oder eine andere gravierende Veränderung wie der Wechsel eines Herausgebers zur Notwendigkeit der Erstellung eines neuen Titeldatensatzes? Trotz existierender Regelwerksfestsetzungen ist das Potential für unerwünschte lokale Interpretationen und daraus resultierende Katalogisierungsunterschiede auf Ebene des bibliografischen Objekts, also des Zeitungstitels, erkennbar groß. Das deutsche Bibliothekswesen trägt dieser Komplexität dadurch Rechnung, dass die Katalogisierung von Zeitungen – wie auch die von anderen Fortlaufenden Sammelwerken, vor allem von Zeitschriften – seit Jahrzehnten als Gemeinschaftsaufgabe aufgefasst und betrieben wird. Konkreter Ausdruck dieses gemeinsamen Willens ist das Gebot der Primärkatalogisierung in der ZDB4, zu dem sich weit mehr als 4.000 Einrichtungen in Deutschland und Österreich verpflichtet haben. Im Ergebnis führt diese Gemeinschaftsanstrengung dazu, dass die bibliografische Datenbasis für Fortlaufende Sammelwerke in Deutschland von weitaus besserer Qualität ist als in vielen anderen Ländern. Vor allem dem Einsatz fachlich hochqualifizierter Redaktionsteams in der Staatsbibliothek zu Berlin, die die ZDB gemeinsam mit der Deutschen Nationalbibliothek betreibt, ist zu verdanken, dass Titelentitäten in der ZDB durchgängig disambiguiert und einrichtungsübergreifend gültig sind. Dem Identifikator dieser Titelentitäten, der ZDB-ID, kommt wegen der hohen Qualität der Daten gleichsam der Charakter einer Norm-ID zu. Dieser Umstand spiegelt sich darin, dass zahlreiche andere Systeme ZDB-IDs nachnutzen. Katalogisierung von Zeitungen als Gemeinschaftsaufgabe Forum ZDB-Daten zu Zeitungen Mengengerüst Mittels der vorliegenden ZDB-Daten können relativ leicht einige summarische quantitative Angaben zur Überlieferung von historischen Zeitungen in deutschen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen gemacht werden.5 Insgesamt finden sich in der ZDB Titeldatensätze von rund 60.000 Zeitungen, etwa 22.000 davon können als »deutsche historische Zeitungen« gelten. Verteilt auf die Perioden ihres ersten Erscheinens ergeben sich die folgenden Zahlen: Zeitraum Anzahl Titel 1500 – 1699 120/800 1700 – 1749 227 1750 – 1799 752 1800 – 1849 3.938 1850 – 1899 6.396 1900 – 1944 10.267 Tabelle 1: Nachweis von historischen Zeitungen in der ZDB Insbesondere die Zahlen für die frühen Jahrhunderte der Zeitung sind mit einiger Vorsicht zu genießen. Die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, die im Rahmen eines DFG-Pilotprojekts das gesamte 17. Jahrhundert und frühere Zeitungen digitalisiert hat6, fand zu Beginn ihrer Arbeiten 120 entsprechende Zeitungstitel in der ZDB vor. Nachdem aus der fachlichen Perspektive der Presseforschung ergänzt wurde, sind nun rund 800 Zeitungen für den genannten Zeitraum identifiziert. Es zeigt sich also, dass die Klassifizierung eines Objekts als Zeitung insbesondere in der frühen Zeit stark vom jeweiligen Standpunkt des Betrachters abhängt, und es steht zu vermuten, dass sich auch die Zahlen für das 18. Jahrhundert noch erheblich verändern werden. Erst im 19. und 20. Jahrhundert können die typologischen Charakteristika von Zeitungen als so eindeutig angesehen werden, dass es kaum zu wesentlichen Veränderungen der Mengengerüste kommen dürfte. Hinsichtlich der Erscheinungsfrequenz dominiert nicht etwa die tägliche Erscheinungsform, sondern, durchgehend durch alle Jahrhunderte, die wöchentliche.7 Beeindruckend ist die starke regionale Verteilung der erschienenen Zeitungen. Berlin ist das mit Abstand wichtigste Zentrum historischer Zeitungen mit insgesamt mehr als 1.900 nachgewiesenen Titeln.8 Es folgen in absteigender Reihung München, Wien, Köln, Leipzig, Hamburg, Nürnberg, Dresden, Stuttgart und Augsburg mit immer noch mehr als 200 nachgewiesenen Titeln. In den zehn genannten Druckorten wurde rund ein Viertel aller berücksichtigten Zeitungen veröffentlicht. Daneben sind aber weitere rund 3.500 Druckorte verzeichnet, etwa 3.000 davon mit jeweils einem bis fünf Titeln und hiervon rund 1.700 Orte mit nur jeweils einem Zeitungstitel.9 Die regionale Natur des historischen deutschen Pressewesens zeigt sich auch in der heutigen Verfügbarkeit der entsprechenden Zeitungsoriginale in den Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen. Insgesamt besitzen mehr als 1.650 Einrichtungen (Teil-)Bestände der betrachteten Titel. Seit dem 18. Jahrhundert stellt sich die Überlieferungslage wie folgt dar: Zeitraum Anzahl Bibliotheken mit Beständen Maximale Anzahl von Titeln pro Bibliothek (Median in Klammern) Anzahl von Bibliotheken mit nur einem Titel 1700 – 1749 240 97 (3) 17 1750 – 1799 509 275 (3) 162 1800 – 1849 781 980 (3) 196 1850 – 1899 1.258 1.383 (3) 394 1900 – 1944 1.248 3.006 (3) 422 Druckorte Verfügbarkeit in Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen Tabelle 2: Nachweis von historischen Zeitungen in deutschen und österreichischen Bibliotheken Dialog mit Bibliotheken 2016/2 23 Forum Offensichtlich existieren bedeutende Sammlungszentren für einzelne Zeiträume, daneben ist aber auch die große Zahl der an der Überlieferung beteiligten Einrichtungen sowie die erhebliche Zahl von Bibliotheken, die jeweils nur einen Titel besitzen, festzustellen. Ein genauerer Blick auf die Daten zeigt zudem, dass es kaum Titel gibt, deren vollständiger Erscheinungsverlauf in einer einzigen Bibliothek vorhanden ist. Eine mehr oder weniger flächendeckende oder umfassend exemplarische Digitalisierung von Zeitungsbeständen in Deutschland ist damit nur als groß angelegtes Kooperationsprojekt vieler Einrichtungen realisierbar. Kooperative Zeitungsdigitalisierung Digitalisierung von Mikrofilmen 24 Um die Bedingungen einer solchen koordinierten Zusammenarbeit möglichst exakt zu definieren, haben sich seit einigen Jahren mehrere Bibliotheken im Rahmen einer DFG-Förderung in diversen Digitalisierungs- und Infrastrukturprojekten mit verschiedenen Aspekten des Themas Zeitungsdigitalisierung beschäftigt.10 Neben den Projektergebnissen im engeren Sinn haben die beteiligten Bibliotheken fachliche Empfehlungen formuliert, die der DFG zur Verfügung gestellt wurden. Diese Empfehlungen betreffen die folgenden Bereiche: – Imagedigitalisierung: Auswahl der Vorlage (Original oder Mikrofilm), technische Parameter, Datenformate, – Erschließung: Erzeugung von Struktur- und Erschließungsdaten, – Texterkennung (OCR): technische Parameter der (Ausgangs-)Daten (bitonal, Graustufen, farbig). Eine gesonderte Anmerkung soll der Frage der Benutzung von Mikrofilmen für die Digitalisierung gewidmet werden. Entgegen der häufig geäußerten Ansicht, dass Mikrofilme stets schlechter als Grundlage einer Digitalisierung geeignet seien als Papieroriginale, hat sich diese Vermutung in dem bisher größten Zeitungsdigitalisierungsprojekt in Europa – Europeana Newspapers11 – nicht bestätigt. Die dort mit europäischen, also mehrsprachigen Zeitungsbeständen erzielten Qualitäten der OCR lassen sich durchaus mit den im DFG-Pilotprojekt erzielten Qualitäten vergleichen. Aus Sicht der Verfasser belegt dies, dass allein aus praktischen Dialog mit Bibliotheken 2016/2 sowie aus Kostengründen in großangelegten Digitalisierungsprojekten keinesfalls auf Mikrofilme als Digitalisierungsvorlagen verzichtet werden kann.12 Neben den unmittelbaren Ergebnissen der Digitalisierungsprojekte der genannten Bibliotheken und den daraus abgeleiteten Empfehlungen wurden mit DFG-Förderung insgesamt drei Infrastrukturprojekte durchgeführt. Die Software Goobi13 und der DFG-Viewer14 wurden für die spezifischen Erfordernisse von Zeitungen angepasst. Daneben wurde der ZDB-Katalog gründlich und grundsätzlich überarbeitet, um mit optimierten Funktionalitäten als verlässliches und intuitiv benutzbares Instrument zur Steuerung von Zeitungsdigitalisierungsprojekten zu dienen. Im Folgenden werden die für Zeitungen und Zeitungsdigitalisierungsprojekte relevanten Aspekte des neuen ZDB-Katalogs dargestellt. Der ZDB-Katalog Zeitungsdigitalisierungsvorhaben werden durch die ZDB in vielfältiger Weise unterstützt: – relativ umfassender Nachweis von gedruckten und digitalisierten Zeitungen im ZDB-Katalog einschließlich detaillierter Angaben zu Beständen und bestandshaltenden Einrichtungen – eine im ZDB-Datenformat vorgesehene Nachweismöglichkeit für geplante Digitalisierungsaktivitäten15 – Hilfestellungen für digitalisierende Bibliotheken durch das ZDB-Redaktionsteam in der Staatsbibliothek zu Berlin Im Rahmen des genannten DFG-Kontextes wurde ein zeitgemäßer und nutzerfreundlicher ZDB-Katalog entwickelt16, der durch ein ansprechendes Design und einfache intuitive Bedienbarkeit nicht zuletzt Anreize schaffen will, dass Institutionen ihre noch nicht verzeichneten Bestände in der ZDB nachweisen. Seit Mitte 2015 ist der neue ZDB-Katalog als Betaversion17 öffentlich zugänglich und bietet mit Google-Suchschlitz, Autosuggest für Anfragen in lateinischer und originalschriftlicher Schrift, Breadcrumbtrail, Titelund Bestandsfacetten moderne Formen der Suchunterstützung an, durch die Titel und Bestände besser als zuvor gefunden werden können. Die Umsetzung erfolgte unter Berücksichtigung eines Responsive Betaversion seit 2015 Forum Unterstützung von Zeitungssuche und Digitalisierungsprojekten Visualisierungen Designs, durch das eine geeignete Darstellung auch auf mobilen Endgeräten gegeben ist. Ein besonderes Highlight des Katalogs stellen die diversen Visualisierungen dar, die eine Kontextualisierung mit neuen Einsichts- und Recherchemöglichkeiten bieten; auf einige der Visualisierungen wird nachfolgend noch eingegangen.18 Eine Ablösung der Betaversion durch eine Produktivversion ist für 2017 vorgesehen; die derzeit zugängliche Betaversion greift jedoch bereits auf den vollständigen ZDB-Bestand zurück und liefert tagesaktuelle Daten. Für Digitalisierungsprojekte ist der neue ZDBKatalog ein wichtiges Recherche- und Nachweisinstrument, über das die beteiligten Institutionen eigenständig wichtige Informationen für die Durchführung von kooperativen Digitalisierungsvorhaben ermitteln können. Der neue ZDB-Katalog bietet Unterstützung – beim Auffinden von Zeitungen nach diversen (projektspezifischen) Auswahlkriterien wie Erscheinungs- und Bestandsverläufen, – bei der Ermittlung bestandshaltender Bibliotheken, die einzelne Teilbestände besitzen, die nicht im Bestand der am Digitalisierungsprojekt beteiligten Institutionen sind, – bei der Ermittlung von geplanten Digitalisierungen zur Vermeidung von Doppelarbeit. Im neuen ZDB-Katalog können Suchen über ein Facettenattribut auf den Medientyp »Zeitung« eingeschränkt werden; eine gesonderte Checkbox für eine Vorabeinschränkung nach Zeitungen ist für die erweiterte Suche geplant.19 Mit der TitelfilterOption »Frequenz« kann auch eine nachträgliche Einschränkung nach der Erscheinungsfrequenz von Zeitungen20 vorgenommen werden. Für Suchanfragen nach Zeiträumen steht ein Zeitstrahl zur Verfügung. Zusätzlich werden Visualisierungen angeboten, die es ermöglichen, ein Zeitungsunternehmen oder wohl-definierte Teile eines spezifischen Teilunternehmens als Grundlage für die Auswahl von Digitalisierungsobjekten mit heranzuziehen. Zeitliche Vorläufer und Nachfolger eines Zeitungstitels einschließlich aller Namensänderungen sowie deren Beilagen können in der »Titelhistorie« ein- gesehen werden, die komplexe Zusammenhänge leicht verstehbar visualisiert. Über einen Zeitstrahl kann ein spezifischer Zeitraum einer Historie angesteuert werden. Abb. 1: Ausschnitt aus einer Titelhistorie Abb. 2: Sicht auf Beilagen in der Titelhistorie Der gesamte Publikationskontext eines Zeitungstitels kann in den »Titelrelationen« eingesehen werden. »Knoten« können nach Belieben expandiert oder minimiert und der angezeigte Graph den eigenen Anforderungen gemäß gestaltet werden. Abb. 3: Ausschnitt einer Anzeige von Titelrelationen Dialog mit Bibliotheken 2016/2 25 Forum Abb. 4: Verbreitungsortkarte mit Titelfiltern Zur Identifizierung von Zeitungen mit regionalen Bezügen wird in zukünftigen Katalogversionen eine Karte mit »Verbreitungsorten« angeboten, für deren Umsetzung in der Gemeinsamen Norm- Abb. 5: Verbreitungsortkarte mit Titelfiltern 26 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 datei (GND)21 vorgehaltene Koordinaten genutzt werden.22 Die Bestände einer einzigen Zeitung verteilen sich häufig auf mehrere Institutionen. Diese zu ermitteln, um bei einem Digitalisierungsvorhaben die gesamte Laufzeit eines Titels berücksichtigen zu können, war bislang sehr zeitaufwendig. Mit der im neuen ZDB-Katalog angebotenen Funktion »Bestandsvergleich« kann diese Aufgabe mit geringem Aufwand bewältigt werden. Abhängig von den von Bibliotheken zur Verfügung gestellten normierten Daten wird eine Visualisierung angeboten, die einen schnellen Überblick über die in verschiedenen Institutionen verfügbaren Bestandssegmente gibt; umfangreiche Bestände können ebenso leicht identifiziert werden wie Bestandslücken. Detailliertere Informationen zu den einzelnen Beständen können wahlweise aufgeklappt werden. Ermittlung bestandsbesitzender Bibliotheken Forum Vermeidung von Doppelarbeit In der ZDB können auch Angaben zu geplanten Digitalisierungen hinterlegt werden; diese sind über den neuen ZDB-Katalog abfragbar. Wenn Bibliotheken verlässlich zukünftige Digitalisierungsvorhaben in der ZDB ausweisen und den Status »Geplante Digitalisierung« entfernen, sobald ein Digitalisierungsvorhaben entweder abgeschlossen oder abgesagt wurde, kann Doppelarbeit vermieden werden. Zur Unterstützung der Suche nach geplanten Digitalisierungsvorhaben ist im neuen ZDB-Katalog eine Checkbox »Geplante Digitalisierung« in der erweiterten Suche vorgesehen sowie ein gleichnamiges Attribut in der Titelfacette »Digitalisierung«, über das Suchergebnisse entsprechend eingeschränkt werden können. Schlussbemerkung Der Wert der ZDB für einrichtungsübergreifende Datenanalysen ist evident, ihr Nutzen für Begleitung, Koordination und Steuerung von Digitalisierungsprojekten augenscheinlich. Dies wird nicht zuletzt durch die mit DFG-Förderung ermöglichte Entwicklung des neuen ZDB-Katalogs untermauert. Die homogenen und qualitativ hochwertigen Daten, die übersichtliche Darstellungen komplexer Zusammenhänge ermöglichen, kommen aber natürlich auch Endnutzern zu Gute. Vor diesem Hintergrund sind Diskussionen zu bewerten, ob in Deutschland von dem Gebot der Primärkatalogisierung in der ZDB abgewichen werden kann. Im Kontext der neuen Systeme der großen Anbieter von Bibliothekssoftware wird die »Cloud« als ausschließlicher Ort des Katalogisierens gesehen. Freilich konnten die bislang zum Umgang mit Fortlaufenden Sammelwerken in neuen Katalogisierungsumgebungen formulierten Konzepte noch nicht vollständig aufzeigen, wie Granularität, Homogenität und relative Vollständigkeit der Daten23 weiterhin gewährleistet werden sollen. Anspruchsvolle Auswertungen, Visualisierungen und Weiterverarbeitungen – man denke etwa an ein beispielsweise bei der Deutschen Digitalen Bibliothek anzusiedelndes Zeitungsportal, das unter Nachnutzung auch der ZDB-Daten einen gemeinsamen Suchraum für sämtliche deutschen Zeitungsvolltexte anbieten könnte – bedürfen solcher hochwertigen Daten. Es bleibt deshalb die gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten, auch in neuen technischen Umgebungen und unter den Bedingungen veränderter Geschäftsmodelle und -praktiken ihrer Partner nicht hinter das bereits Erreichte zurückzufallen. Katalogisierungsumgebungen Anschrift von Hans-Jörg Lieder: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin, Telefon: 0 30 2 66 43 40 00, E-Mail: [email protected] Anmerkungen 1 Mit »deutschen historischen Zeitungen« sind hier solche periodischen Publikationen gemeint, die von Katalogisierern in Übereinstimmung mit den bibliothekarischen Regelwerken als »Zeitung« bezeichnet werden und die im deutschen Sprachraum oder in deutscher Sprache zuerst vor oder in 1944 erschienen sind. Auf Begrenzungen und Vorläufigkeit dieser formalen Definition wird an späterer Stelle hinzuweisen sein. 2 Siehe <http://www.vd16.de/>, <http://www.vd17.de/, http://vd18.de/> 3 Siehe <http://www.zeitschriftendatenbank.de/startseite/> 4 Systembedingte Ausnahmen vom Gebot der Primärkatalogisierung existieren: In anderen Systemen erfasste Daten werden durch regelmäßige Datenbereitstellungen in die ZDB integriert. 5 Einige der im Folgenden präsentierten Zahlen wurden bereits veröffentlicht in: Lieder, Hans-Jörg: Coordinating Newspaper Digitisation: Some Facts and Figures. 2016. URL: <http://blogs.sub.uni-hamburg.de/ifla-newsmedia/wp-content/uploads/2016/04/Lieder-Coordinating-Newspaper-Digitisation-%E2%80%93-Some-Facts-and-Figures.pdf> Grundlage sind die Daten der ZDB mit Stand vom September 2015. 6 Siehe <http://brema.suub.uni-bremen.de/zeitungen17> 7 Aus den verfügbaren Daten sind keine verlässlichen Schätzungen zu Seitenzahlen ableitbar. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 27 Forum 8 Berlin wurde vor allem nach der Reichsgründung 1871 zunehmend zur wichtigsten Pressestadt Deutschlands. 9 Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass die regionale Bedeutung von Zeitungen sich gleichermaßen in »Verbreitungsorten« manifestieren kann, die nicht mit Druckorten identisch sein müssen. Siehe hierzu auch das Kapitel »Der ZDB-Katalog«. 10 Es sind dies: Berlin: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Bremen: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen; Dresden: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek; Frankfurt/M.: Deutsche Nationalbibliothek; Halle/S.: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt; München: Bayerische Staatsbibliothek. 11 Siehe <http://www.europeana-newspapers.eu/>, insbesondere <http://www.europeana-newspapers.eu/wp-content/uploads/2015/ 05/D3.5_Performance_Evaluation_Report_1.0.pdf> 12 Dies lässt die vollständige Integration der Daten des Mikrofilmarchivs der deutschsprachigen Presse e. V. (<http://www.mfadortmund.de/>) in die ZDB umso dringlicher erscheinen. Nach einmal erfolgtem Ab- und Angleich der Titelentitäten in den Daten des MFA und der ZDB könnten die bislang jeweils von digitalisierenden Bibliotheken durchzuführenden aufwendigen Titelrecherchen und -vergleiche entfallen. 13 Heute Kitodo, siehe <http://www.kitodo.org/> 14 Siehe <http://dfg-viewer.de/ueber-das-projekt/> 15 Vgl. <http://www.zeitschriftendatenbank.de/erschliessung/arbeitsunterlagen/zdbformat/> 16 Siehe <http://www.zeitschriftendatenbank.de/ueber-uns/projekte/zdb-opac/> 17 Siehe <http://beta.zdb-opac.de/zdb/> 18 Einen umfassenden Eindruck von den im neuen ZDB-Katalog implementierten Funktionalitäten bieten die Präsentationsfolien zu dem von A. Stei und J. Hubrich 2015 im Rahmen des ZDB-Anwendertreffens auf dem 104. Bibliothekartag in Nürnberg gehaltenen Vortrags »Neugestaltung des ZDB-OPAC«: <http://www.zeitschriftendatenbank.de/fileadmin/user_upload/ZDB/pdf/anwendertreffen/ZDB_Anwendertreffen_Nuernberg_2015.pdf> 19 Die Checkbox wird voraussichtlich 2017 zur Verfügung stehen. 20 Täglich, drei- bis fünfmal wöchentlich, zweimal wöchentlich, wöchentlich, vierzehntäglich, halbmonatlich, monatlich. 21 <http://www.dnb.de/DE/Standardisierung/GND/gnd_node> Zum Abdeckungsgrad von Verbreitungsorten und GND-Koordinaten s. Jessica Hubrich: Visual Representations of Newspaper Information. 2016. S. 2f. URL: <http://blogs.sub.uni-hamburg.de/ ifla-newsmedia/wp-content/uploads/2016/04/Hubrich-Visual-Representations-of-Newspaper-Information.pdf> 22 Die Verbreitungsortkarte wird voraussichtlich im vierten Quartal 2016 zur Verfügung gestellt werden können. 23 Mit »Vollständigkeit« ist hier ausschließlich die Vollständigkeit der Gesamtheit der Daten aller ZDB-Teilnehmer gemeint. 28 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Forum Dirk Weisbrod Forschungsdaten in Dissertationen Das Projekt eDissPlus erarbeitet prototypische Lösungen für die Langzeitarchivierung Ausgangslage Die Entwicklung einer effektiven Strategie für die Langzeitarchivierung von Forschungsdaten gehört zu den großen und noch weitgehend ungelösten Herausforderungen für Hochschulen und Bibliotheken. Das mag zum einen an der national wie international sehr ausdifferenzierten Forschungslandschaft liegen: Forschungsdaten werden in wissenschaftlichen Disziplinen produziert und publiziert, die zum Teil eine sehr fachspezifische Kultur im Umgang mit diesen Daten und demzufolge auch höchst unterschiedliche Forschungsumgebungen entwickelt haben. Disziplinspezifische Gründe sind es auch, die insbesondere in den Naturwissenschaften zum Einsatz von äußerst heterogenen Metadaten- und Dateiformaten führen.1 Gute wissenschaftliche Praxis und Langzeitarchivierung Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur Andererseits ergibt sich aus den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis eine langjährige Aufbewahrungspflicht für Forschungsdaten, erstens um Forschungsprozesse anhand der Analyse publizierter Daten nachvollziehbar zu machen, zweitens um die Nachnutzung der oftmals sehr aufwändig erhobenen Daten in anderen Forschungsvorhaben gewährleisten zu können. Oft werden Forschungsvorhaben jedoch nur zeitlich begrenzt im Rahmen von Projekten finanziert, was zur Folge hat, dass Daten verwaisen und verlorengehen. Den Bedarf an »intelligente(n) Lösungen für den schwierigen Bereich der Langzeitarchivierung/Langzeitverfügbarkeit von Forschungsdaten«2 hat der Rat für Informationsinfrastruktur (RfII) in seinem jüngst erschienenen Positionspapier festgestellt und unter anderem dafür den Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gefordert.3 Demgegenüber wird Langzeitarchivierung oft missverständlich mit den Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aus dem Jahr 1999 gleichgesetzt, wonach Primärdaten zehn Jahre aufbewahrt werden sollen.4 Allerdings kennt die »Langzeitarchivierung« klassischerweise kein Ablaufdatum. Das deutsche Kompetenznetzwerk für die digitale Langzeitarchivierung, nestor, weist deswegen auch darauf hin, dass die »Bestandserhaltung digitaler Ressourcen nicht die Abgabe einer Garantieerklärung über fünf oder fünfzig Jahre« bedeutet, »sondern die verantwortliche Entwicklung von Strategien, die den beständigen, vom Informationsmarkt verursachten Wandel bewältigen können.«5 Diese Ausgangslage stellt Einrichtungen, die Forschungsdaten disziplinübergreifend archivieren und publizieren wollen, vor große Probleme. So existieren zwar sehr gut erprobte Strategien für die Langzeitarchivierung von digitalen Publikationen, Digitalisaten oder elektronischen Akten, die aber aufgrund der vergleichsweise homogenen Binnenstruktur dieser Bestandstypen nicht per se auf die höchst ausdifferenzierte Forschungsdaten-Landschaft anwendbar sind. Elektronische Dissertationen Plus (eDissPlus) Eine Lösung für die geschilderte Problematik erarbeitet das Projekt Elektronische Dissertationen Plus (eDissPlus), wobei es sich auf einen überschaubaren Ausschnitt der Fragestellung konzentriert, nämlich auf Forschungsdaten, die Promovierende im Rahmen ihres Dissertationsprojekts generieren und veröffentlichen. Damit sind alle Roh-, Primäroder Sekundärdaten ausgeschlossen, die nicht als Teil oder Anlage einer Dissertation publiziert werden. Zugleich umfasst das Projekt aber die ganze Bandbreite an Disziplinen und Forschungskulturen, die an einer Universität existieren, sodass eine Adaption der Projektergebnisse auf andere Bereiche möglich ist. Projektpartner des DFG-geförderten Projektes sind die Humboldt-Universität zu Berlin Dialog mit Bibliotheken 2016/2 29 Forum Projektpartner HU und DNB (HU), namentlich der Computer- und Medienservice (CMS) und die Universitätsbibliothek der HU, sowie die Deutsche Nationalbibliothek. Das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren, begann im Frühjahr 2016 und wird voraussichtlich Mitte 2018 beendet sein. Beide Projektpartner haben ein großes Interesse an der Durchführung dieses Projektes, das sowohl die bibliotheksseitige Archivierung und Publikation von Forschungsdaten, als auch die Unterstützung von Studierenden und Lehrenden als Manager von Forschungsdaten im Blickfeld hat. Inhalte des Projektes Projekt eDissPlus Zum Sammelauftrag der Deutschen Nationalbibliothek gehören seit jeher schon Dissertationen. Immer mehr setzt sich nunmehr die Auffassung durch, dass auch Forschungsdaten, die mit einer Dissertation publiziert werden, zu diesem Auftrag gehören. Das hat zur Folge, dass die Deutsche Nationalbibliothek ihren Pflichtablieferungsworkflow für Dissertationen entsprechend weiterentwickeln muss, was in eDissPlus beispielhaft und in enger Abstimmung mit der Humboldt-Universität geschieht. In Berlin entwickeln der CMS und die Universitätsbibliothek einen Ingest-Prozess für die Publikation von elektronischen Dissertationen mit Forschungsdaten auf dem Publikationsserver der HU. Dabei soll auch eine Schnittstelle zum Workflow der Deutschen Nationalbibliothek bereitgestellt werden. Zu den weiteren gemeinsamen Aufgaben gehören die persistente Adressierung der Forschungsdaten und die Anpassung von XMetaDissPlus, dem Metadatenschema der Deutschen Nationalbibliothek für Dissertationen. Außerdem sollen Promovierende sowie Betreuerinnen und Betreuer von Promotionen durch Beratungsangebote und Guidelines auf die Generierung und Abgabe adäquat aufbereiteter Forschungsdaten vorbereitet werden. In die Erarbeitung solcher Angebote fließen wiederum Vorgaben der Deutschen Nationalbibliothek ein, die im oben geschilderten Rahmen diese Daten sammelt oder referenziert. Aus dem Projekt eDissPlus dürften sich interessante und zukunftsweisende Perspektiven für die Langzeitarchivierung von Forschungsdaten ergeben. Das Thema ist derzeit »en vogue«, wie viele Publikationen und Konferenzbeiträge zeigen. Dabei handelt es sich nicht um eine Modeerscheinung, sondern um eine wirklich drängende Aufgabe, zu deren Lösung – wie es das Gutachten des Rats für Informationsinfrastrukturen formuliert – »es klarer Regeln, eines Zielsystems und geeigneter Unterstützungsfunktionen«6 bedarf. Anmerkungen 1 Siehe hierzu die in Teilen immer noch aktuelle Übersicht in: Neuroth, Heike (Hrsg.). Langzeitarchivierung von Forschungsdaten: Eine Bestandsaufnahme. Version 1.0. Boizenburg: Hülsbusch, 2012 2 Rat für Informationsinfrastrukturen (Hrsg.). Leistung aus Vielfalt: Empfehlungen zu Strukturen, Prozessen und Finanzierung des Forschungsdatenmanagements in Deutschland. 2016, S. 2. [Zugriff am: 26. Juli 2016]. Verfügbar unter: <http://www.rfii.de/?wpdmdl=1998> 3 Vgl. ebd., S. 45ff 4 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.). Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis:. Denkschrift. Ergänzte Auflage. 2013, S. 21. [Zugriff am: 26. Juli 2016]. Verfügbar unter: <http://doi.org/10.1002/9783527679188.oth1> 5 Neuroth, Heike (Hrsg.). Nestor-Handbuch: eine kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung. Version 2.0. Boizenburg: Hülsbusch, 2009, S. 1:3 6 Rat für Informationsinfrastrukturen (Hrsg.), a.a.O., S. 11. 30 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Zukunftsweisendes Projekt mit drängender Aufgabe Forum Eric W. Steinhauer 10 Jahre Pflichtablieferung von Netzpublikationen – Eine Baustelle wird besichtigt Einleitung Umbenennungsdiskussion Ausweitung des Sammelauftrags auf Neltzpublikationen Digitales Gedächtnis Am 29. Juni 2006 ist das »Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek« (DNBG) in Kraft getreten. Es hat das »Gesetz über die Deutsche Bibliothek« vom 31. März 1969 mit zwei wesentlichen Änderungen ersetzt, nämlich der Umbenennung der Bibliothek in »Deutsche Nationalbibliothek« (DNB) und der Ausweitung ihres Sammelauftrages auf Netzpublikationen. Während die neue Zuständigkeit der Bibliothek einhellig begrüßt, ja als längst überfällig bezeichnet wurde, gab es um den neuen Namen im Gesetzgebungsverfahren politischen Streit. Mit Blick auf die föderale Struktur des deutschen Bibliothekswesens, wegen des fehlenden Altbestandes der Nationalbibliothek sowie der Nichtsammlung ausländischer wissenschaftlicher Literatur, und um der besseren kulturpolitischen Sichtbarkeit der Staatsbibliotheken in Berlin und München willen sprachen sich der Bundesrat sowie eine bemerkenswerte Koalition der Fraktionen der F.D.P. und der LINKEN gegen eine Umbenennung aus, konnten aber die Mehrheit des Bundestages nicht überzeugen. Das von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz wurde mit der Modifikation, dass dem Verwaltungsrat der DNB künftig auch zwei Vertreter des Deutschen Bundestages angehören, mit breiter Mehrheit am 6. April 2006 angenommen. Nach zehn Jahren kann man rückblickend sagen, dass die Umbenennungsdiskussion aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar ist. Dieses Thema, wenn es überhaupt je eines war, hat sich vollkommen erledigt. Ganz anders verhält es sich mit der im Parlament einhellig als selbstverständlich und überfällig bezeichneten Ausweitung des Sammelauftrages der DNB auch auf Netzpublikationen. Man wollte die Bibliothek mit dem Gesetz »fit machen für das 21. Jahrhundert« (PlPr. 16/11, S. 770) und für die »Erhaltung des digitalen kollektiven Gedächtnisses« (PlPr. 16/32, S. 2676) sorgen. Es wäre schließlich eine »kulturpolitische Katastro- phe, wenn bedeutsame digital im Netz publizierte Dokumente der Nachwelt nicht erhalten blieben« (PlPr. 16/32, S. 2677). Die nachfolgenden Ausführungen werden zeigen, dass der Gesetzgeber sich vielleicht etwas eingehender mit diesem Thema hätte befassen sollen, anstatt einen symbolischen Streit um das Wort »Nationalbibliothek« auszutragen. Der neue Sammelauftrag für Netzpublikationen Mit dem Ziel, ein umfassendes »digitales Archiv« als »kulturelles Gedächtnis einer Gesellschaft« (PlPr. 16/11, S. 775) zu schaffen, wurden im Gesetzgebungsverfahren drei Wege des Sammelns ins Auge gefasst, die mit der Verabschiedung des DNBG offenbar etabliert werden sollten. Zunächst wird erstens für unkörperliche »Medienwerke eine Ablieferungspflicht für inländische Stellen, die im urheberrechtlichen Sinn das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung haben«, eingeführt. Zweitens wird die Möglichkeit eröffnet, dass die DNB mit dem Ablieferungspflichtigen ein automatisiertes Einsammelverfahren vereinbart. Drittens soll nach Vorstellung des Gesetzgebers die DNB in periodischen Abständen durch so genanntes Harvesting das deutsche Internet, das etwa alle Domains mit der Endung ».de« umfassen soll, vollständig sichern (BR-Drs. 396/05, S. 18). Die ersten beiden Wege entsprechen, abgesehen von der allein technisch inspirierten Arbeitserleichterung im zweiten Weg, im Wesentlichen dem herkömmlichen Verfahren der Ablieferung von Druckwerken durch die publizierende Stelle. Der dritte Weg hingegen ist demgegenüber neu, weil hier Inhalte gesammelt werden sollen, die nicht mehr herkömmlich bibliografisch erschlossen, sondern bloß für das kulturelle Gedächtnis gesichert werden. Offenbar soll die DNB einen großen Datenspeicher anlegen, in dem dann künftige Generationen recherchieren können. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Drei Wege zum »digitalen Archiv« 31 Forum Die »Ablieferung« unkörperlicher Medienwerke Ablieferung Druckschriften Übermittlung elektronischer Kopien Fülle urheberrechtlicher Probleme 32 Nach § 16 S. 1 DNBG müssen unkörperliche Medienwerke an die Bibliothek »abgeliefert« werden. In der Welt der Druckschriften stellt die Ablieferung die nach § 929 S. 1 BGB zur Eigentumsübertragung notwendige Übergabe dar. Nach der Ablieferung wird die DNB Eigentümerin der Druckschrift mit der Konsequenz, dass sie mit diesem Gegenstand nach Belieben verfahren kann. Soweit die Nutzung der Druckschrift eine Verbreitung im Sinne des Urheberrechts darstellt, hat sich diese nach § 17 S. 2 UrhG erschöpft, so dass jedenfalls das Urheberrecht der Schaffung eines dauerhaften und nutzbaren kulturellen Gedächtnisses nicht im Wege steht. Was passiert aber, wenn das Medienwerk keinen körperlichen Träger mehr hat? Zunächst kann es, streng genommen, technisch gar nicht abgeliefert, sondern nur übermittelt werden mit dem Ergebnis, dass sich nach der Übermittlung auf den Systemen der DNB eine Kopie dieses Werkes befindet. Es tritt auch keine Erschöpfung von urheberrechtlichen Verwertungsrechten ein. Daraus ergeben sich einige im Pflichtexemplarrecht bisher unbekannte Rechtsprobleme. Die Kopie im System der DNB ist ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Dieses wird bei seiner weiteren Nutzung in der Bibliothek, die zum einen in der Langzeitarchivierung, zum anderen in der Zugänglichmachung an Bildschirmen wenigstens in einem Lesesaal der DNB besteht, immer wieder vervielfältigt. Diese Vervielfältigungen greifen jedes Mal in das dem Rechteinhaber ausschließlich zustehende Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG ein. Wo die DNB bei herkömmlichen Druckschriften mit der Ablieferung Eigentum erwirbt, bekommt sie bei unkörperlichen Medienwerken zunächst einmal eine Fülle urheberrechtlicher Probleme. Dies gilt erst recht, wenn die Bibliothek im Wege des Harvesting von sich aus große Teile des Internet einsammelt, also kopiert. Dass die Bibliothek bei ihrer Arbeit mit unkörperlichen Medienwerken auf das Urheberrecht achten soll und muss, hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Langzeitarchivierung, die er über § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 und 3 UrhG gewährleistet sieht, sowie der Benutzungsordnung in der Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Gesetzesbegründung ausdrücklich festgestellt (BRDrs. 396/05, S. 20 und 22). Es ist aber fraglich, ob er die urheberrechtlichen Probleme bei den unkörperlichen Medienwerken in ihrer ganzen Tragweite erfasst hat und ob ein Verweis auf das geltende Urheberrecht hilfreich ist. Urheberrechtliche Lösungsansätze Zunächst ist festzuhalten, dass das DNBG selbst keine urheberrechtlichen Bestimmungen, insbesondere keine Schrankenbestimmungen enthält, die einen Eingriff in urheberrechtliche Verwertungsrechte rechtfertigen können. Das Gesetz, vor allem aber seine Begründung beschreiben jedoch verschiedene, ausdrücklich gewollte Verhaltensweisen der DNB in Bezug auf unkörperliche Medienwerke, die urheberrechtlich relevant sind und von deren Zulässigkeit der Gesetzgeber offenbar ausgegangen ist. Zu nennen wären (1) das periodische Harvesten des deutschen Internet, (2) die digitale Langzeitarchivierung gerade der unkörperlichen Medienwerke, (3) die Nutzung dieser Werke im Lesesaal der Bibliothek, was Verwertungsberechtigte übrigens nicht verhindern können sollen (BR-Drs. 396/05, S. 22) sowie (4) die Ersatzbeschaffung bei Nichtablieferung in § 14 Abs. 4 DNBG, die offenbar auch für Netzpublikationen gilt. Auf Grundlage der Schrankenbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes, das die DNB nach dem Willen des Gesetzgebers ja ausdrücklich beachten soll, kann in aller Kürze dies gesagt werden: Das periodische Harvesten des deutschen Internet (1) durch die Bibliothek ist nach § 53 UrhG nicht möglich, weil es eine bestandserweiternde Vervielfältigung aktueller Inhalte ist. Die digitale Langzeitarchivierung (2) kann zwar nach der Archivschranke des § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG erlaubt sein, doch ist fraglich, ob die dabei notwendigen sehr vielen redundanten Kopiervorgänge hiervon noch gedeckt sind. Soweit unkörperliche Medienwerke eine Datenbankstruktur haben, was gerade bei Netzpublikationen auf Plattformen immer häufiger der Fall ist, scheidet eine Archivkopie in jedem Fall aus, denn § 53 gilt nicht für Datenbanken, was sich aus §§ 53 Abs. 5, 87c UrhG ergibt. Die Nutzung der Medienwerke durch die Öffentlichkeit im Lesesaal (3) kann zwar Schrankenbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes Forum Schrankenregelungen unzureichend für unkörperliche Medienwerke Ablieferungspflicht unkörperlicher Medienwerke über die Leseplatzschranke des § 52b UrhG erlaubt sein, allerdings ist diese Norm, die für diese Art von Nutzungshandlung offenbar notwendig ist, erst zum 1. Januar 2008, also 18 Monate nach (!) Inkrafttreten des DNBG eingeführt worden. Bei der Ersatzbeschaffung bei Nichtablieferung (4), die ja bei unkörperlichen Medienwerken wohl nichts anderes ist als die eigenmächtige Speicherung einer frei zugänglichen Online-Ressource, gilt das gleiche wie beim periodischen Harvesten: Eine bestandserweiternde Kopie kann die DNB hier ebenfalls nicht vornehmen. Insgesamt also lassen sich die vier vom Gesetzgeber vorgestellten Szenarien im Umgang mit unkörperlichen Medienwerken nur sehr unvollkommen mit den geltenden urheberrechtlichen Schrankenregelungen in Übereinstimmung bringen. Hier liegt offenbar ein blinder Fleck im Gesetzgebungsverfahren. Das Urheberrecht, nicht der neue Name der DNB wären das eigentliche Thema gewesen, mit dem der Bundestag sich eingehend hätte befassen müssen. Trotz dieser sehr unbefriedigenden Ausgangslage hat sich die DNB ihrem neuen Sammelauftrag gestellt. Neben wichtigen technischen Entwicklungen konnte sie in Zusammenarbeit mit einigen Ablieferungspflichtigen bereits eine beachtliche Zahl unkörperlicher Medienwerke in ihren Bestand aufnehmen, auch wenn sie von dem gesetzgeberischen Ziel einer wenigstens repräsentativen Dokumentation des deutschen Internet noch weit entfernt ist. Wenn das Urheberrechtsgesetz der DNB nur unzureichende Befugnisse einräumt, müssen daher die Ablieferungspflichtigen, die nach der Neufassung des Pflichtablieferungsrechts im DNBG ja die urheberrechtlich zur öffentlichen Zugänglichmachung Berechtigten sind, der DNB bei der Ablieferung ausreichende Nutzungsrechte einräumen. In funktioneller Hinsicht ersetzt so das Nutzungsrecht am unkörperlichen Medienwerk das beim körperlichen Medienwerk zu übertragene Eigentum am abgelieferten Druckerzeugnis. Und wie bei der Abgabe eines Buches an die DNB der Ablieferungspflichtige, dem klar ist, das er das Buch nie wiedersehen wird, schlüssig die für die Eigentumsübertragung notwendigen Willenserklärungen gegenüber der Bibliothek abgibt, so dürfte mit der Übermittlung eines unkörperlichen Medienwerkes zugleich die Einräumung der für die Aufgaben der DNB notwendigen Nutzungsrechte verbunden sein. Mit Blick auf die gesetzlichen Aufgaben der Bibliothek ist jedem Ablieferungspflichtigen klar, dass das Medienwerk dauerhaft gespeichert und jedenfalls im Lesesaal auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Dem stimmt er mit der Ablieferung zu und räumt der Bibliothek damit schlüssig eine entsprechende Rechtsposition ein. Von den drei Fällen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Sammeltätigkeit der DNB im Bereich der Netzpublikationen können über die Annahme schlüssig eingeräumter Nutzungsrechte als funktionalem Ersatz zum Sacheigentum am körperlichen Druckerzeugnis die beiden in § 16 DNBG vorgesehen Fälle der Ablieferung und der Bereitstellung zur Ablieferung zunächst zufriedenstellend gelöst werden. Offen bleiben freilich die Fälle, in denen die Bibliothek große Teile des Internet harvesten möchte und in denen Ablieferungspflichtige trotz Aufforderung ihrer Ablieferungspflicht nicht nachkommen. In beiden Fällen hat die Bibliothek derzeit keine Möglichkeit, von sich aus Netzinhalte ohne ein Einverständnis des Rechteinhabers in ihren Bestand zu übernehmen, dort zu archivieren und ihren Nutzern zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklung in den Bundesländern Die DNB ist eine Einrichtung des Bundes. Sie übt im gesamtstaatlichen kulturpolitischen Interesse das Pflichtexemplarrecht für die Bundesrepublik Deutschland aus. In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist dies ein Ausnahmefall, denn eigentlich sind die Länder im Rahmen ihrer Kulturhoheit, die zum Kernbereich ihrer verfassungsrechtlich sogar mit der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Eigenstaatlichkeit gehört, für die Sammlung von Pflichtexemplaren zuständig. Daher gibt es auch in jedem Bundesland gesetzliche Bestimmungen zur Sammlung und Ablieferung von Pflichtexemplaren. Es liegt auf der Hand, dass die Länder genauso wie der Bund auf den Medienwandel reagieren und den Sammelauftrag ihrer Landesbibliotheken ebenfalls um Netzpublikationen mit Bezug zum jeweiligen Bundesland erweitern wollen. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Kulturhoheit 33 Forum Pflichtexemplarrecht der Länder Reichweite des Nutzungsrechts gesetzlich konkretisieren 34 Vorbild hierfür war zunächst die Regelung im DNBG. Sehr schlank hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland sein Pflichtexemplarrecht novelliert und umstandslos erklärt, es gelte für Netzpublikationen entsprechend. Probleme des Einsammelns und mit der Ablieferung einzuräumender Nutzungsrechte haben erstmals die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen aufgegriffen, denen Sachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und jüngst Schleswig-Holstein gefolgt sind. Brandenburg hat die Sammlung reiner Netzpublikationen explizit ausgeschlossen und sammelt nach Ablieferung nur, was auch in der Printwelt eine Entsprechung hat. Länder wie Bayern und Berlin haben bis heute noch nicht mit der Pflichtablieferung von Netzpublikationen begonnen. Die fortschrittlicheren Regelungen in den Ländern unterscheiden sich vom DNBG in zwei wesentlichen Punkten: Sie gestatten erstens den Bibliotheken das aktive Einsammeln nicht übermittelter Netzpublikationen und beschreiben zweitens ausführlich, welche konkreten Nutzungsrechte der Bibliothek mit Blick auf Langzeitarchivierung und Nutzung durch die Öffentlichkeit zustehen. Der zuletzt genannte Punkt ist rechtlich unproblematisch, denn er konkretisiert die bei der Übermittlung des Medienwerkes für die Einräumung der notwendigen Nutzungsrechte ohnehin abzugebende Willenserklärung. Da es, wie sich aus § 31 Abs. 5 UrhG ergibt, ein Nutzungsrecht »an sich« nicht gibt, ist es sinnvoll, dessen Reichweite gesetzlich zu konkretisieren. Der Ablieferungspflichtige weiß dann, woran er ist. Da die verpflichtende Einräumung eines Nutzungsrechts einen Eingriff in das in Art. 14 GG geschützte geistige Eigentum des Ablieferungspflichtigen darstellt, scheint eine gesetzliche Klarstellung aus Gründen der Wesentlichkeit auch geboten zu sein und ist der doch eher diffusen, erst durch umständliche Auslegung zu ermittelnden Regelung des DNBG vorzuziehen. Erheblich schwieriger zu begründen ist die Befugnis der Pflichtexemplarbibliothek, von sich aus nicht abgelieferte Netzpublikationen einzusammeln und dann wie ein abgeliefertes Medienwerk zu nutzen. Tatsächlich sind hier die Bibliotheken in Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zu mehr befugt, als derzeit die DNB. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier maße sich der Landesge- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 setzgeber eine nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG allein dem Bund zustehende urheberrechtliche Gesetzgebungsbefugnis an. Tatsächlich aber haben wir es hier wohl eher mit einer inhaltsbestimmenden Regelung im Bereich des Eigentums zu tun, zu dem auch das Urheberrecht gehört. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner berühmten Pflichtexemplarentscheidung vom 14. Juli 1981 festgestellt, dass Pflichtexemplarbestimmungen das Eigentumsrecht inhaltlich in der Weise ausgestalten, dass schon bei der Produktion von Druckwerken das Eigentum an ihnen mit einer Ablieferungspflicht belastet ist, die dann durch die Auswahl eines konkret abzuliefernden Stückes nur aktualisiert wird. Überträgt man diesen Gedanken auf die unkörperlichen Medienwerke, die jedenfalls nicht stärker als das Sacheigentum in Art. 14 GG geschützt sind, so wird das Verwertungsrecht des Ablieferungspflichtigen sogleich mit einem entsprechenden Nutzungsrecht der Pflichtexemplarbibliothek belastet, was nichts anderes bedeutet, als dass der Bibliothek dieses Recht sogleich nach der öffentlichen Zugänglichmachung auch zusteht und sie daher auch von sich aus ein nicht übermitteltes Werk in ihren Bestand übernehmen und dort ihrem gesetzlichen Auftrag gemäß nutzen kann. Die Gesetzgebungskompetenz zur Ausgestaltungsgesetzgebung im Bereich des Eigentums folgt übrigens stets der Hauptmaterie, hier also dem Pflichtexemplarrecht, für das die Länder zweifelsfrei zuständig sind. Selbst wenn man in den neuen Pflichtexemplarbestimmungen der Länder gleichwohl eine unzulässige urheberrechtliche Regelung sehen wollte, so wäre zu bedenken, dass dann die Kulturhoheit der Länder wegen der unvermeidlichen Vervielfältigungen im Online-Bereich allein wegen der Bundeskompetenz im Urheberrecht vor dem Internet endete, ein Ergebnis, das verfassungsrechtlich kaum hinnehmbar ist, zählt die Kulturhoheit doch zum verfassungsrechtlich besonders geschützten Kernbereich der Länderstaatlichkeit. Zudem wären die Länder nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Annexes und des Sachzusammenhangs sogar zu genuin urheberrechtlichen Regelungen befugt, wenn ein in ihre Kompetenz fallender Sachverhalt sonst nicht sinnvoll geregelt werden kann. Für das Ziel einer möglichst vollständigen Sammlung von Inhaltsbestimmung des Eigentums Annexkompetenz Forum Netzpublikationen wird man einen solchen Sachzusammenhang annehmen dürfen. Konsequenzen für das DNBG Aufnahme von Weiterentwicklungen ins DNBG Das DNBG war Vorbild für die Ausweitung des Pflichtexemplarrechts auf Landesebene. Die Länder ihrerseits haben die Bestimmungen in den letzten Jahren konzeptionell weiterentwickelt. Es wäre sachgerecht, diese Entwicklungen in das DNBG zu übernehmen. Das betrifft sowohl die Konkretisierung der der Bibliothek mit der Ablieferung einzuräumenden Nutzungsrechte als auch die Befugnis der Bibliothek zum selbstständigen Einsammeln von Netzpublikationen. Fraglich ist aber, ob es hier mit einer bloß pflichtexemplarrechtlichen Regelung getan ist oder ob nicht auch das Urheberrechtsgesetz selbst geändert werden muss. Richtigerweise wird man wohl beide Wege beschreiten müssen. Die bisherige Praxis der DNB geht bei der Ablieferung von einer schlüssigen Nutzungsrechtseinräumung aus. Das setzt jedoch voraus, dass der Abzuliefernde zu einer entsprechenden Rechtseinräumung auch berechtigt ist. In den Fällen, in denen beispielsweise Abbildungen oder andere Fremdinhalte nicht auf Grundlage des Zitatrechts, sondern erworbener Lizenzen genutzt werden, ist das aber fraglich. Viel spricht dafür, dass der Abliefernde nicht berechtigt ist, der DNB an diesen Abbildungen mit der Ablieferung auch Nutzungsrechte einzuräumen. Hier kann der Bibliothek wie auch den Pflichtexemplarbibliotheken der Länder allein eine entsprechende Schrankenbestimmung im Urheberrechtsgesetz helfen. Dass eine so kleinteilige Betrachtungsweise, die nach einzelnen Werkinhalten fragt, geboten ist, zeigt übrigens die Gesetzgebung zu den verwaisten Werken in § 61 UrhG, wo neben einem konkreten Werk auch alle (!) Bestandsinhalte auf mögliche Rechteinhaber zu überprüfen sind. Im Pflichtexemplarrecht kann, will man urheberrechtlich sauber arbeiten, nichts anderes gelten. Weitere Herausforderungen Die Sammlung von Netzpublikationen und ihr dauerhafter Erhalt sind technisch herausfordernd. Wir haben gesehen, dass es hier auch rechtliche Probleme gibt, die gerade die flächige Speicherung vieler Webseiten verhindern. Wenn die Ziele des DNBG noch gültig sind, nämlich ein digitales kulturelles Gedächtnis aufzubauen, wird der Gesetzgeber hier nachbessern müssen. Allerdings gibt es neben den rechtlichen auch konzeptionelle Fragen, die hier nur kurz angerissen werden können. Liest man in den Gesetzgebungsmaterialien des DNBG, so stand dem Gesetzgeber eine relativ klar umrissene Form von Netzpublikation vor Augen. Social Media freilich gab es damals nur in allerersten Ansätzen. Um heute ein authentisches Abbild der Netzöffentlichkeit zu haben, wird man Plattformen wie Facebook und Twitter ebenfalls speichern müssen. Kann das eine Bibliothek leisten? Wäre dafür nicht eine neue Gedächtnisinstitution ganz eigener Art nötig? Auch muss diskutiert werden, welche Netzinhalte überhaupt Teil des kulturellen Gedächtnisses sein sollen. Im Bereich der Druckschriften ist das klar, im Online-Bereich ist hier noch vieles im Fluss. Die Fachleute im Bibliothekswesen haben sich in der Vergangenheit vor allem mit technischen Aspekten der Netzpublikationen befasst. Es wäre sehr wichtig, nun auch eine medien- beziehungsweise kulturwissenschaftliche Diskussion folgen zu lassen. Technische Aspekte Social Media Eine bleibende Herausforderung In der zweiten Lesung des DNBG am 6. April 2006 hat der 2015 verstorbene Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder (CDU) sehr richtig von einem digitalen Wettbewerb gesprochen, in den die öffentliche Hand mit Anbietern wie Google treten muss, auch um die Verantwortung für das kulturelle Gedächtnis nicht aus der Hand zu geben. Mißfelder selbst war eine Person der Zeitgeschichte. Auf Dialog mit Bibliotheken 2016/2 35 Forum seine Webseite als Quelle zu persönlichen Angaben verweist sogar ein Normdatensatz im Katalog der DNB. Die Seite selbst jedoch ist mittlerweile offline. Obwohl die DNB seit 2006 einen entsprechenden gesetzlichen Auftrag hat, hat sie Mißfelders Seite nicht gesichert. Bei der privaten amerikanischen Initiative »archive.org«, die übrigens unter einem wesentlich liberaleren Urheberrecht als dem deutschen arbeiten kann, finden sich demgegenüber 200 (!) gespeicherte Versionen. Mißfelder war in der zweiten Lesung zum DNBG übrigens der Ansicht, dass der »Gesetzentwurf ein entscheidender Beitrag sein kann, […] diese Fragestellungen [gemeint das digitale kulturelle Gedächtnis] zu bearbeiten. Wir sollten uns um dieses Thema und nicht mehr um die Frage der Umbenennung kümmern. Dies ist gleich nach der Abstimmung ohnehin entschieden und deswegen können wir uns getrost auf das konzentrieren, was tatsächlich wichtig ist, nämlich die neuen techno- logischen Herausforderungen anzunehmen.« (PlPr. 16/32, S. 2678 f.) Das war weitsichtig. Vermutlich wäre Mißfelder aber trotz allen Problembewusstseins ziemlich verwundert gewesen, dass zehn Jahre später sogar die simple Speicherung seiner eigenen Webpräsenz noch eine Herausforderung zu sein scheint. Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber die Erfahrungen und Probleme der letzten zehn Jahre mit der Sammlung und Erhaltung von Netzpublikationen gründlich auswertet und im Pflichtexemplar- aber auch im Urheberrecht endlich einen angemessenen Rechtsrahmen für das digitale kulturelle Gedächtnis schafft, dessen Einrichtung 2006 jedenfalls politisch völlig unumstritten war. Prof. Dr. jur. Eric W. Steinhauer: Dezernent für Medienbearbeitung und Fachreferent für Recht und Allgemeines, sowie Literaturwissenschaft (komm.), Universitätsbibliothek Hagen, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin E-Mail-Adresse: [email protected] Anmerkungen Weiterführende Literatur Euler, Ellen: Web-Harvesting vs. Urheberrecht, in: Computer und Recht 2008, 64 – 68. Heckmann, Jörn, und Marc Philipp Weber: Elektronische Netzpublikationen im Lichte des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG), in: AfP – Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht 2008, 269 – 276. Hinte, Oliver, und Eric Steinhauer (Hrsg.): Die Digitale Bibliothek und ihr Recht – ein Stiefkind der Informationsgesellschaft?: Kulturwissenschaftliche Aspekte, technische Hintergründe und rechtliche Herausforderungen des digitalen kulturellen Speichergedächtnisses, Münster 2014. Klimpel, Paul, und Ellen Euler (Hrsg.): Der Vergangenheit eine Zukunft : kulturelles Erbe in der digitalen Welt. – Berlin 2015. Steinhauer, Eric: Pflichtablieferung von Netzpublikationen: urheberrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Ablieferungspflicht von Netzpublikationen an die Deutsche Nationalbibliothek, in: Kommunikation & Recht 2009, S. 161 – 166. Ders.: Die Sammlung, Bewahrung und Verwaltung von Netzpublikationen durch Pflichtexemplarbibliotheken in Deutschland, in: Bibliotheksdienst 2015, S. 1.101 – 1.113. 36 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Angemessener Rechtsrahmen für Pflichtexemplarund Urheberrecht Forum Sören Flachowsky Der gelbe Stern in der Wissenschaft Das »Erkundungsreferat« des Propagandaministeriums in der Deutschen Bücherei Leipzig und die Arbeiten an einer so genannten »Judenbibliografie« Die Steuerung der Schrifttumspolitik im Propagandaministerium Schrifttumspolitik Am 13. März 1933 wurde der Reichspropagandaleiter der NSDAP und Gauleiter von Berlin, Joseph Goebbels, zum Minister für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) ernannt.1 Das neue Ressort setzte sich zum größten Teil aus Geschäftsbereichen zusammen, die von bestehenden Ministerien und Behörden abgekoppelt wurden. So übernahm das RMVP etwa vom Reichsinnenministerium die Betreuung der Deutschen Bücherei (DB) in Leipzig.2 Ende Juni 1933 erließ Hitler eine Verordnung, die dem RMVP die Verantwortung »für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und der Verwaltung aller diesen Zwecken dienenden Einrichtungen« übertrug.3 Damit übernahm Goebbels die Federführung auf den Gebieten der Massenmedien, der Kultur und der nationalsozialistischen Feiergestaltung. Die Betreuung der einzelnen Gebiete erfolgte in den Ministerialabteilungen Haushalt und Wirtschaft (I), Propaganda (II), Rundfunk (III), Presse (IV), Film (V), Theater (VI), Volksbildung (VII) und Schrifttum (VIII).4 Für die Belange der Deutschen Bücherei war die im Oktober 1934 ins Leben gerufene Abteilung VIII zuständig. Der Schrifttumsabteilung oblag zudem die Betreuung von Leih-, Werk-, Jugend-, Grenzland-, Vereins- und Kirchenbüchereien. Darüber hinaus steuerte sie das so genannte Buchverbotswesen, die Überwachung des Buchmarktes und des Verlagswesens, die Betreuung literarischer Gesellschaften, die Organisation von Buchausstellungen, den Buchexport sowie die Ausrichtung des deutschen Schrifttums.5 Allerdings wurde das Gebiet der Schrifttumspolitik im RMVP zunächst eher nachlässig behandelt, da bei Goebbels und seiner Entourage noch weitgehende Unklarheit darüber herrschte, welche kulturpolitischen Aufgaben zuerst in Angriff zu nehmen seien. Es dauerte jedoch nicht lange, bis das Ministerium begann, sich auch stärker in diesem Bereich zu engagieren, zumal Goebbels vehement danach strebte, das durch zahlreiche unkoordinierte »Säuberungsaktionen« verursachte Durcheinander im deutschen Kulturleben unter seiner Kontrolle zu ordnen und die »kulturelle Revolution« des NS-Regimes im eigenen Ministerium zu institutionalisieren.6 Zu diesem Zweck rief Goebbels am 22. September 1933 die Reichskulturkammer (RKK) ins Leben, die seine kulturpolitische Monopolstellung gegen den Einfluss rivalisierender Interessengruppen absichern sollte. Die RKK bestand aus einer Schrifttums-, einer Presse-, einer Rundfunk-, einer Theater-, einer Film- und einer Musikkammer sowie einer Reichskammer der bildenden Künste. Da alle »Kulturschaffenden« zur Mitgliedschaft in der RKK verpflichtet waren und diese sich auch das Recht herausnahm, Berufsverbote auszusprechen, übte sie eine weitgehende Kontrolle über ihre Mitglieder aus. Für die Literaturpolitik kam der Reichsschrifttumskammer (RSK) eine wichtige Bedeutung zu, da auch sie Einfluss auf die Buchzensur, das Büchereiwesen, den Buchhandel und das Verlagswesen ausübte. Obwohl die »Abteilung Schrifttum« des RMVP der RSK übergeordnet war, konnte die Abteilung in den ersten Jahren ihres Bestehens nur wenig Einfluss auf das kulturelle Geschehen ausüben. Das hing damit zusammen, dass sich die Goebbels unterstellten Ämter durch Intrigen und Machtkämpfe selbst lähmten. Erst nach einem großen Revirement wurde der Dualismus zwischen der RSK und dem Ministerium 1938 aufgehoben und die Schrifttumsabteilung auf Kosten der RSK aufgewertet. Infolgedessen spielte die Abteilung erst ab 1938 eine zentrale Rolle bei der Überwachung des Buchmarktes und der Indizierung des unerwünschten Schrifttums.7 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Schrifttumsabteilung des RMVP faktisch erst ab 1938 maßgebend 37 Forum Die Deutsche Bücherei im Fokus der NS-Schrifttumsbehörden »NS-Bibliografie« – PPK-Außenstelle an der DB »Gegnerforschung und -bekämpfung« – SD-Dependance an der DB 38 Die anfängliche Paralyse des RMVP nutzten die Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums (PPK) unter Philipp Bouhler und die von Alfred Six geleitete Kulturabteilung in der Berliner SD-Zentrale dazu, ihren Einfluss auf die Literaturpolitik auszudehnen.8 Beide Behörden stützten sich bei ihren Arbeiten auf die Deutsche Bücherei, in der sie sogar eigene Außenstellen unterhielten. Die PPK-Dependance an der DB ermöglichte den PPK-Beamten die Zensur der Verlagsproduktion, diente aber in erster Linie als »bibliografische Auskunftsstelle« und Plattform für die Erstellung einer »Nationalsozialistischen Bibliografie«. Diese Bibliografie hatte die DB bereits 1933 in Eigenregie als »Sonderarbeit« in Angriff genommen. Ihr wurde von Bouhler solche Bedeutung beigemessen, dass er Anfang 1935 die Einrichtung einer besonderen Verbindungsstelle an der DB verfügte, die bibliografische Auskünfte über NS-Schrifttum erteilte und die »politische Bearbeitung der NS-Bibliografie« koordinierte.9 Im Mittelpunkt der Aufgaben des 1931 gebildeten Sicherheitsdienstes der SS (SD) standen die »Gegnerforschung und -bekämpfung«. Infolgedessen markierte die Auswertung von Presse- und Buchveröffentlichungen einen zentralen Schwerpunkt der SD-Arbeit.10 Bereits 1934 wurde in Leipzig eine SD-eigene Schrifttums- beziehungsweise Verbindungsstelle aufgebaut. Ihre Aufgabe bestand darin, die bei der DB in Leipzig eingehenden Publikationen zu sichten, auszuwerten und gegebenenfalls einer Zensur zu unterwerfen.11 Die SD-Verbindungsstelle entwickelte sich zu einer von verschiedenen Kontrollstellen im Netz SS-eigener Überwachungsinstanzen, deren Informationen im SD-Hauptamt und ab 1939 im Reichsicherheitshauptamt gebündelt wurden und die Grundlage für die »Gegnerbekämpfung« bildeten.12 Warum jedoch stützten sich sowohl der SD als auch die PPK bei ihrer Indizierungspraxis auf die Deutsche Bücherei und nicht auf die Staatsbibliotheken in Berlin und München? Die im Jahr 1912 gegründete DB – die heutige Deutsche Nationalbibliothek – stellte im Bibliothekswesen Deutschlands eine Besonderheit dar. Während die übrigen Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Bibliotheken das Auswahlprinzip vertraten, das heißt aus der Fülle der erschienenen Druckschriften das auswählten, was ihnen für ihre besonderen Zwecke geeignet erschien, vertrat die DB als einzige Bibliothek im Reich den Grundsatz der Vollständigkeit, indem sie das deutschsprachige Schrifttum lückenlos sammelte. Aufgrund ihres spezifischen Sammelauftrages hatte sich die DB zudem zum bibliografischen Zentrum Deutschlands entwickelt: Seit 1931 gab sie die Deutsche Nationalbibliografie heraus. Für die Indizierungspraxis der NS-Behörden stellte dieser funktionale Informationspool eine unentbehrliche »Fundgrube der Schrifttumsinformation« (Werner Schroeder) dar, den sich neben der PPK und dem SD nun auch das RMVP nutzbar machen wollte, indem es ab 1941 auf die Einrichtung eines eigenen »Erkundungsreferats« an der DB drängte, dessen Aufgaben in der »Überwachung aller deutschsprachigen Neuerscheinungen« und der »Erfassung des staatsfeindlichen Schrifttums« liegen sollten.13 Das Erkundungsreferat und die »Bibliografie des jüdischen Schrifttums« Neben der Schrifttumskontrolle oblag dem Erkundungsreferat auch die Betreuung einer so genannten »Judenbibliografie«.14 Überlegungen zur Schaffung eines »Gesamtverzeichnisses des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache« für den Zeitraum von 1901 bis 1940 wurden im RMVP bereits seit April 1941 angestellt, um ein zu diesem Zeitpunkt immer noch fehlendes Verzeichnis aller »jüdischen« und »jüdisch versippten« Autoren zu erhalten, »deren Werke aus der öffentlichen Nutzung und aus dem Bewusstsein der Deutschen verschwinden sollten«.15 Verschiedene Parteiinstanzen und Behörden hatten seit 1933 – etwa im Rahmen der 1935 herausgegebenen »Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums« – gezielt danach gestrebt, jüdische Autoren auf den Index zu setzen.16 Bei der Gründung der Reichskulturkammer hatte man allerdings auf die Einführung eines »Arierparagrafen« verzichtet. Deshalb war an eine umfassende Indizierung jüdischer Schriften nicht zu denken. Überdies konnte den in die Kammer aufgenommenen jüdischen Sammelauftrag und Nationalbibliografie von besonderem Interesse für NS-Behörden Erkundungsreferat an der DB Forum Schrifttumspolitische Verordnungen Erstellung einer »Bibliografie des jüdischen Schrifttums« durch die DB Schriftstellern zunächst noch nicht förmlich untersagt werden, ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Ebenso wenig war es jüdischen Buchhändlern formaliter verwehrt, Werke jüdischer Verfasser zu verbreiten.17 Das hinderte die NS-Behörden aber nicht, die Verbreitung »jüdischen« Schrifttums zu unterdrücken. Nach dem Ausschluss der jüdischen Autoren aus der RSK im Frühjahr 1935 war es den deutschen Verlagen seit Anfang 1938 im Allgemeinen nicht mehr möglich, »jüdisches« Schrifttum auszuliefern. Flankiert wurden diese restriktiven Maßnahmen durch schrifttumspolitische Verordnungen, die beispielsweise das von der DB gewahrte Prinzip der Vollständigkeit der Deutschen Nationalbibliografie durchbrachen, indem 1936 vom RMVP festgelegt wurde, die DB habe zwar weiterhin das deutschsprachige Schrifttum zu sammeln, in ihre Bibliografie aber nur noch das »deutsche Schrifttum« aufzunehmen, womit in Deutschland verbotene Bücher, Werke von Emigranten sowie deutschfeindliche und zum linken Spektrum zählende Druckschriften nicht mehr offiziell angezeigt werden durften.18 Im Frühjahr 1937 wurde der DB auch die bibliografische Verzeichnung des »rein jüdischen Schrifttums« untersagt.19 Durch eine Verfügung der RSK im April 1940 kam es schließlich zu einer vollständigen Indizierung des »jüdischen Schrifttums«. Dabei ergaben sich vor allem im Hinblick auf die wissenschaftliche Literatur Probleme, da weder dem RMVP noch der Gestapo ausreichende Unterlagen darüber zur Verfügung standen, »wer überhaupt Jude oder Halbjude« war.20 Da verschiedene Stellen das Fehlen verlässlicher Verzeichnisse der jüdischen Schriften und ihrer Produzenten immer wieder anmahnten, leitete sich daraus die Überlegung ab, »alle jüdischen Autoren deutschsprachiger Bücher« und Universitätsschriften festzustellen und »alle jüdisch-deutschen Mischehen in ihren Nachkommensverhältnissen und Verzweigungen« zu untersuchen.21 Nach Auffassung des RMVP sollte dies durch eine »Bibliografie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache« erreicht werden, deren Bearbeitung der DB übertragen wurde. So führte der stellvertretende Leiter der »Abteilung Schrifttum« in einer Ministervorlage im Juni 1941 aus: »Seit der Machtübernahme hat sich in der kulturpolitischen Arbeit das Fehlen eines zuverlässigen Verzeichnisses der jüdischen Schriften immer wieder störend bemerkbar gemacht. Verschiedene Versuche einzelner Dienststellen, derartige Verzeichnisse anzulegen, sind immer sehr unvollkommen ausgefallen und mußten meistens wieder aufgegeben werden. Die Abteilung Schrifttum betreibt auf Grund der Anordnung über schädliches und unerwünschtes Schrifttum seit langem eine systematische Bereinigung des deutschen Buchmarktes vom jüdischen Schrifttum. Als Ergebnis dieser Arbeit liegt bereits jetzt derartig umfangreiches Material vor, daß es angebracht erscheint, es in einem Katalog festzuhalten. Um jedoch die volle Zuverlässigkeit des Kataloges zu erreichen, ist es notwendig, die Vorarbeiten durch wissenschaftlich geschulte Hilfskräfte an der Deutschen Bücherei durchführen zu lassen. Sachverständige der Deutschen Bücherei schätzen den Anteil der jüdischen Autoren an den im Zeitraum von 1901 [bis] 1940 erschienenen 2.180.000 Schriften auf etwa 90.000. (…) Ein vollständiges Verzeichnis der jüdischen Schriften in deutscher Sprache wird für die Arbeit aller Kulturpolitiker, Wissenschaftler, Journalisten usw. ein unentbehrliches Hilfsmittel werden.«22 Der Hinweis auf die »Sachverständigen der Deutschen Bücherei« macht deutlich, dass die ersten Erwägungen über Kosten und Umfang einer derartigen Bibliografie auf die DB zurückgingen. So hatte der Bibliothekar Curt Fleischhack im Auftrag des RMVP eine Überschlagsrechnung erstellt, wobei er sich auch auf Expertisen der SD-Verbindungsstelle in Leipzig stützte.23 Die Bearbeitung der Bibliografie lag seit Anfang August 1941 in den Händen des Bibliotheksrats Johannes Ruppert24, dem zahlreiche Hilfskräfte zur Verfügung standen.25 Welche Bedeutung man dem Projekt im RMVP beimaß, geht daraus hervor, dass das Ministerium bis 1944 hierfür immerhin 47.200 RM bereitstellte und selbst nach der Niederlage von Stalingrad betonte, »die Weiterführung der Judenkartei in der Deutschen Bücherei« erscheine »auch auf die Dauer des Krieges geboten«.26 Die Entstehung der Bibliografie fiel zeitlich mit der vom NS-Regime 1941 forcierten »Radikalisierung der antijüdischen Politik«27 zusammen. Die seit Mitte des Jahres geplante und am 1. September 1941 für das Reichsgebiet verfügte Einführung des »Judensterns« diente dazu, die Juden in der Öf- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 39 Forum Radikalisierung der antijüdischen Politik Methodisch aufwendiges Prozedere 40 fentlichkeit »sichtbar« zu machen und auf dieser Grundlage weitere Beschränkungen des jüdischen Lebensbereichs durchzusetzen. Mit der Einführung dieses Kennzeichens ging eine neue antisemitische Kampagne von Goebbels einher, der zudem von der Absicht Hitlers erfahren hatte, angesichts des sich im Osten abzeichnenden Erfolges der Wehrmacht, mit der Deportation der deutschen Juden zu beginnen.28 Die von der Deutschen Bücherei im Auftrag des RMVP durchgeführten Arbeiten an der »Jüdischen Bibliografie« dienten dem RMVP als Hilfsmittel zur Identifizierung von Juden und darauf fußenden Indizierung ihrer Schriften, um auf diese Weise Buchhandel und Bibliotheken zu »säubern« und den »jüdischen Einfluss« in der Wissenschaft »auszumerzen«.29 Um an die benötigten Informationen zu gelangen, ging man in der DB methodisch sehr aufwendig vor.30 Die Grundlage der Bibliografie bildete ein »umfassendes und gesichertes Verzeichnis der in Betracht kommenden Autoren«, das von Ruppert auf der Basis »der neuesten Listen nichtarischer Verfasser« erstellt wurde, die der DB von verschiedenen NS-Schrifttumsstellen zur Auswertung überlassen wurden. Darüber hinaus prüften die Bibliothekarinnen und Bibliothekare in den »das Judentum betreffenden Nachschlagewerken«, ob die darin aufgeführten Personen »nach den dort gegebenen Mitteilungen als Volljuden anzusehen« waren. Die Angaben der meisten dieser Werke hatten für Ruppert jedoch nur bedingten Wert. Wie er berichtete, hatte sich gezeigt, dass sie in der Regel »vor der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung entstanden (…), und deshalb ihre Angaben über den Grad der jüdischen Abstammung (Voll-, Halb-, Vierteljude) besonders unzuverlässig waren. Den »gleichen Mangel« wiesen auch weitere Hilfsmittel auf, so die vom RMVP zur Verfügung gestellten Mitteilungen von Verlagen über jüdische Autoren, eine »Zusammenstellung der Produktion der spezifisch jüdischen Verlage im Verlegerkatalog« der DB sowie mehrere Karteien, die vom Deutschen Rechtsverlag und dem Reichssippenamt bereitgestellt wurden. Um »authentisches, möglichst urkundliches Material« über die jüdischen Autoren zu gewinnen, stützte sich Ruppert auch auf die »von der Antikomintern zur Verfügung gestellten Mitteilungen über jüdische Hochschullehrer, Lis- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 ten jüdischer Konsulenten und Zahnärzte (…), die Ausbürgerungskartei des Reichsführers SS«, Materialien der »Antisemitischen Aktion«, »die ›JudenKartei‹ des NS-Rechtswahrerbundes« und ähnliche Verzeichnisse des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands. Weitere Informationen wurden aus den Lebensläufen von Dissertationen sowie jüdischen Zeitschriften und Zeitungen gewonnen. Schließlich bemühte man sich auch durch gezielte Anfragen bei Behörden und Meldeämtern darum, etwas über die »jüdische« Abstammung einzelner Personen in Erfahrung zu bringen.31 Wie der Generaldirektor der DB, Heinrich Uhlendahl, dem RMVP im November 1942 berichtete, werde man nach der Fertigstellung der Kartei »in der Lage sein, über alle Fragen, die jüdische Schriftsteller betreffen, einwandfreie Auskünfte zu erteilen«. Schon jetzt, so Uhlendahl, werde die Kartei von den Dienststellen der DB, den Abteilungen des RMVP aber auch von anderen Behörden »täglich in Anspruch genommen« und habe »in zahlreichen Fällen Hilfe leisten können«.32 Worin diese Hilfe bestand, geht aus einem Schreiben des RMVP an Ruppert hervor, in dem man diesem mitteilte, dass es aufgrund seiner telefonischen Mitteilung, bei dem Philosophieprofessor Gerardus Heymann (1857 – 1930) handele es sich um einen »Volljuden«, zu einem Verkaufsverbot von dessen Büchern gekommen sei.33 Es ging also auch bei diesen Schreibtischarbeiten darum, die Juden »sichtbar« zu machen und der vom RMVP angestrebten Vernichtung ihrer kulturellen Überlieferungen den Weg zu ebnen. Die »Judenbibliografie« als Spiegel der NS-Vernichtungspolitik Zwar ist kein direkter Zusammenhang zwischen den Arbeiten an der »Judenbibliografie« und der NS-Vernichtungspolitik nachzuweisen, aber um die Bibliografie betreffenden Schriftwechsel zwischen dem RMVP und der DB finden sich immer wieder Hinweise auf Personen, die Opfer der brutalen Verfolgungspraxis der Nationalsozialisten wurden, die jüdische Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ihren Berufen drängten, in die Emigration trie- »Jüdische Bibliografie« Hilfsmittel zur Identifizierung von Juden Forum Hinweise auf Opfer der NS-Verfolgungspraxis ben oder während der so genannten »Endlösung« ermordeten.34 Im Fall des Münchener Romanistikprofessors Leopold Jordan35 beispielsweise ergaben sich den Bibliografinnen und Bibliografen der DB bei der Auswertung einige Fragen, die man offenbar mit Hilfe der Polizeibehörden zu lösen suchte. Wie das RMVP der DB im Juni 1942 mitteilte, ergab eine Auskunft des Polizeipräsidiums München, dass der »Rassejude« Jordan bereits 1933 aus dem bayerischen Hochschuldienst entlassen worden war und sich im Juli 1940 das Leben genommen hatte. Lakonisch wurde die DB vom RMVP daraufhin angewiesen, »dieses Ermittlungsergebnis für die Judenbibliografie zu verwerten«.36 Im Juni 1942 erhielt Ruppert die Nachricht seiner vorgesetzten Behörde, dass der Verlag Fr. Frommanns in Stuttgart sich »nicht sicher sei, ob Prof. Dr. Hans Ehrenberg, der Herausgeber der Sammlung ›Frommanns Philosophische Taschenbücher‹«, Jude sei. Demnach wurde die DB gebeten, »genaue Auskunft« über Ehrenberg, der auch als Privatdozent an der Universität Heidelberg gelehrt hatte und später als evangelischer Pfarrer in Bochum wirkte, zu erteilen. Innerhalb einer Woche lieferte die DB die gewünschte Information und teilte dem RMVP mit, dass es sich bei Ehrenberg um einen »Volljuden« handle.37 Ehrenberg war bereits 1938 ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt worden, hatte jedoch aufgrund seiner guten ökumenischen Beziehungen und einer Intervention des anglikanischen Bischofs von Chichester 1939 nach England emigrieren können.38 Ein Opfer der Verfolgung war auch der Münchener Historiker Siegmund Hellmann: Am 19. Juni 1942 sandte das RMVP der DB eine Liste mit Verfassern, bei denen »nichtarische Abstammung vermutet« und Ruppert »um Nachprüfung« und »baldige Auskunft« gebeten wurde. Auf der Liste findet sich auch der Name Hellmanns. Ruppert antwortete der Schrifttumsabteilung des Ministeriums am 6. Juli 1942, wobei im Hinblick auf Hellmann festgehalten wurde, dieser sei »laut Nachweisung der Universität Leipzig über die am 1. April 1933 in Dienst befindlichen Hochschullehrer und Assistenzkräfte jüdischer Abstammung« und als »Volljude« anzusehen.39 Hellmann hatte seit 1923 als Ordinarius an der Universität Leipzig gewirkt, seine Stellung jedoch infolge des Berufsbeamtengesetzes 1933 verloren. Er war daraufhin nach München gegangen und lebte zurückgezogen bei seiner Schwester, der Schriftstellerin Carry Brachvogel. Am 22. Juli 1942 wurden Hellmann und seine Schwester von München in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo beide noch im selben Jahr umkamen.40 Ein ähnliches Schicksal erlitt die jüdische Philosophin Edith Stein: In einem Schreiben des RMVP an die DB im März 1943 wurde der Verdacht geäußert, dass die im Breslauer Frankes Verlag publizierende Edith Stein 1933 nur deswegen in ein Kloster eingetreten sei, um sich »auf diese Weise nach der Machtergreifung in Sicherheit« zu bringen. Es bestehe der Verdacht, dass es sich bei ihr um eine Jüdin handle. Weitere Feststellungen in dieser Frage, so Günther Lutz vom RMVP, könnten allerdings nur von den Behörden getroffen werden.41 Was man in Berlin und Leipzig offenbar nicht wusste war, dass Edith Stein bereits sieben Monate zuvor in den Gaskammern des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau ermordet worden war.42 Der Grundgedanke der Sichtbarmachung des »Gegners« und der daraus resultierenden Möglichkeit seiner Bekämpfung bestimmte auch das Selbstverständnis der in der SD-Verbindungsstelle an der DB wirkenden Zensurbeamten. Im Unterschied zu Ruppert fügten die Gegnerforscher um Six und Wilhelm Spengler ihren Schrifttumsberichten in vielen Fällen allerdings auch konkrete Observierungsempfehlungen bei, die oft eine mehr als nur potentielle Gefahr für die betroffenen Autoren darstellten. So hielt Spengler in einem Bericht über die »Zeitschriftenauswertung auf dem Gebiet der politischen Kirchen« im April 1937 fest, dass der Sinn dieser Aktion darin bestehe, das »nachrichtendienstlich wesentliche Material in den Zeitschriften der politischen Kirchen laufend zu erfassen; die Unterlagen zu erhalten, um jeden Übergriff dieser Zeitschriften in die kulturelle, wirtschaftliche und staatliche Sphäre zurückzudrängen und schließlich eine Handhabe zu finden, um gegen die dahinter stehenden Personenkreise vorgehen zu können«.43 Obwohl die DB weitere Mittel zur Fortführung der Kartothek beantragte, mussten die Arbeiten Ende März 1944 unvermittelt eingestellt werden, da das RMVP keine neuen Zuschüsse mehr gewährte.44 Warum es zur Einstellung der Arbeiten kam Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Konkrete Observierungsempfehlungen Einstellung der Arbeiten im März 1944 41 Forum Fazit ist unklar, hing aber vermutlich mit dem Kriegsverlauf und daraus resultierender Personalknappheit zusammen. Bis März 1944 war die Kartothek bereits auf 28.000 Karten angewachsen. Aber so umfangreich sie auch war, sie stellte lediglich eine erste Grundlage für den eigentlichen Zweck des gesamten Projekts dar, der auf die Schaffung einer Gesamtbibliografie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache hinauslief. Demnach hätte der zweite Arbeitsschritt dieser »absurden Herkulesarbeit« (Volker Dahm) nun in der Ermittlung der Schriften aller der in der Kartei verzeichneten Autoren bestanden.45 Vorarbeiten hierfür wurden bereits in Angriff genommen, indem man mit der Durchsicht des Alphabetischen Katalogs der DB begann.46 Uhlendahl signalisierte dem RMVP noch im Juli 1944, man sei »bereit, die Arbeit fortzuführen«, sofern dies in Berlin gewünscht werde und die Finanzierung sicher sei.47 Das Ministerium ging auf dieses Angebot aber nicht ein, vermutlich, weil man dort zu der Einsicht gelangt war, mittelfristig nicht mit einem Abschluss der Arbeiten rechnen zu können. Gleichwohl diente die Kartei noch bis März 1945 als Hilfsmittel zur Auskunftserteilung über »Nichtarier« – so etwa im Fall der Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Frenzel, die im Auftrag des »Amtes Rosenberg« an einem Lexikon jüdischer Schriftsteller arbeitete.48 Mit ihrer nüchternen bibliografischen Zuarbeit förderten die Bibliothekarinnen und Bibliothekare der DB somit bis zuletzt die rassistisch grundierte Indizierungspraxis der Schrifttumsbehörden und leisteten damit einen spezifischen Beitrag zu der von den Nationalsozialisten seit 1933 angestrebten Homogenisierung der deutschen »Volksgemeinschaft«49, die nicht nur auf eine Ausgrenzung der Juden aus dem Kulturleben, sondern auch auf die Vernichtung ihrer kulturellen Spuren, Äußerungen und Überlieferungen abzielte. Insofern verwundert es nicht, dass die an der »Jüdischen Bibliografie« Beteiligten – wie Heinrich Uhlendahl und Johannes Ruppert – nach 1945 hierüber kein Wort verloren und demnach auch das »Erkundungsreferat« des RMVP in ihren Darstellungen zur Geschichte der Deutschen Bücherei keinen Niederschlag fand. Bereits im Zuge des Entnazifizierungsverfahrens für Ruppert hatte Uhlendahl 1947 die Arbeiten an der Bibliografie verschwiegen und auch eine Stellungnahme des Betriebsrates gutgeheißen, in der über Ruppert berichtet wurde, dieser habe sich während der NS-Zeit »offen besonders gegen die nationalsozialistische Rassenpolitik ausgesprochen und seinen Verkehr mit jüdischen Bekannten (…) aufrecht erhalten und sie aktiv unterstützt«.50 Ruppert wirkte weiter an der Deutschen Bücherei, bevor er 1952 in den Ruhestand ging. Uhlendahl blieb Generaldirektor der Deutschen Bücherei bis zu seinem Tod im Jahr 1954. E-Mail-Adresse von Dr. Sören Flachowsky: [email protected] Anmerkungen 1 Vgl. Erlass über die Errichtung des RMVP, in: Reichsgesetzblatt (RGBl.), Teil I, Nr. 21, vom 17. März 1933, S. 104. 2 Vgl. Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im NS-Staat. Von der »Gleichschaltung« bis zum Ruin, Frankfurt am Main, Fischer TB Verlag, 2010, S. 82 f. 3 Vgl. Verordnung über die Aufgaben des RMVP vom 30. Juni 1933, in: RGBl., Teil I, Nr. 75 vom 5. Juli 1933, S. 449. 4 Vgl. Longerich, Peter: Goebbels. Biographie, München, Siedler, 2010, S. 230 f. 5 Zur Gliederung und den Aufgaben der »Abteilung S« des RMVP vgl. Barbian, Literaturpolitik, S. 84 – 97. 6 Vgl. Kühnert, Jürgen: Die Reichsschrifttumskammer. Zur Geschichte einer berufsständischen Zwangsorganisation unter besonderer Berücksichtigung des Buchhandels, in: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 17 (2008), S. 255 – 363, hier S. 258. 7 Vgl. ebd., S. 311 – 316, 338f. Das dem RMVP jedoch seit 1936 die Federführung auf dem Gebiet der Buchverbote oblag, zeigt Dahm, Volker: Das jüdische Buch im Dritten Reich, München, Beck, 21993, S. 165 – 172. 8 Vgl. Bollmus, Reinhard: Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums (PPK), in: Benz, Wolfgang, Hermann Graml u. Hermann Weiß (Hg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München, DTV, 21998, S. 634 f.; Hachmeister, Lutz: Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München, Beck 1998. 42 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Forum 9 Bericht des DB-Mitarbeiters Günther Robbel über den Stand der Bearbeitung der NS-Bibliographie in der DB, Leipzig, 15. April 1935, Archiv der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig (ADNBL), 419/0, Bl. 107 – 110. 10 Vgl. Wildt, Michael (Hg.): Nachrichtendienst, politische Elite und Mordeinheit. Der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, Hamburg, Hamburger Edition, 2003. 11 Vgl. Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg, Hamburger Edition, 22008, S. 174 f. 12 Vgl. ebd., S. 176. Zur Verbindungsstelle des SD an der DB vgl. Schroeder, Werner: »… eine Fundgrube der Schrifttumsinformation.« Die Leipziger Arbeitsstelle für Schrifttumsbearbeitung beim Sicherheitshauptamt (SD) und die »SD-Verbindungsstelle an der Deutschen Bücherei«, in: Gibas, Monika (Hg.): »Arisierung« in Leipzig. Annäherung an ein lange verdrängtes Kapitel der Stadtgeschichte der Jahre 1933 bis 1945, Leipzig, Leipziger Universitätsverlag GmbH, 2007, S. 116 – 151. 13 Leiter der Abteilung Schrifttum des RMVP an den Leiter der Personalabteilung des RMVP, 04.12.1941, Bundesarchiv (BArch) Berlin, ehemaliges Berlin Document Center (BDC), RK I 95 (Wilhelm Emrich, geb. 29.11.1909), Bild 2244. Im Februar 2016 verfasste Ralf Klausnitzer anlässlich eines Workshops an der Humboldt-Universität zu Berlin eine Darstellung über »Wilhelm Emrich in der Abteilung VIII (Schrifttum) des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und als ›Erkundungsreferent‹ an der Deutschen Bücherei Leipzig«, zu welcher der Autor dieses Beitrages einen Kommentar beisteuerte. Dieser Kommentar bildet die Grundlage dieses Aufsatzes. Für die Überlassung seines Manuskripts dankt der Autor Ralf Klausnitzer. Der vom 19. bis 20. Februar 2016 durchgeführte Workshop stand unter der Überschrift: »Wilhelm Emrich. Akademischer und beruflicher Lebensverlauf eines Geisteswissenschaftlers vor, in und nach der NS-Zeit. Exemplarische Konstellationen 1929 – 1959.« 14 Dienstleistungszeugnis des RMVP für Wilhelm Emrich, 12. April 1944, BArch Berlin, ehem. BDC, RK I 95 (Wilhelm Emrich, geb. 29.11.1909), Bild 2222. Zur Verbotspraxis des Erkundungsreferats vgl. Klausnitzer, Wilhelm Emrich (Manuskript), [S. 12ff.]. Zur »Bibliografie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache« der DB vgl. auch Jung, Otmar: Der literarische Judenstern. Die Indizierung der »jüdischen« Rechtsliteratur im nationalsozialistischen Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), Heft 1, S. 25 – 59, hier S. 51 – 54. 15 Barbian, Literaturpolitik, S. 359. 16 Vgl. dazu am Beispiel der jüdischen Rechtsliteratur Jung, Judenstern, S. 25 – 59. 17 Vgl. Dahm, Das jüdische Buch, S. 178. 18 Vgl. ebd., S. 188. 19 Die Anweisung wurde kurze Zeit später modifiziert und verfügt, die Produktion jüdischer Verleger nur noch in der Reihe B der Deutschen Nationalbibliografie anzuzeigen, welche die außerhalb des Buchhandels erscheinenden Schriften verzeichnete. Vgl. ebd., S. 190. 20 Vgl. ebd., S. 192 – 199, hier S. 198. 21 Diese »Aufgaben für die Bibliotheken« formulierte der selbst an einer »Bibliografie zur Geschichte der Judenfrage« arbeitende Bibliothekar der Preußischen Staatsbibliothek, Volkmar Eichstädt im Jahr 1940. Eichstädt, Volkmar: Das Schrifttum zur Judenfrage in den deutschen Bibliotheken, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 57 (1940), Heft 1/2, S. 60 – 73, hier S. 72. Vgl. auch Barbian, Literaturpolitik, S. 358 f. 22 Johannes Schlecht (Abteilung Schrifttum, RMVP) an den Reichsminister, 24.06.1941, ADNBL, 612/0, Bl. 5 f. Siehe auch Jung, Judenstern, S. 51. 23 Kurt Fleischhack über die »Bibliographie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache 1901 – 1940«, 5. April 1941, ADNBL, 612/0, Bl. 1–3. Fleischhack hatte aber, anders als das RMVP, den Umfang der Bibliografie nicht auf 90.000, sondern auf 105.000 Schriften geschätzt. 24 Johannes Ruppert (1885 – 1964) Studium (Klassische Altertumswissenschaft und Germanistik) in Leipzig, Bonn und Berlin, 1911 Promotion und Staatsexamen, 1914 – 1918 Teilnahme am I. Weltkrieg, 1921 Bibliotheksanwärter, 1923 – 1952 DB, Oktober 1933 Förderndes Mitglied der SS, 1937 NSDAP. Vgl. ADNBL, Personalakte (PA) Johannes Ruppert (geb. 16.09.1885). 25 Vgl. Nachweis über die Verwendung der vom RMVP für die Erstellung einer »Bibliografie des jüdischen Schrifttums« in der Zeit vom 1. April 1943 bis 31. März 1944 zur Verfügung gestellten Mittel, 1. April 1944, ADNBL, 612/0, Bl. 32. 26 Vgl. Jung, Judenstern, S. 52. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 43 Forum 27 Pohl, Dieter: Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik um die Jahreswende 1941/42. Zum Kontext der Wannsee-Konferenz, in: Kampe, Norbert u. Peter Klein (Hg.): Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942. Dokumente, Forschungsstand, Kontroversen, Köln u. a., Böhlau, 2013, S. 169 – 181, hier S. 170. 28 Vgl. Longerich, Goebbels, S. 483 f., 488. 29 Vgl. Jung, Judenstern, S. 25 f. 30 Vgl. ebd., S. 53. 31 Vermerk Rupperts, 4. November 1942, ADNBL, 612/0, Bl. 19; Aktennotiz Uhlendahls, 17. Oktober 1942, ebd., Bl. 160; Manuskript für den Verwaltungsbericht der DB für 1941, hier: Jahresbericht 1940/41 von Johannes Ruppert über die Bibliografie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache 1901 – 1940, 27. April 1942, ADNBL, 181/1-1941, Bl. 39; Antisemitische Aktion (Berlin), an Ruppert, 23. Februar 1942, ADNBL, 612/1 (Bd. II), Bl. 27; Deutscher Rechts-Verlag GmbH, Berlin an Ruppert, 4. März 1942, ebd., Bl. 34. Vgl. auch Jung, Judenstern, S. 53. 32 Heinrich Uhlendahl an RMVP, 30. November 1942, ADNBL, 612/0, Bl. 25. 33 RMVP (Abt. Schrifttum) an Ruppert (DB), 27. September 1943, ADNBL, 612/1 (Bd. I), Bl. 136. 34 Vgl. Jung, Judenstern, S. 25. 35 Zu Leopold Jordan (1874 – 1940) vgl. Lebsanft, Franz: Ein deutsch-jüdisches Schicksal: Der Philologe und Linguist Leon Jordan (1874 – 1940), in: Christmann, Hans Helmut u. Frank-Rutger Hausmann (Hg.): Deutsche und österreichische Romanisten als Verfolgte des Nationalsozialismus, Tübingen, Stauffenburg-Verlag, 1989, S. 157 – 175, 287 f. 36 Rudolf Erckmann (RMVP) an die DB, 11. Juni 1942, ADNBL, 612/1 (Bd. II), Bl. 44. 37 Vgl. Günther Lutz (RMVP) an Ruppert, 11. Juni 1942, ebd., Bl. 45; DB an Lutz (RMVP), 17. Juni 1942, ebd., Bl. 47. 38 Zu Ehrenberg (1883 – 1959) vgl. Brakelmann, Günter: Hans Ehrenberg. Ein judenchristliches Schicksal in Deutschland, 2 Bde. Waltrop, Spenner, 1997/1999. 39 Günther Lutz (RMVP) an Ruppert (DB), 19. Juni 1942, ADNBL, 612/1 (Bd. II), Bl. 51f.; Ruppert an Lutz, 06.07.1942, ebd., Bl. 53f. 40 Vgl. Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich, hier: Deportationslisten, Bayern, 03.06. – 12.08.1942 nach Theresienstadt, Bezirksstelle Bayern, Abfahrt 22.07.1942, München, II/18 [18. Münchener Transport II/18], S. 3 (<http://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_bay_420603.html> und <http://www.statistik-des-holocaust.de/II18-3.jpg>, Zugriff am 11. Juli 2016). Zu Hellmann (1872 – 1942) vgl. Hoyer, Siegfried: Siegmund Hellmann, in: Steinmetz, Max (Hg.): Bedeutende Gelehrte in Leipzig. Zur 800-Jahr-Feier der Stadt Leipzig, Bd. 1, Leipzig, Karl-Marx-Universität, 1965, S. 219 – 227. 41 Günther Lutz (RMVP) an Ruppert (DB), 20. März 1943, ADNBL, 612/1 (Bd. 1), Bl. 8R. 42 Zu Edith Stein (1891 – 1942) vgl. Endres, Elisabeth: Edith Stein. Christliche Philosophin und jüdische Märtyrerin, München, Piper, 2 1999. 43 SS-Obersturmführer Wilhelm Spengler (I 32) an SS-Sturmbannführer Alfred Six (Leiter der Zentralabteilung II 1), 30. April 1937, BArch Berlin, R 58/5693a, Bl. 150 – 152. 44 Vgl. Jung, Judenstern, S. 52f.; Uhlendahl an Hugo Koch (RMVP) (mit Bericht Ruppert über die Bibliografie nach dem Stand von März 1944), 8. Juni 1944, ADNBL, 612/0, Bl. 34 – 38. 45 Dahm, Das jüdische Buch, S. 198; Jung. Judenstern, S. 54. 46 Vgl. Johannes Ruppert: Jahresbericht 1943/44 betr. Bibliografie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache 1901 – 1940, ohne Datum [1944], ADNBL, 181/1–1943 (Manuskript für den Jahresbericht der DB für die Zeit vom 1. April 1943 bis zum 31. März 1944), Bl. 14. 47 Uhlendahl an RMVP, 14. Juli 1944, ADNBL, 612/0, Bl. 42; Uhlendahl an Hugo Koch (RMVP) (mit Bericht Rupperts über die Bibliografie nach dem Stand vom März 1944), 8. Juni 1944, ebd., Bl. 34 – 38, hier Bl. 35. 48 Vgl. Elisabeth Frenzel an Ruppert, 03.10.1944, 27.10.1944, 27.11.1944, ADNBL, 612/1 (Bd. 1), Bl. 155, 157, 158; Piper, Ernst: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe, München, Pantheon, 2007, S. 484. Über den Verbleib der Kartei ist nichts bekannt, aber möglicherweise kann die heute im Bestand des RMVP im Bundesarchiv Berlin überlieferte Kartothek »Nichtarische Schriftsteller, A–E« (Signatur: R 55/21600) als Ergebnis der in der DB zwischen 1941 und 1944 erstellten »Bibliografie des jüdischen Schrifttums in deutscher Sprache« angesehen werden. 49 Vgl. Bajohr, Frank u. Michael Wildt: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main, Fischer TB Verlag, 22012, S. 7 – 23, hier S. 12. 50 Stellungnahmen der Bibliotheksleitung und des Betriebsrates betr. Entnazifizierung Rupperts, ohne Datum (1947), ADNBL, PA Johannes Ruppert (geb. 16.09.1885), Bl. 90. 44 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Forum Christian Rau Die Deutsche Bücherei und der Fall Carl Diesch Über die politischen Hintergründe der Entlassung des stellvertretenden Generaldirektors Carl Diesch 1946/47 in der Sowjetischen Besatzungszone Stellvertretender Generaldirektor Carl Diesch (1880 – 1957) wird für die Geschichte der Deutschen Bücherei heute kaum noch ein Begriff sein, schließlich war der ehemalige Direktor der Königsberger Staats- und Universitätsbibliothek nur für wenige Monate als Stellvertreter des Generaldirektors Heinrich Uhlendahl (1886 – 1954) an der Deutschen Bücherei tätig. Umso mehr hatte seine Person aber die Gemüter der Zeitgenossen erhitzt. Dieschs Entlassung im Frühjahr 1947 markiert einerseits ein tragisches Einzelschicksal, andererseits gibt der Fall einen tiefen Einblick in die Praxis der Bibliothekspolitik der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Anhand des reichhaltig überlieferten Quellenmaterials1 wird der »Fall Diesch« im Folgenden vor dem Hintergrund der Bibliothekspolitik in der SBZ untersucht. Von Königsberg nach Leipzig: Carl Dieschs Weg in die Deutsche Bücherei Carl Hermann Diesch wurde am 13. November 1880 in der Textilstadt Sorau (polnisch Żary) in der damaligen preußischen Provinz Brandenburg geboren. Nach dem Abitur in Altenburg studierte er Neuere Sprachen und Germanistik in Tübingen und zuletzt in Leipzig, wo er 1905 mit einer Arbeit über das deutsche Drama an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert promoviert wurde. Daran schloss sich eine klassische Laufbahn als wissenschaftlicher Bibliothekar an. Von Bonn über Göttingen kam er nach Berlin, wo er 1914 zum Bibliotheksrat an der Stadtbibliothek ernannt wurde. Dieschs berufliche Laufbahn wurde zunächst durch seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg unterbrochen. In der Weimarer Republik erhielt seine Karriere dann einen deutlichen Schub. Bereits 1921 wurde er Leiter des Preußischen Gesamtkatalogs, 1923 wechselte er an die Bibliothek der Technischen Hochschule, deren Direktor er 1926 wurde. Bereits im Jahr darauf wurde er auf den Direktorenposten der Königsberger Staats- und Universitätsbibliothek berufen. In der Fachcommunity trat er seit den 1920er-Jahren immer wieder mit Aufsätzen zum Leihverkehr, zur Katalogisierung und Bibliografie hervor. 1938 wurde er an der Königsberger Albertus-Universität zudem zum Honorarprofessor ernannt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges, von Januar bis April 1945, wurde das zur »Festung« ausgebaute Königsberg zum Schauplatz einer verlustreichen dreimonatigen Schlacht gegen die vordringende Rote Armee, die später traurige Berühmtheit erlangte. In diesen drei Monaten organisierte sich auch eine elfköpfige Gruppe von Königsberger Universitätsprofessoren, die die Stadt mitsamt notdürftig verpackter Kulturgüter verlassen wollte. Carl Diesch führte diese Gruppe an. Die Kisten gingen jedoch bei einem erneuten Fliegerangriff auf den Königsberger Hafen verloren, der Treck schaffte es aber schließlich nach Schleswig-Holstein. Dieschs Frau kam während ihrer Flucht indes ums Leben.2 Völlig entwurzelt fand der 65-jährige Diesch schließlich Aufnahme in einem Flüchtlingslager im westfälischen Kellinghausen. Von dort aus sendete er am 13. Dezember 1945 ein erstes Lebenszeichen an seinen »lieben Freund« Heinrich Uhlendahl, dem er bereits 1916 auf dem Schlachtfeld von Verdun begegnet war, woraus sich eine lange Freundschaft entwickelt hatte. Der Generaldirektor der Deutschen Bücherei stand zum gleichen Zeitpunkt vor einer schwierigen Herausforderung. Von den Sowjets hatte er zahlreiche Sonderaufträge erhalten (insbesondere die Erstellung der Liste der auszusondernden Literatur), zugleich war er mit dem Problem konfrontiert, aufgrund der scharfen sächsischen Entnazifizierungsrichtlinien rund 80 Mitarbeiter wegen formeller NS-Belastung entlassen zu müssen. Darunter befanden sich zahl- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 45 Forum Freund des Generaldirektors Uhlendahl Politisch hochbrisante Position Bibliotheksreferat im sächsischen Volksbildungsministerium 46 reiche wissenschaftliche Bibliothekare, die für die Facharbeit in der Bibliothek nun fehlten. Es mag aus Uhlendahls Sicht ein Glücksfall gewesen sein, dass sich mit Diesch nicht nur ein erfahrener, sondern auch noch unbelasteter wissenschaftlicher Bibliothekar bei ihm erkundigte, ob dieser nicht in Leipzig etwas für ihn wüsste. Lediglich eine »angemessene Tätigkeit« müsse es sein, die ihm, der weder Gehalt noch Pension bezog, den Lebensunterhalt sicherte.3 Uhlendahl zögerte nicht und bot Diesch einen »selbständigen Posten« an.4 Bereits im Juli 1946 wurde Diesch informell als Direktor der Abteilung Kataloge eingestellt5, die bis 1945 von Uhlendahls früherem Stellvertreter Werner Rust (1893 – 1977) geleitet worden war. Rust war wegen seiner relativ frühen NSDAP-Mitgliedschaft (1932) bereits im Juli 1945 entlassen worden. Der mittellose Diesch, den Uhlendahl überdies in seine Privatwohnung aufnahm, wurde damit zum zweitwichtigsten Mann hinter dem Generaldirektor. Mit dem Stellvertreterposten übernahm Diesch unweigerlich eine zugleich politisch hochbrisante Position, denn diese sollte Galina Snimtschikowa (1908 – 1991), der Bibliotheksinspektorin der SMAD, zufolge mit einer »starken politischen Persönlichkeit«6 besetzt werden, die Uhlendahl in seinem Handlungsspielraum zu beschränken vermochte. Snimtschikowa waren Uhlendahls Alleingänge, insbesondere die undurchsichtige Verhandlungspraxis mit ihrem Chef, dem Leiter der Abteilung Volksbildung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), Pjotr Solotjuchin (1897 – 1968), schon länger ein Dorn im Auge. In der Leipziger Bibliothek, so Snimtschikowa im September 1946, sei »ein Zustand eingetreten, der der Deutschen Bücherei die Möglichkeit gegeben hat, mit vielen Stellen zu verhandeln, um ihre Wünsche vorzubringen. Aber keine Stelle besteht, die maßgeblich für die Belange der Deutschen Bücherei verantwortlich ist.«7 Diese maßgebliche Stelle wurde nur zwei Monate später im sächsischen Volksbildungsministerium eingerichtet. Dort wurde auf Snimtschikowas Anordnung hin ein Bibliotheksreferat gebildet, das sich in ganz besonderem Maße der Deutschen Bücherei zuwenden sollte. Dessen Leiter, der Historiker Otto-Heinz Rocholl (geboren 1912), sah darin aber auch eine ganz andere Chance. In der Überantwortung der Dialog mit Bibliotheken 2016/2 »repräsentativsten deutschen Bibliothek«8 erblickte dieser eine Gelegenheit zur Aufwertung der sächsischen Landesverwaltung. So war er auch bereit, den Bibliothekaren in Leipzig einen gewissen Handlungsspielraum in der fachlichen Arbeit zuzugestehen. Auch die Einstellung Dieschs begrüßte er ohne Zögern. Dabei war Diesch alles andere als ein Wunschkandidat im Sinne Snimtschikowas. Er war zwar der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) beigetreten und demonstrierte damit zumindest eine grundsätzliche politische Übereinstimmung mit der Politik der SED nach außen, am politischen Leben beteiligte sich Diesch aber ebenso wenig wie der parteilos gebliebene Uhlendahl. Vielmehr widmete sich Diesch im Rahmen einer an der Deutschen Bücherei geschaffenen »Vermittlungsstelle« der Unterstützung notleidender Bibliothekare aus den ehemaligen Ostprovinzen. Der »Fall Diesch« und die sächsische Bibliothekspolitik Es dauerte aber nicht lange, bis Diesch in die Mühlen politischer Konflikte in der SBZ geriet. Bereits im Februar 1947 verfügte Snimtschikowa Dieschs Entlassung. Dass Diesch nicht unbedingt den Vorstellungen entsprach, die Snimtschikowa von einem Stellvertreter Uhlendahls hatte, war auch den Verantwortlichen in Dresden bewusst. Dort fand man aber schnell eine Lösung für das Dilemma. Man wollte Diesch als fachliche Kapazität halten, parallel aber einen weiteren Stellvertreter für Uhlendahl suchen, der den Anforderungen Snimtschikowas gerechter wurde und »sich insbesondere den Aufgaben widmen soll, die sich einer wissenschaftlichen Bibliothek im Zuge der Demokratisierung unseres Bildungswesens stellen«9, wie Staatssekretär Herbert Gute (1905 – 1975) Uhlendahl im November 1946 gegenüber deutlich machte. Auch befand man sich mit einem Kandidaten bereits in Verhandlungen. Als dieser jedoch im persönlichen Gespräch mit Uhlendahl erfuhr, was ihn in der Deutschen Bücherei erwartete, lehnte er am 20. Februar 1947 das Angebot erbost ab, denn er wolle sich nicht »in eine solche beschauliche Abseitstätigkeit bugsieren«10 lassen. Zu diesem Zeitpunkt war die Entlassung Dieschs bereits beschlossene Sache, wie Rocholl Entlassung Dieschs 1947 Forum während einer Beratung in Karlshorst am darauffolgenden Tag erfuhr. Was war geschehen? Den Stein ins Rollen brachte der Bremer Verleger Hans Kasten. Dieser hatte es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, die gesamte deutsche Verlagsproduktion während des Nationalsozialismus nach antisemitischen und rassistischen Inhalten zu durchforsten. Zudem soll er mit Diesch einst um die Stelle des Direktors der Bremer Stadtbibliothek konkurriert haben. Offensichtlich hatte sich Kasten bei seinen Recherchen auch der Auskunftsstelle der Deutschen Bücherei bedient. Bei der Durchsicht der Veröffentlichungen des Dresdner Ehlermann-Verlages stieß Kasten auf eine Schrift Dieschs aus dem Jahr 1941 mit dem Titel »Der Goedeke. Werdegang eines wissenschaftlichen Unternehmens«. Dabei handelte es sich um die Druckfassung eines Vortrages von Carl Diesch, den der Bibliothekar vor der Königlichen Deutschen Gesellschaft zu Königsberg im Jahr des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion gehalten hatte. Diesch, der federführend am »Goedeke«, einem bedeutenden Schriftstellerlexikon, mitgewirkt hatte, hatte bei seinem Vortrag auch mit antisemiti- Flexible Datenbankstruktur Lesesaal Ausleihe Ausstellung Findbuch OPAC schen Einwürfen nicht gespart, was jedoch offenbar auf die besondere Situation zurückführen ist, da auch Königsberger NSDAP-Funktionäre seinem Vortrag beiwohnten. Kasten meldete seinen Fund umgehend an die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung (DZVV) in Ost-Berlin, der Vorgängerinstitution des Ministeriums für Volksbildung. Dort zeigte man sich insbesondere empört über die namentliche Diffamierung Heinrich Heines, den Diesch bei seinem Vortrag als verlogen und gewissenlos bezeichnet hatte. Heine habe, so Diesch 1941, »niemals einen positiven befreienden Gedanken aufgestellt, der sein Eigentum wäre, den durch alle seine Schriften durchlaufenden Gedanken, dass die Unsittlichkeit ein Recht auf Existenz habe, kann man weder einen befreienden, noch einen positiven nennen.«11 Der Aufschrei in der Berliner Zentralverwaltung hatte jedoch weniger mit der »ausgesprochene[n] antisemitische[n] Haltung« zu tun, die Kasten Diesch vorwarf. Vielmehr gab man dort zu bedenken, dass es ein falsches Signal an den Buchhandel senden würde, wenn jemand wie Diesch an einer »exponierten Stelle in der grössten Deutschen Bücherei tätig ist.«12 Archiv FAUST 8 Digitales Archiv Sammlungen Bestellungen Bilder, Audio, Video EAD, LIDO, MARC Katalogisierung Umlaufverwaltung Eingangsbuch LAND Software Entwicklung Vortrag Dieschs mit antisemitischen Einwürfen Bibliothek Museum www.land-software.de Dialog mit Bibliotheken 2016/2 47 Forum Bedeutung der Landespolitik in der SBZ Exempel statuieren 48 Darin spiegelt sich zugleich eine innere Hierarchisierung von Schwerpunktbereichen in der DZVV wider. Bibliothekspolitik rangierte dabei auf einer unteren Position. Deutlich wichtiger war aus Ost-Berliner Sicht dagegen die Umgestaltung der Verlagslandschaft. Bibliothekspolitik war zu diesem Zeitpunkt indes noch eine Domäne der Landesregierungen. Gleichwohl war die DZVV parallel zunehmend bestrebt, auch auf diesem Gebiet ihren Einfluss auszubauen. Aus Mangel an Verwaltungsressourcen blieb man in Ost-Berlin aber auf die Landesverwaltungen angewiesen, die durchaus eigensinnig agierten. So wurde Diesch vom sächsischen Volksbildungsministerium zunächst vom Dienst suspendiert, auf Veranlassung Rocholls aber durch den wissenschaftlichen Bibliothekar Ernst Rückert ersetzt13, der bereits seit 1920 in der Deutschen Bücherei tätig war, und – genau wie Diesch – nicht in die NSDAP, nach 1945 aber als Zeichen äußerlicher Anpassung in die LDP eingetreten war. Allerdings nutzte Rocholl, obgleich er Dieschs Ernennung einige Monate zuvor noch begrüßt hatte, die Gelegenheit, um grundsätzliche Probleme der sächsischen Bibliothekspolitik zu klären, um nicht zuletzt auch gegenüber Ost-Berlin im rechten Licht dazustehen. Dies waren vor allem Personalpolitik und Ausbildungswesen. Auf diesen beiden Gebieten hatte Diesch in den Augen Rocholls klare Grenzen überschritten, und Dieschs ohnehin schon beschlossene Entlassung bot Rocholl einen idealen Boden, um ein Exempel zu statuieren. So hatte Diesch etwa dem im November 1945 wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft entlassenen Leiter der Universitätsbibliothek Leipzig, Egon Mühlbach (geboren 1885), ein wohlwollendes Zeugnis ausgestellt und empfohlen, Mühlbach aus fachlichen Gründen weiter in einer leitenden Position zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang stand auch ein zweites Vergehen Dieschs. Als Mitglied der Prüfungskommission hatte er den vom kommissarischen Leiter der Universitätsbibliothek Leipzig, Otto Kielmeyer (geboren 1906), vorgelegten Entwurf eines Ausbildungsplanes abgeändert und russische Autoren herausgestrichen. Schon in seinem Gutachten über Mühlbach hatte Diesch Kielmeyer als zwar durchaus kompetenten, aber wenig erfahrenen Kollegen charakterisiert. Kielmeyer selbst hatte sich durch Dieschs Vorgehen jedoch nicht provoziert gefühlt, Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Rocholl als verantwortlicher Bibliothekspolitiker dagegen umso mehr.14 Freilich versuchten Uhlendahl und Diesch, Rocholls Argumente zu entkräften. Alle Erklärungsversuche halfen aber nichts. An Diesch sollte ein Exempel statuiert werden. Am 10. Februar 1947 erhielt Rocholl die Order eines sowjetischen Oberleutnants, Diesch unverzüglich zu entlassen und die Wohngemeinschaft Uhlendahl/Diesch aufzulösen. Noch am selben Tag erhielt Uhlendahl die Anweisung aus Dresden, Diesch wegen »erwiesener antidemokratischer Betätigung« zu entlassen.15 Gleichwohl hinderte dies die sächsische Landesregierung nicht daran, Diesch wenige Monate später eine Mitarbeit an einer Neuauflage des »Goedeke« anzubieten. Der »Fall Diesch« spiegelt zentrale Entwicklungslinien der Bibliothekspolitik in der SBZ wider. Entgegen der bisherigen bibliotheksgeschichtlichen Forschung, der vornehmlich die ideologische Seite der Bibliothekspolitik und die zentrale Rolle der DZVV postuliert hat, zeichnet ein Blick auf die tatsächlichen Machtstrukturen und die politische Praxis ein erheblich davon abweichendes Bild. Anstatt einer strikten »Durchherrschung« durch die DZVV als verlängertem Arm der SMAD waren die Kompetenzen zwischen Ost-Berlin und den Landesverwaltungen noch lange Zeit verteilt. Dies geschah freilich nicht auf einer formalen Grundlage, sondern basierte auf informellen Aushandlungsprozessen. So zeigt die Reaktion der DZVV auf die Denunziation Dieschs, dass Bibliothekspolitik in der Zentralverwaltung eine eher untergeordnete Rolle spielte. Diesch war aus Sicht der DZVV nicht deshalb ein Problem, weil er die Durchsetzung eines »einheitlichen sozialistischen Bibliothekswesens« in der Deutschen Bücherei infrage stellte, sondern man in ihm ein negatives Signal für den Buchhandel sah. Bibliothekspolitik im engeren Sinne war dagegen noch immer eine Domäne von Landespolitik. Dort wurden wichtige berufsständische Fragen wie Ausbildungswesen und Kriterien der Personalrekrutierung verhandelt. Im sächsischen Fall, und speziell im »Fall Diesch«, werden die Spielräume und Grenzen des Mach- und Sagbaren sehr deutlich. Das allseits propagierte, am sowjetischen Modell der Massenbibliotheken orientierte Leitbild des Bibliothekars als »Lehrer und Berater des Volkes« fand dort keine dogmatische Umsetzung.16 Der zustän- »Erwiesene antidemokratische Betätigung« Machtspiel zwischen Landesund Zentralverwaltung Forum dige Referent Rocholl war nicht zwangsläufig dazu bereit, fachliche Expertise gegen politische Schlagfertigkeit aufzuwiegen – im Zweifelsfall gab er sich (auch angesichts der grassierenden Personalnot) zufrieden, wenn (formal) unbelastetes Fachpersonal in leitenden Funktionen agierte. Auch bei der Ausgestaltung der Ausbildungspläne griff Rocholl auf die Expertise wissenschaftlicher Bibliothekare zurück, die sich wiederum an den früheren Lehrinhalten orientierten. Als einzige Konzession sollte sowjetische Literaturgeschichte künftig eine größere Rolle spielen. In diesem Rahmen war fachliche Arbeit weiterhin möglich. Diesch allerdings überschritt, freilich nicht intendiert, diese Grenzen des Sagbaren, und es war nur folgerichtig, dass seine ausschließlich fachlichen Erklärungsversuche bei Rocholl auf taube Ohren stießen. Die Bibliothekspolitik in der SBZ/frühen DDR war indes weniger von revolutionären Umbrüchen gekennzeichnet, sondern vielmehr durch eine Mischung aus tradierten Strukturen und äußerlichen Konzessionen an die neuen Machthaber. E-Mail-Adresse von Dr. Christian Rau: [email protected] Anmerkungen 1 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (SächsHStAD); Archiv der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig (ADNBL). 2 Zur Person Carl Diesch bis 1945 vgl. Art. »Diesch, Karl Hermann Kaulfuss-«, in: Alexandra Habermann/Rainer Klemmt/Frauke Siefkes, Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925 – 1980, Frankfurt am Main 1985, S. 58f.; Michael Parak/Carsten Schreiber, »Flüchtlingsprofessoren«. Karrieren geflohener und vertriebener Hochschullehrer in der SBZ/DDR, Leipzig/Berlin 2008, S. 50 – 53, 148 – 159. 3 Carl Diesch an Heinrich Uhlendahl, 17.12.1945, ADNBL, 154/5, III, unfol. 4 Heinrich Uhlendahl an Carl Diesch, 05.01.1946, Ebd., unfol. 5 Heinrich Uhlendahl an Carl Diesch, 24.10.1946, ADNBL, 335/0, Bd. 1, Bl. 105. 6 Rocholl, Niederschrift über eine Besprechung mit der Inspektion für das Bibliothekswesen der SMAD Herrn Professor Schkral und Frau Dr. Snimtschikowa am 12./13. Dezember 1946 in Leipzig, SächsHStAD, 11401, 1744, unfol. 7 Ministerium für Volksbildung Sachsen, Abt. Wissenschaft und Forschung, an den Leiter der Volksbildung, 05.09.1946, SächsHStAD, 11401, 1743, unfol. 8 Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung, Ref. Wissenschaftliche Bibliotheken, an das Sekretariat des Ministeriums für Volksbildung, 12.02.1947, SächsHStAD, 11401, 1708, unfol. 9 Landesverwaltung Sachsen, Volksbildung, Leiter, an die Deutsche Bücherei, 11.11.1946, ADBL, 353/1/3, II, Bl. 135. 10 Rat der Stadt Leipzig, Volksbildungsamt, Abt. Kunst und Kunstpflege, Rudolph Franz, an die Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung, Otto-Heinz Rocholl, 20.02.1947, SächsHStAD, 11401, 1741, unfol. 11 Hauptschriftleitung Berlin an den Präsidenten der DZVV, Paul Wandel, 13.01.1947, SächsHStAD, 11401, 1748, unfol. 12 Ebd., unfol. 13 Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung, Rocholl an die Deutsche Bücherei, 28.01.1947, Ebd., unfol. 14 Der revidierte Ausbildungsplan und das Gutachten über Egon Mühlbach befindet sich in Ebd., unfol. 15 Oberregierungsrat Rönisch an Heinrich Uhlendahl, 10.02.1947, Ebd., unfol. 16 Zu den ideologischen Grundlagen vgl. insb. Sigrid Amedick, »Macht die wissenschaftlichen Bibliotheken zu sozialistischen Einrichtungen!«. Bibliotheken, Bibliothekare und Politik in der SBZ und DDR 1945 bis 1965, in: Bibliothek und Wissenschaft 31 (1998), S. 1 – 127, hier S. 22f. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 49 Forum Stephanie Jacobs Fellowship Internationales Museum »Fellowship Internationales Museum« der Kulturstiftung des Bundes am Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig 18 Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler im DBSM »Designing Ethics« 50 Begleitet von einem lachenden Stimmengewirr treffen sich am 20. Mai 2016 18 Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt mit ihren Mentorinnen und Mentoren im Sitzungszimmer des Deutschen Buch- und Schriftmuseums (DBSM) der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. Die erste Akademietagung des von der Kulturstiftung des Bundes (KSB) ausgeschriebenen Förderprogramms »Fellowship Internationales Museum«, die am Vorabend in Halle mit einem Vortrag von Professor Dr. Eckart Köhne, Präsident des Deutschen Museumsbundes, zum Thema »Ethische Leitlinien der Museumsarbeit« eröffnet wurde, beginnt mit einer so spielerischen wie einfachen und wirkungsvollen Methode, Kommunikationsbarrieren abzubauen: Mit dicken Buntstiften bewaffnet portraitieren sich die Teilnehmenden der Akademie gegenseitig im engen Zeittakt der »Minute Madness« und erzählen dabei über sich. Nach einer Minute werden die Portraitpartner gewechselt. Der jeweils 18 Monate dauernde Aufenthalt der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in Deutschland ist mit diesem Auftakt offiziell eingeläutet, die erste der fünf mobilen Akademiestationen, die das Programm in den nächsten eineinhalb Jahren begleitet, ist eröffnet. Unter dem Titel »Designing Ethics« haben die Fellows und ihre Mentorinnen und Mentoren drei Tage lang in Halle und Leipzig miteinander diskutiert, sind mit Expertinnen und Experten ins Gespräch gekommen und haben eigene Statements zu ethischen Frage in der Museumsarbeit erarbeitet. Die Kuratorinnen und Kuratoren und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des diesjährigen Programms haben sich in einem aufwendigen internationalen Ausschreibungsverfahren als beste durchgesetzt und arbeiten nun bis Herbst 2017 an 18 unterschiedlichen Museen in Deutschland. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am PiktoTalk im DBSM Foto: KockoTTransformation, Kulturstiftung des Bundes Die Museen, die den Zuschlag bei dem in diesem Jahr zum zweiten Mal ausgeschriebenen Förderprogramm der Kulturstiftung um einen Fellowship bekommen haben, sind sowohl in ihrem thematischen Zuschnitt als auch in ihrer Größe sehr unterschiedlich: Das kleine, aber innovative Berliner Museum der Dinge ist ebenso dabei wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Schifffahrtsmuseum Bremerhaven oder das Historische Museum in Frankfurt am Main. Die Museen haben sich mit einem Projektvorhaben bei der KSB beworben, das einen internationalen Blickwinkel mit der Option verbindet, auch neue Vermittlungswege und thematische Ansätze einzuschlagen. Cathleen Marie Haff, Koordinatorin des Förderprogramms bei der Kulturstiftung, umschreibt als Ziel des FellowshipProgramms, »Museen anzuregen, ihre Themen, Arbeitsweisen und Ausrichtungen zu internationalisieren und sie beim Erproben neuer Präsentations- und Kooperationsformen zu unterstützen«. Weiterhin ziele die Initiative darauf, »die interkulturelle Kompetenz innerhalb deutscher Museumseinrichtungen zu verbessern und internationale sowie interdisziplinäre Netzwerke von Wissenschaftlern, Kuratoren und Museologen zu stärken«. Projektvorhaben mit internationalem Blickwinkel Forum Breit gefächertes Themenspektrum Ob Planetenuhren, spätantike Textilien in Oberägypten oder Zugvögel in Afrika, ob die Geschichte der europäischen Juden in der Nachkriegszeit, die Kolonialgeschichte, der Welthandel oder die Vision einer Universalsprache: Das Themenspektrum der diesjährigen Projekte ist breit gefächert. Wichtig sind bei den wissenschaftlichen Vorhaben vor allem die Verankerung des Themas im jeweiligen Sammlungsspektrum des Museums und eine neue Sicht oder neue Fragestellung an die Bestände. Projektergebnis sind entweder Wechselausstellungen, virtuelle Ausstellungen, die Neukonzeption von Dauerpräsentationen oder die Bearbeitung und Präsentation einzelner Sammlungen. Einige Projekte zielen auch auf die Requirierung neuer Zielgruppen für das Museum. ten entwickelt, zielen Fritz Kahns mechanistisch aufbereitete Prozessdiagramme des menschlichen Körpers auf den »Menschen als Industriepalast« – so eines seiner bekanntesten Buchtitel. In der Zusammenschau markieren sie zwei unterschiedliche Herangehensweisen an die Visualisierung von wissenschaftlich-statistischen Erkenntnissen und damit einen jeweils spezifischen Beitrag zum »Iconic Turn« dieser Epoche. »Iconic Turn« Populäre Infografik der 1920er-Jahre Universelle Bildsprache von Otto Neurath und Fritz Kahn Mit der Zielsetzung einer stärkeren Vernetzung des Museums innerhalb der Forschung hat sich das DBSM gemeinsam mit der Universität Erfurt um die Förderung durch die Kulturstiftung beworben. Thema des gemeinsam mit Professor Dr. Patrick Rössler, Professor für Kommunikationswissenschaft in Erfurt aufgesetzten Projektes ist die populäre Infografik der 1920er-Jahre, deren Theorie und Gestaltungspraxis seit ein paar Jahren im Kontext des »Iconic Turn« in der Alltagskommunikation eine Renaissance erlebt. Unter dem Arbeitstitel »Transformer. Populäre Infografik der 1920er-Jahre« thematisiert das Projekt den Visualisierungsschub im frühen 20. Jahrhundert, der visuelle Ordnung in die zuvor nie dagewesene Informationsflut der damaligen neuen Medien bringen sollte. Im Zentrum stehen zwei Initiativen aus den 1920erJahren, die beide auf eine bildbasierte Universalsprache und deren Verbreitung zielen: Unabhängig voneinander und aus unterschiedlichen Traditionen heraus entwickeln Otto Neurath, österreichischer Nationalökonom und Gründungsmitglied des Wiener Kreises, und der in Halle geborene Mediziner Fritz Kahn fast zeitgleich eine universelle Bildsprache, die auf einer formalen Stilisierung des menschlichen Körpers beruht. Während Neurath in seinem Konzept der ISOTYPE Piktogramm-ähnliche Grafiken als Zähleinheiten für soziale Gegebenhei- Isotype Symbol, Gerd Antz, 1930er-Jahre. Het Geheugen van Nederland/Koninklijke Bibliotheek – Nationale bibliotheek van Nederland, 2003 Beide Protagonisten, die als Mitbürger jüdischen Glaubens beziehungsweise als deren Partner der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt waren, wurden bereits verschiedentlich in Ausstellungen und Publikationen gewürdigt, bislang allerdings nicht in ihren spezifisch funktionalistischen Sichtweisen auf den Menschen gegenüberstellt. Diese Kontrastierung steht im Mittelpunkt des Ausstellungsvorhabens, für das die Universität Erfurt und das DBSM in einem gemeinsamen Ausschreibungsverfahren die junge Kunsthistorikerin Helena Doudova aus Prag gewinnen konnten. Neben wissenschaftlichen Studien zu Adolf Loos und der Zwischenkriegsmoderne hat sich Frau Doudova auch durch die von ihr konzipierten Ausstellungen für das Projekt qualifiziert und sieht für sich persönlich in dem Projekt die große Chance, »kuratorische Erfahrungen in Deutschland zu sammeln Dialog mit Bibliotheken 2016/2 51 Forum und die Rolle von Infografik sowie ihr Potenzial für die Ausstellungsgestaltung zu erforschen und sich dadurch im Bereich von Ausstellen weiter zu profilieren.« Ausstellungen zu den »Golden Twenties« Das Bild als Informationsquelle am Anfang des 20. Jahrhunderts Für das DBSM liegt der Reiz des Ausstellungsthemas einerseits in der Neuentdeckung und Profilierung des Bildes als Informationsquelle am Anfang des 20. Jahrhunderts. Andererseits ist das Thema mit seiner internationalen Ausrichtung ein besonders interessanter Beitrag zu einer Serie von Ausstellungen, die das DBSM den »Golden Twenties« als einer kulturell unvergleichlich spannenden Brückenzeit widmet. Zu der Serie, die das schillerndste Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts im Vorfeld von dessen 100. Wiederkehr in den Blick nimmt, zählen zum Beispiel eine Ausstellung zu den Schrift-Bild-Experimenten der Russischen Avantgarde oder eine Schau zu Texten Franz Kafkas im Künstlerbuch. Historischer Aufhänger der Ausstellung »Transformer«, die im September 2017 in Leipzig eröffnet wird, ist, dass der junge Otto Neurath vor genau 100 Jahren seine erste Stelle als Direktor des Kriegswirtschaftsmuseums in Leipzig antrat, in dessen ständiger Ausstellung er seine bildstatistische Programmatik einer größeren Öffentlichkeit bereits vorstellen konnte. Isotype Symbol, Gerd Antz, 1930er-Jahre. Het Geheugen van Nederland/Koninklijke Bibliotheek – Nationale bibliotheek van Nederland, 2003 52 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Helena Doudova, Fellow am DBSM Foto: KockoTTransformation, Kulturstiftung des Bundes Das Quellenmaterial für die Ausstellung konzentriert sich dabei primär auf die gedruckten und vielfach wiederaufgelegten Werke Otto Neuraths und Fritz Kahns und weniger auf zeichnerische Originalentwürfe, denn wesentlich für die Bedeutung und Rezeption beider Ansätze bis in die Gegenwart hinein ist ihre Wirkung aufgrund der massenhaften Verbreitung. Die Deutsche Nationalbibliothek und die mediengeschichtlichen Bestände des DBSM beherbergen eine einmalige Sammlung dieser publizierten Bestände. Recherchen von Helena Doudova in den Nachlässen der beiden Protagonisten in New York, Wien, Reading und Den Haag vervollständigen das Bild und sind die Grundlage für die historisch-biografische Einordnung des Themas und seine wissenschaftliche Fundierung. Auch ergeben sich interessante thematische Anknüpfungspunkte an die Dauerausstellung des DBSM, die unter dem Titel »Zeichen – Bücher – Netze. Von der Keilschrift zum Binärcode« eine kurze Mediengeschichte von den Anfängen der Schriftgeschichte vor 5.000 Jahren bis heute erzählt. So zeigt das Ausstellungsmodul zum Thema »Lesen« zum Beispiel Neuraths Bildstatistiken und ordnet diese in die Jahrtausende alte Tradition des Bilderlesens als Vorgeschichte beziehungsweise Parallelphänomen der Kulturtechnik des Lesens ein. Denn die Vision einer weltweit über alle sprachlichen Grenzen hinweg rezipierbaren Schrift begleitet die Kulturgeschichte des Menschen wie ein roter Faden. Das komplexe Thema der Suche nach einer bildbasierten Universalschrift, das in Recherchen in New York, Wien, Reading und Den Haag Forum der Dauerausstellung nur angerissen werden kann, kann Dank der Förderung durch die Kulturstiftung nun vertieft werden. Weitere Förderungen im Rahmen des Projektes seitens der Gesellschaft für das Buch e. V., den Freunden der DNB, und durch den Freundeskreis der Universität Erfurt ermöglichen eine Publikation zu der Ausstellung. Neben der Umsetzung des Themas in einer Publikation und einer Wechselausstellung in Leipzig ist unter Vorbehalt der Klärung von Verwertungsrechten auch eine digitale Präsentation im Netz geplant, für das die Infografiken in ihrer Stilisierung geradezu geschaffen zu sein scheinen. Der virtuelle Auftritt zum Thema garantiert nicht nur die Sichtbarkeit der Projektergebnisse über die Laufzeit der Ausstellung hinaus, sondern auch die Möglichkeit einer kooperativen Weiterentwicklung des Themas mit den universitären Partnern des Museums. Ziele des Förderprogramms Die Ziele des Förderprogramms Fellowship Internationales Museum werden von dem skizzierten Projekt in mehrfacher Hinsicht in den Blick genommen: die Chance, eingefahrene Wege und Denkweisen im musealen Arbeitsalltag mit neuen Sichtweisen zu konfrontieren, hochkarätige Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus aller Welt zu beschäftigen und das internationale Netzwerk des Museums zu stärken. Dass neben solider wissenschaftlicher Ausbildung dabei auch Enthusiasmus, Offenheit und die Neugier kultureller Grenzgänger in die geförderten Museen kommt, ist der vielleicht schönste Nebeneffekt, von dem auch die Museumsangestellten profitieren können. Daher hat die Kulturstiftung nach dem ersten erfolgreichen Durchgang 2014/2015 nicht gezögert, das »Fellowship Internationales Museum« erneut aufzulegen: »Die überraschend guten Ergebnisse der letzten Förderphase waren für uns Grund genug, die ›Erfolgsgeschichte‹ in die Verlängerung zu schicken«, so die Projektkoordinatorin Cathleen Marie Haff. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Fazit 53 Forum Ida Kandler Schmonzetten, Schmäh und Parodie Wort- und Tondichtungen des frühen 20. Jahrhunderts aus den Beständen des Deutschen Musikarchivs der Deutschen Nationalbibliothek Genese eines Projektes Präsentation auf YouTube-Kanal 54 Im Deutschen Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek (DMA) lagern neben den täglichen Neuzugängen an CDs, Vinylschallplatten und Musikalien eine große Menge historischer Tonträger. Derzeit sind es unter anderem über 250.000 Schellackplatten und Phonographenwalzen. Diese enthalten hauptsächlich Musik, aber in den Magazinen des DMA befinden sich auch historische SprechTonträger. Diese Aufnahmen sind vielfach in Vergessenheit geraten. Sie wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und dabei das DMA mit seinen Aufgaben und einem kleinen Teil der Sammlung im Internet zu präsentieren, war die erste Zielvorgabe eines im Januar 2016 anlaufenden Projekts, das zu Anfang nur unter dem Namen »OnlineKollektion« lief. Gesonderte finanzielle Mittel standen dafür nicht zur Verfügung. Im Fokus sollten Tonbeispiele stehen, die man nicht unmittelbar im DMA erwartet. Sehr verschiedene Sprechplatten bietet der Bereich Kabarett: vom Witz über Sketche und humoristische Mundartdichtungen bis hin zu sozialkritischen Versen. So kristallisierte sich der Umfang des Projektes heraus: Eine Kollektion bestehend aus hundert digitalisierten Aufnahmen von historischen Tonträgern mit dem Schwerpunkt Kabarett, Satire und Parodie, die einer breiten Öffentlichkeit online zugänglich gemacht werden soll. Als Plattform zur Präsentation fiel die Wahl auf YouTube. Ein großer Nutzerkreis, einfache Handhabung und gut einsehbare Zugriffszahlen gehören ebenso zu den Vorteilen dieses Videoportals wie die automatische Verlinkung zu Videos mit ähnlichen Inhalten. Daraus wiederum ergab sich die Möglichkeit, nicht nur die Aufnahmen, sondern auch die verschiedenen Labels der historischen Tonträger zu zeigen. Eingebunden in den YouTube-Kanal der Deutschen Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Nationalbibliothek1 bekam das DMA eine eigene Kabarett-Playlist. Wo beginnt Kabarett, wo hört es auf? Bevor der Digitalisierungsprozess beginnen konnte, musste eine Auswahl der Tonbeispiele erfolgen. Es sollten einhundert Aufnahmen aus einem möglichst breiten Spektrum sein: verschiedene Themen, Stile, Interpretinnen und Interpreten aus einem Zeitraum von 1900 bis in die 1930er-Jahre. Schnell zeigte sich: Ohne Musik kommt Kabarett nicht aus, da es sonst hieße, auf Couplets, scherzhaft-satirische Lieder, oder auf Chansons zu verzichten. Aus den Wortdichtungen des frühen 20. Jahrhunderts wurden für die Online-Kollektion somit Wort- und Tondichtungen. Recherche und Auswahl erfolgten nach verschiedenen Suchkriterien: über bekannte Namen, Theaterund Kleinkunstbühnen, Ensembles und vielversprechend klingende Titel. Häufig führte ein Interpret zum anderen. Doch wo beginnt Kabarett, wo hört es auf? Die Grenzen verschwimmen: Varieté, Schlager, Parodie, Revue, Komik, Theater, Sketch, Witz, Humoreskes, Groteskes. Sollen vor allem politische und satirische Titel präsentiert werden oder darf es auch einfach unterhaltend sein? Spöttisch-feinsinnige Kunst, intelligente Kritik oder Gassenhauer und derbe Alltagskomik? Oder von allem etwas? Die wichtigsten Gemeinsamkeiten waren am Ende: Die Stücke müssen deutschsprachig und im Deutschen Musikarchiv vorhanden sein. Ein weiteres entscheidendes Auswahlkriterium für die Aufnahme eines Titels in die Online-Kollektion war das der Gemeinfreiheit. Im Falle der Tonbeispiele bedeutet dies, dass sie, nur wenn alle Rechteinhaberinnen und -inhaber – in erster Linie Texter und Komponisten – seit 70 Jahren verstorben sind, verwendet werden können. Auf vielen Plattenlabeln fehlen allerdings Angaben über die Verfasser von Text und Ton. Die Mutmaßung, dass es sich bei Recherche und Auswahl Auswahlkriterium Gemeinfreiheit Forum Interpretinnen und Interpreten zugleich um die Urheberinnen und Urheber handelt, reicht nicht aus. Das führte dazu, dass bestimmte Aufnahmen, mitunter sogar sämtliche Tonaufzeichnungen einiger Künstlerinnen und Künstler, wegen mangelnder Informationen nicht verwendet werden konnten, sie also derzeit nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Der Digitalisierungsprozess Voraussetzungen für die Digitalisierung Das Digitalisieren einer Aufnahme erfordert tontechnisches Knowhow, das entsprechende Equipment und einen hohen Zeitaufwand. Im Tonstudio des DMA muss entschieden werden, ob der historische Tonträger verwendet werden kann: Ziehen sich Kratzer über die Oberfläche oder wurde ein Tonträger häufig genutzt, kann die Rille zu viele Unebenheiten aufweisen. Das erschwert die Digitalisierung einer Aufnahme in guter Qualität oder macht sie sogar unmöglich. Eine Phonographenwalze abzunehmen erfordert andere technische Voraussetzungen, da die Tonspur vertikal und nicht wie bei den meisten Schallplatten horizontal ausgelesen wird. Die Aufnahmequalität ist zudem eine andere, als wir es von modernen Tonträgern gewohnt sind. Durch Rauschen und Verzerrungen sind die Stimmen und Instrumente mitunter sehr undeutlich. Aus diesen Gründen befindet sich nur ein Tonbeispiel einer Goldguss-Wachswalze der Firma Edison in der Online-Kollektion, das bereits digital vorlag. Aber auch Schellackplatten können so abgenutzt sein, dass sie für ein solches Projekt nicht mehr infrage kommen. Der Zustand dieser heute noch verfügbaren Platten kann auch zeitgeschichtlich relevante Informationen preisgeben. In Zeiten von Mangelwirtschaft, bedingt durch zwei Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise, wurden viele Schallplatten wieder abgegeben und gegen neue getauscht, denn Schellack kann eingeschmolzen und erneut verwendet werden. Das lässt den Schluss zu, dass die Tonträger, die heute noch erhalten sind, oft und gern gehört wurden. Im Gegenzug kann es bedeuten, dass viele andere Platten heute nicht mehr erhalten sind. Statt einer Aufnahme, der wir heute einen hohen künstlerischen Wert zusprechen würden, ist vielleicht ein unterhaltendes Couplet geblieben. Wird eine Schellackplatte als geeignet für die Digitalisierung gesehen, wird sie im DMA-Tonstudio mit einem Plattenspieler und speziellen Nadeln abgenommen. Die nun zu hörende Aufnahme klingt allerdings nicht so, wie sie die Menschen vor 80 oder 100 Jahren gehört haben. Eine Grammophonnadel bewegt sich mit viel größerem Druck durch die Plattenrille als die Nadel eines modernen Plattenspielers. Eine Nadel mit weniger Druck macht winzige Makel auf der Platte eher hörbar. Das ändert beispielsweise die Art des Rauschens: durch einen modernen Plattenspieler klingt es störender, aggressiver, durch ein Grammophon weicher. Der hohe Druck der Grammophonnadel führt aber auch dazu, dass die Schellackplatten einer größeren mechanischen Belastung ausgesetzt sind. Da aus Bestandsschutzgründen diese Abspielvariante ausscheidet, erfolgt das Anpassen des Auflagedruckes nach dem Digitalisieren der Aufnahme. Je älter eine Platte, desto größer ist der Aufwand. Das begründet sich unter anderem darin, dass die Schellackplatten in den frühen Jahren mit unterschiedlichen Abspielgeschwindigkeiten produziert wurden. An den Grammophonen gab es Regler, mit denen sich die Geschwindigkeit einstellen ließ und die man selbst justieren musste. Das Anpassen der Geschwindigkeit nach dem Digitalisieren ist Feinarbeit und erfordert ein hohes Maß an Erfahrung. Damit nähert man sich dem ursprünglichen Hörerlebnis an. Rauschen und Knacken könnten auch fast ganz herausgefiltert werden, was jedoch den Klang verfälschen würde und dem Tonträger als Zeitdokument seine Authentizität nähme. Von 369 recherchierten und auf Gemeinfreiheit geprüften Kabarett-Titeln von über 200 verschiedenen Interpretinnen und Interpreten blieben am Ende knapp hundert Aufnahmen von fünfzig Künstlerinnen und Künstlern übrig. Anfang Juni 2016, ein halbes Jahr nach der ersten Idee zum Projekt, gingen die ersten Kabarett-Titel bei YouTube online. Heutige Abspieltechnik an damalige anpassen Nicht ohne »Kuttel-Daddeldu«? – Problematiken und ein Fazit Doch der redaktionelle Entstehungsprozess der Online-Kollektion verlief nicht ohne Umwege und Hürden. Die anfängliche Vorstellung, möglichst geistrei- Dialog mit Bibliotheken 2016/2 55 Forum Historische Tonträger als Zeitdokumente MännerDomäne Kabarett che, intelligente Stücke auszusuchen, über die auch heute gelacht werden kann, musste mit den historischen Gegebenheiten in Einklang gebracht werden: Der vorgetragene Humor kann spitz, witzig und trocken sein, aber auch flach und überladen von Stereotypen und Vorstellungen, über die man heute nicht mehr lachen kann. Wie geht man mit Joachim Ringelnatz’ »Ballade vom Seemann Kuttel-Daddeldu« um, in der vom »Niggersong« die Rede ist? Soll man einen solchen Titel wieder öffentlich machen, trotz heutzutage nicht mehr verwendbarer Begriffe oder ist es auf der anderen Seite falsch, ihn einfach unter den Tisch fallen zu lassen? Das Deutsche Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek sammelt, ohne zu werten. Jeder historische Tonträger ist ein Zeitdokument. Er verrät, was die Leute gekauft haben, was sie aufgehoben und gehört haben. Der Querschnitt durch die Kabarett-Aufnahmen des frühen 20. Jahrhunderts lässt noch eine Frage offen: Warum gibt es so viele Kabarettisten und so wenige Kabarettistinnen in der Online-Kollektion? Vermutlich gab es in den 1910er- bis 1930er-Jahren durchaus mehr männliche Kabarettisten, während Frauen andere Rollen auf der Bühne zugeschrieben wurden. Zudem wurde nicht jede weibliche Kabarettgröße aufgezeichnet: Rosa Valetti beispielsweise, Gründerin des Kabaretts »Größenwahn« spielte zwar in Filmen mit, allerdings konnte kein historischer Tonträger mit ihrem Namen gefunden werden. Auch unter den Namen der Texter und Komponisten befindet sich nur äußerst selten ein weiblicher. Otto Reutter (Plakat): Paul Haase (1873 – 1925) – Galerie Bassenge »Schmonzetten, Schmäh und Parodie« kann dennoch ein breitgefächertes Bild der frühen deutschsprachigen Kabarettszene präsentieren. Belohnt wird man mit ganz besonderen Tonaufnahmen: Autorenlesungen von Anton Wildgans und Karl Kraus, Paul Graetz, der sich mit genussvoller Stimme über den Sonntagvormittag auslässt, Otto Reutter, der sich über jarnischt mehr wundert, Paul Nikolaus, der sich zum selbsternannten Musikexperten erklärt und eine berlinernde Claire Waldoff. Anmerkung 1 Link zum YouTube-Kanal der Deutschen Nationalbibliothek, auf dem unter »Playlists« die Online-Kollektion »Schmonzetten, Schmäh und Parodie« des DMA zu finden ist: <https://www.youtube.com/user/DtNationalbibliothek/featured> 56 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Zeitpunkte Susanne Oehlschläger Digitales Gedächtnis Workshop über die digitalen Sammlungen der Deutschen Nationalbibliothek am 12. April 2016 in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main »Ihre umfassenden Sammlungen von Publikationen, die seit 1913 in Deutschland oder in deutscher Sprache in Texten, Bildern und Musik erschienen sind, bilden einen bedeutenden Teil des kulturellen Erbes Deutschlands objektiv, wertungsfrei, dauerhaft und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags vollständig ab.« Dieser Leitgedanke steht über dem Abschnitt »Sammeln und Erhalten« im strategischen Kompass der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), wobei die Gültigkeit dieser Aussage weiter reicht als der Zehn-Jahres-Horizont, den die Strategie in den Blick nimmt. Es ist seit jeher eine zentrale Aufgabe der Deutschen Nationalbibliothek, ihren Sammelauftrag an die gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und auch wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen, um ihn so angemessen vollziehen zu können. Aufgrund dieses Auftrags ist die Deutsche Nationalbibliothek das kulturelle Gedächtnis Deutschlands für Schrift und Musik der jüngeren Geschichte und Gegenwart. Ihre Aufgabe besteht darin, alles zu sammeln, zu verzeichnen und zu bewahren, was in Deutschland, über Deutschland und in deutscher Sprache seit 1913 publiziert wurde und wird. Dazu gehören auch alle in Deutschland veröffentlichten Notenausgaben und Musikressourcen. Während es in Zeiten gedruckter und körperlicher Publikationen für eine Nationalbibliothek vergleichsweise einfach war, zu bestimmen, was unter ihren Sammelauftrag fällt, muss sich die Deutsche Nationalbibliothek heute mit der Frage beschäftigen, was ein nationales kulturelles Gedächtnis in Zeiten des World Wide Web (WWW) und der Virtualisierung leisten muss. Diese Frage ist Teil der gesellschaftlichen Debatte zu den Folgen des digitalen Wandels, der immer noch in vollem Gange ist. Da sich die Verantwortlichen einig sind, dass man sich der Antwort nur schrittweise und im fortwährenden Dialog nähern kann, führt die Deutsche Nationalbibliothek in loser Folge einige Workshops durch, um mit Vertreterinnen und Vertretern aus anderen Einrichtungen sowie Mitgliedern ihrer Beiräte zu diskutieren und so die Sammelrichtlinien weiterentwickeln zu können. Über die Workshops »Dynamisches Bewahren« (2013), »Musik im Netz« (2014) wurde an dieser Stelle bereits informiert.1 Gegenstand des folgenden Berichts sind die Ergebnisse des Workshops »Digitales Gedächtnis« im April 2016. Digitaler »Garten« Mit dem Bild einer Landschaft, einer digitalen Sammlungslandschaft, wurden insgesamt 16 Vertreterinnen und Vertreter von Archiven, Bibliotheken und Museen, der ›Produzenten‹seite (Verlag, Musik) und von der Staatsministerin für Kultur und Medien auf Einladung der Deutschen Nationalbibliothek auf das Thema eingestimmt, um anschließend ausführlich darüber zu diskutieren, wie der digitale »Garten« künftig bestellt werden könnte. Im Rahmen einer Bestandsaufnahme wurde zusammengetragen, welche »Pflanzen« die DNB in ihrem Teil des Gartens bereits systematisch kultiviert, welche vereinzelt und welche bisher noch gar nicht. Bei der Frage nach dem Status quo der digitalen Landschaft konzentrierte sich die Diskussion auf die Bereiche, die bislang von der DNB noch nicht gesammelt werden können, während die Bereiche, die die DNB als sammelwürdig ansieht und in großen Teilen auch bereits abdeckt, nicht in Frage gestellt wurden. Nicht systematisch, sondern höchstens als »Beifang« zu den ersten Sammlungsversuchen mit Websites sammelt die DNB aktuell Formate wie Anwendungssoftware (sogenannte Apps), den Selfpublishing-Bereich sowie Internetforen, soziale Dialog mit Bibliotheken 2016/2 57 Zeitpunkte Medien und Blogs. Als Datenbank erscheinende digitale Publikationen werden bisher lediglich in Auswahl verlinkt. Mit der Einbeziehung dieser Formate muss sich die DNB jedoch künftig intensiver beschäftigen, da es sich abzeichnet, dass beispielsweise Fach- und Schulbücher sowie E-Journals zunehmend in Form von Datenbanken erscheinen. Auch wurde darüber diskutiert, ob Shopsysteme oder Plattformen für Musik, die bisher nicht gesammelt werden, künftig berücksichtigt werden sollten und wie dabei vorzugehen wäre. Fragen stellen sich hier vor allem hinsichtlich der Einzelobjekte und der Herstellung ihres Zusammenhangs zueinander, außerdem zu den Möglichkeiten der Erhaltung der Funktionalitäten des Datenbanksystems. Ebenso wie Datenbanken stellen auch die Apps Funktionalitäten, beispielsweise Werkzeuge, zur Nutzung bestimmter Inhalte dar. Schnell wurde hier deutlich, dass grundsätzlich darüber diskutiert werden muss, ob und wie es möglich ist, bestimmte Umgebungen oder »Geräte« vorzuhalten, um ähnlich wie bei den Datenbanken den Nutzungszusammenhang zu erhalten. In diesen Kontext gehören beispielsweise auch kuratierte Playlists von Musikplattformen und Streamingdiensten. Webharvesting Breiten Raum nahm in der Diskussion das Thema Webharvesting ein. Während die systematische Sammlung von Webinhalten insbesondere in den Reihen der Archivvertreter nicht durchgängig als notwendig angesehen wurde, gibt es auch Archive, die sich bei regionalen, thematischen oder anderen Berührungspunkten der Websites zu ihrer sonstigen Sammlung engagieren, so dass sich durchaus Überschneidungen mit dem Sammelauftrag der DNB ergeben. Das Landesarchiv Baden-Württemberg beispielsweise betrachtet Websites der baden-württembergischen Landesbehörden als integralen Bestandteil der Behördenüberlieferung und sieht sich daher ebenso für deren Sammlung und Archivierung als zuständig an, wie die Deutsche Nationalbibliothek. Hier gäbe es Anknüpfungspunkte für kooperative Sammlungsstrategien. Gerade mit Blick auf die Selektion von Webinhalten stellt sich auch die Frage, ob die bisheri- 58 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 ge Rollenverteilung von Archiven (Text-, Musik-, Film-Archiv), Bibliotheken und Museen auf das WWW übertragbar ist. Bei dem Workshop wurde die grundlegend unterschiedliche Herangehensweise der Kultursparten an den institutionellen Auftrag deutlich. Während Pflichtexemplarbibliotheken die Sammlung von Webinhalten als Teil ihres gesetzlichen Auftrags betrachten und sie hier beispielsweise im Hinblick auf das Urheberrecht gegenüber anderen, kleinen und teilweise privaten, Institutionen privilegierte Rechte zur Sammlung von Netzpublikationen genießen, wiesen Vertreter der Archive und Museen darauf hin, dass sie Websites nur dann in ihre Arbeit einbeziehen, wenn diese im Kontext zu anderem Material stehen, das für den Aufbau einer definierten Sammlung oder einer musealen Präsentation herangezogen wird. Sie sahen die Zuständigkeit für das systematische Sammeln von Websites daher generell bei der Deutschen Nationalbibliothek und den regionalen Pflichtbibliotheken. Bei der Bewertung der Relevanz der Sammlungsobjekte wurde auch deutlich, dass der Publikationsbegriff für den Bereich des Digitalen genau und möglicherweise neu definiert werden muss: was ist eine Publikation, was bedeutet Veröffentlichung? Ist eine allgemeine Zugänglichmachung im Internet automatisch eine Veröffentlichung im Sinne des Gesetzes der Deutschen Nationalbibliothek? Einigen Anwesenden aus dem Museums- beziehungsweise Archivbereich erschien der DNB-Publikationsbegriff zu umfassend. Sie sehen in einem Digitalisat keine eigenständige Publikation, sondern nur eine andere Präsentationsart des Werks. Sammelkriterien Einig hingegen waren sich die Anwesenden, dass bei der Sammlung von digitalem Kulturgut keine Vollständigkeit erreicht werden könne, sondern dass für die Überlieferung des digitalen Kulturguts stattdessen möglichst objektive Selektionskriterien gefunden werden müssten. Dabei wurde auch die Ansicht vertreten, dass die aktuell von der DNB angewendeten Formalkriterien für gedrucktes Material, die für eine wertungsfreie Selektion stehen sollen, letztlich aus Inhaltskriterien abgeleitet sei- Zeitpunkte en. Dahinter stehe die inhaltliche Wertung, dass »kleine« Sachen, beispielsweise Publikationen, die nur aus wenigen Seiten bestehen, wertlos seien. Die DNB solle deshalb nicht beschreiben, was nicht gesammelt werden soll, sondern stattdessen aktiv festlegen und beschreiben, was sie sammeln möchte. Dabei sei wichtig, dass sie dokumentiert, welche Publikationen sie – sowohl thematisch als auch historisch gesehen – unbedingt sammeln muss und was sie zusätzlich sammeln möchte. Dabei sei es wichtiger, einen repräsentativen Überblick über das vorhandene Material zu erhalten als eine Vollständigkeit anzustreben, die ohnehin nicht erreichbar sei. Verschiedene Möglichkeiten diese Repräsentativität zu erreichen, wurden andiskutiert: zum Beispiel Zufallsverfahren nach mathematischen Grundsätzen, die mit einer hohen Frequenz angewendet werden könnten. Ein solches Zufallsprinzip schien einigen nicht ausreichend, vielmehr sei zusätzlich eine intellektuelle Auswahl nach bestimmten Kriterien notwendig. Auch über einen Dienst zum Archivieren »auf Zuruf« (Archivierung on demand) und über die Möglichkeit einer »Notfall«-Archivierung, zum Beispiel, für den Fall, dass Inhalte vom Verschwinden aus dem Web bedroht sind, wurde diskutiert. Angesichts der Kosten für Magazinspeicherplatz und die Speichersysteme zur Langzeitarchivierung drängte sich die Frage auf, ob durch die digitale Sammlung künftig auch Konsequenzen für die analoge Sammlungslandschaft zu erwarten seien. Hier bestand Einigkeit, dass physische und digitale Publikationen vorerst weiterhin parallel gesammelt werden müssen. Prinzipiell wurde befürwortet, in jedem Fall das Medium dauerhaft aufzuheben, das besser langzeitarchiviert werden könne. Zukünftig zu erwartende Entwicklungen werden auch die Frage nach Original und Kopie neu aufwerfen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Begrifflichkeiten mit der Zeit wandeln werden. Im Bereich Musik oder auch bei vielen elektronischen Zeitschriften ist schon heute schwierig zu sagen, was genau das Original ist. Als ein Ergebnis des Workshops treffen sich im August Vertreterinnen und Vertreter der regionalen Pflichtexemplarbibliotheken, um weiter zu diskutieren. Zu den wichtigsten Themen gehören ein gemeinsames Verständnis der Definition »Digitale Publikation« und die Überlegung, wie in Deutschland eine verteilte digitale Sammlung aufgebaut werden könnte. Sobald sich die Pflichtexemplarbibliotheken über ihre Haltung zu den aufgeworfenen Fragestellungen ausgetauscht und gegebenenfalls in bestimmten Bereichen geeinigt haben, werden die Archive und Museen wieder in die Diskussion einbezogen – um Schritt für Schritt die »digitale Sammlungslandschaft« zu gestalten. Anmerkungen 1 Kett, Jürgen: Dynamisches Bewahren!? – Ein Veranstaltungsrückblick. In: Dialog mit Bibliotheken, 26. 2014,1. – S. 72 – 73, <http://d-nb.info/1058935836/34> Horn, Christian: Musik im Netz. In: Dialog mit Bibliotheken, 27. 2015,1. – S. 52 – 54, <http://d-nb.info/1077225350/34> Dialog mit Bibliotheken 2016/2 59 Zeitpunkte Annett Koschnick Das Leipziger Bibliotheksgebäude wird 100 Das Gebäude am Deutschen Platz feiert seinen Hundertsten: Am 2. September 1916 wurde der Gründungsbau der damaligen »Deutschen Bücherei des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig«, die heutige Deutsche Nationalbibliothek, feierlich eingeweiht. Seit den 1990er-Jahren umfassend baulich saniert, erfüllt der Bau mit seinen Erweiterungen die Anforderungen an ein funktionales Bibliotheksgebäude der Gegenwart. Ein Rückblick: Finanziert wurden Bau und Ausstattung vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler, dem Königreich Sachsen und von der Stadt Leipzig. Stiftungen aus institutionellen und privaten Mitteln ergänzten die Gelder und ermöglichten die Ausführung von künstlerischem Schmuck. Dabei war zunächst geplant, das Gebäude an einem anderen Ort in Leipzig zu errichten. Aber der ursprüngliche Bauplatz an der Siegismundstraße war nicht repräsentativ genug; so stellte die Stadt Leipzig das heutige Grundstück am Deutschen Platz zur Verfügung, der nach der »Deutschen Bücherei« benannt wurde und ausreichend Platz für die geplanten zukünftigen Erweiterungen bietet. Schon damals ging man davon aus, dass das Gebäude alle 20 Jahre einer baulichen Vergrößerung bedarf. Bis zur Fertigstellung des Bibliotheksgebäudes waren die Bestände, die mit dem Beginn der Sammlung ab Januar 1913 eingingen, im Buchgewerbehaus am Gerichtsweg gelagert worden. Mit dem ersten Erweiterungsbau, der von 1934 bis 1936 als Südostflügel errichtet wurde, und dem zweiten Erweiterungsbau, der von 1959 bis 1963 an der Nordwestseite entstand, folgte man den Planungen des Architekten Oskar Pusch und des Baurats Karl Julius Baer, die das Gebäude in nur zweieinhalb Jahren von 1914 bis 1916 errichten ließen. Bereits der dritte Erweiterungsbau, der von 1976 bis 1982 als reiner Magazinbau errichtet wurde, wich vom ursprünglichen Plan ab. Der vier- 60 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 »Gesamtansicht der Deutschen Bücherei aus der Vogelschau (nach etwa 200 Jahren)«. In: Denkschrift zur Einweihung der Deutschen Bücherei des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig, 1916. Bild: Hausarchiv der Deutschen Nationalbibliothek te und jüngste Erweiterungsbau, der 2011 eröffnet wurde, dockt am Westgiebel an den Gründungsbau am Deutschen Platz an und fügt das Gebäudeensemble zusammen, indem er den Bücherturm einbezieht. Wie geht es in Leipzig weiter? Die Magazinkapazitäten des vierten Erweiterungsbaus, der auch die Ausstellungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums und den Museumslesesaal beherbergt, werden voraussichtlich im Jahr 2025 ausgeschöpft sein. Somit wird es Zeit, die fünfte Erweiterung des Leipziger Gebäudes in Angriff zu nehmen. Die Bedarfsbeschreibung für einen Magazinbau mit optimalen Bedingungen für die Lagerung der Medienwerke – Bücher, Zeitschriften, Tonträger, Datenträger – ist in Arbeit. Zeitpunkte Julia Rinck Leibnix – Das Universalgenie im Mosaik Eine Ausstellung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Gottfried Wilhelm Leibniz wurde am 1. Juli 1646 in Leipzig geboren. Sein Vater Friedrich Leibnütz (1597 – 1652), Jurist und Professor für Moralphilosophie an der Universität zu Leipzig, förderte früh die Lesefähigkeit des begabten Jungen; er verstarb, als sein Sohn sechs Jahre alt war. Ab 1653 besuchte Gottfried Wilhelm die Nikolaischule, als Achtjähriger brachte er sich mithilfe der Bibliothek seines Vaters autodidaktisch die lateinische Sprache bei. Mit dem Schulbeginn wurde Leibniz auch an der Universität seiner Heimatstadt immatrikuliert – ein Privileg als Professorensohn; seine Promotion als Zwanzigjähriger wurde ihm jedoch aufgrund seines jungen Alters von den Leipziger Professoren verweigert, so dass er schließlich 1666 an der Universität Altdorf in Nürnberg zum Doktor beider Rechte promovierte. Im Laufe seines Lebens unternahm Leibniz Reisen durch ganz Europa und war in verschiedenen Städten, so unter anderem in Paris, London, Wien, Berlin, Hannover und Wolfenbüttel, tätig. Er verstarb am 14. November 1716 in Hannover. Im Leibniz-Jahr 2016 finden anlässlich des 370. Geburtstages und 300. Todestages weltweit zahlreiche Ausstellungen, Konferenzen und Veranstaltungen zu Ehren des großen Gelehrten statt. In seinem Geburtsort Leipzig widmete sich die »Lange Nacht der Wissenschaften« am 24. Juni mit speziellen Leibniz-Themenwelten verschiedenen Aspekten seines Wirkens. So hielt Dr. Florian Betz in der Deutschen Nationalbibliothek einen Vortrag zum Thema »Bibliothekar – Der Brotberuf des Universalgenies Gottfried Wilhelm Leibniz«, der einen detaillierten Einblick in Leibniz’ Tätigkeit in verschiedenen Bibliotheken gab. Leibniz verzeichnete die »Bibliotheca Boineburgica«, die Privatbibliothek Johann Christian von Boineburgs nach dem Prinzip eines Schlagwortkatalogs, den er als einer der Ersten realisierte. Er war als Rat und Bibliothekar ab 1676 für die fürstliche Bibliothek im Residenzschloss Hannover im Dienste Herzogs Johann Friedrich verantwortlich und 1691 – 1716 in Wolfenbüttel unter den Herzögen Rudolf August (1666 – 1704) und Anton Ulrich (1685 – 1714) sowie Herzog August Wilhelm (1714 – 1731) tätig. Ebenfalls zur Leipziger Langen Nacht führte ein moderierter TalkWalk1 von authentischen Orten in Leibniz’ Leben hin zu Stationen, die in einem thematischen Kontext zu seinen Tätigkeitsfeldern stehen: vom Roten Kolleg, seinem Geburtshaus, über das Leibnizdenkmal im Uni-Innenhof bis zur Deutschen Nationalbibliothek als Wissensspeicher der Gegenwart. Leibniz zeigt Brabax seine Rechenmaschine. Abenteuer Wissenschaft – Die Abrafaxe unterwegs mit Gottfried Wilhelm Leibniz. Berlin: MOSAIK, 2016. S. 157. Bild: MOSAIK – Die Abrafaxe 2016 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 61 Zeitpunkte 62 Der Polyhistor Leibniz gilt als letzter Universalgelehrter der Neuzeit und Vordenker der Aufklärung. Er war Philosoph, Historiker und Mathematiker, wirkte als Jurist, Diplomat und politischer Berater. Er gründete Akademien der Wissenschaften in Berlin, Wien und Sankt Petersburg. Vertraut mit allen Wissenschaftsbereichen seiner Zeit verband er gemäß seinem Motto »theoria cum praxi« theoretische Forschung mit praktischer Anwendung. Er konstruierte eine mechanische Rechenmaschine, entwarf Pläne für ein Unterseeboot und beschäftigte sich lange mit der Verbesserung der Grubenentwässerung im Harz-Bergbau. Die von ihm – unabhängig von Isaac Newton – entwickelte Integral- und Differentialrechnung mit dem Hauptsatz der Infinitesimalrechnung ist eine der Grundlagen der neuzeitlichen Mathematik, sein binäres Zahlsystem Basis moderner Computertechnologie. Leibniz stand in Kontakt zu unzähligen Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft in Europa. Sein Briefwechsel, Bestandteil seines in Hannover aufbewahrten Nachlasses, umfasst rund 15.000 Briefe mit annähernd 1.100 Korrespondenten an 160 verschiedenen Orten in 16 Ländern. Er wurde 2007 als Teil des kulturellen Gedächtnisses in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen. Doch die Ideen von Leibniz sind nicht nur durch seine Korrespondenz oder seine wissenschaftlichen und philosophischen Schriften bis heute tradiert; eine unkonventionelle Form der Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Denken sind zahlreiche zeitgenössische Cartoons und Comics. Die Bildgeschichten befassen sich – oft in englischer Sprache – spielerisch mit Leibniz’ Werk und Wirken, häufig speziell mit dem Prioritätsstreit zwischen Leibniz und Newton um den Vorrang der Entwicklung der Integral- und Differenzialrechnung. In Deutschland wurde Leibniz zwischen 2007 und 2011 zur Hauptfigur einer Serie des bekannten Comic-Magazins »Mosaik«. Die 1955 gegründete Zeitschrift ist das älteste deutsche Comicmagazin, das seit 1957 monatlich erscheint. Als Nachfolger der »Digedags« begannen 1974 die Abenteuer der Abrafaxe – Abrax, Brabax und Califax. Die drei pfiffigen koboldartigen Wesen reisen voll Aben- Leibniz-Figur im Mosaik Bild: MOSAIK – Die Abrafaxe 2016 Leibniz und Newton Bild: MOSAIK – Die Abrafaxe 2016 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Zeitpunkte Leibniz und die Abrafaxe. Titelblatt zu: Abenteuer Wissenschaft – Die Abrafaxe unterwegs mit Gottfried Wilhelm Leibniz. Berlin: MOSAIK, 2016 Bild: MOSAIK – Die Abrafaxe 2016 teuerlust und umgeben von einem »Hauch Abrakadabra« durch die Zeiten und alle Regionen der Welt2. Die besondere Anziehungskraft der Reihe gründet sich sowohl auf den eigenwilligen Charakteren der Helden, den draufgängerischen Abrax, den klugen und erfinderischen Brabax und den gewitzten, eher gemütlichen Califax, als auch auf die Vielfalt der liebevoll und detailreich ausgestalteten Szenerien. 2009 beginnt die Serie »Gold und große Geister«: Hier trifft das Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz in den 24 Heften Nummer 406 bis 429 auf die drei »größten Abenteurer aller Zeiten« (Mosaik), und sie erleben auf ihrer Reise durch das barocke Europa zahlreiche Abenteuer. So begegnet Leibniz mit Brabax als Privatsekretär Zar Peter dem Großen von Russland, der in den Niederlanden als Zimmermann in die Lehre geht, sie haben in Paris eine Audienz bei Ludwig XIV. und konstruieren eine Fontäne im Garten von Schloss Herrenhausen im Auftrag von Herzog Ernst August von Braunschweig-Calenberg und dessen Frau Sophie von der Pfalz, Prinzessin von England und Schottland. In London treffen sie auf den britischen Architekten und Astronom Christopher Wren und den Universalgelehrten Robert Hooke, Leibniz versucht seinen Streit mit Isaac Newton beizulegen – und scheitert. Die Ausstellung »Leibnix – das Universalgenie im Mosaik« gibt einen Einblick in die Leibnizsche Lebenswelt des ausgehenden Barockzeitalters, die von den Mosaik-Zeichnern mit Wort- und Bildwitz gestaltet wurden, und zeigt zugleich die Entstehung der Comic-Geschichten von der Anlage der Figuren über die zeichnerische Umsetzung bis zum fertigen Heft – illustriert durch zahlreiche Entwürfe und Originalzeichnungen aus dem Verlagsarchiv. Die Kabinettausstellung im Tresor des Deutschen Buch- und Schriftmuseums findet in Kooperation mit dem Wilhelm Busch Museum für Karikatur in Hannover statt, kuratiert von Dr. Georg Ruppelt, dem ehemaligen Direktor der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover. Begleitend zur Ausstellung erschien der Sonderband »Abenteuer Wissenschaft – Die Abrafaxe unterwegs mit Gottfried Wilhelm Leibniz« mit den Mosaik-Bildgeschichten und einem Essay des Leibniz-Kenners Georg Ruppelt. Die Kabinettausstellung wird am 13. November 2016, 11 Uhr eröffnet und ist bis zum 2. April 2017 im Deutschen Buch- und Schriftmuseum zu sehen. Anmerkungen 1 <http://www.talk-walks.de> 2 <http://www.abrafaxe.com> Dialog mit Bibliotheken 2016/2 63 Zeitpunkte Jesko Bender Was ist eigentlich Heimat? Comicworkshop am 23. Mai 2016 im Deutschen Exilarchiv 1933 – 1945 im Rahmen der Initiative »Kultur öffnet Welten« Wenn heute von Heimat gesprochen wird – zumal in politisch mitunter aufgeheizten Debatten –, klingt das häufig nach zugeschlagenen Türen, nach etwas, das gegen das »Fremde« abgegrenzt werden und sich nicht verändern soll. Aber was ist das überhaupt, Heimat? Kann man es benennen, beschreiben oder gar definieren? Welche Bilder und welche Geschichten kommen einem in den Sinn, wenn man Heimat beschreiben will? Und in welchem Zusammenhang stehen diese Bilder und Geschichten zu Vorstellungen von Fremde? Diesen komplexen Fragen stellten sich die Schülerinnen und Schüler einer 10. Klasse der Frankfurter Ernst-Reuter-Schule II während des ganztägigen Workshops »Heimat – Bilder – Geschichten« am 23. Mai 2016 in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) in Frankfurt am Main. Der Workshop wurde vom Deutschen Exilarchiv 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek veranstaltet und fand im Rahmen der bundesweiten Projektwoche der Initiative »Kultur öffnet Welten« statt. Geleitet wurde der Workshop von der US-amerikanischen Comiczeichnerin Ali Fitzgerald, die seit einigen Jahren in Berlin lebt und dort unter anderem Comicworkshops für Flüchtlinge veranstaltet. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Courtney O’Connell nahm sie die oben formulierten Fragen zum Ausgangspunkt, um mit den Schülerinnen und Schülern zeichnerisch auf die Suche nach der »Heimat« zu gehen. Aber warum soll ausgerechnet über das Medium Comic eine besondere Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Heimat möglich sein? Heimat, so lautete die Ausgangsüberlegung für den Workshop, lässt sich als ein Zusammenspiel von (Vorstellungs-)Bildern und Geschichten begreifen, die ein Gefühl von Vertrautheit erzeugen. Heimat ist also nichts von Natur aus Gegebenes, etwas, das einfach 64 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Ali Fitzgerald (links, stehend) und Courtney O’Connell (rechts, stehend) erläutern den Schülerinnen und Schülern die Zeichenstile verschiedener historischer Comics. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel da ist, sondern etwas Gemachtes, Veränderliches – also Kultur. Der Comicworkshop ermöglichte es den Schülerinnen und Schülern, sich ganz konkret mit dieser kulturellen Ebene von Heimat-Bildern und Heimat-Geschichten zu befassen. Dass eine Reflexion der Vorstellung von Heimat gar nicht an den »großen« Kategorien ansetzen muss, sondern sich an sogar kleinsten Begebenheiten entwickeln kann, zeigte sich gleich in der ersten Phase des Workshops. Frau Fitzgerald begab sich mit den Schülerinnen und Schülern auf eine Mikroebene: Nachdem sie ein Brainstorming zu ihren Vorstellungen von Heimat und Fremde gemacht hatten, bat Frau Fitzgerald die Schülerinnen und Schüler, einzelne, voneinander unabhängige Bilder zu zeichnen, beispielsweise eine Begebenheit vom morgendlichen Schulweg; etwas sehr Nettes, das ihnen jemand gesagt hat; ein besonders schlimmes Ereignis. Im Anschluss daran verbanden die Schülerinnen und Schüler diese Einzelbilder zu kleinen narrativen Sequenzen, indem sie sie nebeneinander legten. Vier, fünf aneinander gereihte Bilder erzählen so plötzlich eine »Heimat-Geschichte«: Vom Bus, den man auf dem Weg zur Schule verpasst, von den Supermärkten, an denen man jeden Morgen vor- Zeitpunkte Die Schülerin Miriam zeichnet eine Bilderfolge für die Abschlusspräsentation. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel beifährt, über das Kompliment einer Freundin auf dem Schulhof, bis hin zur Berichterstattung über Krieg und Terror, die nachmittags zu Hause im Fernseher läuft. Spannend an diesen Geschichten ist, dass die aufgeladenen Debatten um Flüchtlinge, Fremde, Integration und Leitkultur in ihnen keine Rolle spielen. Im weiteren Verlauf des Workshops wurden – in Ergänzung zu den eben beschriebenen Mikrogeschichten – auch immer wieder die Berührungspunkte von Heimat und größeren historischen Zusammenhängen besprochen. Die vom Deutschen Exilarchiv 1933 – 1945 verantwortete virtuelle Ausstellung »Künste im Exil«1 lieferte dafür anschauliche Beispiele. Anhand eines Blicks auf die Biografien und Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die vor dem nationalsozialistischen Regime aus Deutschland geflohen sind, konnten die Schülerinnen und Schüler einen Eindruck davon bekommen, wie sich die Erfahrung des Exils auf das künstlerische Schaffen und auf die Vorstellungen von Heimat auswirkt. Auf den Fotografen Hans Günter Flieg kam der Workshop gleich zweimal zu sprechen. Erstens durch einen Ausschnitt des Negativstreifens, der sich während der Flucht in Fliegs Kamera befand: Dieser Negativstreifen zeigt das letzte Bild Fliegs in seiner Heimatstadt Chemnitz und, direkt darauf folgend und nur durch einen schmalen schwarzen Streifen getrennt, das erste Bild nach seiner Ankunft im brasilianischen São Paulo.2 Hinter dem schwarzen Streifen liegt die Geschichte der Emigration von Deutschland nach Brasilien verborgen, tausende Kilometer, zusammengeschrumpft auf einen schmalen Strich. Er erzählt vom Abschied aus der vertrauten Umgebung, dem letzten Blick aus dem Fenster der Familienwohnung auf dem Chemnitzer Kaßberg, er verweist schließlich aber auch auf die Ankunft im Exil, wo der Blick des Fotografen als erstes auf eine mit Orchideen gefüllte Blumenvase fällt. Der Negativstreifen Fliegs illustrierte auch als historisches Dokument die Verbindung von Einzelbildern zu einer (narrativen) Sequenz, die die Schülerinnen und Schüler als ein zentrales Merkmal von Comics kennengelernt haben. In einem Interview, das Hans Günter Flieg im Jahr 2013 für »Künste im Exil« gab und das der zweite Anknüpfungspunkt im Workshop war, erläuterte er seine Haltung zur Vorstellung von Heimat: »Vielleicht sollte man das Wort Heimat ausschalten und einfach davon sprechen, wie dicht man an den Sachen dran ist. Es lässt sich durch nichts, durch keinen Hitler, durch keinen Marx und kein gar Nichts auslöschen die Tatsache, wo man geboren ist, wo die ersten Eindrücke herkommen, die ersten Menschen, die man kennengelernt hat, die Umgebung, die man gehabt hat. Im positiven und negativen Sinne. Und Positiv und Negativ finden sie überall auf der Erde.«3 Fliegs kritischer Blick auf den Begriff Heimat wurde während des Workshops auch auf die gegenwärtigen Debatten um Flucht- und Migrationsbewegungen bezogen: Denn er impliziert, dass es vor allen Dingen die ersten Eindrücke, die Erinnerungen sind, die man an einen neuen Ort mitnimmt. Eine demokratische, offene Gesellschaft sollte daher Formen der kulturellen Teilhabe etablieren, die es geflüchteten Menschen ermöglichen, ihre Vorstellungen von Heimat in die kulturellen Aushandlungsprozesse ihres neuen Lebensortes einzubringen. Eine solche Kultur der Teilhabe öffnet Welten. Anmerkungen 1 <www.kuenste-im-exil.de> 2 Das Bild ist abrufbar unter: <www.kuenste-im-exil.de/fluchtweg> 3 Das Interview ist abrufbar unter: <www.kuenste-im-exil.de/flieg-interview> Dialog mit Bibliotheken 2016/2 65 Zeitpunkte Veranstaltungsvorschau bis 26. März 2017 Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt in die Ausstellung frei 19. Oktober 2016, 19.30 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Eintritt: 10 Euro/ermäßigt 8 Euro Kartenbestellung unter: [email protected] oder Telefon 069 1525-1101 20. Oktober 2016, 14 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei Nächster Termin: 10. November 2016, 14 Uhr (Thema: Martinslaternen) 21. Oktober 2016, 19.30 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Eintritt frei Anmeldung: [email protected] oder Telefon 0611 324020 22. Oktober 2016, 15 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei Nächster Termin: 26. November 2016, 15 Uhr (Thema: Adventliches Origami) 27. Oktober 2016, 19 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei 2. November 2016, 19 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei Anmeldung: [email protected] oder Telefon 0341 2271-286 13. November 2016 bis 2. April 2017 Eröffnung: 13. November 2016, 11 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt in die Ausstellung frei 66 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Präsentation: »Verlage im ›Dritten Reich‹« Präsentation des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek Buchpräsentation: »m4 Mountains, die vierte Dimension« Buchpräsentation mit den Autoren Stefan Dech, Nils Sparwasser und Reinhold Messner In Kooperation mit dem Piper Verlag Kreativwerkstatt: »Paperballs« Mitmachaktion für Familien im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Lesung und Gespräch: Christoph Scheuermann im Gespräch mit Wolfgang Niess (SWR) zum Thema »Die Briten, der Brexit und wir« In Kooperation mit der Deutschen Verlags-Anstalt, der Deutsch-Britischen Gesellschaft Rhein Main e. V. und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung Do it yourself: »Schablonieren« Kreatives für Jung und Alt im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Lesung und Gespräch: Nicol Ljubić – Chamisso-Preisträger »Grenzen Nieder Schreiben« Moderation: Dr. Katrin Schumacher, MDR Eine Veranstaltung des 20. Leipziger Literarischen Herbst in Kooperation mit der Deutschen Nationalbibliothek, mit freundlicher Unterstützung der Robert Bosch Stiftung Präsentation des Hörbuchfeatures: Jochanan Shelliem »Im Namen des Volkes«. Hinter den Kulissen des Nürnberger Prozesses Eine Veranstaltung des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945 / Anne-Frank-Shoah-Bibliothek der Deutschen Nationalbibliothek Ausstellung: »LEIBNIX – das Universalgenie im Mosaik« Kabinettausstellung im Tresor des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek Zeitpunkte 16. November 2016, 18 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt: 5 Euro/ermäßigt 4 Euro Kartenbestellung unter: [email protected] sowie Abendkasse 18. November 2016, 9, 10, 11 und 14 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei 19. November 2016, 19 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei Wir bitten um Anmeldung unter: www.notenspur-leipzig.de/hausmusik 25. November 2016, 19.30 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Eintritt frei Wir bitten um Anmeldung unter: [email protected] oder Telefon 069 1525-1905 29. November 2016, 10 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt frei 6. bis 20. Dezember 2016 Eröffnung: 6. Dezember 2016, 19 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Eintritt in die Ausstellung frei Wir bitten um Anmeldung unter: [email protected] oder Telefon 069 1525-1905 9. Dezember 2016 bis 23. Juli 2017 Eröffnung: 8. Dezember 2016, 19.30 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt in die Ausstellung frei Szenische Lesung: »Kleine Schule der Beweisführung« Adaption des Bühnenstücks zum Leibniz-Jahr Eine Koproduktion von Julian Rauter mit LOFFT – Das Theater, gefördert von der Stadt Leipzig, Kulturamt. Veranstaltung in Kooperation mit der Deutschen Nationalbibliothek 13. Bundesweiter Vorlesetag: Lassen Sie sich während unseres Geschichtenmarathons im Deutschen Buch- und Schriftmuseum von unserer Vorleselust begeistern und anstecken. 2. Notenspur-Nacht der Hausmusik – Musik zu Hause in Leipzig: Jazziger Hausmusikabend mit Jam-Session im Deutschen Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek In Kooperation mit dem Notenspur-Förderverein e. V. Podiumsgespräch: Gedächtnis verbindet. Ein Podiumsgespräch über kulturelle Teilhabe und kulturelles Gedächtnis in der Einwanderungsgesellschaft. Podiumsgäste u. a. Micha Brumlik und Özlem Topçu, Moderation: Michel Friedman Eine Veranstaltung des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek Mit freundlicher Unterstützung der Gesellschaft für das Buch e. V. 60PLUS: Sternefalten zum Advent Gestalten für Senioren im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Ausstellung: »DEUTSCH UND JÜDISCH« Das Deutsche Exilarchiv 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek präsentiert eine Wanderausstellung des Leo Baeck Instituts New York|Berlin Ausstellung: »Sensation – Propaganda – Widerstand. 500 Jahre Flugblatt: von Luther bis heute« Wechselausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Nationalbibliothek 16. bis 18. Januar 2017 Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Symposium: Wissenschaftliches Symposium zu Werk und Wirkung Ludwig Meidners Eine Kooperation des Jüdischen Museums Frankfurt a. M. und des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek 13. Februar 2017, 19.30 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Buchpräsentation und Gespräch: Jakob Augstein und Nikolaus Blome »Links oder rechts«. Antworten auf die Fragen der Deutschen In Kooperation mit dem Penguin Verlag und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung Eintritt frei Wir bitten um Anmeldung unter: [email protected] oder Telefon 0611 324020 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 67 Zeitpunkte 28. Februar 2017, 19 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Eintritt frei Wir bitten um Anmeldung unter: [email protected] oder Telefon 069 1525-1905 Lesung: Kristine von Soden »Und draußen weht ein frischer Wind«. Über die Meere ins Exil Eine Veranstaltung des Deutschen Exilarchivs 1933 – 1945 der Deutschen Nationalbibliothek Führungen 16. Oktober 2016 Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Weitere Termine für die Bibliotheksführung (Eintritt 2 Euro) und den Familiensonntag: An jedem dritten Sonntag im Monat um 11 Uhr 18. Oktober 2016, 15 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt: 6 Euro/ermäßigt 3 Euro Nächster Termin: 10. November, 11 Uhr 28. Oktober 2016, 19 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Leipzig Eintritt: 6 Euro/ermäßigt 3 Euro Nächster Termin: 9. November, 19 Uhr 2. November 2016, 15 Uhr Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main Eintritt: 8 Euro/ermäßigt 6 Euro Nächster Termin: 7. Dezember 2016, 18 Uhr 68 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Sonntagsführung: 11 Uhr Führung durch die Deutsche Nationalbibliothek Familiensonntag: 11 Uhr Aktion für Kinder und Jugendliche im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Führung: »Depotgeflüster – von Maschinen, Schreibfedern und Stampftrögen«. Führung durch das Magazin der Kulturhistorischen Sammlung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums Führung: Abendführung durch die Dauerausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums »Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode« Führung: Das Gedächtnis der Nation – die Deutsche Nationalbibliothek In Kooperation mit der Kulturothek Frankfurt www.kulturothek-frankfurt.de Zeitpunkte Barbara Fischer Nachgelesen – Ein Veranstaltungsrückblick Lumpen und Wasserzeichen Woodstock der Literatur »Es kann im wahrsten Sinne aus dem Vollen schöpfen: In seiner neuen Sonderschau widmet sich das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der weißen Kunst der Papiermacher, ohne die die schwarze der Buchdrucker wohl nicht existieren könnte. Unter dem Titel ›Bahnriss?! Papier | Kultur‹ bekommt der Besucher eine Ahnung davon, was für Schätze dieser ›weißen Magie‹ in den Sammlungen schlummern«, schwärmt die Leipziger Volkszeitung. »Die Ausstellung zeigt, dass die digitale Welt nicht ohne Papier auskommen wird. In welchen Formen und in welcher Haptik, das bleibt abzuwarten. Ein Blick zurück und pointiert in die Gegenwart lohnt daher auf jeden Fall«, urteilt der kreuzer. »In ›Bahnriss‹ habe ich Papier gesehen, gehört und gefühlt. … Die Ausstellung wirft einen Blick zwischen die Zeilen: auf das pure Papier«, so wird auf schraeglesen.de das eindrückliche Besuchserlebnis geschildert und der Sachsen Sonntag sagt es kurz und bündig: »Eine großartige Ausstellung«. »›Leipzig liest‹ begann in Umbruchzeiten eher bescheiden – und ist heute das Markenzeichen der Buchmesse. In diesem Jahr feiert Europas größtes Lesefest 25. Geburtstag«, erinnert das Börsenblatt. Das Lesefestival hat viele attraktive Veranstaltungsorte zu bieten, doch für den kreuzer zählt die Nationalbibliothek zu den »schönsten Leseorten der Buchmesse«. Und die Begründung ist umfassend: »Deutscher Platz 1 – was für eine Adresse! Nicht weniger imposant gibt sich das Gesamtensemble der Deutschen Nationalbibliothek, Funktionsbauten sehen anders aus. Es ist nicht überraschend, sondern geradezu selbstverständlich, dass sich der Bücherhort auch als Leseort öffnet.« Das tat er – selbstverständlich – auch im Jubiläumsjahr von »Leipzig liest« und lud gleich zu sechs Veranstaltungen ein. So wurde etwa die »sensationelle Entdeckung aus dem Nachlass von Siegfried Lenz: ein Roman über den Irrsinn des Krieges« im Rahmen des Lesefestivals präsentiert, hebt die Sächsische Zeitung Dresden hervor. Der Schauspieler Burghart Klaußner las vor vollem Haus aus dem bei Hoffmann und Campe erschienenen Roman »Der Überläufer«. Eröffnungsabend der Ausstellung »Bahnriss?! Papier | Kultur« im Deutschen Buch- und Schriftmuseum. Foto: PUNCTUM, Alexander Schmidt Burghart Klaußner signiert den von ihm gelesenen Roman »Der Überläufer« von Siegfried Lenz. Foto: PUNCTUM, Peter Franke Dialog mit Bibliotheken 2016/2 69 Zeitpunkte »Wie stellt man jemanden gebührend vor, der eigentlich längst keine Vorstellung mehr benötigt?«, fragt die Leipziger Volkszeitung und berichtet weiter: »Vor dieser Herausforderung stand Stephanie Jacobs, Leiterin des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig. Klaus G. Saur hat es zu einem der wichtigsten Wissenschaftsverleger Deutschlands gebracht und war wohl kaum jemandem im vollen Lesesaal des Museums am Deutschen Platz unbekannt.« Sein Vortrag über »Verlage im ›Dritten Reich‹« eröffnete die gleichnamige Schau, die noch bis Januar eine Auswahl von zeitgenössischen Verlagspublikationen, unter anderem Tarnschriften und NS-Literatur zeigt. Auch der Lesesaal verwandelte sich bei »One Day in Life« in einen Konzertsaal: Pierre-Laurent Aimard spielt Schubert-Sonaten. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel Unbedingt nachlesen »Die Jahre können Elisabeth Raabe kaum etwas anhaben. In der stilvoll renovierten Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig erzählte sie genauso schwungvoll und fordernd aus ihrem Leben als Verlegerin des legendären Arche Verlags, als wäre seit dem Verkauf (2008 an Oetinger) kaum ein Tag vergangen. Friedrich Dürrenmatt, Maarten t’Hart, Zürich, Hamburg, die Literaturmüdigkeit und die Filialisten: Raabe hatte alle Details parat«, resümiert das Börsenblatt anerkennend und rät eindringlich: »unbedingt nachlesen in: ›Eine Arche ist eine Arche ist eine Arche‹, Edition Momente.« Einer von 18 ungewöhnlichen Konzertorten bei »One Dayin Life«: das Magazin der Deutschen Nationalbibliothek. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel 70 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 One Day in Life »Er ist bekannt für seine expressiven Bauten, begeistert die Menschen rund um den Globus: In Frankfurt hat US-Stararchitekt Daniel Libeskind jetzt ein 24-Stunden-Konzertspektakel auf ungewöhnliche Bühnen gebracht. Musik trifft auf den Atem der Großstadt«, meldet die dpa. »Irre, fantastisch!« nennt die Bild das in Kooperation mit der Alten Oper Frankfurt stattfindende Konzertprojekt »One Day in Life«. »Im unterirdischen Büchermagazin der Deutschen Nationalbibliothek wurde am einen Ende der endlos wirkenden Gangfluchten zwischen den Kolonnen von Regalsystemen das 5. Madrigalbuch Claudio Monteverdis gesungen, während gleichzeitig am anderen Ende einige Sätze aus Peter Ablingers ›Voices and Piano‹ gespielt wurden: der eine Klangpunkt sacht in den anderen hineintönend. Dazwischen die Millionen von Bücher als Transkriptionen von Gedanken in Texte: Weit unter der Erde eine wahrhaft tiefe Erfahrung«, erlebte der Rezensent der Frankfurter Rundschau. Und auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung entdeckte eine geradezu metaphysische Ebene bei diesem Konzerterlebnis: »Im Magazin der Deutschen Nationalbibliothek, 36 Stufen unter der Erde, wo jeden Tag an die 2000 Bücher neu einsortiert werden, übertönen die fünf Stimmen der ›Vocal Connection‹ mit ihren verzaubernden Monteverdi-Madrigalen Hunderttausende Stimmen von Stimmen, die in Form von stummen Bänden in den Regalen ruhen.« Zeitpunkte Frankfurt liest »Längst stellt dieses große Lesefest seinen Titel in den Schatten. ›Frankfurt liest ein Buch‹: Das ist nur die halbe Wahrheit. Die mehr als 80 Veranstaltungen greifen weit in die Region und nach Hessen aus«, hebt die Frankfurter Rundschau hervor. »Mit viel Vorleseprominenz wurde in der Deutschen Nationalbibliothek gestern Abend die 7. Auflage des Lesefestivals eröffnet.« (Börsenblatt) Zum Auftakt des Literaturfestes, das sich in diesem Jahr um den Roman »Frankfurt verboten« von Dieter David Seuthe dreht, »gibt es erst einmal einen politischen Appell gegen rechts«, berichtet die Frankfurter Rundschau: »Es ist ein Auftritt, der aufhorchen lässt. Rainer Weiss, der Verleger des WeissbooksVerlages, nutzt die Eröffnung für einen politischen Appell. Und erntet großen Beifall von den 400 prominenten Ehrengästen in der Deutschen Nationalbibliothek.« Einige Wochen später konnte sich das Lesefest auch noch über den »Preis für kulturelle Bildung 2016« der Staatsministerin für Kultur und Medien freuen. Gefundene Wörter »Politische Klarsicht und Schärfe unstaatstragender Art ist bei Herta Müller immer im Spiel«, weiß die Frankfurter Rundschau. »In der Deutschen Nationalbibliothek erinnert Müller zum Abschluss des Frankfurter Festivals ›LiteraTurm‹ an Grenzen, die man innerhalb des Schengen-Raumes nur allzu leicht vergisst, wenn man darüber redet, wie durchlässig die Grenzen zwischen dem literarischen Text und anderen Kunstgattungen inzwischen geworden Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller signiertihre Wortcollagen. Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel sind.« (Frankfurter Allgemeine Zeitung) Die Aussage spielt auf das Motto »Der entgrenzte Text« des vom Kulturamt Frankfurt am Main organisierten Literaturfestivals an. Mit Ernest Wichner, Leiter des Berliner Literaturhauses, sprach die Wörtersammlerin dann über ihre Wortcollagen und über die »sinnliche Sphäre der Wörter«: Über »die unerträglichen, unbenutzbaren (›mächtig‹), die schönen, die Herta Müller immer und überall ausschneiden würde (›Karussell‹) und die schweren Wörter, wie ›Grenze‹, denen man ›keine Leichtfüßigkeit mehr beibringen‹ könne«, erzählt die Frankfurter Rundschau von der Lesung der Literaturnobelpreisträgerin. Eine Übersicht der kommenden Veranstaltungen in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig und Frankfurt am Main finden Sie auf den Seiten 66 bis 68 in diesem Heft. Möchten Sie regelmäßig über Ausstellungen und Veranstaltungen informiert werden? Abonnieren Sie unseren Newsletter unter www.dnb.de/newsletter. Dialog mit Bibliotheken 2016/2 71 Notizen Personelles Elisabeth Niggemann im Senat der DFG Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel 72 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Die Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek Dr. Elisabeth Niggemann wurde mit sieben weiteren neuen Mitgliedern in den Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der größten Forschungsförderorganisation für die Wissenschaft in Deutschland, gewählt. Der Senat, dem insgesamt 39 Mitglieder angehören, ist das zentrale wissenschaftliche Gremium, in dem über alle Angelegenheiten der DFG von wesentlicher Bedeutung beraten und beschlossen wird. Elisabeth Niggemann wurde auf den neu geschaffenen und damit erstmals besetzten Senatsplatz »Wissenschaft und Gesellschaft« gewählt. Zum 1. Mai 2016 hat Constanze Schumann die Leitung der standortübergreifenden Abteilung Erwerbung und Formalerschließung an der Deutschen Nationalbibliothek übernommen. Sie ist seit September 2010, zunächst als Sachgebietsleiterin und später als Leiterin des Referates Monografien – Formalerschließung, in der Abteilung tätig. Neben dem RDA-Projekt hat sie in dieser Zeit an weiteren Projekten unterschiedlichen Inhalts gearbeitet. Nach ihrem Studium der Bibliothekswissenschaft und Neueren und Neuesten Geschichte war sie unter anderem im Verlag De Gruyter in Berlin tätig. Sie erreichen Frau Schumann telefonisch unter 0341 2271-416 oder 069 1525-1315 und per E-Mail unter [email protected] Notizen Personelles Renate Behrens hat zum 1. Januar 2016 die Leitung der Arbeitsstelle Regelwerke in der Arbeitsstelle für Standardisierung übernommen. Sie hat in den vergangenen Jahren das RDA-Implementierungsprojekt im deutschsprachigen Raum geleitet und im Frühjahr 2016 die europäische Vertretung im RDA Steering Committee (RSC) übernommen. Darüber hinaus ist sie Mitglied in der European RDA Interest Group (EURIG) und leitet dort das EURIG Editorial Committee, das die Weiterentwicklung des Standards RDA für Europa betreut. Frau Behrens ist langjährige Mitarbeiterin der Deutschen Nationalbibliothek in verschiedenen Arbeitsbereichen und hat in den vergangenen Jahren das Sekretariat der Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme und zuletzt auch die Geschäftsstelle des Standardisierungsausschusses betreut. Sie erreichen Frau Behrens telefonisch unter 069 1525-1523 und per E-Mail unter [email protected] Edith Röschlau hat zum 1. Juni 2016 die Geschäftsstelle des Standardisierungsausschusses und das Sekretariat der Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme in der Deutschen Nationalbibliothek übernommen. Die Diplom-Bibliothekarin arbeitet seit einigen Jahren in der Arbeitsstelle für Standardisierung, zunächst im RDA-Projekt, zuletzt in der Arbeitsstelle Regelwerke. Dort ist sie unter anderem für die Betreuung der deutschsprachigen Bibliothekscommunity bei der Weiterentwicklung von RDA und die fachliche Betreuung des D-A-CH-Konsortiums zuständig. Davor war sie lange Jahre im Nationalen ISSN-Zentrum für Deutschland tätig. Frau Röschlau tritt die Nachfolge von Renate Behrens an. Sie erreichen Frau Röschlau telefonisch unter 069 1525-1425 und per E-Mail unter [email protected] Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel Foto: Deutsche Nationalbibliothek, Stephan Jockel Dialog mit Bibliotheken 2016/2 73 Notizen Neue Veröffentlichungen Deutsche Nationalbibliothek 2025: Strategischer Kompass Seit unserer Gründung 1912 passen wir uns an Publikationsformen und an neue Erwartungen unserer Nutzerinnen und Nutzer an. Trends verändern die Gesellschaft heute schnell. Mittelfristige Ziele bieten dabei Orientierung und Navigationshilfe. Die Beschäftigung mit zukünftigen Herausforderungen trägt dazu bei, Entwicklungsschritte frühzeitig planen und umsetzen zu können. Erstmals hat die Deutsche Nationalbibliothek nun ihre mittelfristigen Strategieziele formuliert und veröffentlicht. Bestellungen für diese Publikation richten Sie bitte an Doris Köhler, Telefon: 069 1525-1101, E-Mail: [email protected] Erhältlich auch als PDF zum Download unter: http://www.dnb.de/DE/Aktuell/Neues/neues_node.html 74 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 Notizen Neue Veröffentlichungen Jahresbericht 2015 Der Jahresbericht der Deutschen Nationalbibliothek 2015 ist erschienen. Von den Bereichen Erwerbung, Erschließung, Benutzung und Bestandserhaltung bis zur zentralen Rolle von Metadaten fasst er wichtige Themen und Projekte, Entwicklungen und Fakten des vergangenen Jahres zusammen. Die Einführung des neuen Standards RDA, das deutsch-israelische Kooperationsprojekt zur Digitalisierung von Kulturgütern und die Arbeit des Deutschen Musikarchivs zählen zu den Schwerpunktthemen. Darüber hinaus gibt es eine Rückschau auf die fachlichen und kulturellen Aktivitäten, auf unsere Veranstaltungen und Publikationen und nicht zuletzt auf die herausragenden Erwerbungen für unsere Sondersammlungen. Informieren Sie sich über alles Wichtige, das Erreichte und unsere Ziele. Bestellungen für diese Publikation richten Sie bitte an Doris Köhler, Telefon: 069 1525-1101, E-Mail: [email protected] Erhältlich auch als PDF zum Download unter: http://www.dnb.de/DE/Aktuell/Neues/neues_node.html Dialog mit Bibliotheken 2016/2 75 Notizen Fachveranstaltung Zugang gestalten Die Digitalisierung des kulturellen Erbes hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Doch angesichts der rasanten technologischen Entwicklung der elektronischen Medien, der Projektorientierung von Kulturförderung und der Flüchtigkeit digitaler Kommunikation gewinnen Fragen nach der Nachhaltigkeit an Bedeutung. Auf der sechsten internationalen Konferenz »Zugang gestalten! Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe // Nachhaltigkeit« sollen am 17. und 18. November 2016 die damit zusammenhängenden Aspekte erörtert werden. Die Deutsche Nationalbibliothek ist Mitveranstalterin der Berliner Konferenz. Veranstaltungsort: Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin. Veranstaltungsleitung: Dr. Paul Klimpel. In diesem Heft inserieren Deutsche Nationalbibliothek, Leipzig, Frankfurt am Main, U 2 Gesellschaft für das Buch, S. 2 Image Access GmbH, Wuppertal, U 4 Land SoftwareEntwicklung, Oberasbach, S. 47 76 Dialog mit Bibliotheken 2016/2 ZUGANG GESTALTEN! Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe //Nachhaltigkeit Kontakt BESUCHEN SIE UNS! Auf der Frankfurter Buchmesse vom 19. bis 23. Oktober 2016 Dr. Elisabeth Niggemann Generaldirektorin Telefon +49-69-1525-1000 E-Mail [email protected] Michael Fernau Ständiger Vertreter der Generaldirektorin in Leipzig Telefon +49-341-2271-227 E-Mail [email protected] Ute Schwens Ständige Vertreterin der Generaldirektorin in Frankfurt Telefon +49-69-15 25-1100 E-Mail [email protected] Dr. Britta Woldering Marketing und Kommunikation Telefon +49-69-1525-1541 E-Mail [email protected] Stephan Jockel Pressesprecher Telefon +49-69-1525-1005 E-Mail [email protected] Dr. Kurt Schneider Digitale Dienste Telefon +49-69-1525-1066 E-Mail [email protected] Bibliografische Auskunft Leipzig Telefon +49-341-2271-453 E-Mail [email protected] Bibliografische Auskunft Frankfurt am Main Telefon +49-69-1525-2500 E-Mail [email protected] Deutsche Nationalbibliothek Deutscher Platz 1 04103 Leipzig Telefon +49-341-2271-0 Deutsche Nationalbibliothek Adickesallee 1 60322 Frankfurt am Main Telefon +49-69-1525-0 in Halle 4.2 am Stand K83 Wir freuen uns auf das persönliche Gespräch mit Ihnen und erwarten Sie am Stand mit Informationen zu den vielfältigen Angeboten der Deutschen Nationalbibliothek. Für Fragen | zur Gemeinsamen Normdatei (GND), | zur Ablieferung von Netzpublikationen, | zu den bibliografischen Angeboten und Diensten, | zum Lizenzierungsservice Vergriffene Werke und | zu Resource Description and Access (RDA) stehen Ihnen von Mittwoch bis Sonntag weitere Fachkolleginnen und Fachkollegen zur Verfügung, Sprechzeiten unter www.dnb.de/veranstaltung. Besuchen Sie auch die Führungen und Lesungen im Rahmen der Frankfurter Buchmesse, zu denen wir Sie herzlich in die Räume der Deutschen Nationalbibliothek an der Adickesallee 1 einladen. Newsletter http://www.dnb.de/newsletter Sie finden uns auch auf Facebook und Twitter. Ihre Ansprechpartnerin: Frau Uta Ackermann, E-Mail: [email protected] www.dnb.de Impressum Dialog mit Bibliotheken ISSN 0936-1138 Herausgeberin: Deutsche Nationalbibliothek, vertreten durch die Generaldirektorin Dr. Elisabeth Niggemann Redaktion/Anzeigen: Esther Frey (verantwortlich), Telefon +49-69-1525-1006, [email protected] Anschrift der Herausgeberin, der verantwortlichen Redakteurin und der für den Anzeigenteil Verantwortlichen: Deutsche Nationalbibliothek, Adickesallee 1, 60322 Frankfurt am Main Erscheinungsweise: Zweimal jährlich. Jahresabonnement: EUR 15,00. Einzelexemplar: EUR 7,50 Satz und Druck: Druckmedienzentrum Gotha GmbH, 99867 Gotha Diese Publikation wurde auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier im Sinne ISO 9706 gedruckt. DIALOG MIT BIBLIOTHEKEN 2016/2 BOOKEYE® 4 Informieren Sie sich noch heute wie hervorragend Sie mit einem Buchscanner von Image Access scannen können und sparen Sie 5 % bei Ihrer ersten Bestellung! 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