Steltner WS 2007/08 Vorlesung Entwicklung des russischen Romans => Turgenev 1 Ivan Turgenev, Väter und Söhne. [Übersetzung von Manfred von der Ropp] => In: Turgenev, Romane. Darmstadt 1964, 299-492 Zitate, in der Reihenfolge ihrer Nennung in der Vorlesung S.310 [Der alte Kirsanov zu seinem Sohn Arkadij:] "[...] Wir müssen uns jetzt wirklich nahekommen und einander richtig kennenlernen, nicht wahr?", "Gewiss", sagte Arkadij, "doch was für ein herrlicher Tag heute!", "Deiner Ankunft zu Ehren, mein Herz. Ja, der Frühling steht in vollem Glanz. Doch im übrigen stimme ich mit Puschkin überein erinnerst du dich, im Eugen Onegin heißt es: Wie traurig stimmt mich dein Erscheinen, O Frühling, Frühling, Liebeszeit! Welch..." "Arkadij!" erscholl aus dem Tarantass Bazarovs Stimme, "schick mir ein Streichholz für meine Pfeife." S.329 [Arkadij im Gespräch mit Bazarov:] "[...] Was für nützliche Ratschläge er mir gegeben hat... besonders... besonders über die Beziehungen zu Frauen." "Aha! Hat sich an der eigenen Milch verbrannt, auf fremdes Wasser pustet er. Das kennen wir!" [...] "Ja, denk doch an seine Erziehung, an die Zeit, in der er gelebt hat", bemerkte Arkadij. "An seine Erziehung?" unterbrach ihn Bazarov. "Jeder Mensch muss sich selbst erziehen - nun, wie ich zum Beispiel... Und was die Zeit anbelangt - weshalb soll ich denn von ihr abhängen? Soll sie doch lieber von mir abhängen. Nein, Bruder, das ist alles Zügellosigkeit, Nichtigkeit! Und was sind das für geheimnisvolle Beziehungen zwischen Mann und Frau? Wir Physiologen kennen diese Beziehungen. Studiere doch die Anatomie des Auges: woher soll, wie du sagst, ein rätselhafter Blick kommen? Das ist alles Romantik, Unsinn, Fäulnis, Künstlertum. Gehen wir lieber den Käfer ansehen." S.340 [Bazarov / Arkadij ] "Vorgestern sehe ich, dein Vater liest Puschkin", fuhr unterdessen Basarov fort. "Bitte erkläre ihm, dass das nichts taugt. Er ist doch kein Junge mehr: es ist Zeit, mit diesem Unsinn Schluss zu machen. Was für ein Spaß, in der heutigen Zeit den Romantiker zu spielen! Gib ihm etwas Vernünftiges zu lesen." "Was könnte man ihm denn geben?" fragte Arkadij. "Ja, ich glaube, Büchners Stoff und Kraft fürs erste." Steltner WS 2007/08 Vorlesung Entwicklung des russischen Romans => Turgenev 2 "Der Meinung bin ich auch", bemerkte Arkadij zustimmend. Stoff und Kraft ist in einer populären Sprache geschrieben." S.316 [Bazarov] "Ich werde den Frosch aufschneiden und nachsehen, wie er inwendig aussieht; und da ich und du die gleichen Frösche sind, nur dass wir auf zwei Beinen gehen, so werde ich dadurch erfahren, wie es in uns aussieht." S.349 [der alte Kirsanov] "Weißt du, woran ich mich erinnert habe, Bruder? Einmal habe ich mich mit unserem seligen Mütterchen gestritten: sie schrie und wollte mich nicht hören... Ich sagte schließlich zu ihr: Du kannst mich eben nicht verstehen; wir gehören eben zwei verschiedenen Generationen an. Sie war entsetzlich gekränkt, ich aber dachte: Was soll ich machen? Die Pille ist bitter, doch man muss sie schlucken. Jetzt sind wir an der Reihe, und unsere Nachfolger können uns sagen: Ihr gehört eben nicht unserer Generation an, schluckt doch diese Pille." S.301 [Anfang] "Nun, Pjotr? Noch nichts zu sehen?" fragte am zwanzigsten Mai des Jahres 1859 ein Herr in der Mitte der Vierziger mit verstaubtem Mantel und karierten Hosen [...] seinen Diener, einen jungen und pausbäckigen Burschen mit einem weißlichen Flaum am Kinn und kleinen trüben Äuglein. Der Diener, an dem alles: der Türkisring am Ohr, die pomadisierten, in verschiedenen Tönungen gefärbten Haare und die ehrerbietigen Körperbewegungen mit einem Wort, alles einen Menschen der jüngsten, vervollkommneten Generation verriet, blickte herablassend die Straße entlang und antwortete: "Nein, Herr, noch gar nichts zu sehen." S.488 [Beginn des Schlusskapitels] Sechs Monate waren vergangen seit Bazarovs Tod. Es war ein weißer Winter mit der rauhen Stille wolkenloser Fröste, dichtem, knirschendem Schnee, rosa Rauhreif auf den Bäumen, einem blass smaragdenen Himmel, Rauchkappen über den Schornsteinen, Dampfwolken aus den für einen Augenblick geöffneten Türen, frischen, gleichsam gebissenen Gesichtern der Menschen und dem eiligen Lauf durchfrorener Pferdchen. Der Januartag näherte sich bereits seinem Ende, die abendliche Kälte presste noch stärker die reglose Luft zusammen, und schnell erlosch das blutige Abendrot.
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