Taubenfüße und Adlerkrallen

Leseprobe
Harro Müller
Taubenfüße und Adlerkrallen
Essays zu Nietzsche, Adorno,
Kluge, Büchner und Grabbe
AISTHESIS VERLAG
Bielefeld 2016
Abbildung auf dem Umschlag:
Carlfriedrich Claus: Studie zu Gedanken-Fingerbewegungen (1971)
(aus: Carlfriedrich Claus: Sprachblätter. Spenge: Klaus Ramm, 1987).
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Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Aisthesis Verlag Bielefeld 2016
Postfach 10 04 27, D-33504 Bielefeld
Satz: Germano Wallmann, www.geisterwort.de
Druck: docupoint GmbH, Magdeburg
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-8498-1187-7
www.aisthesis.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..............................................................................................................
7
I Nietzsche
Taubenfüße und Adlerkrallen
Friedrich Nietzsches Sprach- und Stilkonzeption ....................................
13
Genealogie als Herausforderung
Anmerkungen zu Friedrich Nietzsche und ein Seitenblick
auf Michel Foucault .........................................................................................
35
Lust und Schrecken
Beobachtungen zu Friedrich Nietzsches Die Geburt der Tragödie ........
57
Notizen zu Friedrich Nietzsches Konzept des Agonalen ........................
77
II Ästhetische Theorie
Beobachtungen über Beobachtungen
Einige Bemerkungen zu Adornos ästhetischer Theorie ...........................
91
Kritische Theorie und Realismusbegriff
Horkheimer, Adorno, Kluge ......................................................................... 105
III Authentizität
Begriffsgeschichte des Authentizitätskonzepts
Existenzphilosophie, Kritische Theorie, Systemtheorie,
humanistische Positionen .............................................................................. 131
Verwendungsweisen des Authentizitätsbegriffs
bei Theodor W. Adorno und Alexander Kluge ......................................... 147
IV Historisches Drama
Danton’s Tod: Eine Relektüre ......................................................................... 165
Der Krieg ist nicht zu Ende
Bemerkungen zu Christian Dietrich Grabbes Napoleon
oder die hundert Tage ....................................................................................... 185
Drucknachweise ............................................................................................... 207
Vorwort
Taubenfüße und Adlerkrallen markiert die Fortsetzung eines Programms. Es
geht wie bei den Bänden Giftpfeile (1994) und Gegengifte (2009) um Beiträge zu einer Theorie und Geschichte der Moderne, besonders der kulturellen Moderne.1 Der Beginn der Moderne wird – sattelzeitkonform – in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lokalisiert, sie besteht trotz massiver
Verschiebungen der Lebens-, Wissens-, Erfahrungs- und Kommunikationsmöglichkeiten als funktional differenzierte, tendenziell globalisierte Weltgesellschaft weiter fort und wird auch die absehbare Zukunft bestimmen.
Bei den in diesem Band präsentierten Beiträgen zu Theorie und Geschichte
der Moderne werden Projekte fortgeschrieben, die ich seit langem verfolge:
Ästhetische Theorie, Realismusbegriff, Authentizitätsbegriff, Historisches
Drama. Ich setze mich mit Adornos ästhetischer Theorie auseinander, diskutiere die Verwendung des Realismusbegriffs innerhalb der Kritischen Theo­
rie, untersuche die Gebrauchsweise des Authentizitätsbegriffs bei Adorno
und Kluge, liefere einen Essay zu dessen Begriffsgeschichte und interpretiere
zwei moderne historische Dramen: Büchners Danton’s Tod und Grabbes
Napoleon oder die hundert Tage, bei denen mich besonders interessiert, wie
Gewalt (Adlerkrallen) in den Stücken präsentiert und auf welche Weise im
paradoxen Spannungsfeld zwischen Notwendigkeit und Kontingenz mit ihr
umgegangen wird. Als Forschungsgebiet neu hinzugekommen ist die Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche, dem ich vier Essays widme. Diese
intensive Beschäftigung mit Nietzsche ist vielleicht erklärungsbedürftig. Als
ich mich Ende der Neunzigerjahre einmal wieder in das Werk von Theodor W. Adorno versenkte, las ich auch den Text seiner Vorlesung Probleme
der Moralphilosophie, in der Adorno über sich selbst folgende Anmerkung
macht: »Es ist aber […] nicht im leisesten meine Absicht, auf Nietzsche herumzuhacken, dem ich, wenn ich aufrichtig sein soll, am meisten von allen
sogenannten großen Philosophen verdanke – in Wahrheit vielleicht mehr
noch als Hegel.«2 Das inspirierte mich, mich intensiv und ausdauernd mit
Nietzsche zu beschäftigen. In der Folgezeit veranstaltete ich an der Columbia
1 Müller, Harro, Giftpfeile. Zu Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 1994;
ders., Gegengifte. Essays zu Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 2009.
2Adorno, Theodor W., Probleme der Moralphilosophie, hg. v. T. Schröder, Frankfurt a. M. 1996, S. 255.
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Vorwort
University seit 2009 drei Seminare, die sich ausschließlich Nietzsche widmeten. Die hier vorgestellten vier Essays über seine Sprach- und Stilkonzeption,
über seinen Genealogiebegriff, über seine Reformulierung des Tragischen
und seine Konzeption des Agonalen sind Ergebnis dieser Seminare und und
mehrfacher genauer Lektüren seiner veröffentlichten, seiner unveröffentlichten Schriften und seiner Briefe. Insbesondere möchte ich mich bei den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Seminare bedanken, deren Diskussionsbeiträge und Arbeiten mir viele neue, interessante und weiterführende
Perspektiven eröffnet haben. Die in diesem Band abgedruckten Essays sind
im Wesentlichen seit 2009 geschrieben worden. Allerdings habe ich einen
2001 auf Englisch veröffentlichten Adorno-Aufsatz ins Deutsche übersetzen
lassen und präsentiere ihn an dieser Stelle in leicht veränderter Form, weil ich
der Meinung bin, dass dieser Text weiterhin wichtige und bedenkenswerte
Perspektiven eröffnet, die für eine Beschäftigung mit Adorno von Relevanz sein könnten. Sodann habe ich einen von mir verfassten Abschnitt aus
einem zusammen mit Susanne Knaller geschriebenen und 2005 in Ästhetische Grundbegriffe publizierten Artikel über authentisch/Authentizität aufgenommen, weil in ihm auch Positionen kurz vorgestellt werden (Adorno,
Habermas, Luhmann), mit denen ich mich im Laufe der Zeit ausführlich
auseinandergesetzt habe.3 Ein Originalbeitrag ist der Einleitungsessay »Taubenfüße und Adlerkrallen. Friedrich Nietzsches Sprach- und Stilkonzeption«, der dem Band auch den Titel gegeben hat.
Sehr bedanken möchte ich mich bei meinem Kollegen und Freund
Andreas Huyssen, der das Manuskript gelesen und viele nützliche und konstruktive Vorschläge beigetragen hat, bei Hannes Bajohr für freundlichfreundschaftliche, zügige Zusammenarbeit bei der technischen Herstellung
des Bandes, das Lesen der Korrekturfahnen und seine genau zusehende
Übersetzung des Adorno-Artikels, bei Susanne Knaller, nicht nur für ihre
sorgfältige und anregungsreiche Lektüre des Manuskriptes, sondern auch
für ihre Geduld und ihren Zuspruch, mit denen sie das Nietzsche-Projekt
begleitet hat. Ihr sei dieser Band gewidmet: To Susanne.
Für die Leserinnen und Leser dieser Essaysammlung gilt weiterhin der
zunächst in Geschichte zwischen Kairos und Katastrophe. Historische Romane
im 20. Jahrhundert (1988) zitierte und in Giftpfeile (1994) und Gegengifte
3Knaller, Susanne/Müller, Harro, »authentisch/Authentizität«, in: Ästhetische
Grundbegriffe, hg. v. K. Barck u. a., Bd. 7, Stuttgart 2005, S. 40-65.
Vorwort
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(2009) wiederaufgenommene Satz,4 den Oskar Negt und Alexander Kluge
in ihrem Vorwort zu Geschichte und Eigensinn formuliert haben: »Mehr als
die Chance, sich selbständig zu verhalten, gibt kein Buch.«5
Bibliographie
Adorno, Theodor W., Probleme der Moralphilosophie, hg. v. T. Schröder, Frankfurt a. M. 1996.
Knaller, Susanne/Müller, Harro, »authentisch/Authentizität«, in: Ästhetische
Grundbegriffe, hg. v. K. Barck u. a., Bd. 7, Stuttgart 2005, S. 40-65.
Müller, Harro, Geschichte zwischen Kairos und Katastrophe. Historische Romane im
20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1988.
–, Giftpfeile. Zu Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 1994.
–, Gegengifte. Essays zu Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 2009.
Negt, Oskar/Kluge, Alexander, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt a. M. 1981.
4Müller, Harro, Geschichte zwischen Kairos und Katastrophe. Historische Romane
im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1988.
5 Negt, Oskar/Kluge, Alexander, Geschichte und Eigensinn, Frankfurt a. M. 1981.