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Gigi Deppe
12.10.2016
Bundesverfassungsgericht: Vorbericht CETA-Verhandlung
Die Musiklehrerin Marianne Grimmenstein hat es als Privatperson geschafft,
mehr als 60.000 Mitstreiter für eine Klage in Karlsruhe zu gewinnen. Der
Widerstand gegen CETA für sie eine ganz grundsätzliche Frage:“ Wir
brauchen eigentlich ökologisch, ökonomisch gesehen nicht noch mehr Handel,
wir brauchen eigentlich weniger Handel, weil wir haben so viel Schäden
inzwischen angerichtet, dass wir mit noch mehr Handel und noch mehr
Verbrauch, Verbrauch, Verbrauch machen wir unsere Erde komplett kaputt.“
Aber so grundsätzlich werden die Verfassungsrichter das CETA-Abkommen
sicher nicht angehen. Für sie ist vor allem von Interesse, ob die EU überhaupt
solch ein weitreichendes Abkommen abschließen darf. Und ob es der
deutschen Bundesregierung erlaubt ist, dabei mitzumachen.
Die Beschwerdeführer sagen: CETA ist undemokratisch. Denn die einzelnen
Parlamente in Europa hätten mit diesem Vertrag nicht mehr viel zu sagen. Sie
machen das zum Beispiel am so genannten „Gemischten CETA-Ausschuss“
fest. Dieser geplante Ausschuss soll nach dem Abkommen für alle wichtigen
Fragen zuständig sein. Also ein kanadisch-europäisches Gremium, das viel zu
sagen hat bei der Umsetzung von CETA. Zu viel, finden die Kritiker. Dieser
Ausschuss könnte ein Eigenleben entwickeln, das von den nationalen Staaten
nicht mehr kontrollierbar sei.
Außerdem stören sich die Kritiker daran, dass da ein zusätzliches
internationales Gericht kommen soll - ein Gericht, vor dem Investoren klagen,
hohen Schadensersatz verlangen und damit einheimische Gesetze aushebeln
könnten. So jedenfalls der Anwalt von der Gruppe um Marianne
Grimmenstein, der Bielefelder Rechtsprofessor Andreas Fisahn: „Der
wesentliche Einwand betrifft das, was man vorher Schiedsgericht genannt hat.
Nach dem neuen Vertragstext wird das wohl Tribunal heiße. Und diese
Tribunale sind Gerichte, die über Klagen von Investoren entscheiden und hohe
Schadensersatzsummen aussprechen können, wenn die Investoren in ihren
berechtigten Gewinnererwartungen verletzt werden.“
Thema in Karlsruhe wird sicher auch sein, ob das Abkommen vorläufig in Kraft
treten darf, so lange bis alle 28 EU-Parlamente zugestimmt haben. Das könne
Jahre dauern, sagen die Kritiker, trotzdem würde CETA in all der Zeit schon
Auswirkungen haben.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird auch in Karlsruhe erwartet und
sicher für CETA werben, vor allem mit dem Argument, dass dieses Abkommen
viel bessere Regeln vorsähe als vergangene internationale Verträge: „Das
Abkommen ist ein Quantensprung gegenüber den bisherigen Abkommen, die
Europa geschlossen hat.“
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Gigi Deppe
12.10.2016
Wobei die Verfassungsrichter die Sache erst mal nur vorläufig prüfen. Es geht
um einstweiligen Rechtsschutz. Also eine Abwägung: Was droht mehr
Schaden anzurichten – wenn wir die Sache vorläufig stoppen oder wenn der
Vertrag erst mal Realität wird? Roland Huber, Vorstand des Vereins „Mehr
Demokratie“, der auch klagt, glaubt an ein Signal aus Karlsruhe: „Die Politik
weiß und ich hoffe, dass damit zumindest die einstweilige Inkraftsetzung des
Vertrags verhindert wird.“
Donnerstagmorgen, wenn alles planmäßig läuft, wollen die Verfassungsrichter
ihre Entscheidung schon verkünden.
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