Integratives Todeskonzept entwickelt Philosoph erhält

URL: http://www.uni-jena.de/Mitteilungen/PM161005_AEMpreis16.pdf
Integratives Todeskonzept entwickelt
Philosoph erhält Nachwuchspreis der Akademie für Ethik in der Medizin
Die Akademie für Ethik in der Medizin (AEM) hat den Philosophen Dr. Daniel Kersting von der
Universität Jena mit ihrem Nachwuchspreis 2016 ausgezeichnet. Der Preis, der während der
AEM-Jahrestagung in Bielefeld überreicht wurde, ist mit 2.500 Euro dotiert. Die Akademie würdigt
Kerstings Arbeit über ein integratives Todeskonzept, das versucht, den Todesbegriff adäquat zu
definieren, und Vorschläge für eine angemessenere Aufklärung über Organspende entwickelt.
Seit Jahren werben Kampagnen für eine stärkere Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod. Im
November 2012 ist sogar ein neues Transplantationsgesetz in Kraft getreten, das den Zweck
verfolgt, durch umfassendere Aufklärung die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland zu
fördern. Kersting kritisiert, dass diese Kampagnen gar nicht aufklären, sondern moralischen Druck
erzeugen, indem sie die Entscheidung zur Organspende als Heldentat feiern. Meistens wird der
Tod der Spenderinnen und Spender dabei ausgeklammert. Ob man sich für oder gegen eine
Organspende entscheidet, hängt aber auch davon ab, was wir unter dem Tod des Menschen
verstehen.
Tod des Körpers oder Tod der Person?
In der ausgezeichneten Arbeit "Tod des Körpers oder Tod der Person? Anthropologisch-praktische
Untersuchungen zu einem integrativen Todeskonzept" beleuchtet Daniel Kersting kritisch
unterschiedliche Todesvorstellungen. Er bezieht sich dabei auf aktuelle philosophische Theorien
und gibt Empfehlungen zur Überprüfung des Hirntodkriteriums und zu einer angemesseneren
Aufklärung über Organspende ab.
Die aktuelle philosophische und medizinethische Debatte um die Angemessenheit des
Hirntodkriteriums wird von zwei Ansätzen bestimmt: Der eine Ansatz geht davon aus, dass der
menschliche Tod der Tod des Organismus ist, der andere Ansatz versteht ihn als Tod der Person.
Der Jenaer Philosoph zeigt in seinem Beitrag, dass beiden Ansätzen ein verkürztes Verständnis
des Menschen zugrundeliegt, das in seiner Anwendung zu zahlreichen Konflikten führt. Um diese
Konflikte zu lösen, entwickelt Kersting unter Rückgriff auf die philosophische Anthropologie von
Helmuth Plessner ein integratives Konzept des menschlichen Todes. Diesem Konzept zufolge
stirbt der Mensch weder als Organismus noch als Bewusstseinssubjekt, sondern als leibliche
Person, bei der Körper und Geist ineinander verschränkt sind.
Als praktische Konsequenz seiner Überlegungen fordert Daniel Kersting, das Hirntodkriterium als
Todeskriterium aufzugeben. Es könne aber weiter als Entnahmekriterium für die postmortale
Organspende fungieren. Auf diese Weise würde sich an der Transplantationspraxis selbst nichts
ändern. Es wäre aber einfacher, offen und ehrlich über die Organspende und über das, was an ihr
schwierig ist, zu sprechen. Ferner spricht sich Kersting für eine offenere Aufklärung zur
Organspende aus. Eine solche Aufklärung sollte keinen Druck zur Entscheidung aufbauen und
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auch Unentschiedenheit bei der eigenen Spendebereitschaft als respektable Haltung anerkennen.
Der Preisträger
Dr. Daniel Kersting hat an der Universität Marburg Philosophie, Germanistik und
Erziehungswissenschaften studiert und wurde im Fach Philosophie promoviert. Nach einer
mehrjährigen Berufstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie an der
Philipps-Universität Marburg ist Daniel Kersting seit 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Lehrstuhl für praktische Philosophie der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig. Seine
Dissertationsschrift trägt den Titel "Tod ohne Leitbild? Zur personalen Bedeutung des
menschlichen Todes".
Der Preisstifter
Die Akademie für Ethik in der Medizin ist eine interdisziplinäre und interprofessionelle
Fachgesellschaft für Medizinethik. Sie fördert den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs über
ethische Fragen in der Medizin, den Heilberufen und im Gesundheitswesen. Der Nachwuchspreis
der AEM ist mit 2.500 Euro dotiert und wird jährlich vergeben. Ausgezeichnet werden
wissenschaftliche Arbeiten von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus dem
Gebiet der Ethik in der Medizin.
Kontakt:
Dr. Daniel Kersting
Institut für Philosophie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 9
07743 Jena
Tel.: 03641 / 944123
E-Mail: [email protected]
Meldung vom: 05.10.2016 11:14 Uhr
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