Informationsblatt zum Bundesfreiwilligendienst - zur Niels

Miteinander und füreinander
„Drei Hasen und der Ohren drei. Und doch
hat jeder Hase zwei.“ Sie mögen stutzen und
sich fragen, was hat es denn mit diesem
kryptischen Wort auf sich. Und was will es
uns sagen?
Wer schon einmal eine der Wiegen des
Abendlandes besucht hat, das beschauliche
Paderborn, hat womöglich dort den Dom und
die Kaiserpfalz besucht, jenen Ort, an dem
der spätere Kaiser Karl der Große und Papst
Leo III. die Grundlage für das mittelalterliche
Heilige Römische Reich Deutscher Nation
geschmiedet haben. In einem eindrucksvollen Rosetten-Fenster findet man dort im
Kreuzgang der Metropolitankirche der mitteldeutschen Kirchenprovinz eine seltsame
Darstellung, die einem Mandala ähnelt. Drei
Hasen in schnellem Lauf, jeder versetzt um
120 Grad, um ein Zentrum kreisend, verbunden an den Ohren. Betrachtet man jeden
Hasen einzeln, so besitzt er zwei Ohren –
wie es sich für einen Hasen gehört. Nimmt
man das gesamte Motiv in Augenschein,
zählt man insgesamt nur 3 Ohren. Durch die
Winkelverschiebung und den Kreislauf bilden
die drei eine Einheit. Ein altes christliches
Motiv für die Dreifaltigkeit Gottes. Wie komme ich darauf? Bringen wir den Hasen in
unserem Kulturkreis doch eher mit dem
Frühling in Zusammenhang - als österlichen
Gabenbringer?
Weg-Wort | Oktober 2016
Ich erfreue mich in diesem sommerlichen
Frühherbst jeden Tag an einer ganz unverhofft direkt vor unserer Haustür im Vorgarten
gewachsenen Sonnenblume. Nach zwei
Umzügen innerhalb kürzerer Zeit sind wir
gerade erst im vergangenen Frühjahr sesshaft in den eigenen vier Wänden geworden.
Der Vorbewohner unseres Hauses hat
Haupt- und Vorgarten sehr gepflegt und jahreszeitlich gestaltet. Wir fanden die interessantesten und vielfältigsten Pflanzen und
Blumen vor. Als wir aus dem Sommerurlaub
zurückkamen, fielen uns die schnell wachsenden, treibenden Pflanzen auf, die schnell
in die Höhe empor eilten. Wenig später bildeten sich die markanten Knospen von Sonnenblumen, deren Blütenstand nicht nur
unsere drei Kinder entgegen fieberten. Als
die größte dieser Sonnenblumen dann fast
über Nacht erblühte, strahlten uns -Sie ahnen es – auf einem einzigen Stängel drei
große gelbe Sonnenblüten an. Drei Blüten
aus einer einzigen Wurzel, lebendig verbunden in einem einzigen Stamm. Als Theologe
fiel mir bei diesem Bild „3 in 1, 1 in 3“ gleich
unser Gottesbild ein. Wir glauben als Christen an den EINEN Gott, aber in DREI Personen. Vielleicht das größte Mysterium unseres Glaubens. Um es auch nur annähernd zu
erahnen, brauchen wir Bilder, so wie die drei
Paderborner Hasen oder auch unsere drei
Sonnenblumen.
Drei Personen? Ein Gott? Was soll das bedeuten? Schließen sich Singular und Plural
nicht aus? Sind wir als Christen vielleicht
doch keine echten Monotheisten, also „EinGott-Gläubige“?
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Wäre dem aber nicht so, glaubten wir an drei
Götter. Das aber bestreiten Frömmigkeit und
Theologie. Vielmehr liegt dem Bild eine
schwer nachvollziehbare, aber beglückende
Einsicht zugrunde: Gott ist IN SICH Beziehung. Und das, was diese Beziehung ausmacht, ist schöpferische (Vater), erlösende
(Sohn) und inspirierende Liebe (Geist). Als
menschliches Geschöpf stehen wir diesem
Gott nicht als kleines Lichtlein hoffnungslos
verloren gegenüber, sondern sind durch
Jesus Christus, ganz Gott und ganz Mensch,
mitten in diese innergöttliche Beziehung mit
hinein genommen.
sind aufeinander verwiesen. Auch und gerade dann, wenn wir verschieden sind. Der
Grund unserer bunten Unterschiedlichkeit
liegt in Gott selbst begründet.
„Heilige Pforte
der Barmherzigkeit“ an der Kathedrale St. Marien von Koszalin
(Köslin) in Westpommern. Foto:
MSP.
Soweit Dogmatik in Kurzform. Was bedeutet
das jetzt für uns? Wir glauben daran, dass
Gott Beziehung sucht und aufbaut, er geht
auf uns zu. Er ist ein „Gott für uns“, „mit uns“,
„bei uns“, „in uns“, „durch uns“, kein antiquierter überdimensionaler Monarch in oder
jenseits der Wolken. Wo er uns begegnet
und wir einander begegnen, berühren, tut
sich ein Stück Himmel ein. Jeder, der versucht, auf den anderen zuzugehen, ist ein
Bote der Menschenfreundlichkeit Gottes.
Menschen (und Institutionen wie unsere
Schulen und Horte), die sich öffnen und auf
andere zugehen, einladend sind und echtes
Interesse, Empathie und Sympathie zeigen
und leben, tun dies – bewusst oder unbewusst – aus dem Umstand heraus, dass Gott
uns aufeinander hin geschaffen hat. Wir
leben in Beziehungen, sind, wie es Aristoteles sagte „Gemeinschaftswesen“. Diese
Gemeinschaft ist nicht nur ein schlichtes
Nebeneinanderher, schon gar nicht eine
Rottenbildung, um Menschen anderer Hautfarbe, Religion, Kultur, Nation auszugrenzen.
Die Qualität dieser Beziehungen ist Liebe.
Nicht in erster Linie romantische Liebe, sondern ganz handfeste, alltagstaugliche Sympathie mit Herz und Hand. Gerade in diesen
Wochen und Monaten zeigen Christen und
auch unsere christlichen Schulen: Wir gehören als Menschheitsfamilie zusammen und
Weg-Wort | Oktober 2016
Foto: MSP.
Diakon Mario Spiekermann
Religionslehrer i.K.
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