Zehn zentrale Kritikpunkte der KZBV zum Referentenentwurf eines

Zehn zentrale Kritikpunkte der KZBV zum
Referentenentwurf eines GKV-SVSG
Der Referentenentwurf beinhaltet eine solche Fülle detaillistisch ausgearbeiteter Eingriffsmöglichkeiten der Aufsicht in alle Bereiche der internen und externen Tätigkeit der
Selbstverwaltungskörperschaften auf Bundesebene, dass dieser nur als Rundumschlag
gegen das Selbstverwaltungsprinzip insgesamt verstanden werden kann. Die Fülle der
Maßnahmen, die zudem für die Betroffenen noch ganz erhebliche zusätzliche
Bürokratielasten beinhalten, ist auch durch die bekannten Vorfälle der Vergangenheit
durch nichts gerechtfertigt, da diese bei konsequenter Anwendung der bereits bisher
bestehenden aufsichtsrechtlichen Kompetenzen frühzeitig hätten erkannt und verhindert
werden können. Ohne Not wird durch den Gesetzentwurf ein generelles Klima des Misstrauens, der Unsicherheit und der drohenden Repression geschaffen, das sowohl die
Innovationskraft als auch die notwendigen Entscheidungsprozesse innerhalb der Selbstverwaltung lähmt und die notwendige Vertrauensbasis zwischen den Körperschaften und
der Aufsicht zumindest in Frage stellt, wenn nicht aufkündigt. Dies wird z.B. durch folgende vorgesehene Regelungen illustriert:
1. § 78 Abs. 4 (Verbindliche Inhaltsbestimmungen durch die Aufsicht). Danach
soll die Aufsicht bei unbestimmten Rechtsbegriffen verbindliche Inhaltsbestimmungen treffen können, ohne auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt zu
sein. Eine Klage hiergegen soll unzulässig sein und auch bei Klagen gegen eventuell darauf aufbauende Aufsichtsanordnungen soll das Gericht lediglich überprüfen dürfen, ob die Inhaltsbestimmung inhaltlich vertretbar war. Hierdurch würde
das Grundprinzip der Rechtsaufsicht, wonach zumindest vertretbare Interpretationen der Körperschaften zu akzeptieren und nicht zu beanstanden sind, in sein
Gegenteil verkehrt. Die Rechtsaufsicht würde zu einer faktischen Fachaufsicht
und der Aufsicht die Möglichkeit eröffnet, jegliches Verwaltungshandeln der Körperschaften nach Gutdünken selbst zu regeln. Zudem würde durch die unverhältnismäßige Erhöhung des Zwangsgeldes um das 400-fache auf bis zu 10 Mio. €
(§ 78 Abs. 5) der Befolgungszwang massiv verstärkt. Durch die zusätzlich angestrebte Einschränkung des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes würde sogar
ein effektiver Rechtsschutz gegen Aufsichtsmaßnahmen verwehrt.
2. § 78b (Entsandter für besondere Angelegenheiten bei den KBVen). Neben
dem weiterhin möglichen Beauftragten gem. § 79a SGB V ("Staatskommissar")
soll nunmehr u.a. dann, wenn bloße Anhaltspunkte für eine Gefährdung der ord1
nungsgemäßen Verwaltung gesehen werden, ein Entsandter bestellt werden
können, der im Innenverhältnis an die Stelle der Organe der KZBV treten soll und
deren Kosten von der KZBV zu tragen sind. Da diese „Anhaltspunkte“ von der
Aufsicht selbst zu definieren sind, handelt es sich hierbei im Ergebnis um eine
Blankett-Ermächtigung, die in einer weiteren Ausgestaltung die Funktionen der
Selbstverwaltungsorgane zur Disposition der Aufsicht stellt. Ebenso wenig wie die
Entscheidungsbefugnisse sind auch die Kosten für den Entsandten gesetzlich
begrenzt, so dass nur unterstellt werden kann, dass diese Kosten zumindest in
dem Maße dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unterstehen,
wie die Vergütungen für den Vorstand der KZBV.
3. § 78a Abs. 1 (Anordnung und Selbstvornahme von Satzungsänderungen).
Die Aufsicht soll die Satzung selbst regeln können, u.a. wenn Anordnungen hierzu nicht in einer gesetzten Frist nachgekommen oder die Satzung nicht hätte genehmigt werden dürfen. Die Satzungsautonomie bildet den zentralen Grundpfeiler
für die Selbstverwaltung insgesamt. Ohne nähere Begründung soll die Satzung
nunmehr zur auch rückwirkenden Disposition der Aufsicht gestellt werden und
dies selbst dann, wenn diese die Satzung zuvor genehmigt hat. Selbst ein Genehmigungsbescheid ist danach nichts mehr wert, so dass die KZBV zu keinem
Zeitpunkt mehr sicher sein kann, auf einer tragfähigen satzungsrechtlichen
Grundlage zu handeln.
4. § 78a Abs. 2 und 3 (Anordnung, Aufhebung und Ersetzung von Beschlüssen
der Vertreterversammlung). Jegliche Beschlüsse der Vertreterversammlung sollen von der Aufsicht nach Belieben aufgehoben bzw. ersetzt werden können, ohne dass hierfür eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses erforderlich wäre. Dies betrifft insbesondere, aber nicht nur Beschlüsse zur Umsetzung gesetzlicher Vorschriften oder aufsichtsrechtlicher Verfügungen, so dass sich die Aufsicht danach
auch ganz unabhängig von weitergehenden Maßnahmen nach Belieben an die
Stelle der Vertreterversammlung setzen kann. Damit wird die Funktion der Vertreterversammlung als letztes verbliebenes Selbstverwaltungsorgan der KZBV voll
umfänglich und ohne Not zur Disposition gestellt.
5. § 78 Abs. 6 (Haushaltsrechtliche Vorgaben). Die vorgesehene Geltung auch
der §§ 81 bis 83 SGB IV für die KZBV würde einen erheblichen Eingriff in die
Haushaltskompetenz der Vertreterversammlung als letztes verbliebenes Selbstverwaltungsorgan darstellen. Denn die Verpflichtung zur Bereithaltung von Betriebsmitteln in bestimmter Höhe und die inhaltlich nicht näher definierte Begren2
zung des Vermögens der KZBV würde u.a. zu erheblichen Schwankungen in der
Beitragshöhe führen.
6. § 79 Abs. 3 (Berichtspflichten des Vorstandes gegenüber der Vertreterversammlung bzw. deren Mitgliedern). Zukünftig soll jedes Mitglied der Vertreterversammlung vom Vorstand jederzeit einen Bericht über die Angelegenheiten der
Körperschaft verlangen können. Vollständige Transparenz des Verwaltungshandelns zwischen den Organen ist seit Jahrzehnten selbstverständliche Realität in
der Selbstverwaltung. Der Vorstand unterrichtet die Vertreterversammlung bereits
im eigenen Interesse regelmäßig über seine wesentlichen Tätigkeiten und entsprechende Berichte können auch bereits bisher angefordert werden. Die vorgesehene Regelung fördert aber eine allgemeine Misstrauenskultur und eröffnet zudem Möglichkeiten des Missbrauchs, wodurch die Vorstandstätigkeit wesentlich
erschwert und verzögert werden könnte. Eine entsprechende Verpflichtung sollte
daher allenfalls auf einen generellen schriftlichen Bericht bei Sitzungen der Vertreterversammlung begrenzt sowie eine entsprechende Geltung der §§ 4 und 6
IFG vorgesehen werden.
7. § 79 Abs. 3b (Grundsätzliche Anordnung namentlicher Abstimmung). Die
vorgesehene grundsätzliche Verpflichtung zur Durchführung namentlicher Abstimmungen in der Vertreterversammlung verletzt bereits das Demokratieprinzip,
das auch auf die Selbstverwaltung anwendbar ist. Die ersichtliche Zielsetzung,
damit haftungsrechtliche Konsequenzen an ein Abstimmungsverhalten zu knüpfen, befördert erneut die Misstrauenskultur des Gesetzentwurfes und beeinträchtigt die freie Entscheidung der Vertreterversammlung. Hierdurch, sowie die zusätzlich vorgesehene Verpflichtung zur schriftlichen Begründung von Beschlüssen
über eine geheime Abstimmung verletzen den Grundsatz der Freiheit des Mandates, das auch im Bereich der Selbstverwaltung Geltung beansprucht.
8. § 79 Abs. 6 (Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl des Vorsitzenden des Vorstandes). In Abhängigkeit von standespolitischen Mehrheitsverhältnissen wird
sich das vorgesehene Quorum nur schwer erreichen lassen. Es ist auch jedenfalls für die KZBV völlig unnötig und kontraproduktiv, da die KZBV über drei Vorstandsmitglieder verfügt und somit eine Patt-Situation im Vorstand nicht eintreten
kann. Insofern kommt dem Vorsitzenden des Vorstandes in der KZBV auch nicht
die im Gesetzentwurf angesprochene „besonders herausgehobene Stellung“ zu.
Die Bestimmung sollte daher zumindest auf den Bereich der KBV beschränkt
werden, auf deren Verhältnisse sie ersichtlich abstellt.
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9. § 79a Abs. 1 c (Form und Wirkung der Anordnung einer Geschäftsübernahme bei den KBVen). Die nicht näher begründete Kürzung der Vergütung des
Vorstandes, falls sich eine Geschäftsübernahme auf dessen Geschäfte bezieht,
ist durch nichts gerechtfertigt, würde massiven wirtschaftlichen Druck auf die Vorstandsmitglieder ausüben und diese auch als Privatpersonen und nicht in ihren
Funktionen als Vorstandsmitglieder treffen. Dadurch würde ihnen eine freie Willensbildung faktisch unmöglich gemacht und im Hinblick auf die zeitgleiche Erweiterung der Aufsichtskompetenzen einem System des vorauseilenden Gehorsams
den Weg bereiten. Dies ist umso weniger sachgerecht, als davon auch Vorstandsmitglieder betroffen wären, die sich innerhalb des Vorstandes ausdrücklich
gegen eine eventuell beanstandete Geschäftsführung ausgesprochen haben.
10. § 80 Abs. 4 (Abwahl der Vorsitzenden der Vertreterversammlung). Die Vorsitzenden der Vertreterversammlung sollen mit einfacher Mehrheit dann abgewählt
werden können, wenn Tatsachen das Vertrauen der Mitglieder der Vertreterversammlung in deren Amtsführung ausschließen. Die Vertreterversammlung hat bereits bisher autonom über ihre Vorsitzenden und deren Amtstätigkeit entschieden.
Derartig unnötige Bestimmungen befördern daher einmal mehr die allgemeine
Misstrauenskultur des Gesetzentwurfes. Sie sähen ohne Not Misstrauen und
Verunsicherung innerhalb der Vertreterversammlung.
Die KZBV lehnt den Gesetzentwurf insgesamt als maßlos und sachlich vollkommen ungerechtfertigt ab. Durch ihn wird die Funktion der Organe der KZBV und daher der KZBV
insgesamt vollständig zur Disposition der Aufsicht gestellt. Die für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung unverzichtbare Gestaltungshoheit unter Nutzbarmachung der besonderen Sachkenntnis der unmittelbar Betroffenen ginge in der dadurch begründeten, alleine an den Meinungen der Aufsicht orientierten Misstrauenskultur gänzlich verloren.
Die KZBV fordert daher, den Gesetzentwurf insgesamt zurückzuziehen.
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